Passo di Nara | Club Alpino Svizzero CAS
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Passo di Nara

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JVon Walter Meyer

( Rapperswil-Jona ) Faido, Bezirkshauptort der Leventina, ist ein schmucker Flecken von makelloser Sauberkeit. Mitten durch die Häuserreihen zieht sich die Staatsstrasse, und zu dieser Abendstunde rattert auf- und abwärts die ständige Folge von Wagen jeder Grösse und Beschaffenheit. Morgens um 7 Uhr dagegen herrscht noch tiefste Stille. Da und dort schlürpft ein Tantchen mit dem gefüllten Milchhafen in der Hand dem Hause zu.

8.12, lies 8.40, fährt die Post ab in Richtung der Dörfer auf der linksufrigen Hochterrasse. Zuerst geht es rasch ansteigend durch morgenfrischen Laubwald aufwärts. Dann lachen uns gutbewässerte Wiesen entgegen in sammetweichem Grün, Bald sieht man das Tal 500 m tiefer liegen. Die Ankunft der Post in Calpiogna ist Tagesereignis. Die ganze Dorfschaft drängt sich um das in bescheidenen Massen gehaltene Auto. Offenbar backen die Leute da oben nicht mehr selbst, denn vollgestopfte Brotsäcke sind, nebst Koffern und anderem Reisegepäck, das wesentlichste Transportgut. Der Rückblick auf Osco, das auf grüner Terrasse liegt, ist so schön, dass man sich einreden möchte, das Reiseziel verfehlt zu haben und sich lieber dorthin wendete. Es geht einem im Süden immer so, bis hinunter in Italiens letzte Ecke.Von weitem präsentieren sich die Siedelungen, sei es ein Weiler, ein Dorf oder ein umbrisches Städtchen, als Inbegriff der Harmonie, und als idyllisches Versponnensein der Häuser mit der umgebenden Natur. Über Campello nochmaliges Durchfahren eines Tobeis und wir sind in Molare auf 1500 m über Meer angelangt. Unterwegs ist niemand ausgestiegen, und wir fragen uns, ob denn alle diese Koffer, Rucksäcke und anderen Angebinde, mit den zugehörigen nicht gerade marschtüchtig aussehenden Reisenden mit teilweise fremden Akzenten, wirklich auch zum Passo di Nara gelangen wollen. Gefehlt! Weniger als hundert Meter weiter oben ist eine ganze Siedelung von Ferienhäuschen. Dorthin wendet sich das « Volk ». Wir haben irgendwo gelesen, dass das stattliche Molare am Aussterben sei. Noch sollen sechzig Menschen es bewohnen und nur ein halbes Dutzend Schüler die Lehrerin beschäftigen. Das Kirchlein war vor Jahrhunderten für eine damalige Gemeinde von etwa zweihundert Seelen ausreichend. Der Besuch wird im « Wanderwege-Büchlein » empfohlen. In einer Nische ist eine Pietà, angeblich aus schwäbischer Schnitzerschule stammend und auf Anfang des Cinquecento datiert. Auffallend ist die Ähnlichkeit der Konzeption mit Michelangelos Pietà, im Dom zu Rom. Die Holzplastik ist bemalt und in ihrer Ausdruckskraft ziemlich zeitlos. Wer hat vor Jahrhunderten in diesem Bergdörflein Sinn und Geld gehabt für ein so ansehnliches Kunstwerk?

