Ueber Land-, Alpen- und Forstwirtschaft im Hochgebirge | Club Alpino Svizzero CAS
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Ueber Land-, Alpen- und Forstwirtschaft im Hochgebirge

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Land-, Alpen- und Forstwirtschaft

im Hochgebirge

Vortrag1 in cLer Section TJto

Ton E. Landolt.

enn man das Gebiet der Alpen von Norden oder Westen her auf den Zugängen betritt, welche die grösseren Flussthäler bieten, so trifft man im untern Theil der letzteren klimatische Verhältnisse, welche günstiger sind als diejenigen der angrenzenden Vorberge und des Hügellandes. Es tritt nicht nur der Weinstock, sondern auch der der Ebene fast ganz fehlende Mais und die zahme Kastanie auf, der Boden ist frisch und kräftig und die Beschaffenheit seiner Oberfläche so, dass er bearbeitet und beliebig benützt werden darf. Die Bedingungen zu einem, die Arbeit reichlich lohnenden landwirthschaftlichen Betrieb sind gegeben, so weit die Thalsohlen breit und gegen Ueberschwemmungen gesichert sind und — wenigstens die sonnseitigen Gehänge nicht zu steil ansteigen, der zu Rebbergen, Matten und Ackerfeldern nöthige Raum also nicht

mangelt.

Schweizer Alpen-Club.23

Bei weiterem Fortschreiten thalaufwärts ändern sich die Verhältnisse und zwar früher bei starkem Ansteigen der Thäler, später bei geringem Gefäll derselben. Die Thalsohlen werden schmäler, nicht selten verengen sie sich zu einer, nur dem durchfliessenden Wasser Raum gestattenden Schlucht; sie bieten der Landwirthschaft wenig oder gar keinen Raum. Die zahme Kastanie, der Mais und der Weinstock verschwinden, Roggen, Gerste und Kartoffeln, in günstigeren Lagen auch Kern- und Steinobst bilden die Kulturpflanzen, für deren Anbau sich die sanft ansteigenden Gehänge der Sonnseiten am besten eignen. Das Be-bauen der Aecker wird ihrer Lage wegen mühsam und ihr Ertrag durch die ungünstigeren klimatischen Verhältnisse geschmälert; der Ackerbau gibt eine geringe und unsichere Rente und wird daher auf ein Minimum beschränkt, der Futterbau wird zum Hauptzweig der Landwirthschaft. Nur die weiten Längsthäler machen hievon eine Ausnahme, indem diese an den sonnigen Einhängen und auf deren Terrassen ziemlich ausgedehnte Felder aufweisen.

Steigt man, dem Laufe der Gewässer folgend, höher hinauf, so öffnet sich die Mehrzahl der Thäler wieder, sie bilden weite Mulden, deren Seitenwände am Fusse nur mässig steil ansteigen. Hier würden die Boden- und Terrainverhältnisse dem landwirthschaftlichen Betrieb keine grossen Hindernisse in den Weg legen, dagegen bietet die Ungunst des Klimas demselben Halt. Die Obstbäume mangeln, Roggen und Gerste reifen nur in günstigen Jahren vollständig aus und die Kartoffeln erfrieren nicht selten mitten im Sommer; vom Betriebe der Landwirthschaft im gewöhnlichen Sinne des Wortes kann hier keine Rede mehr sein, die reine Alpenwirthschaft gewinnt die Alleinherrschaft. Die Thalsohle und die untern Theile der Hänge sind mit Matten bedeckt, zwischen denen sich nur selten ein Kartoffel- oder Roggenäckerli befindet.

An die Matten schliesst sich ein schmaler, vielfach durchbrochener Waldgürtel, über dem die ausgedehnten Weiden — die Alpen im engeren Sinne des Worts — liegen. Nicht selten fehlt — namentlich auf der Sonnseite — der Wald ganz, die Weiden schliessen sich unmittelbar an die Wiesen an.

Die Felder haben im Gebirg keine beträchtliche Flächenausdehnung; nur ganz ausnahmsweise wird in den günstig gelegenen Thalschaften so viel Getreide gebaut als consumirt. Von grösserer Bedeutung ist in einzelnen Thälern der Weinbau und recht gute Erträge gibt der Obstbau; überall, namentlich aber in den obern Theilen der Thäler spielt jedoch der Futterbau die Hauptrolle. Die Matten bieten dem Vieh, dessen Zucht und Pflege die Hauptbeschäftigung der Gebirgsbewohner bildet, im Frühling das erste und im Herbst das letzte Grünfutter und liefern den grössten Theil des Heues für den langen Winter.

