Heiteres und Ernstes aus der Bergsteigerzeit | Club Alpino Svizzero CAS
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Heiteres und Ernstes aus der Bergsteigerzeit

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Von Hans Gertsch

( Langnau i. E. ) Sich nicht zu waschen, auf Stroh zu liegen, Mit andern Leuten Bein an Bein, Muss man entweder hoch gestiegen, Oder tief gesunken sein.

( Aus einem Hüttenbuch der alten Zeit ) In der einstigen Glecksteinhütte. Ziegenstallähnliches Hüttlein, Rohmauer, halb im Hang vergraben, der Boden: die blosse Erde. Friedlich schnarchen Herr und Führer, Führer und Herr heringmässig zusammengedrängt auf der einzigen Strohpritsche - ein Mäusedorado. Ein solch niedliches Tierchen springt in schwarzer Nacht einem Führer auf die Nase. Erschrocken schlägt er mit der Hand die Maus weg, mit voller Wucht seinem Herrn ins Gesicht. Die restliche Nachtruhe war hin. Grollend folgte ein Donnerwetter dem andern, Mr. X, der seinen Führer als gelegentlichen Witzbold kannte, war im besten Englisch nicht zu überzeugen, dass jener in Notwehr und nicht aus Jux gehandelt hatte. Ein Führer darf doch seinen Herrn nicht so missachten, dass er ihm aus purer Spitzbüberei eine fette Maus mitten ins Gesicht pfeffert!

Unsere idyllische Einsamkeit im Refuge Lemercier am Pelvoux wurde durch einen Engländer unterbrochen, Vater mit zwei 17-19 jährigen Söhnen, begleitet von Vallouise-führern. Ernst, der elegantere von uns beiden, betätigte sich in der Hütte als Geschirrwäscher, während ich faul draussen auf dem Rasen lag. Nachdem die angehenden Alpine-Club-Mem-bers mir vernichtende Blicke zugeworfen hatten, gingen sie in die Hütte und stellten todernst und missbilligend meinen Freund zur Rede, in hartem Französisch: « Est-ce-que.. vous avez.. bien.. instruit votre guide? » Bei Guttannen, jenseits der schäumenden Aare, schickten wir uns zum Aufstieg an nach Holzhausalp-Mährenhorn-Trift. Zur Bergtüchtigkeit meines Kameraden hatte ich nicht restlos Zutrauen, weshalb ich den Proviant etc. beider auf mich nahm, was einen durch- aus respektablen Rucksack ergab. Aber ich war an den Unrechten geraten: « Gib mir den Sack, ich kann nicht laufen ohne Sack », sprach Giuseppe, schwang sich denselben auf den Rücken und stieg voraus, die steilsten Hänge grad hinan, Zigaretten rauchend und pfeifend: « Trink Brüderlein, trink. » Unwetter tobt über dem Gipfel der Bans 3651 m ( Dauphiné ). Sturm, Blitz und Donner. Unsere Nasen in ein Notizbüchlein gesteckt, kauern Max und ich vor dem Steinmann. Wo ich noch zu knien vermeine, sehe ich mich mit voller Klarheit auf dem Rücken, Kopf voran, dem Abgrund zukollern. Ein verzweifeltes Drehen, Festkrallen, und schon knie ich wieder neben dem Freund, das Büchlein noch in der Hand, verduzt mich entschuldigend: « I weiss bim Dunner nid, was i gschtürmt ha! », glaubend, ich hätte durch eine unfreiwillige Bewegung meinen Absturz herbeigeführt. Das war nur in den ersten Sekunden: im Rollen des Donners dämmerte mir, dass der Blitz mich getroffen hatte. « Hesch ds Für nid gseh! », bestätigte Max mit hohler Stimme und noch entgeisterten Auges das Ereignis.Der Blitz hatte mich drei Meter weit durch die Luft geschleudert; ein Loch im Hinterkopf und Beulen am Rücken waren die Folgen des Aufschlages. Der Steinmann aber war bis auf den Grund weggebürstet.

Ein Glanztag auf dem Tyndallgrat am Matterhorn. Ob dem Übergang der Echelle Jordan stand ich auf den Eisenstiften der Strickleiter, meinen Kameraden gesichert, und hiess ihn nachkommen. Erzittern der Leiter, und eine jämmerliche Stimme klang herauf: « Hans, ziehen! Zieh Hans! Ziehen! » Mit dem Moment nämlich, da man in die Sprossen tritt, streckt das Seilwerk sich mit einem Ruck. Das geschieht ob fürchterlichen Abgründen. Und mein Freund wog seine 85 kg. Für Humor war an jenem Tag gesorgt. Mein Seilkamerad hat aber noch gleichen Tags in bösem Steinschlag seine Tapferkeit und Bergkameradschaft mannhaft bewiesen.

