Die Verwitterung im Hochgebirge Graubündens | Club Alpino Svizzero CAS
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Die Verwitterung im Hochgebirge Graubündens

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im Hochgebirge Graubündens

Friedrich v. Salis.

Von

Die Hoehalpen mit ihren steinernen Einrahmungen, zackigen Kämmen, Spitzen und Hörnern machen auf das unerfahrene Gemüth den Eindruck todter, starrer Massen, welche aller Vergänglichkeit Trotz bieten. Eine bessere Einsicht wird jedoch bald Platz greifen, wie sich solche natürlich schon allgemein Bahn gebrochen hat bei allen Denjenigen, welche auch nur oberflächliche Beobachtungen im Gange der Natur anzustellen sich bemühen. Es ist Veränderung und Bewegung auch in diesen scheinbar leblosen Felsarten. Eine allmälige, wenn auch sehr langsame Zertrümmerung geht selbst bei den festesten Massen vor sich, und werden mit Hülfe bewegender Kräfte die immer kleiner werdenden mineralisch befruchtenden Bestandtheil von den höchsten Bergzinnen der Thalebene und schliesslich der Ackerkrume zugeführt. Diese Zersetzung, auch Verwitterung genannt, weil dabei immer die Atmosphärilien ( Verwitterungs-Einflüsse ) eine bedeutende Bolle spielen, tritt nicht bei allen « Felsarten gleichmässig auf. Sie zeigt sich sehr stark bei denjenigen, welche Thon, Chlorit, Talk, viel Glimmer oder Hornblende enthalten, am wenigsten bei solchen, welche vorwaltend aus Kieselerde zusammengesetzt sind.

Der geringere oder höhere Grad der Zerstörbarkeit der Felsarten soll in untenstehender Reihenfolge aufgezählt werden. Dabei treten Modifikationen in Folge der Oertlichkeit, Schichtenlage und Mächtigkeit, Beimengungen u.a. m. nicht selten ein, und wird daher eine Aufzählung für alle Verhältnisse nur im Allgemeinen gültig sein.

Dass die Oertlichkeit auf die Verwitterung der Gesteine Einfluss auszuüben vermag, beweist jeder Kirchthurm im Gebirge, der seine leicht kenntliche Wetterseite hat, an welche Wind und atmosphärische Niederschläge heftig anschlagen und auflösend einwirken. So auch bei den Gebirgszacken.

Ist die Schichtenlage eine horizontale, so steht eine solche Wand immer fester und ist dauerhafter als diejenige, bei welcher dieselbe schief oder gar vertikal ( auf dem Kopf ) steht. Dünnblättrige Schichten erleichtern die Ablösungen ebenfalls.

Die Beimengungen der Felsarten sind ebenfalls sehr geeignet, die Zertrümmerung zu begünstigen. Dahin zählen wir vor Allem die Metalle, und unter diesen das meist vorkommende Schwefeleisen. Dieses zersetzt sich durch den Wechsel von Kälte und Wärme, Trockenheit und Nässe und bewirkt die Zerklüftung der Felsarten, in welchen es eingesprengt vorkommt, mit jeweiliger Hinterlassung einer rothgelben Färbung. Kupferkiese, Arsen, Oxyde aller Art kommen ebenfalls nicht selten vor und üben ähnliche Wirkungen aus.

Im Weitern sind als häufig vorkommende Beimengungen Thon, Spate aller Art, Sphen u.s. w. anzuführen. Die Aufzählung der Felsarten, ausgehend von denjenigen, welche der Zertrümmerung am wenigsten Widerstand zu leisten vermögen, beginne ich mit dem:

21* 1. Thonschiefer ( Flysch ), meistens in dünnen Schichten abgelagert und nicht selten bedeutend gehoben, ist der Verwitterung in hohem Grade unterworfen.

Vorkommen: nördlicher Ausläufer des Calanda, gegen Pfäfers und im Innern des Prätigau.

