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Eine italienische Schweizerkarte des XVI. Jahrhunderts

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Von A. Züricher ( Section Wildhorn ).

Im zweiten Stock des Palazzo Vecchio in Florenz, des berühmten Rathhauses der Republik und der späteren Residenz der Medici, liegt, ziemlich abseits, einem inneren Hofe zugekehrt, die ehemalige herzogliche Garderobe. Es ist ein kleiner Saal, durch den die meisten Besucher des Palastes schnell hindurcheilen, ohne sich lange mit einer Besichtigung des unscheinbaren Raumes aufzuhalten. Und doch birgt er ein Denkmal eigenthümlicher Art. Die ununterbrochen ringsumlaufenden glatten Schrank-thüren sind nämlich bemalt, und der Inhalt der Malereien besteht in — Landkarten.

Ein gelehrter Dominicaner, der Pater Ignazio Danti, hat hier in 53 Darstellungen den ganzen damals bekannten Erdkreis kartographisch wiedergegeben. Vollendet wurde das Werk im Jahr 1570. Es ist eine für jene Zeit außerordentlich genaue Arbeit l ). Da mir die Darstellung der Schweiz in diesem Atlas in mancher Beziehung von Interesse zu sein schien ( ist doch die Karte nur wenige Jahrzehnte jünger, als die berühmte Tschudy'sche, und wohl, im Gegensatze zu einheimischen Leistungen auf diesem Gebiet, überhaupt die älteste, welche die jetzt übliche Orientirung nach Norden zeigt ), verfertigte ich mir eine genaue Durchzeichnung, von der ich den Lesern des Jahrbuches hier eine möglichst getreue Copie mittheile.

Zuerst ein paar Worte über die kartographische Darstellung im Allgemeinen. Diese ist figürlich insofern, als Städte und Gebirge durch 1 ) Es ist nicht der einzige Fall, daß italienische Fürsten Landkarten als Wandschmuck anwandten. Das dritte Stockwerk der Loggien des Vaticana zeigt ebenfalls einen kartographischen Freskencyklus.

A. Züricher.

Bilder dargestellt sind ( analog der Darstellung der Peutinger'schen Tafel sind die Vogesen durch ein Wäldchen wiedergegeben ). Außerdem ist die Lage jeder Stadt genauer durch einen rothen Kreis bezeichnet. Die in Frontansicht gegebenen Gebirge heben sich durch Schattirung von dem gelbgrünen Ton der Karte ab. Die Gewässer sind tiefblau eingetragen.

Der Maßstab der Karte beträgt ungefähr 1: 1,500,000. Was uns bei ihrer Betrachtung zunächst auffällt, ist ein starker Fehler in der Proportion zwischen dem Rhein- und Rhonebecken. Das letztere ist dem Künstler viel zu groß gerathen. Während in Wirklichkeit der Unterschied der geographischen Breite zwischen Lausanne und dem Großen St. Bernhard 40 ', und zwischen Lausanne und Constanz 1° 10'beträgt, so macht ersterer auf unserer Karte 1°, letzterer nur 50'aus. Dabei ist zu bemerken, daß die ganze Darstellung gut um einen Grad nach Süden verrückt ist. Der 46. Breitegrad, der in Wirklichkeit Lugano und Zermatt schneidet, geht hier über Rheineck ( Pfäffikon, Baar, Sursee ), Bern und Stäffis. Die Verschiebung nach Süden beträgt also im Westen 50 ', im Osten gar 1° 30 '.

Daß die Schweiz auf einem Kartenwerk des 16. Jahrhunderts keine separate Darstellung gefunden haben werde, schien mir, schon abgesehen von der Größe der einzelnen Blätter, selbstverständlich. Ich suchte sie daher naturgemäß bei Deutschland. Aber da war der Rhein die Grenze, die Schweiz also ausgeschieden. Bald entdeckte ich sie auch, nebst dem übrigen linksrheinischen Ufer ( dem Elsaß, der Pfalz, den geistlichen Kurfürstenthümern und den Niederlanden ), auf dem Blatt „ Frankreich ".

