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Die topographischen Aufnahmen im Hochgebirge

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Von Fr. Becker ( Section Tödi ).

Die topographischen Aufnahmen im Hochgebirge Alljährlich werden an die Mitglieder des schweizerischen Alpenclubs entweder in Form der Excursionskarten oder als Beilage zum Jahrbuche einzelne Blätter unseres eidgenössischen topographischen Atlas zum practischen Gebrauche oder doch wenigstens zum Studium abgegeben. Es ist auch erfreulich, wie jedes Jahr das Interesse an diesen Publicationen sich steigert, in gleichem Male, wie sich das Verständniß für die Topographie entwickelt. Beides, Interesse und Verständniß bedingen sich gegenseitig; wecken wir das eine, so fördern wir auch das andere; darum möchte der Schreiber dies in den folgenden Zeilen auch sein bescheidenes Scherflein dazu beitragen, den Alpenclubisten mit unserer topographischen Karte, soweit sie das Hochgebirge betrifft, noch etwas näher bekannt zu machen.

Wenn wir die Blätter im Maßstabe der Originalien, in 1:50000, zur Hand nehmen, so denken wir im Allgemeinen gar nicht daran, wie man wohl diese Aufnahmen wirklich gemacht hat. Die Karten sind einmal da, wie die Steine und Bäume, wie die Berge und Thäler. Ja es gibt thatendurstige, von redlichem Forschergeist erfüllte Clubgenossen, welche an der Hand der Karte emsig nach'neuen, unerforschten Gebieten suchen und glauben, da und da sei wohl noch Niemand gewesen, das sei gewiß noch unbekanntes Land, weil sie noch nie etwas von Touren in demselben gelesen oder gehört.

In den meisten dieser verlorenen Winkel, diesen unbekannten Schluchten und Sätteln ist aber doch schon der Topograph gestanden, der in aller Stille seine Pionnierarbeit verrichtet, von der aber gewöhnlich nur das Resultat an 's Licht der Außenwelt kommt, nicht aber die Art und Weise seiner Entstehung.

Es dürfte nun die Leser des Jahrbuches interessiren, etwas über die Ausführung dieser Karten zu erfahren, wobei der Verfasser nichts weiter im Auge hat, als eine allseitig richtige Beurtheilung'dieser Arbeiten zu ermöglichen.

Die Gebirgstopographie ist eine Specialität, in welcher bekanntlich die Schweiz bisher das Hervorragendste geleistet hat und auch noch eine Zeit lang leisten wird. In andern Kartenproductionen, so z.B. im Maßstabe 1:25000, sind uns andere Staaten, wie Baden und Wurtemberg, schon sehr nahe, zum Theil auch vorgekommen, wenn auch die Originalien, wie sie z.B. im Kanton Zürich, namentlich durch Ingenieur Wild, jetzigen Professor am eidgen. Polytechnikum, geliefert wurden, bis heute wohl unerreicht geblieben sind. Der Grund, warum andere Staaten heute ebenfalls vorzügliche Detailkarten publiciren, liegt aber hauptsächlich in dem Umstände, daß ihnen große Mittel, so namentlich durchgehends ausgeführte Ka-tasterpläne und Aufnahmen in sehr großem Maßstabe zu Gebote stehen. Das besitzen wir in der Schweiz noch lange nicht überall, und daher werden auch die Karten in 1:25000 und 1:50000 directe in diesem Maßstabe aufgenommen. Dazu kommt dann noch der Umstand, daß bei uns Republikanern alles recht billig gemacht werden sollte, daß also nicht unumschränkte Crédite für die Zwecke der Landesvertheidignng und Landesvermessung vorhanden sind. In löblicher Eidgenossenschaft will jeder einfache Bürger sehr genau wissen, wo all' das Geld hinkommt, das der Staat ausgeben muß. So ist es wohl ein Unicum, daß um den Preis von Fr. 1,130,000 ein solches Werk entstehen konnte, wie der Dufouratlas in 1:100000 * ), und es muß als ein Glück betrachtet werden, daß die Schweiz Männer gehabt und gefunden hat, die mit so großer Hingabe unter kleinen Ansprüchen ihre schönste Manneskraft diesem Werke gewidmet haben, einzig in dem Bestreben, dem Vaterlande Nutzen und Ehre zu bringen, und nicht in der Aussicht auf eine Versorgung, nachdem sie ihre Kraft und Gesundheit in die Schanze geschlagen.

