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Flauten und neue Bemühungen im 20. Jahrhundert

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und neue Bemühungen

im O. Jahrhundert

Das 20.Jahrhundert begann schlecht: Vorahnungen und dann Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Je lauter aber der äussere Aufruhr, desto lah-mer der alpine Reliefbau. Die Schöpfer und Gralshüter unserer Bergmodelle lebten nicht mehr oder waren müde und alt. Trotzdem drängt sich die Frage auf, warum dann im weiteren Ablauf der Jahre in der Schweiz diese schöne topo-graphisch-handwerkliche Kunst fast zum Erliegen kam. Die neue Landesvermessung, die photogrammetrisch aufgenommenen, hervorragend genauen Höhenkurvenpläne, erstmals auch für Felswände und Gletscherbrüche, ihre Veröffentlichungen im Massstab i :25 000, da und dort gar in 1:10000 oder i :5000, all das musste ja zu neuem, verbessertem Basteln verlocken. Warum also solche Flaute?

Offenbar sind unsere Museen, Fachinstitute, Schulhauskorridore bereits zum Bersten angefüllt mit solch schwerfälligen, raumfressenden, gipsernen Gebilden. Jeder Hauswart bekreuzigt sich, wenn ein Karren mit einem Bergrelief heran-knarrt. Ausserdem: Das Herstellen guter Bergmodelle erfordert ungezählte Freistunden, bringt aber wenig oder nichts ein. Vielleicht auch fehlt es an Mut. Seit von Imfeid, Meili und anderen un-übertreffbare Vergleichsstücke vorliegen, wagt sich nicht mehr jeder Bastler an das Modellieren eines alpinen Gipsberges. Trotz alledem mag die Frage nicht unberechtigt sein, warum denn nicht auch im 20.Jahrhundert sich begeisterte Topographen oder Geologen fanden, um in die Fussstapfen ihrer Vorgänger zu treten.

Eine Erklärung mag in der rasch fortschreitenden Strukturveränderung des Topographenberu-fes liegen. Im 19.Jahrhundert, Hohezeit der alpinen Messtisch-Topographie, war der Topograph nicht nur ein guter Messtechniker, sondern weitgehend auch ein graphisch gestaltender Künstler. Die Räume zwischen den eingemessenen Geländepunkten wurden auf Grund guten Beobachtens zeichnerisch gestaltet. Solche tägliche Übung führte zu reicher Erfahrung über Geländeformen aller Art. Aus den Kreisen solcher Leute erwuchsen uns damals die besten Alpin-Reliefgestalter.

Heute aber entsteht die topographische Karte in wesentlichen Teilen durch mechanisierte und automatisierte Auswertung von photographischen Luftbildern. Ausbildung und Berufstätigkeit der Vermessungsingenieure erfordert weitgehende mathematische und technische Begabung und Schulung. Der passionierte Künstler aber liebt mathematische Formeln meist nicht allzusehr. Nur selten wendet sich daher solch ein Schwarmgeist dem Geodätenberuf zu. Der beste Nährboden für den Nachwuchs an guten Alpin-reliefbastlern ist daher ausgetrocknet.

Neben beruflichen, technischen und Bedarfs-gründen haben vielleicht auch andere Entwicklungen zum Erlahmen des alpinen Reliefbaues beigetragen, so etwa ein Abflauen des Interesses bei den Gelehrten. Im Bulletin der ETH Zürich, Nr. 157, Juli 1980 auf Seite 22, lesen wir: « Eine wichtige Unterrichtshilfe in der Geologie, vor allem um die Jahrhundertwende, bildeten die Reliefs. » - Ein solcher Text deutet auf Vergangenes hin, das heute offenbar nicht mehr in gleicher Weise lebendig ist. Es sind aber wohl auch viel allgemeinere Entwicklungen mit im Spiel, Erleichterungen des Reisens, Fortschritte der Phototechnik. Heute kann ja jedermann beste, selbst aufgenommene Bergphotos in seine Stube tragen. Und was soll ich da noch in ein Museum laufen, wenn mich Bahn oder Auto in zwei Stunden von Bern nach Grindelwald bringen, wo das Wetterhorn in der Natur viel grossartiger vor mir steht als selbst im besten Modell.

Auch die Kunstauffassungen haben sich gewandelt. Viele Künstler wenden sich ab von naturalistischer Nachahmung des Gesehenen und toben sich aus in surrealen oder gar irrealen Traum-visionen. Unsere besten Bergmodelle stehen zu solchen Tendenzen der heutigen offiziellen Kunstszene in krassem Gegensatz; denn es sind geradezu Extrembeispiele exaktester, gegen-ständlicher oder visueller Nachahmung und Verherrlichung unserer Umwelt. Gerade darin liegt ja ihr Glanz und ihre Ehre! Dies aber ist vielleicht auch der Grund, warum mancher heutige einseitige Kunstprophet mit Nasenrümpfen an die modellierten Felswände empor oder auf sie herab blickt.

Im Gegensatz zu solcher Flaute in der einst hochentwickelten alpinen Reliefkunst der Topographen und anderer Bergbegeisterter ist ein handwerkliches Basteln einfacherer Höhenstufen-modelle in unseren Volksschulen durchaus lebendig geblieben. Heimatkundliche Lehre und der Unterricht im Kartenlesen vereinigen sich bei solchem Reliefbau zu reizvoll nützlichem Spiel. Nicht selten auch entstehen auf diesem Wege durch weiteres Ausmodellieren und Bemalen recht respektable Ergebnisse. Nach wie vor ist das Geländemodell als eine umfassende, einprägsame Anschauungshilfe in den Schulstuben gern gesehen.

Es sind denn heute vor allem auch einige Volksschullehrer, die sich um eine Neubelebung solchen Basteins bemühen. Unter anderem sei der Berner Lehrer Hans Zurflüh genannt, der nicht nur seine Schüler, sondern auch Patienten ( Rekonvaleszenten ) in Militärsanitätsanstalten zum Reliefbau anleitete und damit beachtenswerte Ergebnisse erzielte. Genannt sei aus neuerer Zeit auch K. Schenk in Ins und Biel, der im Modellbau erfolgreich tätig ist. Nicht zu vergessen seien in diesem Zusammenhang auch die'37 Bemühungen des Geographen Prof. Dr. Paul Vosseier ( 1890-1979 ) an der Universität Basel. Er baute mehrere Grossmodelle typischer schweizerischer Berg- und Gebirgsformen, vor allem als Anschauungshilfen für den Schulunterricht.

Ob uns nicht dereinst auch aus Kreisen der Lehrerschaft ein neuer Joachim Eugen Müller oder Xaver Imfeid erblühen könnte?

Unsere Leser fragen vielleicht, was im Gelän-dereliefbau heute im Ausland geschehe. Hierüber wird einiges in einem der folgenden Kapitel berichtet.

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