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Ueber Alpenpflanzen und deren Cultur

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Otto Frœbel ( Section Uto ).

Ueber Alpenpflanzen und deren Cultur Von Als s. Z. dem ersten Bande des Jahrbuchs S.A.C. einige hübsche chromolithographische Abbildungen von Alpenpflanzen beigegeben worden, da durfte man hoffen, daß die Flora unserer Berge öfters in unseren Annalen zur Sprache kommen werde. Aber wenn ich die stattliche Anzahl der seit 1864 erschienenen Bände durchblättere, so kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, als seien nicht die Berge mit ihrer Vegetation, sondern nur die Berge als Besteigungsobjecte der Brennpunkt des clubistischen Interesses. Allerdings haben sich zu dem Gros der touristischen Literatur in unserem Jahrbuche hie und da botanische Abhandlungen gesellt, oder auch Fahrtberichte, denen die Flora eine mehr oder weniger accentuirte Färbung verleiht, aber dessenungeachtet darf man behaupten, daß zu dem Anni. Vortrag, gehalten in der Section Uto den 29. Febr.

1884.

bisher im Jahrbuch erschienenen werthvollen Material die Flora unserer Alpen nur ein verhältnißmäßig kleines Contingent gestellt habe. Wenn ich nun heute die Aufmerksamkeit des S.A.C. für diese Flora in Anspruch zu nehmen wage, so bezwecke ich damit keineswegs, eine Lücke in der alpinen Literatur auszufüllen — dazu bedürfte es einer berufeneren Feder — sondern nur das Interesse für eine Specialität in unserer clubistischen Thätigkeit zu wecken, welche eine wahrhaft unerschöpfliche Fundgrube des reich-und nachhaltigsten Genusses werden dürfte: für die Gartencultur der Alpenpflanzen.

Während in Bezug auf den hohen Werth der Alpenpflanzen zur Ausschmückung unserer Gärten die Ansichten der Fachleute und Liebhaber übereinstimmen, ist dies durchaus nicht der Fall hinsichtlich der Art ihrer Cultur. In Großbritannien, woselbst die Cultur der Alpenpflanzen bisher weitaus die meisten Liebhaber gefunden hat, sind die Ansichten in Bezug auf deren Domestication, wenn dieser Ausdruck Platz finden darf, sehr getheilt. In den letzten Jahren ist in einer der beiden ersten englischen Fachzeitung, „ The Garden ", eine Anzahl von Notizen veröffentlicht worden, deren Urheber ganz entgegengesetzten Ansichten huldigen. Die Einen, von der Beobachtung ausgehend, daß in der Natur die einen Alpenpflanzen nur auf granitischem Gestein, die andern nur auf Kalk und die dritten endlich auf verschiedenen Felsarten vorkommen, huldigen dem Grundsatze, daß den cultivirten Alpenpflanzen womöglich die nämliche Erde gegeben werden müsse, in welcher sie an ihren natürlichen Standorten wachsen, und haben die sogenannte Kalk- und Granittheorie aufgestellt. Andere Beobachter behaupten, daß sorgfältige Auswahl des Standortes in Bezug auf Sonne und Schatten, trockene Lage und Feuchtigkeit die Hauptbedingung für das Gedeihen der Pflanzen sei und der chemischen Zusammensetzung des Bodens nur geringe AVichtigkeit beigelegt werden müsse.

Ich bin weit davon entfernt, diese offene Frage endgültig entscheiden zu wollen, denn hiefür sind die bisdahin gesammelten Erfahrungen noch ungenügend; indessen stehe ich nicht an, zu erklären, daß ich mich nach langjähriger, praktischer Erfahrung in der Cultur der Alpenpflanzen der letzteren Ansicht zuneige. Es möge mir gestattet sein, hiebei auf eine bekannte Thatsache hinzuweisen.

Wer jemals tropische oder auch nur exotische Pflanzen in ihrer Heimat beobachtet oder solche mit ihren heimatlichen Erdballen erhalten hat, wird mit uns übereinstimmen, wenn wir behaupten, daß nicht der hundertste Theil aller in unseren Gärten oder Gewächshäusern cultivirten Pflanzen in der nämlichen Erde wild wächst, welche ihnen in der Kultur geboten wird. Kaffee- und Theestrauch, die wichtigsten Ge-würzpflanzen, Palmen und eine Menge Warmhaus-pflanzen, welche wir in Ilaide- oder Lauberde cultiviren, wachsen nach den Berichten aller Reisenden in ihrer Heimat oft in schwerer Lehmerde; die meisten Bromeliaceen ( Ananasgewächse ), welche wir in Töpfen in leichter Erde cultiviren, wachsen in den Tropen auf oft ganz kahlen Baumstämmen. Ebenso ist es mit vielen Orchideen und Aroideen; sogar Farne, die wir immer in leichter Erde cultiviren, kommen an ihren heimatlichen Standorten oft in schwerem Boden vor. Richtige Temperatur, genügende Feuchtigkeit und angepaßte Pflege sind die Factoren, welche fast ausschließlich das Gedeihen dieser Pflanzen in unseren Gewächshäusern bedingen. Gehen wir zu den ausdauernden einheimischen Pflanzen über, so treffen wir ähnliche Beispiele.Viele Wasser- oder Sumpfpflanzen ( wie Acorus, Caltha, Iris Pseudacorus, Menyanthes, Typha etc. ) gedeihen in unseren Gärten in gewöhnlicher Erde; Arten, welche in der Schweiz nur auf Jurakalk wachsen ( wie Iberis saxatilis L. ), werden oft mit Erfolg in gewöhnlicher Gartenerde cultivirt. Es ist daher die Cultur der Alpenpflanzen in einer den natürlichen Standorten nicht entsprechenden Erdart durchaus keine Ausnahme, sondern vielmehr eine in der Gärtnerei allgemein verbreitete Regel.