Der Grund zu unsern Mehrleistungen liegt hauptsächlich in dem Systeme, das wir in der Schweiz für die Bearbeitung der Karten aufgestellt haben. WährendVgl. Jahrbuch VII, pag. 349.Anm. d. Bed.

alle andern Staaten die Landestopographie rein den militärischen Interessen unterordnen und vom militärischen Gesichtspunkte aus betreiben, wurde in der Schweiz schon von Anfang an namentlich das volkswirthschaftliche und wissenschaftliche Interesse betont. Nicht allein von den Militärbehörden der Zwanziger-und Dreißigerjahre, sondern ebensosehr von gemeinnützigen und wissenschaftlichen Gesellschaften ging der Impuls aus zu einer umfassenden Landesvermessung, wobei man besonders den Stand der Topographie in den Gebirgsgegenden im Auge hatte. Die Landesvermessung war vornehmlich ein Werk des Friedens; weil sie aber auch in hohem Maße den Interessen der Landesverteidigung diente und deren Forderungen entsprach, und man auch in den technisch gebildeten Officieren der Armee die richtigen Männer zur Leitung des Werkes gefunden, wurde die Ausführung desselben dem damaligen Oberstquartiermeisteramt übertragen und ein eigenes topographisches Bureau unter der Direction von General Dufour in 's Leben gerufen. Dieses Bureau hatte das Glück, sich vortreffliche Kräfte zu acquiriren, wie die Herren Bétemps, Siegfried, L' Hardy, Wolfsberger, Stengel, Goll u. A., und daran liegt das Hauptmoment für das Gelingen des Werkes. Man hatte Fachleute gewonnen und konnte sich diese auch erhalten. Diese Fachleute lebten nur ihrer Aufgabe, sie studirten, vervollkommneten sich und erreichten diese Höhe. Das ist auch heute noch der Grund, warum wir speciell im Gebirge mehr leisten können als andere Staaten. In den übrigen Staaten besteht nämlich der Usus, daß zu den topographischen Aufnahmen Officiere des Generalstabes und des Genie einfach kommandirt werden, die allerdings auch mit wissenschaftlicher Bildung und meist guter Begabung an ihr Werk gehen, aber zu wenig lange dabei bleiben, um sich auf einen höhern Grad der Vervollkommnung zu bringen. Das Topographiren ist dort ebensosehr Mittel zur Ausbildung der Officiere in der Topographie und Landeskunde als Endzweck. Abgesehen davon, daß dann diese Officiere fast allein nur das militärische Moment beachten und die tactischen Forderungen im Auge behalten, leidet auch die characteristische Darstellung, indem schablonenhaft, streng systematisch und nach einheitlichem Muster gezeichnet werden muß. Von naturgetreuer Darstellung und künstlerischer Auffassung kann dort keine Rede sein, wo Alles gleichmäßig herauskommen muß. Der gute Zeichner braucht nicht mehr Naturwahrheit in seine Curven und Umrisse zu bringen als der weniger begabte; es braucht nur ein Mittelmaß erreicht zu werden, weil eben nur die Erreichung eines solchen durch Alle möglich ist.