2. Bündnerschiefer. Diese Felsart kommt im mittleren Theil unsers Kantons so häufig vor, dass sie darnach den Namen erhalten. Wie wirksam die Verwitterung an derselben arbeitet, dafür geben uns die Gebirge in nächster Nähe von Chur, einschliesslich Churwalden, Schanfigg, Prätigau, Oberhalbstein, Piz Beverin, Safien und Glenner einen hinlänglichen Beweis. Wir zählen hier eine Menge Wildbäche ( Eüfnen ), welche ihre Schuttwalzen Jahr für Jahr der Ebene zuführen und wenn auch oft zerstörend, doch bald wieder befruchtend wirken.

Auch kommen Absitzungen in grossem Maasstabe vor. Wir nennen diesfalls Churwalden, Schanfigg, Prätigau, Schyn, Nollathal, Safien, Lungnez u. s. w. Beimengungen kommen häufig vor und variirt diese Felsart in Farbe, Struktur und Festigkeit sehr. Einzelne Bänke von nicht unbedeutender Mächtigkeit sind resistenz-fähiger.

3. Hieran schliesst sich eine Felsart, die man Verrucano heisst, Conglomérat u. s. w., Sandstein, Quarzit, Talkschiefer und Chloritschiefer umfassend. Es sind namentlich diese Schiefer, welche grosse Neigung zum Zerfallen zeigen.

Die Gegend der linken Rheinseite von Trons ab über Waltensburg, Ruis, Ilanz, Schleuis mit dem dortigen gefährlichen Tobel, rechtseits Obersaxen und Flond, ist aus solchem sehr leicht verwitterbarem Verrucano gebildet. Kommt ferner in Davos, Oberhalbstein, Engadin u.a. O. mehr vor.

4. Rauhwake und Mergelkalke. Die daraus aufgebauten Höhen nehmen bald ein abgerundetes Aussehen an. Durch Auswaschen der Rauhwake werden Mulden gebildet, z.B. Splügen- und Albulapass, Oberhalbstein u. s. w. und geben die Verwitterungsprodukte in kurzer Zeit eine fruchtbare Erde, wie auch die

5. Gyps - Trümmer. Derselbe kommt gegenüber Maienfeld, auf Cotschna bei Klosters, Funday, Churer Alp, Tiefenkastels, Lungnez, Schams, Val Nandro bei Schweiningen, am Albulapass, bei Samaden, Scanfs, Fettan, Sins und in grösser Masse in Samnaun vor. Beimengungen sind bei diesen drei letztgenannten Felsarten ebenfalls nicht selten.

6. Der Serpentin zerklüftet und zertrümmert sich unschwer, bleibt aber für den Kulturboden lange Zeit todt. Derselbe kommt vor in fest zusammenhängender Zone von Parpan, über die Churer und die Todte Alp bis Klosters, in Oberhalbstein u. s. w.

7. Lavetzstein ist der Bodenkultur schon günstiger und findet sich in der Churer Alp, bei Disentis, Pontresina, im Oberhalbstein und an der Bergeller Grenze gegen Chiavenna.

8. Die Hornblendeschiefer liegen zu ganzen Haufen in grossen und kleinen Platten vom Fusse bis an die höchsten Spitzen der aus ihnen aufgebauten Kegel. Man besuche nur Piz Linard, Piz Buin, Davoser Schwarzhorn, Piz Vadred u.a. m.

9. Glimmerschiefer und Gneis. Diese im Silvretta-Gebiete, Davos, Poschiavo, Bergell, Rheinwald, Misox, Lukmanier und anderwärts so häufig vorkommenden Felsarten halten bei den grossen Massen in ihrer Zertrümmerung mit dem vorgenannten Hornblendeschiefer ziemlich gleichen Schritt.

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v. Salis.