Dies vorausgeschickt, will ich versuchen, unsere Culturmethode zu schildern, wobei ich zuerst angeben will, wie wir zu derselben gekommen sind. Ich hoffe dadurch nicht nur den aufrichtigen Freunden der Alpenpflanzen einen Dienst zu leisten, sondern auch den Alpenpflanzen selbst neue zahlreiche Freunde zu erwerben, ich glaube hiezu um so eher berechtigt zu sein, als wir seit langen Jahren uns mit der Cultur dieser Pflanzen aus Liebhaberei beschäftigt haben.

Die ersten Versuche unserer Alpenpflanzencultur wurden im Garten in einem flachen, halbschattigen, aus Moorerde bestehenden Beete gemacht. Einige Sorten Primeln, Soldanella, Androsace Chamsejasme, Gentianen, Silène acaulis und einige Saxifragen bildeten den Anfang. Mehrere dieser Arten haben in dieser einfachen Rabatte viele Jahre bis auf die jüngste Zeit ausgehalten. Einen analogen Versuch machten wir in einer von Steinen eingefaßten kleinen Böschung in ganz gewöhnlicher Gartenerde ohne irgend welche künstliche Mischung derselben. Auch hier gelang der Versuch zum größten Theil und die damals gepflanzten Exemplare sind noch jetzt in bester Beschaffenheit.

Später erstellten wir, entsprechend der damals herrschenden Ansicht, eine Felspartie aus granitartigen Steinen, sowie eine aus von der Lägern bezogenen Kalkfelsen, in dem festen Glauben, damit unsere Cultur in das richtige Geleise gebracht zu haben. Es brauchte indessen nicht viele Jahre, um uns die Ueberzeugung beizubringen, daß die schon erwähnte Kalk- und Granittheorie für die Gartencultur unhaltbar sei, denn nicht die Gesteinsart, sondern die Lage, in welche wir die eine oder andere Sorte Pflanzen placirt hatten, entschied einzig liber deren gutes oder schlechtes Gedeihen. In der That darf nunmehr der Grundsatz aufgestellt werden, daß schattige oder sonnige, feuchte oder trockene Lage, entsprechend der Situation, in welcher sich die Pflanzen an ihren heimatlichen Fundplätzen vorfinden, die Grundbedingung ihres Gedeihens in der Cultur im Tieflande bilden.

Hierauf hat somit der Sammler von Alpenpflanzen in erster Linie zu achten, wenn er das in den Bergen gesammelte Material zu Hause richtig anpflanzen will. Das Sammeln selbst in den Bergen muß nun freilich auch mit einiger Sorgfalt betrieben werden. Das Ausgraben muß, mit möglichster Schonung der Wurzeln, mittelst eines praktischen Instruments geschehen, denn ohne genügende Wurzeln kann von Erfolg keine Rede sein. Ich habe mich zum Sammeln meist meines guten Bergstockes mit langer solider Eisenspitze bedient; wo dieser nicht dienlich war, kam ein sogenanntes Bergamasker- oder Engadinermesser zur Verwendung.

Die gesammelten Pflanzen schickt man, wo sich dazu Gelegenheit bietet, am besten per Post nach Hause und benutzt dazu am zweckmäßigsten leichte Schachteln, wie Blechschachteln für Biscuits, Cigarren-kistchen, kurz, was in dieser Art im Bergwirthshaus. aufzutreiben ist. Zuunterst legt man eine dünne Schicht mäßig feuchtes Moos, dann eine Lage Pflanzen ordentlich neben einander gefügt, die Wurzeln auf dem Moos aufliegend, dann eine Lage Zeitungspapier, darauf wieder Pflanzen, wieder Papier und wieder Pflanzen und zuoberst wieder eine Lage Moos. Sa gepackt reisen die Pflanzen sehr gut und bleiben ziemlich lange frisch. Zu Hause werden dieselben sorgfältig an einem schattigen Orte im Freien provisorisch eingepflanzt und begossen, bis sie ihren definitiven Platz bekommen können.