Dieser Sachverhalt machte mich Anfangs stutzig. Wie kommt ein italienischer Maler des 16. Jahrhunderts dazu, die Schweiz als einen Theil von Frankreich abzubilden? Ob wohl die damals schon beginnende Anlehnung der Schweiz an Frankreich die Ursache ist? Oder ist der Maler bereits ein Anhänger der französischen Wünsche nach der Rheingrenze? Doch nein, so gewagte Speculationen dürfen wir dem Florentiner Mönche wohl nicht zutrauen. Seine Darstellung ist eben keine politische, sondern lediglich die althergebrachte geographische, welche als Nordgrenze Italiens den Alpenkamm, als Grenze zwischen Gallien und Germanien den Rhein kennt. So erklärt es sich, daß La Souisse in einer Linie mit La France Conte und La Sauoie steht. Wir haben in unserer Copie deshalb absichtlich nicht nur das schweizerische Gebiet aufgenommen, sondern das ganze Fragment wiedergegeben, was zum Verständniß der Karte nützlicher scheint. Aus dem Gesagten ergibt sich ferner, daß nicht die gesammte Schweiz zur Darstellung gekommen ist. Es fehlt das Gebiet des jetzigen Kantons Tessin und der größere Theil von Graubünden. Von letzterem ist das Meiste auf dem Blatt „ Germania " zu finden, die südlichen Thäler und der Tessin aber bei Italien.

Eine italienische Schweizerkarte des XVI. Jahrhunderts.

Gehen wir nun zu einer nähern Betrachtung der Karte. Die französischen Gebietstheile will ich nur kurz berühren, da sie für uns weniger Interesse bieten. Ich bemerke nur, daß die Karte das Gebiet der jetzigen Departements Doubs, Jura, Ain, Savoie und Haute-Savoie wiedergibt. Von Wasserläufen ist im Norden der Doubs bis unterhalb des Städtchens Rochefort bei Dôle in ziemlich richtiger Form dargestellt. Dann folgen die Oberläufe von Ain und Bienne, dann die Rhône, namentlich bezeichnet ( Le Rosne fl. ). Von ihren Nebenflüssen sind kenntlich die Arve, die bei Solanti Sallenches den Bonnant aufnimmt, ferner Usses. Fier und der Oberlauf der Isère mit dem Arc, endlich die Seen von Annecy und Chambéry. In Savoyen sind zu beiden Seiten der Arve starke Bergketten sichtbar, ebenso rechts von der Isère ein Zug, der unzweifelhaft die Mont Blanc-Kette darstellt. Erwähnen will ich noch die am linken Ufer des Genfersee's sichtbaren savoyischen Orte Tonon und Fuan ( Evian ).

Von linksrheinischen deutschen Gebieten erblicken wir den vom III durchströmten obersten Theil des österreichischen Elsaßes mit Altkirch, Thann und Pfirt. Wie bereits erwähnt, ist der Wasgenwald angedeutet. Südlich von Thann sehen wir das württembergische Mon-belliard. Oestlich daran schließt sich Brondrut ( Pruntrut ), damals die Residenz des zum Reiche gehörigen Fürstbisthums Basel. Die Karte ist hier merkwürdig ungenau. Pruntrut ist viel zu weit östlich gekommen und vom Doubs durch die ganze Länge der Jurakette getrennt. Von österreichischen Städten sind ferner Lauenberg ( Laufenburg ), eine der vier Waldstätte am Rhein, und Constanz bemerklich.

Wenden wir uns nun zu dem eigentlichen schweizerischen Gebiet, so erblicken wir, wenn wir die Darstellung im Westen beginnen, zuerst den Genfersee ( namentlich bezeichnet als Le Lac de Geneue ). An seinem untern Ende liegt Genf, als große thurmreiche Stadt eingezeichnet. Das Nordufer des See's erscheint mit Ortschaften dicht besäet. Da sehen wir eine Reihe von Städtebildern, die alle in einander übergehen. Es folgen auf einander Versoix. Coppet ( Capet ), Nyon ( Nenis ), Rolle ( Rolck ), Morges ( dem deutschen Namen entsprechend: Morse ). Es folgt dann ein Ort, der mit Semp bezeichnet ist, was nichts Anderes sein kann, als das zwischen Rolle und Morges gelegene Saint-Prex. Der nächste Ort trägt keinen Namen. Man kann an St-Sulpice oder Ouchy denken. Dann erscheint, auffallend klein, Lausanne, wie richtig, gerade Evian gegenüber. Das wäre in Ordnung; aber durch die vielen Orte an der Nordseite des See's sind beide zu weit östlich gerathen und liegen nun da, wo in Wirklichkeit etwa Vevey und Bouveret sich befinden. Vevey ( Viuis ) ist deshalb weiter an die Stelle von Montreux gerückt, das ganz fehlt. Endlich finden wir bei der breiten Einmündung der Rhone Villeneuve ( Villenuef ).