Bei uns ist es damit nun etwas anders bestellt. Wir fassen die Topographie von einem allgemeineren wissenschaftlichen Standpunkte auf, und die Einnahme dieses Standpunktes bewirkt es eben auch, daß z.B. das Gebirge so naturgetreu dargestellt werden kann, wie es thatsächlich der Fall ist. Wir lassen in erster Linie jedem Arbeiter seine individuelle Darstellungsmanier, die natürlich im Großen und Ganzen bei Allen die nämliche ist, entsprechend der nämlichen Auffassung der Arbeit und ihrer Anforderungen, die aber nicht in irgend eine starre Form hineingezwängt Die topographischen Aufnahmen im Hochgebirge.335 wird. Dabei kann sich jeder Einzelne frei fortentwickeln, im Wettstreit mit Andern weiter streben, im Vergleiche mit diesen sich verbessern, dem Vollkommenen sich zu nähern suchen. Jeder hat dann in Diesem oder Jenem seine besondere Force, der Andere lernt die auch kennen und eignet sich dieselbe an; Alle streben vorwärts und fördern sich dabei gegenseitig. Würde man für Alle allzubindende Vorschriften aufstellen, wie es z.B. in Italien geschieht, wo die Originalien mit Hilfe von photographischem Verfahren tels quels publicirt werden, so wäre diese fortdauernde Ausbildung ungemein gehemmt. Die Freiheit fördert also den Fortschritt auch auf diesem Gebiete; jede Individualität kann zur Geltung kommen, wobei natürlich nur das Gute erhalten bleibt, während das Schädliche nicht aufkommt.

Man kann nun allerdings einwenden: dann gebe es aber eine gar zu wohl assortirte Musterkarte von Blättern, wenn der Walliser ein anderes Tableau bringt als der Bündner, wenn gar der Eine katholische Topographie triebe und der Andere reformirte. Das ist nun nicht so gefährlich, weil eben die Auffassung im Grunde bei allen- die nämliche ist und überdies, wenigstens bis heute, ein vortreffliches Regulativ im Stecher dieser Blätter, im Lithographen, vorhanden ist. Da besitzen wir nun in der Schweiz einen Künstler, einen Meister in seinem Fache, unsern Leuzinger. Wir nennen ihn mit Stolz „ unsern Leuzinger ". Man wolle mir verzeihen, wenn ich an dieser Stelle ihm unser Aller Anerkennung aussprechen möchte. Wohl wenige außer den zunächst daran Betheiligten wissen zu 336Fr. Becker.

schätzen, was es heißen will, alle diese verschiedenen Originalien so richtig aufzufassen, so getreu wiederzugeben, mit Wahrung ihres Characters und einheitlicher künstlerischer Durcharbeitung, so, daß schließlich alle Blätter bei aller Individualität doch ein einheitliches Gepräge haben. Das kann nur ein Meister, der eingeweiht ist in alle die Details der Terraindarstellung, der alle die Manieren und Eigenthümlichkeiten der Zeichner kennt. Mit welcher Freude und Befriedigung können wir unsere schwierige Aufgabe auf dem Terrain lösen, mit welcher Geduld und Hingebung alle Details in der Federzeichnung anbringen, wenn wir wissen, daß der Stecher im Stande ist, sie wiederzugeben, und getreu wiederzugeben! Welcher Rückschlag aber auf die Arbeit müßte erfolgen, wenn ein Stecher unsere Originale in die Hände bekäme, der Zeit seines Lebens keinen Felsen in der Natur gesehen hat, oder nur das mindeste Verständniß hat für die Wiedergabe einer Felspartie in der Zeichnung! Herr Leuzinger ist nicht nur Stecher, er ist auch Zeichner; über alles aber ist er ein guter Sohn seines Vaterlandes, der mit bewunderungswürdiger Hingebung sich in alle Schwierigkeiten seines Faches hineingearbeitet hat und immer allen berechtigten Wünschen und Rathen der Ingenieure bereitwilligst entgegengekommen ist, immer nur, um der schweizerischen Topographie Ehre zu machen. Wir wollen ihm diese Anerkennung zollen, so lange er noch thätig ist, und nicht erst einmal in einem pflichtschuldigen, mildthätigen Nekrologe, den wir allerdings noch sehr weit hinaus wünschen wollen.