Nachdem wir Dorfausgang und Pfadspur gefunden haben, sind wir ganz allein mit unserem Vorhaben. Vom letzten Hause aus besehen, soll der wenig bekannte Passübergang leicht zu finden sein, und wir lassen uns noch sagen, dass nach Überschreiten des zweiten Baches im Walde, ein erstes Geriesel nicht gerechnet, die links ansteigende Spur als « Weg » zu erachten und einzuschlagen sei. Somit kann 's nicht fehlen. Vom Bosco di Molare herunter werden Baumstämme, an Drahtseilen aufgehängt, zu Tal geschickt. Schaut man denselben nach, wie sie in der Tiefe vom Waldesdunkel verschluckt werden, so hat man den Eindruck von Stäbchen, die an Spinnfäden lautlos abwärts gleiten. Der Mischwald ist selbst unserer die Sonne liebenden Haut bei der nahenden Mittagszeit willkommen. Wie auch das Auge späht und das Ohr sich spitzt, kein Tier, kein Laut! Aber da ist der zweite Bach. Richtig, zwanzig Schritte rückwärts, am Baumstamm befestigt, ist das Täfelchen; also links hinauf. Nach einer Viertelstunde nochmals ein Hinweis - nach Alpe di Nara - es kann also nicht fehlen. Steil aufwärts, bald ein kurzes Stück, das als Wegspur angesprochen werden kann, dann wieder Strecken, wo man so etwas nur vermuten darf. Doch, bei solch eingegangenen Wegspuren, überwachsen und ausgewaschen, stellt sich stets ein Quentchen Maultierinstinkt ein. Man geht dort, wo aus allgemeiner Richtung und minimaler Mühe sich die Resultierende erraten lässt, und fast unfehlbar wird man fünfzig oder hundert Meter weiter, wenigstens für kurze Strecken, die alte Spur immer wieder finden. Dies gilt allgemein für jede Wanderung im Gelände, besonders in den Bergen. Das Raten.Tasten, Suchen und Finden der Pfadspur ist auf einsamen Wegen eine der reizvollsten Unterhaltungen.

Auch wieder überqueren wir eine breite Waldverwüstung, durch Lawinenniedergang verursacht. Vom obersten erkennbaren Ansätze bis weit hinunter sind die grossen Bäume ausgerissen oder abgeknickt, die jüngeren sind umgebogen und wie niedergewalzt. Eine klagende, schwärende Wunde am Leibe des Bergwaldes.

Mehr und mehr werden wir umschwirrt und umsaust von kleinen Brummern. Wie die Vespa-fahrenden Tessinerjungen, die den Lärm als Selbstzweck betreiben, sturzfliegen sie rings um unser Haupt, bald in der linken, bald in der rechten Ohrmuschel eine scharfe Kurve reissend, sich nähernd und entfernend, alles, ohne den weisslichen Anflug unseres Hauptes als Zeichen unserer beginnenden Alterswürde im geringsten zu respektieren. Stink-fliegenNach der zweiten Wegstunde lichtet sich der Wald und zunehmendes Gebimmel kündet eine Alp an. Jetzt begreifen wir: - Comprendre c' est pardonner - die unermüdlichen Summer, die von ihren angestammten kuchenrunden Weidegründen dem Wanderer entgegeneilen, wie Möven einem dem Land nahenden Schiffe. 40 Stück schönes Braunvieh bevölkern die Alp und sehen gut aus, trotzdem wir auf dieser sonnenseitigen Höhe kein grünes Gräschen mehr entdecken können.

Zum wohlverdienten Halt wird der Schatten einer Arve aufgesucht. Der Rundblick ist ebenso lieblich und schön wie heroisch. Da sind, inmitten frischgrüner Matten, und diese ihrerseits umschlossen von Lärchenwäldern, hingestreut die freundlichen hellen Dörfchen auf der Hochterrasse des tief eingefurchten Leventinatales. Gegenüber die wildbewegte Gipfelwelt vom Piz Campo Tencia und Pizzo Campolungo, Gipfel an Gipfel, so weit das Auge reicht. Und all das wirre Spitzengemenge ist doch nichts anderes als die himmelwärts strebende Ausfranselung des langgezogenen Gebirgsleibes, der nach unten stets wuchtiger sich breitet. Der Zahn der Zeit mit Hitze und Kälte und dem nimmermüden Wasser als Geselle, ist ohne Unterlass mit dem Abbau des Bestehenden beschäftigt, um dann nach Aeonen für neu erstehende Bergzüge den Platz frei zu geben.

Der darum gefragte Hirtenbube meint, bis zur Passhöhe sei es noch eine « Oretta».Da sind wir aus Erfahrung gegen die leichthin verwendeten Diminutive etwas skeptisch. Schon einmal, beim Abstieg vom Basòdino, dem walserischen Sonnenhorn, als wir bereits sechzehnstündige Wanderschaft in den Gliedern spürten, sagte man uns, nach Bignasco hinaus handle es sich noch um eine « mezzoretta ». Das tönt so lieblich wie Rosmarie, so verheissungsvoll wie der erste Sonnenstrahl der auf dem Rücken der letzten Regentropfen einherreitet. Bei weitausholenden Schritten und gestreckter grosser Zehe wurden damals aus der « mezzoretta » noch anderthalb Wegstunden in stockfinsterer Nacht, und die Vision der Rosmarienknospe nahm die Züge eines abgearbeiteten alten Tessiner-Weibleins an. Damals in finsterer Nacht!