Dem Lauf der Rhone aufwärts folgend stoßen wir zuerst auf St. Moritz, den Sitz des berühmten Klosters. Dann folgt oberhalb des Einflusses A. Züricher.

der Dranse am rechten Rhoneufer ein Ort, den unsere Karte Guus nennt. Die Tschudy'sche Karte nennt den Ort Gundis. Es ist Conthey, wo der Aufstieg zum Sanetsch beginnt. Dann folgt Sitten, dann Leuk ( Louck ). Letzteres zeigt ein sehr ausgedehntes Stadtbild, was auf den hohen Ruf, den seine Bäder schon damals hatten, hindeutet. Weiter oben im Wallis folgen noch Raron und Naters.

Ist das Rhonethal selbst schon ziemlich groß ausgefallen, so ist das noch mehr der Fall mit dem Thal der Dranse, deren Lauf hier an Länge dem der Rhone fast gleichkommt. Auch an Ortschaften ist kein Mangel. Da ist zunächst Martigny unverhältnißmäßig weit von der Einmündung der Dranse in die Rhone fortgerückt, dann Orsières und schließlich Sperra, das wohl St-Pierre bedeutet. Der Grund dieser Bevorzugung des Dransethales wäre klar, auch wenn nicht noch extra südlich von St-Pierre M. St-Bernart auf der Karte zu lesen stünde. Die St. Bernhardstraße ist natürlich für den Italiener besonders wichtig und infolge dessen auch gut gekannt. Den Simplon kennt unsere Karte nicht.

Nördlich vom Genfersee gewahren wir den Lauf der Ziel, die bei La Sarraz ( Serra ) entspringend gedacht ist und bei Orbe vorbei in den Neuenburgersee fließt. Von den Städten am See sind Grandson, das aber an die Mündung der Areuse verlegt ist, Neuenburg und Stäffis klar. Nördlich von Stäffis ist der Murtensee als große Bucht des Neuenburgersee's angedeutet. Nun liegt südlich von Stäffis am See ein Ort Namens Monton. Was ist das? Eine Stadt ähnlichen Namens existirt am See nicht. Man hat also an einen benachbarten Ort zu denken, der durch Irrthum an den See versetzt wurde. Da würde man gleich auf Moudon verfallen, wenn dieses nicht schon einen andern Platz hätte. Aber die Karte zeigt schon Mildon als große Stadt nördlich von Lausanne, im Innern des Landes. Dennoch glaube ich, daß wir in Monton nichts Anderes als Moudon zu sehen haben. Es liegt nämlich wohl der Fall vor, daß derselbe Ort an zwei Stellen der Karte eingetragen ist, ein Fehler, dem die doppelte Gestaltung der deutschen und französischen Form des Namens zu Grunde liegt. Mildon ist gleich weit von Losan entfernt, wie Monton von Stefis; in Wirklichkeit liegt Moudon zwischen beiden Orten in der Mitte. Neuenstadt ist vom Bielersee hinaufgerückt an die Ziel, an die Stelle von Cressier. Am untern Ende des Bielersee's liegt Biel, das damals zugewandter Ort war. Von der Quelle der Areuse bis über Biel hinaus zieht sich eine längere Bergkette, natürlich der Jura.

Der Lauf der Aare ist dem Künstler viel zu kurz herausgekommen, was für die Raumverhältnisse, besonders des Berner Oberlandes, schwere Verstöße zur Folge hatte. Die Aare selbst hat von der Quelle bis zur Einmündung der Ziel eine durchgehend nordwestliche Richtung. Sie vereinigt sich mit letzterer bei Büren, das als große Stadt erscheint. Durch diese einheitliche Richtung sind besonders Thuner- und Brienzersee in Eine italienische Schweizerkarte des XVI. Jahrhunderts.