Die Alpen nehmen das weite Gebiet zwischen der obern Waldgrenze und den vollständig unwirthlichen, mit Schnee- und Eisfeldern wechselnden Steinwüsten ein, sie greifen aber vielfach in die Waldregion hinunter und schieben in den sogenannten Heimkuhweiden ihre letzten Ee_ präsentanten bis auf die Thalsohle vor. Die besten und ungefährlichsten Alpen dienen als Kuhweiden und sind mit Sennhütten, in der Regel auch mit Ställen versehen; die weniger ergiebigen und schwerer zugänglichen sind dem Jungvieh zugewiesen, das wegen Mangel an Ställen an den meisten Orten auch beim ungünstigsten Wetter im Freien bleiben muss; auf die unwirthlichsten und unergiebigsten Alpen werden die Schafe getrieben. Die Ziegen sind auf den Alpen in der Regel heimatlos oder doch auf die- jenigen Partien derselben beschränkt, die für das Rindvieh unzugänglich oder gefährlich sind.

Ein freundliches Mittelglied zwischen den Matten und Alpen bilden die sogenannten Maisässe, die in der Regel die fruchtbaren Terrassen der Waldregion einnehmen, im Frühling und Herbst für das Vieh die Durchgangsstationen vom Thal zu den Alpen und von den Alpen zum Thal bilden und im Sommer behufs Gewinnung von Winterfutter gemäht werden. Nicht selten befinden sich auf den Maisässen ganz wohnlich eingerichtete Gemächer, in denen die Besitzer und ihre Familien einen Theil des Sommers zubringen.

Zwischen den Thalgütern und den Alpen liegt der Wald. Er ist zum grössten Theil auf den einer anderweitigen Benutzung nicht fähigen Boden zurückgedrängt, nimmt daher mit geringen Ausnahmen die steilsten Hänge ein und ist an den Schattenseiten stärker vertreten als an den Sonnseiten. Vom Thal aus betrachtet, scheinen die Waldungen — die Hochthäler ausgenommen — einen sehr grossen Theil der Gesammtfläche zu bedecken, wogegen sich die Alpen dem Auge theilweise entziehen; von den Höhen herunter gesehen, kehrt sich das Verhältniss umr das Alpengebiet dominirt und die Waldungen treten stark zurück. Eine allmälige Verkleinerung des Waldareals lässt sich nicht verkennen.

Das Verhältniss der verschiedenen Kulturarten unter sich und zur productiven Fläche kann zwar nicht mit Sicherheit angegeben werden, annäherungsweise dürfte es aber Folgendes sein:

Eigentliches Kulturland ( Aecker, Wiesen, Reben, Gärten etc. ). .20%,

Weiden ( ca. 3,080,000 Jucharten ).... 33 „

Wald15,5 Q/o,

, Ertraglose Fläche 31,5 „

Land-, AlpenForstwirthschaft im Hochgebirge. 357^

Am waldärmsten sind in der Regel die Hochthäler, in denen die Thalwände, so weit sie produetiv sind, nur massig steil ansteigen; am waldreichsten die Vorberge und die Thäler, in denen sich an eine annähernd ebene Thalsohle die steil und hoch ansteigenden Einhänge unmittelbar anschliessen. Die waldarmen Gegenden sind, so weit sie nicht allzugrosse, unproduetive Flächen einschliessen, reich an Alpen und es liegen letztere den Ortschaften ziemlich nahe, die waldreichen Gebiete haben, wenn auch nicht immer weniger, doch entlegenere Alpen. Als Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht, so weit sie das Waldareal betrifft, mögen folgende, dem Bericht über die Untersuchung der Hochgebirgswaldungen entnommene Zahlen dienen:

Urseren ist nahezu waldleer,

das Ober-Engadin enthält. 9,40/0 " Wald, das Berner Oberland enthält.. 10,4die'Herrschaft in Bünden enthält. 37,5

das Emmenthal enthält27,8

Unterwaiden nid dem Wald enthält 24,8die Gegenden südlich vom Luganersee

enthalten 44

das Val Maggia enthält. 9,7

Jedem Freunde des Hochgebirgs und seiner Bewohner liegen die Fragen nahe: Wie wird der productive Boden benutzt? Wie steht es mit der Land-, Alpen- und Forstwirthschaft? Sind Verbesserungen nöthig und welche? Eine gedrängte Beantwortung dieser Fragen soll im Nachfolgenden versucht werden.