Von größter Wichtigkeit ist es, die Alpenpflanzen — wenige Arten ausgenommen — nicht mit den vom Gebirge stammenden Erdballen zu pflanzen, sondern dieselben vorher sorgfältig auszuschütteln. Die aus. den Bergen geholte Erde wird im Flachlande immer nach kurzer Zeit sauer und verursacht so in den meisten Fällen das Absterben der mit derselben gepflanzten Exemplare. Um sich vollständig zu acclimatisiren müssen die Alpenpflanzen in einer Erde wachsen, welche dem Klima des Tieflandes entspricht. Je nachdem eine Pflanze an ihrem natürlichen Standort in reinem Humus oder in Geröll wächst, ist der Erde mehr oder weniger Sand beizumengen. Selbst bei Arten, die im Geröll wachsen, dringen die Wurzeln aber oft durch die Steinschicht hindurch tief in eine liumushaltige Schicht ein; man wird also, wie schon erwähnt, unter allen Umständen darauf sehen müssen, daß die Wurzeln im Innern der Steinpartien in die Erde eindringen können; gute, mit Sand vermischte und für gewisse Arten mit Haideerde versetzte Rasenerde genügt für die meisten Arten. Als erste Station für die von den Bergen nach Hause geschickten Gewächse möchte ich rathen, ein kleines Sandbeet zu erstellen, in welches dieselben vorläufig logirt werden, um später, nachdem sie sich vom ersten Schrecken erholt und schon einigermaßen mit der veränderten Lebensweise vertraut gemacht haben, definitiv verpflanzt zu werden. Solche Beete aus erdhaltigem Sand, wie er in unserer Gegend überall leicht zu bekommen ist, sind sowohl als erste Unterkunftsplätze zu empfehlen, wie auch als definitive Pflanzstätte, wenn Felsconstruc-tionen nicht zulässig sind. Wir benutzen solche von Schieferplatten eingefaßte, circa 15cm über das Niveau des Bodens erhöhte Beete nun zum größten Theil für die Cultur unserer Alpenpflanzen und befinden uns dabei viel besser wie früher, als wir noch glaubten, dieselben bis zu ihrem vollständigen Anwachsen in Töpfen cultiviren zu müssen. In diesen Sandbeeten wachsen die als granit- und kalkliebende Species Ueber Alpenpflanzen und deren Cultur.40t classificirten Arten in großer Eintracht neben einander, die Sonne und trockenere Lage liebenden Sorten in den entsprechenden sonnig gelegenen, die Schatten und Feuchtigkeit suchenden Arten in den diesen Anforderungen Genüge leistenden Beeten.

Nun wird vielleicht Mancher denken: Ja, ich hätte wohl oft gerne auf meinen Streifzügen die wunderlieblichen Primelrosetten, Gentianenpolster, Edelweißbiische und andere niedliche Pflänzchen mitgenommen, aber wo mit hin zu Hause? „ Ich habe keinen Platz dafür in meinem Gärtchen, " denkt der Eine, und „ ich habe gar keinen Garten " der Andere. Diesen Bedenken kann oft leicht abgeholfen werden. Ein Quadratmeter Fläche, sei es im Garten, oder auch nur im Hofe, oder auf einem flachen Dache, genügt, um eine allerliebste Steinpartie zu erstellen und damit das nothwendige Logis für die gesammelten Schätze zu schaffen. Versuchen wir beispielsweise nach der Art, wie sich Kinder ihre Sandberge erstellen, den Uetliberg mit seinen Rippen und Ausläufern gegen die Sihl und gegen die Reppisch en miniature nachzubilden. Unsere Phantasie wird sich dem vorhandenen Platze anpassen. Die Größe der Anlage ist keine Bedingung zum Gedeihen, sondern die Art der Construction. Auf diese Weise erhalten wir eine Anzahl ganz sonniger, einige nur Morgens oder Abends der Sonne ausgesetzte und endlich ganz schattige Standorte, auf welche die verschiedenen Arten richtig zu vertheilen sind. Der Miniaturberg besteht aus größern und kleinern Felsstücken, welche, wenn möglich, unter sich durch Cementpflaster verbunden, ein loses Gefüge in der Weise haben müssen, daß 26 die Erde dazwischen durch sich vertheilt und dadurch die Wurzeln ungehindert das Innere durchziehen können. Die Feuchtigkeit muß den Bau durchdringen können, ohne daß die Filtration gehindert wäre. Wir werden somit auf einer 20—30om starken Schutt- und Geröllschicht, die als Grundlage des Baues dient, die einzelnen Felsstücke durch Cement befestigt so aufbauen, daß zwischen denselben möglichst viele Ritzen und Höhlungen entstehen, welche zur Aufnahme der Pflanzen bestimmt sind. Es ist wichtig, alle Vertiefungen und hauptsächlich den ganzen innern Hohlraum der Steinpartie mit Erde, Sand und Steinen auszufüllen, weil die Wurzeln sehr vieler Alpenpflanzen fußtief durch Spalten und Risse eindringen, um hauptsächlich im Sommer die nöthige Feuchtigkeit zu erhalten. Hoeh-alpine Pflanzen müssen unter allen Umständen im Sommer leicht beschattet und Morgens und Abends überspritzt werden, denn die große Feuchtigkeit, welche den Alpenpflanzen zu Hause in Form von schmelzendem Schneewasser, sehr starkem Thau und Nebelnieder-schlägen zu Theil wird, kann in der Cultur nur mit künstlicher Hülfe einigermaßen ersetzt werden. Die Zeit der großen Sommerhitze ( Mitte Juni bis Mitte August ) ist für diese Pflanzen am gefährlichsten; starke, scheinbar gut acclimatisirte Exemplare gehen während derselben oft plötzlich zu Grunde. Dieses gilt ganz speciell von den hochalpinen Pflanzen, welche in der Nähe von Gletschern und an der Schneegrenze in einer Höhe von 2500—3000™ vorkommen. Um diese Gewächse durch den heißen Sommer zu bringen ist eine Lage von grobkörnigem Kies, dicht um die Pflanze herum gelegt, ein wesentliches Mittel, denn die Erde bleibt darunter feucht, kühl und porös. Den Fettpflanzen und Hauswurzarten ( Sedum und Sempervivum ) räumt man die sonnigste Stelle der Partie ein; Arten, die eine trockene Lage erfordern, werden an den höchsten, Feuchtigkeit liebende Pflanzen, Farne etc., an tiefer liegende schattige Standorte gepflanzt. Der schattige Standort soll aber nicht durch directen Schatten, wie z.B. von Bäumen, sondern nur durch die Lage ( Nord oder Ost ) gebildet werden, denn der directe Schatten eines Baumes und der Tropfenfall verursachen zu anhaltende Nässe und ziehen eine Menge Schnecken, die größten Feinde unserer Lieblinge, herbei. Auf einer so richtig angelegten und passend bepflanzten Steinpartie kommen die Alpenpflanzen am besten zur Geltung und bieten ein äußerst anmuthiges Vegetationsbild.