eine schiefe Lage gerathen. Es sind auf dem linken Ufer zwei Nebenflüsse eingezeichnet, von denen der nördliche, die Saane, sofort klar ist. Freiburg ist daran in richtiger Lage aufgetragen. Aber der untere? Derselbe mündet in den Thunersee. Einen solchen Fluß gibt es nun 1570 noch nicht. Wir haben die Wahl zwischen der in den Brienzersee mündenden Lütschine und der damals noch unterhalb Thun in die Aare fließenden Kander, respective deren großem Nebenfluß, der Simme. An und für sich ist es wahrscheinlich, daß die letztere, der größte der drei Flüsse, dargestellt ist. Dazu kommt, daß die einzige daran liegende Ortschaft Erlag heißt, was wohl nichts Anderes als Erlenbach, der große Stapelpunkt des Viehhandels, sein kann. Aber nun erhebt sich eine große Schwierigkeit. Westlich von diesem Fluß finden wir zwei bedeutende Ortschaften: Wimmis ( Winnis ) und Saanen ( Sana ). Wie kommt nun Wimmis, das an dem Zusammenfluß von Kander und Simme, unterhalb Erlenbach, liegt, so weit nach Westen? Aber wir dürfen darüber hinweggehen, wenn wir sehen, daß Wimmis und Saanen wohl zu einander und zum Wallis richtig orientirt sind, nach Norden überhaupt jedes Anschlusses entbehren; denn Wimmis ist weit von dem benachbarten Thun weggerückt, und Saanen viel südlicher, als die Saane, an der es liegt, entspringt. Wir können also füglich den Fluß für die Simme resp. den untersten Theil der Kander halten. Dafür spricht ein Zweites. An dem Verbindungsstück der Aare zwischen den Seen ist eine Ortschaft eingezeichnet, die man naturgemäß für Interlaken hält; denn sie ist als am linken Ufer der Aare liegend dargestellt. Das ziemlich ausgedehnte Stadtbild reicht aber westlich bis an den Lauf des fraglichen Flusses. Da nun die Karte den Ort Etsch nennt, so ist es ziemlich sicher, daß der rothe Punkt an eine falsche Stelle gerathen ist und eigentlich an den Fluß links gehört. Denn gemeint ist natürlich Aeschi, was eine neue Bestätigung der Beschreibung des Flusses als Kander-Simme gibt 1 ). Zweifelhaft ist ferner der Ort am Brienzersee, den unsere Karte Kinek nennt. Dies ist offenbar verschrieben. Aber ob aus Kienholz, Brienz oder Rinckenberg, wage ich nicht zu entscheiden auch an Brünig ließe sich denken. Oberhalb des See's liegt an der Aare Hasle, worunter natürlich der Hauptort der Thalschaft Hasle, Meiringen, verstanden ist. Thun und Bern werden von der Karte richtig angegeben, nur ist letzteres infolge der Kleinheit des Aarelaufes bis an die Einmündung der Saane verschoben. Es ist auffällig klein dargestellt, was um so merkwürdiger ist, als wir gerade südlich davon einen großen Ort erblicken: Bubenberg. Ein solches Fortwirken eines großen Namens ist bezeichnend. 1570 war ja das Geschlecht bereits erloschen, das einsame Waldschlößchen im Verfall, und doch erscheint hier der Stammsitz des 1 ) Auch die Tschudy'sche Karte läßt irrigerweise die Kander in den Thunersee münden, was auf eine gemeinsame Vorlage beider Karten schließen läßt.

A. Züricher.

Helden von Murten, sogar das nahe Bern überragend. Wieder ein Beweis mehr für die eminente Bedeutung des Mannes, den jetzt endlich durch ein würdiges Monument zu ehren Bern sich anschickt.

Dem Lauf der Aare von Büren östlich folgend, finden wir am linken Ufer Solothurn und Olten ( Otenis ). Das nördlich von Solothurn gelegene Bild ist als Falkenburg bezeichnet. Es ist wohl Falkenstein, das Stammschloß des berühmten Geschlechts am Hauenstein. Rechts nimmt die Aare hier drei Nebenflüsse auf, von denen wir im ersten, bei Solothurn einmündenden, die Emme, im zweiten die Suhr mit dem Sempachersee im dritten die Aa mit dem Hallwylersee erkennen. Dazwischen ist die Wynen ausgefallen, so daß das daran liegende Stift Münster an die Suhr versetzt ist.An dem Zusammenfluß von Aare, Reuß und Limmat erblicken wir richtig Brugg. Es scheint, daß unser Kartograph über die Zusammenfluß-stelle von Flüssen gut unterrichtet war; denn schon Büren ist sehr groß geworden, Brugg ist stattlich, und nun auch, was am meisten auffällt, Coblentz, das kleine Dörfchen beim Zusammenfluß von Aare und Rhein. Am Unterlaufe des Rheins erblicken wir, außer dem schon erwähnten Laufenburg, die beiden Städte Liestal ( Lipstein ) und Basel.