Betrachten wir uns einmal die bis heute allmälig erschienenen Gebirgsblätter etwas näher. Da bemerken wir namentlich, abgesehen von der fortschreitenden Vervollkommnung des Stiches-, einen wesentlichen Unterschied in der Ausführung der Felszeichnung und in der weitergehenden Detaillirung der Formen. Der Grund davon liegt nun in zwei Umständen. Einmal waren die ursprünglichen Originalaufnahmen in 1:50000 nur berechnet, der Karte in 1:100000 als Grundlage zu dienen, und hatte damals Niemand daran gedacht, diese Aufnahmen in ihrem Originalmaßstabe zu publiciren. Man konnte sich daher mit einer mehr summarischen und schematischen Darstellung begnügen. Erst Herr Oberst Siegfried erreichte es, daß dieses kostbare Material nicht in den Schränken des Bureau liegen bleiben mußte, sondern zur weitern und eigentlichen Verwerthung kam. Heute ist das anders; wir bearbeiten die Originalien unter der Voraussicht, daß sie auch so publicirt werden, daß also alles darin aufgenommen werden muß, was überhaupt im Maßstabe von 1:50000 noch zur Darstellung gelangen kann, daß auch so fein und detaillirt gezeichnet werden soll, als es der Stecher noch wiederzugeben im Stande ist. Der zweite Grund ist der, daß die Anschauungen in der Gebirgstopographie sich diese Zeit hindurch auch etwas geändert haben. Früher wollte man, gemäß den Instructionen, nur die Formen wiedergeben, mit schematischer Andeutung der Beschaffenheit des Terrains, mit Unterscheidung, ob Vegetationsflächen, Fels oder Gletscher. Alles sollte in einfachen Curven dargestellt werden, um weniger Zeit auf die Sohraffirung 22 verwenden zu müssen; die Curven waren also nichts anderes als das Gerippe für die nachher anzubringenden Schraffen. Von Vegetation entblößte Flächen waren z.B. mit schwarzen Curven zu behandeln, in Schutthalden glatt verlaufend, in Karrengebieten etwas eckiger, in flachen Felspartieen, Platten, „ Köpfen " etc. unterbrochen mit Stufen und in eigentlichen Felswänden mit sogenannter „ Felszeichnung ", da die Curven zu nahe kämen. Eine Wiedergabe des Schichtenverlaufes, von Faltungen in den Felspartien war unstatthaft, da so geschwungene und zurückgebogene Linien nicht als „ Fonnenlinien " betrachtet werden konnten und eine falsche Anschauung bewirkten. Die Linien der Zeichnung sollten nur der Form angepaßt sein, wie man etwa die Zeichnung nach einem Gypsmodell schraffirt, oder ein landschaftliches Bild in großen Umrissen. Der „ Character " kam dann nur im großen Ganzen zum Ausdruck und auch das nicht überall. Mustergültiges hat in dieser allgemeinen Auffassung mit getreuer Wiedergabe der Formen und Angabe des allgemeinen Characters des Terrains und der ganzen Gebirgsgruppen, unter Weglassung der Details, die in dem Maßstabe von 1:100000 nicht mehr zur Geltung kommen konnten, namentlich Herr Bétemps, unser „ Veteran ", geleistet, und seine Minuten sind unsere besten Vorbilder, als eine wahrhaft klassische Ausführung der gestellten Aufgabe. Stengel zeichnete seine Originalien mit staunenswerther Feinheit und Eleganz; mit einem eigentlichen künstlerischen Wurfe aber wußte besonders Wolfsberger seine Blätter zu bearbeiten. Seine Aufnahmen sind einheitlich gezeichnet, mit großer Gewandtheit und Sicherheit des Striches, aber unter dieser „ Strichlage " litt allerdings die naturgetreue Wiedergabe der Felspartieen. Ebenfalls Vorzügliches leistete Siegfried, welcher namentlich durch die große Klarheit der Darstellung brillirte. Es waren da noch mehr solcher hervorragender Namen zu nennen, wie L' Hardy, Coaz, Jacky; Mohr etc., an deren Originalien wir uns nicht minder heranbilden können; wir dürfen aber hier nicht zu weit ausholen. Summa Summarum gereicht es uns eben zur hohen Freude, constatiren zu können, daß alle diese Männer nicht nur so gearbeitet haben, daß ihr Material genügte zur Herstellung des Dufouratlas im Maßstabe 1:100000, sondern daß sie solche Blätter hervorbrachten, welche auch als Originale publicirt werden durften und welche wir mit Stolz heute im Atlas der Originalaufnahmen publiciren.