Heute aber lacht noch die Sonne - und heiss! Doch, da zeigt sich ja die Gratlinie; über ihr und hinter ihr nichts als blauer Himmel - und ein Kreuz ist dort oben aufgerichtet. Warum aber führt der jetzt deutlich erkennbare Pfad nicht zum Kreuze hin, sondern übersteigt seitlich unter ihm die Horizontlinie? Immerhin, wir folgen dem Pfad und begreifen den Casus eine Viertelstunde später. Erst jetzt haben wir die Alpe di Nara vor uns. Mit dem Pizzo Molare als Rückenlehne, hat sich, wie von einem einstigen hier doch unwahrscheinlichen Kraterbecken, eine zwei Drittel der Schale umfassende Krone erhalten, nach Südwesten geöffnet. Die zwei weiter unten vermuteten Alpställe liegen hier, ruhend im weit ausholenden Bergschosse. Die Alp an den gutbewässerten Hängen ringsum, alles in sich geschlossen, bildet eine vollkommene Einheit.

Am Kreuze ist noch ein Täfelchen angeschlagen: « bandita di caccia ». Wir grübeln eine Weile über den Sinn. Soll damit ein vermutlicher Wilderer gewarnt werden, etwa so: « Pass auf Bursche, du bist erkannt und wirst das nächste Mal geschnappt werden! » Etwas derartiges dürfte vielleicht nicht überflüssig sein, denn an Tieren ist da rein nichts zu verspüren, leider! Nicht einmal pfeifende MurmeliDie richtigen Gedanken hat man selten selber; es sind Einfälle. So wird uns im Weitergehen unmittelbar klar, dass die Tafel ein Schongebiet anmeldet, also ein Jagdverbot; somit gleiche Wurzel wie « bannen », « Bannwald » = bandire. Aber da stört dann wieder wie ein Haar in der Suppe der zur selben Familie gehörende « Bandit »... Zur Beilegung dieser sprachlichen Auseinandersetzung setzen wir Bandit gleich Verbannter - und verstricken uns von neuem, weil die Wortwurzel doch den Sinn von Schonung in sich birgtGehen wir lieber weiter, dem sicherlich endgültigen Grate, dem Pseudo-Kraterrande zu. Das sieht nun so aus, als ob man oben rittlings sich hinsetzten könnte, ein Bein nach Osten und das andere nach Westen hängend. So teilen wir denn lachend die Welt in Ost und West. Ob wohl seinerzeit der Papst, als er die Aufteilung der Erde zwischen Spanien und Portugal vornahm, sich auch rittlings auf den fünfzigsten Meridian gesetzt hat? Auf alle Fälle muss er zünftige Nägel eingeschlagen haben, da sie bereits vier Jahrhunderte überdauertenUnd nun ein eigenartiges Naturschauspiel! Auf eine Breite von vielleicht 80 Schritt rieseln Dutzende kleiner Bachgerinnsel unvermittelt aus dem Nordosthange heraus und wandern hüpfend und plätschernd dem Muldenzentrum der Alp zu. Jakob Ess gibt in seinem Tessiner Wanderbüchlein eine nette Erklärung: Anschnitt eines unterirdischen kleinen Gletschers. Jetzt ist uns die fast vollkommene Muldengestalt der Alp, klar. Baumeister war hier ein seither verschwundener, resp. äusserlich vollständig abgebauter Muldengletscher, der abschmolz, nachdem der Eisdruck die südwestliche Uferkrone durchbrochen hatte. Durch diesen Vorgang sind wir leider der Bildung eines hochgelegenen Bergseeleins verlustig gegangen.