Eine schwierige Frage ist nun die, wie die Alpenpflanzen durch unsere Winter zu bringen sind, die sich ja vom Winter in den Alpen so himmelweit unterscheiden. Die solide Schneedecke, unter welcher die Alpenflora, während 6-9 Monaten vor aller Unbill der Witterung geschützt, ihre behagliche Winterruhe genießt, fehlt uns im Tiefland meistens. Langweilige, andauernde Herbstregen, griesgrämige schwere Nebel, plötzlicher harter Frost ohne Schnee, für eine kurze Zeit Thauwetter, dann wieder Frost, nothdürftiger wässeriger Schnee, sogenanntes „ Pflüderwetter ", das sind die Annehmlichkeiten, denen die Pflänzchen im Tieflande ausgesetzt sind. Diese Prüfungen halten sie nicht aus, sie müssen darunter empfindlich leiden und zu Grande gehen, wenn wir ihnen nicht künstlich den Schutz zu geben vermögen, den das Hochgebirge mit seiner soliden Schneedecke ihnen bietet. Hiezu dient eine leichte Bedeckung mit losem Stroh oder besser noch mit Tannenästen, welche ja im Winter so vielfach zum Schutz von zartern Bäumen und Sträuchern angewendet werden. Diese Bedeckung schützt vor der Einwirkung des starken Frostes und den Strahlen der Wintersonne ebenso sehr, wie sie das vorzeitige Eintreten von warmer Witterung mildert, indem die Alpenpartie, einmal zugefroren, langsamer aufthaut, weniger rasch sich erwärmt und dadurch ^iner verfrühten Vegetation ausweichen kann, welche, einmal begonnen, durch unsere unausweichlichen Frühlingsfröste auf das Empfindlichste leiden würde. Freilich, wird es einmal Frühling im Tieflande, so sind die Alpenpflanzen die ersten, welche die wärmende Sonne begrüßen, und es gibt alsdann kein Mittel, ihren Trieb zurückzuhalten. Man entferne alsdann die Deckung, halte sie aber in nächster Nähe, um sie bei drohendem Frost Abends sofort wieder herstellen zu können.

Doch auch ohne Felsenbildungen können wir die Alpenpflanzen bei uns cultiviren. Die Cultur in Töpfen und in Holzkistchen sowohl, als diejenige in flachen Sandbeeten gelingt auch sehr gut. Für viele, hauptsächlich nicht pfahlwurzelbildende Arten empfiehlt sich die Cultur in Töpfen oder Terrinen, die den Sommer über an einem luftigen, leicht beschatteten Orte aufgestellt und in einem sogenannten kalten Kasten überwintert werden. Hieher gehören die meisten Primeln und Gentianen, ebenso seltene oder zarte Arten, die vor Insectenfraß, anhaltender Nässe etc. geschützt werden müssen. Durch sorgfältiges Drainiren wird für gehörigen Wasserabfluß gesorgt und das Eindringen von Regenwürmern in die Töpfe möglichst verhindert. Aber, wie eben erwähnt, läßt sich auch in erhöhten, mit Steinen oder Schieferplatten eingefaßten Rabatten aus sandiger Rasenerde ein prächtiger Alpen-tlor zusammenstellen. Kriechende Arten erreichen in solchen Beeten eine ganz ungewöhnliche Ausdehnung. Pflanzen mit langen Pfahlwurzeln gedeihen am besten hart an der Randeinfassung, längs welcher die Wurzeln in die Tiefe dringen können. Unregelmäßig geformte Steine, in ungezwungener Weise gruppirt und halb in die Erde eingegraben, bilden passende Standorte für zarte schutzbedürftige Arten; namentlich rasen-bildende Alpenpflanzen, deren Zweige sehr bald die Steine mit frischem Grün bekleiden, machen, so behandelt, einen guten Effect. Alle diese Beete sind ziemlich tief anzulegen und sorgfältig zu drainiren; für solche Pflanzen, die an feuchten Standorten vorkommen, legt man ein Beet auf lehmigem Untergrund an, der die Feuchtigkeit zurückhält. Die sandige Erde scheint in ganz vorzüglicher Weise die Neubildung von Wurzeln zu begünstigen; nach sehr kurzer Zeit zeigen frisch eingepflanzte Exemplare einen hübschen Wurzelballen, der bei späterem Verpflanzen das Anwachsen sichert. Unsere besten Exemplare von Gentiana bavarica L. z.B. sind in solchen Sandbeeten gezogen, und es ist merkwürdig, mit welcher Freudigkeit seltene oder sonst schwer cultivirbare Arten in solchen Sandbeeten wachsen, sich aus Samen rasch und zahlreich vermehren und in erstaunlich kurzer Zeit gewaltige Exemplare bilden ( Iberis petrsea Jord. Saponaria lutea L., Astragalus adsurgens Poll. ). Für Sorten, welche Torf- oder Haideerde bedürfen, können in Ermanglung eines solchen, für die Cultur von Haideerdepflauzen erstellten Beetes auch schon bestehende, aus Moor- oder Walderde erstellte Gruppen einen ausgezeichneten Standort bilden. Solche Gruppen können, wenn frei und sonnig angelegt, als Einfassung eine ganze Menge schöner Alpenpflanzen beherbergen, wie z.B. die beiden Sorten Alpenrosen ( Rhododendron ferrugineum und hirsutum L. ), die gefleckte, die gelbe und die purpurfarbene Gentiane ( Gentiana lutea, punctata und purpurea L. ), Azalea procumbens L., Arbutus alpina L., verschiedene Farne und dergleichen mehr.