Wir brauchen uns diese Befriedigung nicht stören zu lassen durch den Umstand, daß die neuern Lieferungen etwas mehr Vollendung zeigen als die altern; das entspricht eben den höhern heutigen Anforderungen, indem man, sobald man einmal Gutes hat, noch Besseres möchte; Mehrleistung und Mehrforderung stehen immer in Wechselwirkung. So mußten sich unter den Fortschritten in den übrigen Wissenschaften auch die Anschauungen über die Anforderungen an die Gebirgstopographie etwas reformiren. Man bezeichnet also heute nicht mehr getreu gezeichnete Schichtenbiegungen und Falten als „ Chignons und Perrüken. " Dadurch, daß sich die Jüngern Topographen, die jüngere Schule, wie ich sagen möchte, auch mit dem Studium der Geologie, insbesondere der Stratigraphie befaßten, ist wohl sicherlich wieder ein wesentlicher Fortschritt erreicht worden, ein Fortschritt, der uns wieder weit über ähnliche Publicationen des Auslandes emporhebt. Die Geologen nicht weniger als die gewöhnlichen Bergsteiger werden ihnen das zu Dank wissen. Das erhöht die Verdienste der altern Topographen noch um so mehr, daß, wenn wir uns auch heute etwas von ihnen abwenden, sie uns eine solche vorzügliche Grundlage geschaffen haben, auf der wir eben unserseits auch wieder etwas Rechtes aufbauen können.

Um die Aufnahmen im Maßstabe von 1:50000 besser zu verstehen, wollen wir zusehen, wie sie eigentlich gemacht werden. Da können wir kurz sein, die ganze Aufnahmsmethode ist höchst einfach; aber in der Anwendung des Einfachen, der gleichen Methoden in allen Fällen besteht die Schwierigkeit. Die Grundlage für jede Aufnahme bildet ein Netz von Fixpunkten, welche durch Triangulation mittelst des Theodoliths bestimmt sind. Als solche Fixpunkte ( 6, 10 bis 15 auf eine Section von 9,1 Quadratstunden Flächeninhalt ) wählt man die am weitesten sichtbaren und leicht erkenntlichen Gipfel und Aussichtspunkte, sowie Kirchthürme, Kapellen etc. Wahrzeichen für solche Haupt- und Zwischenpunkte sind meist die sogenannten „ Steinmandli ", welche die Touristen so häufig antreffen und wohl auch nicht immer mit derselben Sorgfalt wieder aufrichten, mit der sie Aussicht und Appetit in den Wahrzeddeln notirt und deponirt haben. Es mag hier nichts schaden, anzudeuten, welche fatale Folgen es oft für den Topographen haben kann, wenn er sein mühsam errichtetes und bestimmtes Signal von einem andern Punkte aus nicht mehr erkennen kann und dann wieder extra da hinauf muß, um zu constatiren, ob Freund X oder Y einer Flasche Sassella oder St. Julien den Rest gegeben und in der Eile vergessen hat, das Steinmandli wieder so herzustellen, wie es vorher gewesen. Umgekehrt sind wir den Clubgenossen immer sehr dankbar, wenn sie auf den von ihnen erklommenen Höhen flotte „ Zeichen " errichten, die weithin sichtbar sind und nicht vom ersten besten Sturmwinde umgeblasen werden.