Letzter Anstieg unter hochsommerlicher Mittagswärme. Da kreist ein grosser Brummer zum Gruss. Am Himmel ist nichts wahrnehmbar. Aber auf meiner Hand hat sich, wie weiland Robinson auf seiner Insel, mit angemasstem Jagd- und Weiderecht, eine zollange, dicke Bremse niedergelassen und unverweilt zu einer Tiefenbohrung angesetzt. Ich verständige sie jedoch mit einem Schreckklaps, die beabsichtigte Transfusion zu unterlassen. Das stimmgewaltige Tierchen ( oder sind die X-Tausend Schwingungen der hauchdünnen Flügel Urheber dieser Cellotöne ?) absolviert noch drei Protestrunden um mein Haupt und lässt mich dann als ungastlichen Wirt frei des Weges ziehen. Ohne Bluttat erreichen wir den hohen Horizont. Wieder einmal kommt es anders als man denkt. Vom Aufteilen der Welt ist keine Rede. Da wo Grat vermutet wurde, ist topfebener Boden, mit weiss-rot gestrichener Stange als Wegzeichen. Jetzt erinnern wir uns der Mitteilung, dass der Passo di Nara von den Urnern zu ihrer Herrenzeit stets benützt worden sei, um in das von ihnen offenbar ganz oder teilweise bevogtete Blegno zu gelangen, ohne in den Brutkessel von Biasca hinabsteigen zu müssen. Wir können uns vorstellen, wie, da oben angelangt, die Lasten abgestellt und Speis und Trank zugesprochen worden war. Wie die Jodel an Wand und Flühen hinauf tönten und als Echo aus vermeintlichen Fernen rollend wiederkamen. Jetzt war es geschafft und man konnte sich im stillen für die andere, dunkeläugige Welt und roten Wein bereit halten...

Zum erstenmal seit Stunden hatten wir, etwas wie zärtliches Empfinden für den Ruck-sackJa! Aber was bedeutet denn dies? Die Gamelle mit Feldflasche und Inhalt, Früchte und andere Naturalien sind nicht da! Kein Tropfen Flüssiges! Wieso und warum? Es war doch... Also, es war beim Ruffino, gestern abend, als getankt wurde im Bahnhof buffet zu Airolo... die ausgebaute Gamelle samt Inhalt muss noch dort stehen! Zwei Minuten Schweigen! Die ganze verfügbare Habe besteht aus einer Schachtel Gerberkäslein, wovon nur die schmelzbaren Bissen vermutlich als durststillend in Frage kommen, ferner einige trockene Biscuits, und als Notration drei PfefFermünz-Zeltli. Da soll man noch von Gandhis Beschränkung auf Ziegenmilch ein Wesen machen. Das Mahl ist mit seinen drei Gängen bald abgetan. Soll man da noch die fernher leuchtenden Gletscher bewundern?

Da streicht ein Lüftchen herauf und über den hohen Boden hin - und es fällt uns etwas ein. Warum sich nicht aussen erfrischen, wenn innen nicht möglichNun stehen wir da, wie vom Liebgott gemacht; ausser dem Strohhut und der Sonnenbrille kein Stück am Leibe. Wie das wohl tut! Die Sonne lacht dazu, und uns ist wohl - so wohl! Stillsitzen mögen wir nicht bei dieser herrlichen Umf ächelung und laufen deshalb hin und her, bis die Lust gesättigt ist. Der innere Friede stellt sich ein und dem vergesslichen Rucksack wird allmählich verziehen. Der Ausblick ist herrlich. Das ganze Leventina bis hinauf zum strahlenden Lucendro liegt schnurgerade in der Blicklinie. Es steigt in der Ferne empor wie eine mit grünen Teppichen belegte Himmelstreppe. Nach Osten, jenseits des tiefen Biegnotales, der breit ausladende Eispanzer um das spitz aufstrebende Rheinwaldhorn mit seinen Trabanten. Doch all dies ist nur Kleinwelt, verglichen mit dem majestätisch alles überspannenden Himmelsdom von unergründlicher Bläue. Mensch, wie bist du klein und doch ist all diese Herrlichkeit nur, weil dein Auge es beschautNoch eine Weile stiller Naturandacht und dann wird leise, leise zum Aufbruch gerüstet.