Als zur Cultur geeignet führe ich außer den er-wähnten Arten an: Androsace Chamayasme Wulf. Androsace lactea L. Androsace obtusifolia All. Anemone alpina L. Anemone sulphurea L. Aquilegia alpina L. Artemisia Mutellina Vili. Campanula barbata L. Dianthus glacialis H

Die Cultur aus Samen verdient nun schließlich um so eher einer besondern Erwähnung, als durch dieselbe mit vielen Alpenpflanzen in der Gartencultur ein Erfolg zu erzielen ist, den man mit direct importirten Pflanzen vielfach vergeblich zu erreichen sucht. Diese Cultunnethode hat, speciell für Denjenigen, der sich die Acclimatisation der Alpenpflanzen zum Studium gemacht hat, entschieden die größte Zukunft, denn es ist das der rationellste Weg zum Erfolg. Die aus Samen gezüchteten Alpinen haben eine weitaus größere Widerstandskraft gegenüber der Unbill der Witterung im Tieflande, als direct aus den Alpen importirte Pflanzen. Das Wiirzelvermögen ist viel stärker entwickelt, die Anpassungsfähigkeit an gegebene Verhältnisse vielseitiger und die Lebenskraft unstreitig eine gesteigerte. Zu einer eingehenden Beschreibung dieser Samen-Anzuchten ist hier nicht der Ort. Ich stelle mich aber gerne denjenigen, die sich für die Sache weiter interessiren, zur Verfügung.

Ein erdhaltiger Sand, wie ihn Flüsse und Bäche anschwemmen, ist für solche Ansaaten das vorzüglichste Material. Die aufgegangenen Pflänzchen bleiben bis nach Beendigung ihres ersten Jahrestriebes stehen und werden dann also Ende August oder Anfang September verpflanzt, wenn man mit dieser Operation nicht bis zum Frühling zuzuwarten vorzieht. Die Samen sollen schon im Herbst, nicht erst im Frühling ausgesät werden, gleichviel, ob direct in 's Freie oder in Samenschalen. Wird das Letztere gewählt, so ist eine recht sandige Erde zu bereiten, auf welche die Samen gesät und mit einer ganz dünnen Schicht reinen Quarzsandes bedeckt werden. Oftmals gehen die Samen aber erst das zweite Jahr auf und die Samenschale darf deßhalb nicht weggeworfen werden, wenn im Frühling nach der Aussaat nichts aufgehen sollte, sondern muß weiter gepflegt, resp. feucht gehalten werden. Ein luftiger, kühler Standort ist der geeignete Platz für die Samentöpfe.

Was nun die Feinde der Alpenpflanzen betrifft, so gibt es zum Glück bei uns nicht viele Arten derselben. Die Schnecken, besonders die kleinen nackten Thauschnecken, sind die gefürchtetsten Feinde, welche oft in einer Nacht eine Pflanze zu Grunde richten. Morgens und Abends, besonders in warmen Nächten und nach warmem Regen, sind daher die Alpen-pflanzungen nach Schnecken fleißig abzusuchen. Die größte Gefahr bieten die Frühlingsmonate, wenn die Alpenpflanzen in kürzester Frist ihren Trieb beginnen und ihr reicher Flor zur Entfaltung kommt. In dieser Zeit ist der angerichtete Schaden am größten, denn die Schnecken sind so lecker wie höher begabte Wesen: ein junges, zartes Gemüse schmeckt ihnen besser, als zähe, alte Stengel und Blätter im Sommer. Das Absuchen nach Schnecken etwa eine Stunde nach eingetretener Dunkelheit mit einer hellleuchtenden Sturmlampe liefert überraschend gute Kesultate und erfordert wenig Mühe und nicht viel Zeit. Wird diese Operation im Frühling alle paar Tage gemacht, so werden die Schnecken ganz wesentlich [vermindert und der günstige Einfluß davon für die Pflanzen macht sich den ganzen Sommer über fühlbar. Im Herbst ist dann nochmals eine gründliche Razzia auf Thauschnecken vorzunehmen. Frische Kleie ( Krüsch ), in kleinen Häufchen zwischen die Alpenpflanzen da und dort placirt, ist ein ausgezeichnetes Lockmittel, um die Schnecken dahin zu versammeln, wo man sie gerne haben möchte, denn die Schnecken fressen auch Kleie leidenschaftlich gern; auf diese*Weise wird das Absuchen Nachts sehr vereinfacht. Wenn wir nun aber die armen Geschöpfe noch raffinirter verderben wollen und noch gar flache Untertassen, welche wir bis an den Rand eingegraben, mit Bier füllen, so ist die Schnecke unrettbar verloren, denn dieser Versuchung widersteht sie nicht.

Die Regenwürmer werden durch das Auflockern der Erde zarten Alpenpflanzen nicht gerade gefährlich, stören aber deren Entwicklung. Es ließen sich noch einige weitere Feinde der Alpenpflanzen anführen, von denen z, B. die Larve eines mir unbekannten Nachtfalters die verschiedenen Sorten von Primeln und auch Saxifragen in den Felsenpartien des berühmten Botanikers Edm. Boissier im Jura auf 's Aeußerste schädigt. In unserer Gegend scheint dieser Feind nicht bekannt zu sein und unsere eigenen Collectionen haben außer Schnecken und Würmern keine weitere Heimsuchung dieser Art zu erfahren gehabt.