Dass die Bodenkultur noch Vieles zu wünschen übrig lasse, dass sie weit hinter der Zeit und den Fortschritten der Wissenschaft zurückgeblieben sei und dass die wirkliche Production nutzbarer Bodenerzeugnisse die mögliche lange nicht erreiche, darüber herrscht unter den mit der Gebirgswirthschaft vertrauten Sachverständigen nur eine Stimme.

Am meisten befriedigt die Bewirthschaftung der Thalgüter, ganz besonders die Behandlung und Düngung der Matten. Für diese gute Behandlung sind dieselben durch sehr grosse Erträge dankbar, leider aber zu einem nicht geringen Theil auf Kosten der übrigen Güter, namentlich der " Wälder und Mähalpen. Erstere sind den Thalgütern tributbar durch die Lieferung des grössten Theils der für das Vieh nöthigen Streu, letztere durch ihre HeuerträgeT von denen nichts mehr auf ihren eigenen Boden zurückkehrt. Der Pflege der Weinberge wird, wenigstens auf der Nordseite der Alpen, grosse Sorgfalt gewidmet und auch der Ackerbau, namentlich der Anbau des Mais und der Kartoffeln, wird in ganz befriedigender Weise betrieben, dessenungeachtet bestehen bei der Bewirthschaftung der Thalgüter Uebelstände, deren Beseitigung nicht nur dringend nothwendig, sondern auch — und zwar ohne grosse Opfer für die Gegenwart und mit reichem Vortheil für die Zukunft — möglich wäre. Die wichtigsten sind folgende:

1 ) Die gemeinschaftliche Atzung der Wiesen im Frühling und Herbst, durch welche die Freiheit des Einzelnen in der Benutzung und Behandlung seiner eigenen Güter in hohem Maasse beschränkt und eine rationelle und möglichst vorteilhafte Benutzung eines grossen, Theils der Thalgüter unmöglich gemacht wird.

2 ) Die Beibehaltung der sogenannten Heimkuhweiden auf dem werthvollsten Thalboden. Die Heimkuhweiden sind zwar für die Nutzungsberechtigten insofern bequem, als sie diejenigen Kühe, welche die Milch für den häuslichen Bedarf liefern, auf ganz -

mühelose Weise sommern können, dagegen bedingen sie eine sehr extensive, geringe Erträge und kein Ar-beitseinkommen gewährende Benutzung des ihnen zugewiesenen, einer bessern und einträglicheren Kultur fähigen Bodens und hindern die Stallfütterung für das Milch- und Zugvieh und damit auch die Dünger-production während des Sommers. Würde man diese Weiden, was an vielen Orten gar leicht möglich wäre, je nach ihrer Bodenbeschaffenheit und den klimatischen Verhältnissen in Wiesen, Ackerland oder Streu- rieder umwandeln, so könnte ihr Ertrag vervielfacht und einer nicht geringen Zahl von Einwohnern eine lohnende Beschäftigung gegeben werden.

3 ) Die grosse Sorglosigkeit in der Bereitung und Behandlung des Düngers. Bei sehr vielen Häusern und Ställen fehlen die Jauchetröge ganz, der flüssige Dünger fliesst, alle Dorfstrassen verunreinigend, dem nächsten Bache zu, der feste Dünger wird in unzweckmässig angelegten Düngerstätten aufbewahrt ) er bleibt dem Regen und der Sonne ohne schützende Yorkehrungsmaassregeln ausgesetzt, wird ausgelaugt und ausgedörrt und verliert in Folge dessen, ehe er an seinen Bestimmungsort gelangt, einen grossen Theil seiner Düngkraft.

4 ) Der Bodenverbesserung durch Entwässerung und Bewässerung und durch anderweitige Meliorationen wird noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

5 ) Für die Verbesserung und weitere Ausbreitung des Obstbaues ist zwar in neuerer Zeit Manches geschehen, sehr viel aber bleibt noch zu thun, indem an vielen Orten Obstbäume mit Erfolg gepflanzt werden könnten, wo sie noch ganz fehlen und der Obstbau quantitativ und qualitativ überall der Verbesserung fällig wäre.