Wie freundlich und beredt eine so rot-weiss bemalte, 3 Meter hohe Wegweiserstange anmuten kann, wenn weit und breit kein Mensch, kein Tier sich regt. Immer wieder auf Sehweite steht eine, einer Schildwache gleich und zeigt die Richtung. Bei der dritten scheint dieser freundliche Hinweis aufzuhören, doch nein! Die Richtung ändert. Es muss rechts hinüber traversiert werden. Dort ist eine grosse, heute aber leere Stallung und gleich anschliessend der oberste Wald. Es sind Lärchen mit besonders wuchtigen Stämmen. Sicherlich haben sie die Urnerzeit noch erlebt. Dann sind da die Gefallenen, die, seit vielen Jahrzehnten schon von Sturm oder Alter gefällt, herumliegen und langsam der Auflösung entgegengehen. Ein Wald der Riesen, sich selbst überlassen im Wachsen und im Sterben. Hier raunen die Jahrhunderte zwischen den Stämmen durch und eine Friedhofstille ruht über den am Boden liegenden, gebleichten Stämmen. Wir denken an Ägyptens Mumien, die beim ersten Luftzuge verfallen. Unser Bergstock kann mühelos fusstief in Stämme gesteckt werden, die undurchdringlich massiv sich ansehen, innerlich aber durch und durch morsch sind, Nahrung und Wohnung der Kleinkäferwelt. So sahen diese Bergwälder aus in den Jahrhunderttausenden vor dem Erscheinen des Menschen, und so wird es wieder sein, wenn einstens der Letzte unseres Geschlechts die Menschheits-Episode hienieden wird abgeschlossen haben. Als ob wir einen Blick in die Ewigkeit getan hätten, nehmen wir von diesen Zeugen eines anderen Zeitmasses in aller Ehrfurcht Abschied.

Die seitliche Begrenzung dieses Waldes ist eine tief und scharf eingeschnittene Runse. Die nagende Arbeit des Gewitterbaches zeigt es deutlich; alles ist Schutt von einstigem Berg-abbau, kein gewachsener Fels. Wir müssen aufsteigend die Runse an ihrem oberen Anfang umgehen und sind befriedigt, die weiss-roten Stangen wieder vorzufinden. Unser allmählich wieder geschärfter Weginstinkt hat nicht versagt. Nun schreiten wir abwärts, längs dem rechtsseitigen Runsenufer entlang, etwa zwei Stangenabstände, dann abermals rechts halten, und schon finden wir die ausgehauene Schneise durch das untere Waldband. Im sich auflockernden Wald werden wir eines leuchtend grünen Mattenbodens gewahr, von einer kilometerweiten Steinmauer gegen die Bergseite umhegt. Es sind die Heumatten, ohne ein Steinchen, wie ein riesiger gepflegter Teppich anzusehen. Bis hier herauf zeigen sich Werk und Frucht der sorgenden Menschenhand. Ausserhalb des Steingeheges sind bergseits die Maiensässen angesiedelt, um ja keinen Fleck des Wiesenbodens zu beanspruchen.

Wir hören den Namen: Piede di Sasso. Dort trennen sich die Fährten, rechts nach Foppa Leontica, links nach Negrentino Prugiasco. Wir wählen rechts, d.h. den halbstündigen über fast ebenen Wiesboden führenden und nachher steil abfallenden Pfad. Nachträglich glauben wir, dass der Abstieg nach links, über Negrentino, wenn nicht weniger steil in der unteren Hälfte, doch, wegen der Kapelle San Carlo Negrentino, lohnender gewesen wäre. Jakob Ess hat dieses Juwel einer Bergkapelle ( in der N.Z.Z. vom 29. Februar 1952 ) eingehend beschrieben.

Nach Erreichung des stattlichen Dorfes Prugiasco dürfte das Tagespensum als erfüllt betrachtet werden. Oben in Leontica waren wir beim Dorf brunnen eingekehrt, hatten innen und aussen gespült und die Herrlichkeit reinen, frischen Quellwassers bis ins Innerste verspürt. Die Pflanzen wissen es noch; wir Menschen vergessen dank dem Überfluss an allerlei durststillenden Getränken, welch allumfassendes Lebens-Elixier gutes Wasser sein kann! -Aber: Das vornehmste bleibt dennoch der Wein; denn er ist zugleich: himmlisch Wasser und goldener Sonnenschein. Von Acquarossa führt das Bähnchen hinaus in die Schwüle von Biasca und hinunter zu den kühlenden Seen.

Die Gamelle mit Inhalt erreichte uns dann per « poste restante » in Bellinzona.

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