Diese Fixpunkte werden nun nach ihren Coordinaten mit möglichster Genauigkeit auf die Pianchette aufgetragen; sind ihrer eine genügende Anzahl vorhanden, so kann man gleich an die Detailvermessung schreiten; im ungünstigem Falle muß man die Triangulation auf graphischem Wege, mit dem Meßtische, weiter vervollständigen. ( Hiebei bedienen wir uns begreiflicherweise keiner Meßtische, hinter die man sich bei einem bevorstehenden Angriffe durch einen Alpstier verschanzen könnte, sondern kleiner leichter Instrumente, welche sammt und sonders auf einen ordentlichen Tornister gepackt werden können, die Stativftiße in der Mitte auseinandergeschranbt und zusammengelegt. ) Hat man dann durch diese graphische Triangulation eine genügende Zahl Punkte genau bestimmt, so beginnt die Detailaufnahme, indem man die graphische Triangulation einfach fortsetzt. Directe Meßverfahren, z.B. mit Distanzmesser, können natürlich im Gebirge keine mehr angewandt werden, da muß man sich mit der sogenannten Einschneidmethode, Intersection, behelfen. Die eine Thalseite wird von der gegenüberliegenden aufgenommen. Man stellt sich z.B. auf einen Punkt des einen Bergzuges, bestimmt dessen Horizontalprojection pothenotisch aus andern bekannten Punkten, seine Höhe durch Messung der Höhenwinkel und Abgreifen der Horizontaldistanzen und visirt nun nach einer Anzahl von Punkten des andern aufzunehmenden Bergzuges. Als solche Punkte werden diejenigen gewählt, welche die Form des darzustellenden Objectes am schärfsten und sichersten wiedergeben lassen, markante Punkte, die auch von einem anderen Standpunkte aus scharf zu erkennen sind, so alle Gipfel, Sättel, Ecken, Fuß und Kopf der Felswände, Wasserfälle, Bachecken, einzelne Felsen, Bäume, Hütten etc. Zu jeder Visur des Fernrohrs wird der bezügliche Höhenwinkel abgelesen und längs der Linealkante der Kippregel eine feine Linie gezogen und dieselbe mit der dem Punkt entsprechenden Nummer versehen. Von einer zweiten analog der ersten bestimmten Station aus werden die nämlichen Punkte wieder anvisirt und „ abgeschnitten "; die Schnittpunkte der entsprechenden Visuren bezeichnen dann die Horizontalprojectionen der resp. Punkte. Natürlich sind die Standpunkte so zu wählen, daß die Schnitte günstig werden, nicht zu flach und nicht zu spitz; wichtige Punkte werden mehrmals anvisirt und abgeschnitten. Die Höhen ergeben sich wieder aus den Horizontaldistanzen und den Neigungswinkeln. Dieses allgemeine Verfahren wird nun immer wiederholt, so daß man schließlich ein Gerippe von Punkten erhält, welche, wie dem Bildhauer seine Mar-kirpunkte, die Form des darzustellenden Objectes be- stimmen. Nach diesem Gerippe werden dann die Linien -des Terrains eingezeichnet und die Curven interpolirt, à vue, mit möglichst getreuer Wiedergabe ihres Verlaufes und den richtigen Abständen nach den Höhen der bestimmten Punkte. Das ist also an und für sich einfach und braucht so ein Topograph gerade kein Professor zu sein. Und doch ist 's nicht so einfach. Erstens mit dem einzigen einfachen Mittel überall durchzukommen, ist nicht immer so einfach, wie es scheint; dann muß man eben doch zeichnen können, und da ist das Können eben so wichtig als das Wissen. Die ganze Bodenfiguration muß vom geistigen Auge erfaßt werden — man interpolirt die Curven nicht erst auf dem Bureau mechanisch in die gemessenen Punkte hinein; sie müssen vielmehr auf dem Terrain gezeichnet, d.h. das letztere direct nachmodellirt werden. Also richtige Auffassung der Terrainformen, wie bei einem guten Führer ein förmliches Gefühl für dieselben, richtige Schätzung der Distanzen und Neigungen, sind die Erfordernisse zur guten Darstellung, und dies ist eine Sache, die nicht Jedem gleich gegeben ist, die man sich auch nicht nur so anlernen kann. Auch wird, wer nicht gerade in den Bergen aufgewachsen ist oder sich sehr viel darin herumgetrieben hat, nur schwer und langsam ein guter Gebirgstopograph werden. Und was befördert am meisten eine richtige Auffassung der Terrainformen? Das Verständniß für den geologischen Aufbau einer Gebirgsgruppe. Durchschaut man den innern Bau eines Berges, so erkennt man auch besser seine äußere Form und kann sie se darstellen, daß sie eben mit diesem intteim Baue stimmt.