Es wird nun vielleicht nicht ohne Interesse sein, zu vernehmen, welches Land sich bis anhin die meisten Verdienste für die Verbreitung, Cultur und allgemeine Beliebtheit dieser Gewächse erworben hat. Es ist Groß-Britannien, das gelobte Land aller Derer, welche sich für die Pflege schöner und gut cultivirter Pflanzen überhaupt interessiren. Nirgends in der Welt ist die Pflanzencultur zu solcher Vollendung gelangt, wie in diesem so außerordentlich durch sein oceanisches Klima begünstigten Eiland. Hier finden sich die meisten Pflanzenliebhaber, welche durch die Leichtigkeit der Communication mit den übrigen Ländern der Erde, durch ihre reichen Mittel, durch die herrlichen Gärten und Landsitze, durch die Gewohnheit, viel zu reisen, und nicht zum Wenigsten durch sehr zahlreiche Blumenausstelluiigen in allen Theilen des Landes und durch eine vielseitige und gründliche Fachliteratur Alles besitzen, was die erzielten Erfolge erklären kann. Diese Verhältnisse haben nun auch der Cultur der Alpenpflanzen zu hoher Blüthe verholfen. Die berühmten königlichen Gärten von Kew bei London besitzen eine vor Kurzem erbaute gewaltige Felsenanlage für die Alpenpflanzen der ganzen Erde, welche wohl das größte Werk dieser Art sein wird, das bis auliin künstlieh erstellt worden ist. An diesen jedenfalls reichsten botanischen Garten der Welt reihen sich die Alpenpartien der übrigen botanischen Anstalten Großbritanniens an; als besonders reich unter diesen Staatsinstituten verdienen die Sammlungen von Edinburg und G-lasnevin bei Dublin Erwähnung. Die Zahl der Alpenpflanzencultureii, welche die privaten Liebhaber besitzen, ist Legion. Ganz besonders schön und pittoresk sind die „ rockeries " des Quäkers James Backhouse in York und wahrhaft bewunderungswürdig, wenn man bedenkt, daß die colossalen Felsblöcke, aus welchen dieser gigantische Felsenbau mit großem Verständniß und bestem Geschmack er- stellt worden ist, von Ferne her per Eisenbahn transportirt werden mußten, da weit und breit um das altehrwürdige York herum das nöthige Material an Felsen nicht zu beschaffen gewesen wäre. Doch wie schon erwähnt, das sind nur die hervorragendsten unter Hunderten schöner Alpenanlagen, von der Südküste bis in den Norden Schottlands, von Devonshire bis zur rauhen Ostküste.

Man darf sich aber nicht vorstellen, diese Anlagen seien ausschließlich oder doch größtentheils mit dem Material bevölkert, welches unsere Alpen liefern. Dies ist keineswegs der Fall, sondern alle Hochgebirge der Erde haben zu diesen Alpengärten ihr Contingent gestellt.

Unstreitig sind die Alpen, der Rückgrat unseres Continents, ein von der Natur äußerst reich dotirtes Gebiet und einzelne Partien desselben dürfen wohl als die mannigfaltigsten Verbreitungsbezirke von alpiner Flora angesehen werden, die es überhaupt gibt. Ich verweise nur auf den Albula und das Oberengadin, das Zermatterthal, die Gegend um Bormio und das Stilfserjoch, dann nach Südwesten auf Mont Cenis, Monte Viso-Gebiet und Col di Tenda, nach Osten auf den Brenner, Groß-Glockner, die Alpen von Steiermark, Kärnthen und Südtyrol mit besonderer Erwähnung der berühmten Seißeralp, des Am-pezzo-Thales, des Monte Baldo und des Monte Tom-bea ob dem Garda-See und der Adamello-Gruppe.

Aber auch die Pyrenäen enthalten wahre Perlen von Hochgebirgspflanzen, welche unseren Alpen vollständig fehlen, und nicht weniger reich und eigen- artig zeigt sich die Sierra Nevada, deren so äußerst mannigfaltige und formenreiche südliche .Alpenvege-tation durch Reuter, Willkomm und namentlich durch den hochverdienten Genfer Botaniker Edm. Boissiererst so recht erschlossen worden ist.

Ebenso reich wie Spanien scheint die Balkanhalbinsel zu sein. In Istrien, Dalmatien, Bosnien, Serbien, der Czrnagora, dem weitverzweigten Hämus bis zu dem Rhodopegebirge Makedoniens und dem Berg Athos sind ziemlich viel prächtige Alpenpflanzen bekannt und zum Theil schon in Cultur und diese lassen uns ahnen und ermessen, welche Schätze alpiner Forschung da noch zu heben sind. Es ist da noch ein weites Feld für clubistische Thätigkeit verbunden mit reicher naturwissenschaftlicher Ausbeute. Es wäre eine schöne, allerdings nicht unbedenkliche Aufgabe alpinen Sports, die botanischen Schätze des thessalischen Olymps einmal von diesem mythischen Gipfel herunterzuholen.

