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Sinn und Bedeutung des Reliefs

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In Aufsätzen und Abhandlungen über Landschaftsreliefs wird gelegentlich unterschieden zwischen wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Objekten. Dies ist sinnlos. Man kann nur unterscheiden zwischen mehr oder weniger gut oder schlecht. Sofern es sich um Nachahmung von Landschaften handelt, ist auch das Unterscheiden topographischer und nicht topographischer Modelle sinnlos. « Topographie » bedeutet Ortsbeschreibung ganz allgemein, insbesondere aber auch solche durch Karten, Reliefs usw. Jedes Modell eines Erdoberflächenslückes, sei es einer alten

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Stadt, eines Berges, einer kleineren oder grösseren Region, ist topographischer Natur. Hauptzweck eines Reliefs ist wohl meist didaktische Hilfe. Im Unterricht in Kartenlesen, in Geographie, Geologie und Geomorphologie bedient man sich des Geländereliefs als umfassendstes, verständlichstes Anschauungsmittel der Geländegliederung. Das topographische Relief ermöglicht es, einen Gebirgsstock innert weniger Augenblicke von allen Seiten her zu betrachten, die Abhängigkeit der Erscheinungsform vom Beobachterstandort und von der Beleuchtungsrichtung zu studieren. Man überblickt gleichzeitig das Ganze und sieht das Einzelne. Innert Minuten oder gar Sekunden befindet man sich bald über, bald vor, bald hinter dem Berg. Das leicht mögliche nahe Heranrücken des Objektes ans Auge, damit ein ( in der Natur auf grosse Entfernungen nicht gegebenes ) stereoskopisches Erfassen sowohl der körperlichen Gestalt als auch der räumlichen Distanzen, bietet uns in ähnlicher Weise keine andere Darstellungsart, selbst nicht das Beobachten in der Natur. Darin liegen Wesen, Wert und Zauber des topographischen Reliefs.

Recht beliebt sind in der Schule auch die Trep-pen- oder Stufenreliefs. Sie veranschaulichen unmittelbar Form, Sinn und Wesen der ( fiktiven ) Höhenkurven topographischer Karten. Didak-tisch wertvoll sind auch die Typenreliefs. Es sind solche, die nicht immer genau einer bestimmten Landschaft entsprechen, sondern einen bestimmten Form-Typus zeigen. Beispiele: Erosionsabriss, Delta, Zungengletscher, Blockstrom, Vulkankegel, Steilküste, Dünen. Musterhafte Beispiele solcher Art hatte schon vor vielen Jahrzehnten der Geologe Albert Heim geschaffen.

Ist nun aber ein topographisch genau geformtes Berg- oder Gebirgsmodell auch ein Kunstwerk? Eine Diskussion darüber wäre wohl ein Streit um des Kaisers Bart. Jeder darf darüber denken, wie er will. Dies um so eher, als ja heute auch im Bereich der Malerei und Bildhauerei Begriffe und Qualifikationen des Künstlerischen ohnehin umstritten sind. Eindeutig scheint mir nur folgendes:

Auch im besten photographischen Abbild bleibt vieles verschleiert. Geschärftes Beobachten in Verbindung mit starkem Gedächtnis für Typisches und Mögliches sind Voraussetzungen künstlerischen Gestaltens, auch für gutes Gestalten von Reliefs. In diesem Sinne mögen die besten Bergmodelle nicht nur von geographisch-topogra-phisch-didaktischer Bedeutung sein, sondern auch als Kunstwerke gelten. Sie möchten es aber auch in einem weiteren Sinne: Kunstwerke, solche der Malerei und Bildhauerei, sollen ja nicht, wie oft gepredigt wird, nur erschrecken, prophetisch aufrütteln und Denk- und Gefühlsanstösse geben. Viele, sehr viele der grössten Kunstwerke, solche aller Zeiten, sind geschaffen, um Menschen zu erfreuen. So wie eine sonnige Landschaft, wie ein freundliches Menschenantlitz, wie manch gutes Gemälde, kann und soll auch ein gutes Bergmodell Freude bereiten. Unvergesslich bleibt mir das folgende sehr kleine, sehr unbedeutende Erlebnis: Es war zu Beginn der Landesausstellung des Jahres 1939 zu Zürich. Ich flickte noch irgend etwas an der Rückseite des Windgällenmodelles. Der Raum war im übrigen menschenleer. Aus meinem Versteck hinter dem Berg hörte ich, wie ein Mann in den Raum trat. Wir konnten uns nicht sehen, der Berg lag zwischen uns, und ich hielt mich stille. Da sprach der Mann leise, langsam und ergriffen zu sich selbst: « Das ist nun aber etwas wunderbar Schönes! » Dieses Wort des Unbekannten hatte mich stärker bewegt als manche offizielle Ehrung.

In Zusammenhang mit solchen Erwägungen über das Künstlerische in der Gebirgs-Bildhaue-rei sei abschliessend die folgende Warnung nicht unterdrückt: Wohl bei kaum einer anderen Art bildnerisch oder plastisch gestalteter Werke kommen sich Kunst und Kitsch so gefährlich nahe wie hier. Ein kleiner Schritt vom Besten weg führt hier gleich zur Banalität. Darum: Wer sich mit seinen Modelliersticheln an eine verkleinerte Gips-Fels-wand heranwagen will, prüfe zuvor seine Kräfte, so wie der Tapfere, der in Natur zu einer gefährlichen alpinen Unternehmung aufbricht.

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