Dass gegenwärtig weniger Getreide gebaut wird als früher, darf nicht als ein Uebelstand bezeichnet werden. Unsere Gebirgsthäler, namentlich die engen und hochliegenden, eignen sich zum Getreidebau nicht, zur Futter-erzeugung dagegen ausgezeichnet, es ist demnach ganz am Platz, dem Futterbau und der Viehzucht die möglichst grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden und die weniger dankbaren Zweige der Landwirthschaft aufzugeben oder doch zu reduciren.

Wenn auch die Bewirtschaftung der Thalgüter Vieles zu wünschen übrig lässt, so steht es mit derselben doch noch besser als mit der Behandlung und Benutzung der Alpen. Die Alpenwirthschaft ist ausserordentlich stabil, sie wird fast durchweg noch so betrieben, wie vor 500 und mehr Jahren; sie ist weit hinter den Anforderungen der Zeit zurück geblieben.

Die Hauptübelstände sind folgende: 1 ) Die Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit der Aelpler und Alpenbesitzer in Kücksicht auf die Behandlung des Düngers. Ordentliche Düngerstätten und Jauchetröge fehlen bei den Ställen beinahe durchweg und wro noch etwas Dünger gesammelt wird, wird er unzweckmässig behandelt und ohne regelmässige Kehrordnung in der Nähe der Hütten verwendet. Die Ausbreitung desselben erfolgt häuf-chenweise statt gleichmässig. Die Kuhfladen bleiben liegen, wo sie hinfallen, trocknen aus oder veranlassen wie die Misthäufchen die Entstehung üppiger, übelriechender Grasbüsche und hindern unter allen Umständen eine gleichmässige Abäsung des Grases. Um die Hütten, auf den Melk- und Lagerplätzen bleibt der Dünger liegen und verwandelt diese Stellen in einen wüsten Sumpf, in den und durch den man mit guten Stiefeln kaum gehen darf.

2 ) Der Mangel an ausreichenden Stallungen auf vielen Kuh- und fast allen Weidenalpen. Das Vieh findet bei ungünstiger und heisser Witterung keinen Schutz und kein trockenes Lager, fällt Schnee, der mehrere Tage liegen bleibt, so muss dasselbe hungern oder sich in die Waldregion hinunter flüchten, wo es an den jungen Waldpflanzen grossen Schaden anrichtet. Durch den Mangel an Ställen wird die Milchergiebigkeit der Kühe gefährdet, die Entwicklung des Jungviehs verlangsamt und — namentlich in nasskalten Sommern — der Grund zu mancher Krankheit gelegt.

3 ) Die mangelhafte Pflege der Alpen mit Rücksicht auf die Räumung derselben von Steinen, holzigen Sträuchern, Unkräutern und Ameisenhaufen und die Unterlassung derjenigen Vorkehrungen, welche nothwendig wären, um die weitere Ausbreitung der Bodenabrutschungen, die Vertiefung der Runsen und die Vergrösserung der Schutthalden zu verhindern oder doch die daherigen Gefahren zu vermindern.

4 ) Die Unterlassung aller Bodenverbesserungsarbeiten, namentlich der Trockenlegung der nassen, saures Gras producirenden Stellen und die gänzliche Vernachlässigung des Wegbaues selbst da, wo die bestehenden Alpwege gefährlich sind.

5 ) Die geringe, häufig sogar ganz mangelnde Sorge für die Erhaltung und Nachzucht von Schirm- und Schat-tenbäumen in der Umgebung der Hütten und Ställe, auf den Lagerplätzen und bei den Viehtränken etc., soweit die Alpen in der Baumregion liegen.

6 ) Die holzfressenden Einzäunungen, deren Unterhaltung; nicht nur mit bedeutenden Schädigungen des Waldes,, sondern auch mit einem grossen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden ist.

7 ) Die hie und da übliche Einzelalpung, bei der die Viehbesitzer mit der ganzen Familie auf die Alp ziehen, die Erzeugnisse ihres geringen Viehstandes den Sommer über nahezu aufzehren und im Herbst so arm in 's Thal zurückkehren, als sie im Frühjahr auszogen.