Man kann einen Abhang des Berges gleich so behandeln, daß er mit dem andern zu der richtigen Form sich zusammensetzt. Kenne ich den Verlauf der Schichten und Bänder, so kann ich das Bild auf dem Terrain selbst so entwerfen, daß ich bei der Reinzeichnung keinen Zweifel mehr habe, was dies und jenes bedeuten soll, und was noch wichtiger ist, ich kann den einen Gipfel so zeichnen, daß man ihn eben von dem andern erkennt, also Individualisirung. Während man früher die Felspartieen einfach schematisch wiedergab, durch die bestimmt gewählte Manier der „ Felszeichnung ", wobei man oft blos den Rand der Felsen angab und die Ausfüllung daheim besorgte oder einfach dem Bureauzeichner oder Stecher überließ,, zeichnen wir heute die Felsen an Ort und Stelle,, wirkliche Felsen, wie sie sind. Wir lassen uns die^ Zeit nicht reuen, detaillirte Ansichten der Felspartieen aufzunehmen und scheuen auch die Auslagen nicht,, alle Photographien zu kaufen, die uns in einer möglichst getreuen Wiedergabe der Felsstructur und des. Characters anterstützen. Darin, daß wir die Natur. copiren und nicht schematisiren oder conventioneil zeichnen, liegt die Hauptneuerung und der Haupt-untereelned unserer schweizerischen Karten gegenüber ähnlichen des Auslandes.

Damit ist um hauptsächlich den Geologen und den Bergsteigern gedäeat, die sich selbst einen Berg-ansehen wollen, tespor sie ihn ersteigen, die nicht nur so am Gänjjelbanrie ftes Führers sich hinauflootsen lassen; man kann .ate » die Durchgänge, Couloirs, Bänder selber süchran,

Der Geologe speciell braucht nicht mehr mit Gewalt horizontale Schichten zu suchen, wo diese in Wirklichkeit Vertical stehen, er kann, wenn er selbst die Karte versteht, seine Formationen hinein zeichnen, wie sie der Topograph in ihrem Hauptverlaufe und ihrer Lagerung bereits angegeben hat; seine Zeichen für Streich- und Fallrichtung der Schichten werden mit den Angaben des Topographen stimmen. Kleine Hügel und Terrassen wird er als Moränen oder alte Thalstufen erkennen, wobei nicht ausgeschlossen ist, daß der Militär dahinter nach seinem Sinne seine Compagnie, seine Gebirgsgeschütze oder mindestens seine Feldküche aufstellen kann. Der Gebirgstopograph wird mit den Wünschen des Geologen auch die Forderungen des Tactikers befriedigen können; die kleinen oft scheinbar blos für den Geologen interessanten Bodenformen sind für den Militär nicht minder wichtig, falls er sie auch bemerkt. Man könnte also nicht sagen, daß die Ueber-ladung mit geologischen Details die Klarheit der Karte für den Militär beeinträchtigt, beiden ist mit möglichster Genauigkeit und Naturwahrheit gleich gedient.