Ueberspringen wir den Hellespont, so haben wir den bithynischen Olymp ob Brussa als erste reiche Fundgrube alpiner Vegetation Kleinasiens und von da bis zum Taurus an der Südküste ein Alpengebiet mit ganz eigenartigen Nadelhölzern bewaldet und in den höchsten Partien von einzig schönen Alpenpflanzen bekleidet, wovon wir nur das unvergleichliche Vergißmeinnicht Omphalodes Lucilia? Boiss. erwähnen wollen. Vom Taurus springt die alpine Vegetation einerseits über das Pieriagebirge und den Kermes Dagh ( Mons Cassius der Alten ) bei Antiochia nach dem Libanon, andrerseits über Armenien und den Ararat nach dem Kaukasus über, dessen Reichthum an prächtiger Vegetation erst durch die Bemühungen des Petersburger botanischen Gartens in den europäischen Garten-culturen bekannt geworden ist. Nun aber stehen wir an der Pforte der riesigen Gebiete Centralasiens, dessen ungeheure Alpenländer, soweit die Machtsphäre Rußlands reicht, unserem verdienten Mitbürger, Dr. Eduard Regel, dem Director des Petersburger botanischen Gartens und seinem Sohne Albert, dem wahrhaft unvergleichlichen Pionnier alpiner Forschung in Asien, den wohlverdienten Lorbeer gebracht haben.

Den Himalaya, dieses erst jetzt für unsere Bergsteiger in Mode gekommene größte aller alpinen Gebiete unserer Erde, das ferne Heimathland unserer Alpenrosen, muß ich nothgedrungen übergehen, denn sein Reichthum an unerschöpflichen Vegetationsbildern ist so überwältigend, daß ein Verweilen auf diesem Gebiete im Rahmen meiner Skizze zur Unmöglichkeit wird. Nur erwähnen will ich, daß schon eine schöne Anzahl hochalpiner Pflanzen aus dem Himalaya durch die Engländer nach Europa importirt worden ist, wie Primula rosea, capitata, denticulata, Rheum nobile, Rhododendron arboreum, Androsace sarmentosa, lanuginosa etc.

Auch bei unseren Antipoden auf Neuseeland bietet sich uns ein märchenhaft schönes Vegetationsbild, von den dunkeln, mit üppigen Baumfarnen bewachsenen, von Feuchtigkeit triefenden Bergthälern, bis hinauf zu den mit mächtigen Gletschern bepanzerten Höhen, deren Eisströme sieh im Ocean spiegeln. Auch hier finden wir eine Alpenflora von ganz neuem Typus, deren eigenthümliche Formen deutlich die völlige Abgeschiedenheit von den übrigen Gebieten alpiner Flora bezeugen.

Noch einen großen Sprung nach dem amerikanischen Continent und wir sind bald wieder auf unserer gedankenschnellen Reise um die Welt in den heimatlichen Bergen angelangt. Auch die Anden Südamericas, die Sierra Nevada Californiens und das Felsengebirge bergen eine Fülle schöner Alpengewächse und erst kürzlich hörte ich noch einen Gelehrten in Feldkirch mit wahrem Entzücken die Alpenpflanzen an den Hängen des Chimborazo preisen. Speziell erwähnte er das zuerst von Humboldt und Bonpland beschriebene Culcitium nivale, das prächtige Edelweiß der Anden, welches viel schöner als das unsrige sein soll, leider aber meines Wissens noch nicht in lebenden Exemplaren in Europa existirt.

Wir sind wieder zu Hause angelangt, und da möchte ich, bevor ich schließe, noch einige Anregungen vorbringen, welche für unsere Alpenclubisten nicht ohne einiges Interesse sein dürften. Ich möchte in erster Linie diejenigen unserer Clubisten, welche eine schöne Alpenblume nicht nur als angenehme, aber unwesentliche Zugabe zu Fels und Firn, sondern mit den Augen wahrer Liebhaberei betrachten, diese Clubisten möchte ich einladen, die Cultur dieser Gewächse zu probiren. Sie können sich damit eine wahre Fülle von Alpengenuß zu. Hause bereiten, wenn sie selbst ihren Ueber Alpenpflanzen und deren Cultur.41 » mühselig gesammelten Pfleglingen eine wohnliche Stätte bereiten. Es ist erstaunlich, wie mit der selbst besorgten Pflege nach und nach das Verständniß kommt und das Gefühl oft gewissermaßen unbewußt den richtigen Weg zur rationellen Behandlung der Pflanzen vorzeichnet. Das Beispiel wird anregend wirken und die Jugend sich mit Eifer auf diese so dankbareBeschäftigung in freien Stunden werfen, welche so sehr geeignet ist, Auge, Hand und Sinn zu unterhalten und zu erfreuen. Unwillkürlich drängt sich mir der Gedanke auf, es müßte eine lohnende Aufgabe für einen Lehrer sein, seine Klasse zu solcher Beschäftigung zu erziehen, mit ihr eine solche Felsenpartie im Schulgarten zu erstellen, welche mit Alpenpflanzen zu bevölkern nicht der geringste Genuß einer Ferienreise sein dürfte. Man wird mir zugeben, daß eine solche Bethätigung für die jungen Gemüther einen ungleich höhern Genuß bieten wird, als das Anlegen von Herbarien, so wenig wir auch diesen werthvollen, aber ihrer Natur nach zwiefach trockenen Sammlungen zu nahe treten wollen. Sollte durch diesen Anschauungsunterricht nicht etwas positiv Nützliches erreicht und der Keim einer wohlthätigen Liebhaberei gelegt werden können, welche auch später dem Berufsmenschen in seinen freien Stunden auf angenehmste Weise noch Erholung bringen dürfte?