Der Reuß von Brugg aufwärts nachgehend, finden wir einen großen unbenannten Ort, in dem wir Meilingen oder Bremgarten erkennen können, wenn wir nicht lieber annehmen, das auf der Karte gänzlich fehlende Baden habe sich von der Limmat hier herüber verirrt. Die complicirten Formen des Vierwaldstättersee's haben dem Maler offenbar zu schaffen gemacht. Doch ist sehr deutlich die Einschnürung des See's bei den beiden Nasen zu erkennen. Ordentlich ist der untere Theil gerathen. Man erkennt wenigstens, allerdings in einander übergehend, die Bucht von Küßnach, das zu äußerst rechts angedeutet ist, das Seeende bei Luzern, das stattlich hervortritt, die Hergiswylerbucht mit dem an den See hinuntergerückten Kriens ( Kiniz ), endlich die sehr deutliche Alpnacher-bucht mit der die Seen des Obwaldnerlandes durchströmenden Aa. Zwischen Küßnach und Luzern scheint ein Stadtbild am Ufer des See's sich zu erheben. Aber genaue Betrachtung zeigt, daß das Stadtzeichen sich am Ufer des Zugersee's befindet. Der Name Rissec scheint Risch zu bedeuten. Woher der italienische Mönch gerade von diesem Ort Kunde gehabt hat, weiß ich leider nicht anzugeben. Zugersee und Aegerisee sind mitsammt der Lorze ziemlich richtig wiedergegeben. Nur ist der sehr merkwürdige Umstand zu erwähnen, daß der Zugersee nach Süden mit dem oberen Theil des Vierwaldstättersee's in Verbindung steht. Von diesem oberen Theil ist das Ostufer völlig richtig, so daß wir Schwyz ( Schwitz ) und Flüelen ( Fulken ) an der rechten Stelle treffen. Dagegen ist das Westufer gänzlich verfehlt, indem die Bucht von Buochs in den Urnersee hineingerathen ist, so daß dieser Ort, sammt der bei ihm einmündenden Nidwaldner Aa, Eine italienische Schweizerkarte des XVI. Jahrhunderts.

unmittelbar neben Flüelen zu liegen kommt. Der weitere Verlauf des Reußthales bietet keinerlei Schwierigkeiten. Der Maler kennt Silenen und Wassen ( Gassen ). Zwischen den Quellen von Rhone, Aare, Reuß und Rhein ist ein starker Gebirgszug eingezeichnet, dessen höchste Kuppe den Namen M. St-Gothart trägt. Die Gotthardstraße, damals schon einer der begangensten Alpenpässe, mußte natürlich dem Italiener genau bekannt sein. Erwähnen will ich bei der Gelegenheit noch, daß weiter südlich die Kette der Walliser und Graubündner Alpen als ein großer Wall die italienische Grenze bezeichnet.

Limmat und Zürichsee sind richtig gezeichnet. Der Walensee erscheint fast nur als oberster Theil des Zürichsee's, bloß durch eine Verengerung, wie bei Rapperswyl, von demselben getrennt. Wie beim Murten- und Neuenburgersee mag der versumpfte Zustand des zwischenliegenden Terrains Grund dieses Ineinanderübergehens sein. Die Linth, deren Nebenfluß Sernft ebenfalls sichtbar ist, mündet an richtiger Stelle, gerade zwischen beiden Seen. Beim Zusammenfluß von Sernft und Linth ist Glarus gezeichnet, aber ohne Namen.

Ebenfalls namenlos erscheint Walenstadt am obern Ende des See's, bei der Einmündung der Seez in denselben. Von den Ortschaften am Zürichsee finden wir Rapperswyl ( Rappswillr ) und Zürich ( Zuerch ), letzteres auffallend klein.

Einziger noch übriger Seitenfluß des Rheins ist die Thur. Bei Frauenfeld ist der Einfluß der Murg sichtbar. Die Thur selbst aber ist nur in ihrem Unterlauf dargestellt und entspringt bei St. Gallen. Der Künstler hat also den Lauf der Sitter für den Hauptfluß gehalten.