Wie nun diese Gebirgsblätter entstehen, d.h. mit was für persönlichen Leistungen Seitens der'Gebirgs-topographen, der Gletschermannen, wollen wir hier nicht weiter ausführen. Daß ein solcher Arbeiter an Gefährden für Gesundheit und Leben, an Entbehrungen und Strapazen sein ordentliches Maß auf sich nehmen muß, ist wohl jedem Clubisten klar und ebenso klar ist ihm, daß den Topographen nur die Liebe zu den Bergen und zu seinem Berufe alles dies mit gutem Muthe überwinden läßt. Müßte ein gewöhnlicher Arbeiter alle Tage blos seine drei Stunden machen, um an seine Arbeit zu kommen, dabei den ganzen Tag stehen und Abends wieder zurückkehren; er fände dies wohl zu strenge und zu viel verlangt; uns aber wird mit ganz anderem Maße gemessen: 6 bis 10, 12 und 15 Stunden täglich bei angestrengter geistiger Arbeit und gewiß nicht lucullischer Verpflegung, im Gegentheil, das geht oft sehr blau! Bedenkt man, daß die Arbeiten auch noch im Accord vergeben werden, ohne Unterschied der Beschaffenheit der Gebiete, ob leicht oder schwer, daß alle Ausgaben für Reisen und Gehülfen dem Topographen überbunden sind, daß derselbe aber dennoch, bei immer gleichen bescheidenen Preisen, doch immer bessere und voll-kommnere Arbeit liefern will, wobei er wohl kaum so viel vorschlägt, als dem Mehrverbrauch an Gesundheit und Lebenskraft entsprechen würde, so wird man zugeben, daß nicht der bloße Mammon uns gute Karten schafft, sondern eben eine aufrichtige Begeisterung und Ergebenheit für einen Beruf, für die Aufgaben im Dienste des Vaterlandes. Thronen wir auf einer hohen Warte, auf der wir neben dem bekannten Steinmandli unsern Meßtisch aufgepflanzt, und schauen wir über Berg und Thal hinaus, sitzen wir im goldenen Abendsonnenschein vor unserem Zelte, nach glücklich ausgeführten Touren, so saugen wir immer wieder von Neuem jene Arbeitsfreudigkeit, die uns nicht verläßt, wenn auch der Gehülfe mit der ganzen Sommerarbeit in eine Gletscherspalte stürzt oder wir Tage lang wie der Büßer von Canossa vor einem wilden Gipfel lagern, von Sturm und Wetter immer wieder zurückgeschlagen.

Zum Schlüsse noch einige Angaben über den Stand der topographischen Aufnahmen im Hochgebirge.

Nach dem Bundesgesetze vom 18. December 1868 soll der Herausgabe der Originalblätter eine Revision, Ergänzung oder Umarbeitung vorangehen und zwar soll diese Herausgabe nur erfolgen, insofern sich Behörden, Gesellschaften oder Privaten vertragsmäßig verpflichten, die Hälfte der Kosten der ersten Erstellung ( Stich und Druck ) zu übernehmen. Als eine solche Gesellschaft, welche an der Herausgabe der Blätter des „ topographischen Atlas im Maßstabe der Originalaufnahmen " sich betheiligte, figurirt bekanntlich der schweizerische Alpenclub, während unter den Behörden sich nur diejenigen der Cantone Bern, Graubünden und Glarus finden, nicht aber diejenigen der Cantone Uri, Schwyz, Unterwaiden, Wallis und Tessin. Da mit diesen Cantonen bis heute wegen fortwährender Abneigung der betreffenden Organe keine Verträge zu Stande kommen konnten, besteht die Gefahr, daß die Herausgabe der das Hochgebirge betreffenden Blätter etwas in 's Stocken geräth, was für das Werk selber von unschätzbarem Nachtheil wäre. Es ist daher in hohem Grade zu wünschen, daß die Clubisten in den besagten Cantonen allen ihren Einfluß aufbieten wurden, um eine Fortsetzung der Publicationen zu ermöglichen, damit das große Werk zu Nutz und Frommen der Eidgenossenschaft, der einzelnen Cantone und Mitbürger glücklich und aus einem Crusse zu Ende geführt werden kann. ' '

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