Derselbe liebe alte Freund auf der Guggiroute der Jungfrau. Unpässlich geworden, wie dies jedem einmal passieren kann, erklärte er sich in der Silberlücke knock-out. Er war es gründlich und die Folge ein Biwak. In dem Firnhang unter der Lücke gruben wir einen Unterstand in den Schnee, mit Sitzgelegenheit, so bequem, dass ich darin von 10 Uhr abends bis 4 Uhr morgens ruhig geschlafen habe. Nicht so mein Freund: « Nie wieder mache ich eine Bergtour! » beteuerte er untröstlich. Nach flottem Abstieg standen wir dann in einem glanzvollen Morgen unter dem Eisfall des Kühlauenengletschers, alle Schwierigkeiten hinter uns. Berg und Tal, Gletscher und Gipfel, Firne und Grate flimmerten in der Sonne. Aus versunkenem Schauen wandte sich mein Kamerad treuherzig um zu mir: « Weisst Hans, ich geh'dann wieder in die Berge! » - « C' est le coeur qui fait le vrai alpiniste! » sagt Paul Montandon.

Eine andere Einstellung zur vieldiskutierten Frage: Warum steigen wir auf die BergeAnlässlich einer Mont-Blanc-Überschreitung vom Col du Miage zum Col du Midi genossen wir an einem prachtvollen Julimorgen die Aussicht vom höchsten Gipfel unserer Alpen, wie sie Imfeids Panorama wiedergibt. « Wir », d.h. ich, denn uninteressiert brummte mein Begleiter hinter einem Schneewulst! Acht Tage später meinte mein Kamerad, als er meine gut gelungene Panorama-Aufnahme vor Augen hatte: « Si mer da o gsy ?»Apropos Jungfrau. Kriegszeit und Hochbetrieb auf der Eisenbahn. Ein Wunder fast: Christen und ich erhaschten zwei freie Tage und zogen hochgemut los, dem Oberland zu.

Jetzt hatten wir genug und reisten heim. So gehen oft die Hoffnungen und Wünsche eines Jahres dahin. Und auf einmal ist das Alter da. Mein damaliger Kamerad hat sich innert kurzer Zeit zum tüchtigen Bergsteiger entwickelt, und schrieb mir einmal im Humor des Alters, auf unser Abenteuer zurückkommend: « Tempi passati, non ritornano più! » Auf einer Frühlingstour trafen wir in der Konkordiahütte eine Gruppe Österreicher, welche anhaltender Schneesturm hinderte, aus ihrem Depot auf dem Jungfraujoch Proviant zu holen. « Dos sag'i, dös is mei Brot », wies einer auf ein zündholzschachtelgrosses Stücklein Brot, « da hob'i draufgspuckt! » Auf der Alm,... usw. Ort der Handlung: Die jetzige Glecksteinhütte. Personen: Junges Paar. « Er », schwächlich, unter prallem Rucksack keuchend, « Sie », schneidig ohne Sack voraus, in der Hütte kühn die Zigarette rauchend, während er fast aus dem letzten Loch pfeift. In den Wind gesprochen bleibt ihre kameradschaftliche Aufmunterung an ihren Begleiter, es seien weitere Zimmer frei. Er hat seinen Schlafplatz an unserer Seite bezogen, zieht die Decke über die Ohren, und kehrt sich gegen die Wand. Von meinen Kameraden war bloss noch ein Wackeln der Decken auf ihren Bäuchen und über ihren Köpfen wahrnehmbar.

Der verkannte Gruss. Aufgeräumt kamen wir von einem prachtvollen Viertausender das Zmuttertal herunter, und in ebenso gehobener Stimmung begegnete uns eine Gruppe Ausflügler, Zermatter Stammgäste. Jovial rief ein älterer Herr mir zu: « Grüezi Alte! » Bitterböse schaute mein Freund dem schmerbäuchigen Männlein nach: « Ist das ein frecher Kerl! Du siehst doch nicht alt aus. » - So war es auch nicht gemeint, es war ein Ehrengruss und bedeutete: « Alter Zermattergast. » Ob Bergsteiger oder Nichtbergsteiger, es gibt halt nur ein Zermatt!