Wie schon bemerkt, bildet der Rhein die Grenze von der Quelle des Hinterrheins bis Basel. Die Gestalt seines Laufes ist außerordentlich getreu nachgeahmt. Das rechtsrheinische Ufer ist, als nicht mehr zu „ Francia " gehörig, nicht behandelt. Eine kleine Ausnahme davon macht die in den Untersee mündende Aach. Demgemäß fehlen auch alle Städte des rechten Ufers, vorab Chur und Schaffhausen. Von Graubünden ist also nur die linke Seite des Hinterrheins, an der ein unbenannter Ort natürlich Thusis ist, und das Bündner Oberland dargestellt. Als Ortschaften treffen wir in letzterem Trins und Tavetsch, d.h. Sedrun, den Hauptort des Tavetscherthales, ähnlich wie auch Meiringen durch Hasle bezeichnet war. Im st. gallischen Rheinthal erblickt man Mels, den Ort eines Capuciner-klosters, Sax, die Stammburg der Grafen von Sax, endlich die beiden Marktflecken Altstetten ( Alestet ) und Rheineck. Recht gut ist der Bodensee ( Lago di Côstanz ) gezeichnet, vielleicht die getreueste Seedarstellung unserer Karte. An seinem Ufer haben wir außer Constanz noch zwei Orte, nämlich Arbon und einen andern, den die Karte mit Burgde bezeichnet. Wahrscheinlich hat sich das benachbarte Bürglen hier an den See verirrt.

A. Züricher.

Ziehen wir das Facit, so fällt es recht günstig für den Kartographen aus. Derselbe kennt gut das hydrographische System, die Hauptgebirgszüge, die bedeutendsten Orte, unter denen neben den großen Städten — die nicht einmal besonders gut wegkommen — Klöster und berühmte Adelssitze hervortreten; er ist genau unterrichtet von der Gotthard- und Bernhardroute. Wenn daneben einzelne Ortschaften an falsche Stelle gerückt, anderes unrichtig gezeichnet erscheint, werden wir das einem Kartographen des XVI. Jahrhunderts nicht zu hoch anrechnen.

Für uns ist die Karte ein interessantes Denkmal für den Zustand unserer Landeskunde im Ausland in dieser frühen Zeit 1 ).

1 ) Mit den in der vorstehenden Abhandlung ausgesprochenen Ansichten und Namensdeutungen im Wesentlichen einverstanden, sieht sich doch der Unterzeichnete zu zwei Bemerkungen veranlaßt: Nach der Anmerkung pag. 337 nimmt der Herr Verfasser für die Florentiner Karte von 1570 und die Tschudy'sche Karte von 1538 resp. 1560 eine gemeinsame Vorlage an. Diese Annahme ist nach Ansicht des Unterzeichneten irrig. Die einzige Karte, die als gemeinsame Vorlage in Betracht fallen könnte, ist die Karte Conrad Türst's von 1495 bis 1497 ( siehe Jahrbuch XVIII, pag. 328 ff. ). Dieselbe weicht aber sowohl in der Art der Gebirgszeichnung und Positionsbezeichnung, wie in den Einzelheiten so weit von beiden ab, daß sie weder für die eine noch für die andere als Vorlage gedient haben kann. Speciell die Kander, auf die sich der Herr Verfasser beruft, leitet Türst richtig in die Aare unterhalb Thun, während Tschudy und der Florentiner, die Correction von 1711 bis 1714 anticipirend, sie in den Thunersee münden lassen. Wahrscheinlicher ist es, daß der Florentiner die Tschudy'sche Karte als Grundlage benutzt hat, mit der seine Karte die Art der Gebirgszeichnung und der Positionsbezeichnung, sowie auch viele Einzelheiten und namentlich manche Fehler gemeinsam hat. Die Verschiedenheiten erklären sich meist aus der Verkleinerung des Maßstabes und der Umkehrung der Orientirung, die dem Kartographen nicht wenig zu schaffen gemacht haben dürfte. Monton am Neuenburgersee deutet der Herr Verfasser auf Moudon, das demnach zwei Mal auf der Karte verzeichnet wäre. Plausibler erscheint dem Unterzeichneten die Deutung auf Montenach ( Montagny-la-Ville ), das in der Tschudy'schen Karte als bedeutender Ort ( Môtenach, Montenay ) in der Nähe von Estavayer eingezeichnet ist und damals einem freiburgischen Amte den Namen gab. Die Verschiebung von Montenach an den See scheint nach Analogie anderer Verschiebungen der Florentiner Karte weniger bedenklich, als die Annahme, daß derselbe Ort zwei Mal an verschiedenen Stellen eingetragen sei.Eed.

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