Und unser Alpenclub, welche Stellung kann wohl dieser zu den Alpenpflanzen und ihrer Cultur einnehmen? Ich glaube, auch er kann sich auf diesem Gebiete eine seiner recht würdige Aufgabe schaffen. Es ist schon da und dort der Gedanke aufgetaucht, einen alpinen Versuchsgarten im Gebirge zu gründen und — in der That — der Gedanke verdient wohl die Würdigung unseres Vereins. Wie würde sich zum Beispiel das Gebiet des so reichen Albulapasses für eine solche Anlage eignen! Mit verhältnißmäßig wenig Mühe ließe sich hier eine Sammlung lebender rhätischer Alpenpflanzen vereinigen, welche so recht eindringlich dem Besucher die Perlen unserer Gebirgsflora vor die Augen führen würde. Man muß eben bedenken, daß im Gebirge alle die Arbeit, welche die Alpenpflanzen im Tieflande verursachen, wegfällt, da der lange Winter, resp. die Schneedecke, Alles besorgt, was für die Vegetation nöthig, wenn die schöne Jahreszeit vorbei ist.

Wie leicht ließe sich ferner da mit Versuchsgärten im Hochgebirge für die Wiederbekleidung der kahlen, von Humus entblößten Strecken das nöthige widerstandsfähige Material für spätere Wiederaufforstung gewinnen. Ein „ Hand in Hand gehen " mit den Forstmännern unserer Alpendistricte dürfte nach und nach, bei beharrlicher, auf ein gleiches Ziel hinstrebender Arbeit, manch schönes Resultat ermöglichen und die Ertragsfahigke.it der weiten alpinen Gebiete schließlich um ein Bedeutendes steigern.

Eine weitere Aufgabe des S.A.C. hinsichtlich der Alpenflora ist der Schutz, einzelner bedrohter Arten, wie ihn einige Sectionen schon dem Edelweiß angedeihen lassen.

Freilich ist der Cultus, welcher in den Alpen im Allgemeinen mit dem Edelweiß getrieben wird, in Wirklichkeit lange nicht so sehr dem Bestand dieser Pflanze gefährlich, wie überall geglaubt wird. Denn das Leontopodium alpinum ist lange nicht So selten und auch nicht so leicht auszurotten, als es scheinen dürfte. Ich gebe freilich zu, daß ihm an den viel begangenen Orten, den Centren des Fremdenverkehrs, gehörig zugesetzt worden ist, aber nichtsdestoweniger sind die Fundstellen, wo es in großen Mengen vorkommt, noch sehr zahlreich. Man muß berücksichtigen, daß das Edelweiß sehr reichlich Samen trägt, dieser leicht aufgeht und jede blühende Pflanze davon hunderte junger Samenpflanzen erzeugen kann, welche im zweiten und dritten Jahre schon wieder blühen. Die Gefahr der Ausrottung ist meines Erachtens daher geringer, als die, daß sich allzu eifrige Verehrer desselben beim Suchen das Genick brechen können, was ja auch beim Alpenrosenpflücken mitunter vorkommt. Das Edelweiß ist auch schon eine ziemlich stark verbreitete Gartenpflanze im Tiefland geworden und ein- bis zweijährige Samenpflanzen desselben werden in Handelsgärtnereien hundert- und tausendweise in Menge offerirt. Dieser Same wird aber meistens entweder von cultivirten Pflanzen geerntet oder aus den österreichischen Alpen bezogen, wo die Pflanze in riesigen Massen vorkommt.

Die Einwendung, welche oft gemacht wird, das Edelweiß, wie die übrigen Alpenpflanzen, degenerire in der Cultur im Tieflande, ist durchaus irrig, denn das Gegentheil ist vielerorts genugsam bewiesen. Die frisch aufgeblühten Blumen in der Ebene, d.h. in der Cultur, sind so vollkommen und so blendend weiß, wie sie nur immer am heimatlichen Felsband 27 getroffen werden können, aber die von Staub, Kohlen-dunst und andern Unreinigkeiten durchsetzte Luft nimmt der Blume eben schnell die Reinheit und Frische, die sie in der Alpenluft auszeichnet.

Es gibt ja zur Bekräftigung der Ansicht, daß die Alpenpflanzen im Tieflande nicht degeneriren, einige schlagende Beispiele, so das Vorkommen von Linaria alpina am Uetli, das von Rhododendron ferrugineum in einem Walde unterhalb Baden und an den Felsen der Nase am Thunersee ( 565 m ), und das freudige Gedeihen von Saxifraga oppositifolia am Ufer des Bodensees etc. Solcher Beispiele wissen die Botaniker noch eine Menge aufzuführen.

Aber es gibt andere Alpenpflanzen, für welche Schutz von Seite der Behörden und Vereine ein dringendes Bedürfniß wäre, damit diese Species, welche einen beschränkten Verbreitungsbezirk haben und sich nur schwer und langsam fortpflanzen, nicht schließlich nur noch in den Herbarien von ihrer einstigen Existenz Zeugniß geben können. Als einziges Beispiel hiefür führe ich die prächtige rothblumige Androsace Charpentieri an, welche auf Schweizergebiet nur in den obersten Felsköpfen des Camoghè bei Bellinzona in wenigen Exemplaren vorkommt und außerdem einzig auf dem Legnone bei Colico zu finden ist. Zur Erhaltung solcher seltener Vorkommnisse sollte unser Club seine Bestrebungen mit denjenigen der Genfer Association pour la protection des plantes vereinigen, die viele der hervorragendsten Botaniker und Clubisten der Schweiz unter ihren Mitgliedern zählt.

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