Mitte November und schon im Winterschnee, kamen wir frühmorgens in noch finsterer Nacht von der Baltschiederhütte her talab. Zuhinterst im Tal prallten wir bei einer Ecke mit einem Jäger zusammen, der offenbar sein Patent daheim vergessen hatte, wenigstens schnitt er ein unbeschreibliches Gesicht im Schein unserer Berglaterne. Sicher hatte er um diese Jahreszeit und Stunde hier keine Menschen erwartet. Mit solchen Gepflogenheiten nicht ganz unbekannt aus der Jugendzeit in meiner Bergheimat her, taten wir als ob! und schritten mit harmlosem « Guten Morgen » weiter, was der flintenbewehrte Mann, schnell gefasst, aber hörbar aufschnaufend, mit « Guete-Tag-gwinscht » erwiderte, worauf er sichtlich erleichtert fürbas zog.

Zur Zeit, da man noch nicht so bequem per Bahn aufs Jungfraujoch fuhr, stiegen mein 18jähriger Bruder und ich im Hochwinter in bösen Verhältnissen mit Ski, Sack und Pack das Bergli hinauf, Konkordia zum Ziel. Schon auf dem Unter Mönchjoch befanden wir uns in trügerischer Nacht, und nicht lange nachher lag ich in einem Schrund. Die Sache lief noch gnädig ab, und als ich wieder auf der Erdoberfläche stand, schaute mein Gefährte mir interessiert ins Gesicht, mit ruhig trockenem Humor: « Wen i gwisst hätt, dass d'r nidemal d'Pfyffe usem Gfräss ghid war, wär'i den nid eso erchlipft! » ( Aus urchigstem Grindelwald-deutsch übersetzt, ungefähr: « Wenn ich gewusst hätte, dass nicht einmal die Tabakpfeife deinem Mund entfällt, wäre ich weniger erschrocken.»Ich hatte ja gar nicht Zeit, die Pfeife fallen zu lassen, so rasch war es gegangen. Und schon so lange schläft mein Bruder im « Frythof bin d'r Chilchen »....

In der Keschhütte festgenagelt, suchte Freund Ernst in heulendem Sturm das nette Häuschen auf, seitwärts auf einem Felsabsatz. Just im kritischen Moment brach unter seinen Füssen das morsche Bodenbrett, und er versank mit entblösstem Hintern in grundlosem Pulverschnee. Erschrockenes Aufziehen der Hosen, und damit einen Haufen Schnee fassend, so kam in Sturm und bitterer Kälte unser sonst schlanker Freund in die Hütte gerannt, als hätte er ein respektables Bierbäuchlein bekommen. Drei Mann hoch halfen wir ihm mit Besen und Wärmeflasche aus seiner Not.

Wenn man den Teufel an die Wand malt. In bester Stimmung hatten unser drei Partien das Willsgrätli am Wetterhorn erreicht, wo man in der Regel beim « Dreckloch » absteigt ins zweite Couloir und dann in diesem den Aufstieg fortsetzt. Nur « entre-nous-deux » erkundigte sich mein Seilkamerad, ob man auch den Grat hinaufklettern könne. Erfreut griff ein Führer die Worte auf: « Grad wollte ich den Vorschlag machen », und wandte sich dem Grätli zu. Zu Tode erschrocken wehrte mein Kamerad ab: « Nein, nein, ich meinte es nicht so! » Wir hatten die Monte-Rosa-Ostwand hinter uns, in schwierigen Verhältnissen und mitternächtigem Abstieg zur Betempshütte. Auf der ganzen Fahrt hatte keiner einen Misstritt getan, und in Hüttennähe auf ebenen Weg flog ich vom Rand rücklings einen Absatz hinunter in ein Bächlein, dass ich im sprudelnden Wasser nur so nach Luft japste. Was hier ein heiteres Intermezzo blieb, hat mancher schon mit dem Leben bezahlt - weil er nach überstandener Gefahr und Schwierigkeiten zu sorg- und achtlos geworden ist.

Unser vier Kameraden auf dem Tyndallgrat und eine Zweierpartie auf dem Zmuttgrat hatten wir einander zugejauchzt, beide Teile an einem Prachtstag, dem in seiner Art einzigen Gipfel des Cervino zustrebend. Im Abstieg auf dem Hörnligrat gewahrten wir unter der Schulter in einem Couloir einen Pickel und nahmen ihn mit nach der Hörnlihütte. Dort vernahmen wir, dass dessen Eigentümer, einer der Zweierpartie vom Zmuttgrat, kurz vor unserem Eintreffen am Fundort, daselbst abgestürzt sei und zerschmettert und zerschellt irgendwo in der Wand liege

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