10. Die Kreidefelsen am Calanda sind der Zertrümmerung nicht wenig unterworfen. Ebenso der

11. Dolomit daselbst, in den Gebirgsgruppen des Rhätikon, St. Michel, Tinzererhorn, Piz d' Aela, Piz Nertsch, Piz Mezzem und des ganzen Gebirgsstockes des Unterengadin, rechte Seite des Inn gegen Münsterthal. Es kommt nicht selten vor, dass den Dolomitfelsen solche Schichten unterlagert sind, welche von der Verwitterung mehr leiden als der Dolomit selbst, z.B. Rauhwake, Verrucano, Bündnerschiefer, und es entstehen dadurch Klüftun-gen und Zertrümmerung in grossem Maasstabe, so dass eigentliche Felsstürze erfolgen. Am Calanda über dem Dorfe Felsberg ruht der Dolomit auf grünem Schiefer ( Verrucano ), welcher unter steilem Winkel südöstlich einfällt und zu starker Bewegung der überlagerten Masse schon in frühern Epochen, gleich nach der Eiszeit, Veranlassung gegeben hat und heute noch gibt.

Auf der Felsberger Alp am Calanda bis zu der Hütte des Taminser Aelple finden sich nämlich gar keine erratischen Blöcke, was einen Beleg mehr für die Annahme abgibt, dass die Rosshügel bei Ems als zurückgebliebene Kernpunkte mächtiger Felsablösungen vom Calanda anzusehen sind. Die Blöcke machten die Reise in die Tiefe mit.

Trotz des langen Weges, den die Trümmer bei dem jetzigen Felsberger Felssturz zu durchlaufen haben, liegen am Fusse des Berges Monolithe von 2000 Kubikmeter und darüber, und ist es interessant, den dort liegenden Wall zu durchgehen, der sich nun allmälig zum Schütze des alten Dorfes gebildet hat. Der Vegetation ist der Dolomit nicht günstig.

12. Protogin und Syenit. Ersterer in Schams und Rheinwald, Letzterer in der Tödi- und Berninagruppe, lösen sich ebenfalls in grossen Massen von den steilen Gebirgswänden ab, widerstehen jedoch als Trümmer der Zersetzung noch lange Zeit.

13. Kristallinischer Kalk und weisser Marmor kommen bei uns nicht selten vor und bieten schon mehr Widerstand gegen jene Atmosphärilien. Weisser Marmor findet sich bei Schweiningen, Val Faller, Bivio, Avers, Ferrera und am Splügen.

14. Gabbro im Oberhalbstein.

Ib. Felsstein-Porphyr in Davos, Bellaluna und Val del Fain.

16. Diorit und Spelit in Davos, Oberhalbstein und Engadin. Kommen in unserm Kanton in keinen grossen Lagern vor.

Noch seltener sind

17. Kieselschiefer,

18. Hornstein und

19. Feuerstein.

20. Quarz und Quarzit, ersterer vorzüglich in Gängen und Spalten, kommen ziemlich häufig vor und widerstehen gut; doch auch diese zerfallen. So traf ich unlängst in allerdings vollständig verwittertem Bündnerschiefer im Nolîafhal einen weissen Quarz an, der sich zu feinem Grus zerreiben liess.

21. Der Granit bildet in der Berninagruppe die bedeutendsten Erhebungen unseres Kantons ( 4052 m ), und ist seine Ausdehnung im südöstlichen Theil des Kantons, durch den Septimerpass, Piz d' Err, Bergün, Albulapass, Bernina und Bergell begrenzt, als eine bedeutende zu bezeichnen. Auch die Tödikette verdankt ihre stärksten Erhebungen dem Granite. Die durchaus massige Struktur des Granites macht ihn geeignet, der Zertrümmerung durch Witterungseinflüsse gut zu widerstehen; dennoch fällt es dem eifrigen Clubisten selten schwer, auch auf den höchsten Zinnen der Granitgebirge die nöthigen Bausteine zur Errichtung der üblichen Wahrzeichen zusammen zu bringen.

Solche Trümmer fielen denn auch zur Eiszeit, wo die Alpenregion bis über die jetzigen Waldgrenzen mit Gletscher erfüllt war, auf diese herab, wurden von ihnen fortgetragen und dienen an ihren neuen Standorten noch in weiter Zukunft als sichere Denksteine früherer Yor-gänge in der Natur unserer Erdoberfläche.

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