8 ) Die Umwandlung vieler Alpen in Heuberge insofern, als sie zu lange als solche benutzt, also nicht ein angemessener Wechsel zwischen dem Mähen und dem Beweiden eintritt. Die Heuberge oder Mähalpen müssen allmälig verarmen, weil ihre Erzeugnisse vollständig zu Thal gebracht und dafür gar kein Ersatz geleistet wird.

9 ) Die Stabilität der Käserei, in Folge der unsere Käse von den anderwärts erzeugten übertroffen werden, die Nachfrage nach denselben sich vermindert und der Preis sinkt.

10 ) Die Verpachtung vieler, sogar als Rinderweiden taugliche Alpen an Bergamasker Schafbesitzer, ein Uebelstand, der vorzugsweise in den Tessiner und Bündner Alpen vorkommt.

Die schweizerische Viehzucht steht zwar mit Kecht in einem guten Ruf, es bleibt aber auch auf diesem Gebiet noch Vieles zu wünschen übrig. Bei der Auswahl der Zucht-thiere wird nicht immer mit der nöthigen Sorgfalt verfahren, die Fütterung des Jungviehs findet nicht überall nach richtigen Grundsätzen statt und auf die Pflege des Viehs, im Stall und auf den Alpen wird nicht durchweg die erforderliche Sorgfalt verwendet. Die Pferdezucht hat nicht nur keine Fortschritte, sondern Rückschritte gemacht und bei der Schafzucht ist man ziemlich allgemein beim Alten geblieben.

Beim Rindvieh kommen rationelle Züchtungs-grundsätze noch nicht allgemein genug zur Anwendung und bei der Schweinezucht wäre sowohl mit Rücksicht auf die Raten als auf die Ernährungs- und Behandlungsweise gar Manches zu verbessern.

Mit der Forstwirtschaft — wenn man die Benutzung eines grossen Theils unserer Gebirgswaldungen überhaupt so nennen darf — steht es noch schlimmer als mit der Alpenwirthschaft. Aus den Waldungen nimmt Jedermann, was sie erzeugen, soweit es der Benutzung fähig ist und zwar in der ungeordnetsten Weise, aber Niemand will etwas für die Wiederverjüngung und Pflege derselben thun, ja an den meisten Orten wird der Entstehung und Entwicklung junger Waldbäume, mit oder ohne Absicht, nach Kräften entgegen gewirkt. Die Hauptübelstände bei der Behandlung und Benutzung der Wälder sind folgende:

1 ) Die Ueberbenutzung der Wälder, d.h. der Bezug von grösseren Quantitäten Holz, als zuwächst.

2 ) Der ungeordnete Bezug des Holzes aus grossen Kahlschlägen oder durch Ausplänterung ohne Rücksicht auf die Herbeiführung der Wiederverjüngung.

3 ) Die sehr mangelhaften Transportanstalten, durch welche grosse Kahlschläge bedingt, die Entstehung von Runsen begünstigt und folgenschwere Schädigungen an den Bach- und Flussufern veranlasst werden.

4 ) Die rücksichtslose Ausübung der Waldweide, namentlich mit Ziegen, durch welche die erscheinenden jungen Pflanzen vernichtet und die Entstehung guter, junger Bestände unmöglich gemacht wird.

5 ) Der ungeregelte und schonunglose Bezug von Wald-streu, durch welchen denjenigen Waldungen, die den Ortschaften nahe liegen, der einzige Dünger entzogen und eine Verarmung des Waldbodens herbeigeführt wird.

6 ) Die Vernachlässigung aller Forstverbesserungsarbei-ten, wie Saaten, Pflanzungen, Keinigungen, Säuberungen und Durchforstungen.

7 ) Der mangelhafte Schutz der Waldungen gegen unbefugte Eingriffe von Seiten der Menschen und gegen Naturereignisse.

Die Folgen der mangelhaften Land-, Alpen- und Forstwirthschaft lassen sich leicht ermessen, sie bestehen:

a. In einem nicht unerheblichen Zurückbleiben des wirklichen Ertrages der Thalgüter gegenüber dem möglichen.

b. In der ernste Besorgnisse erregenden Abnahme der Fruchtbarkeit der Alpen, veranlasst durch die Verminderung des productiven Bodens und die Erschöpfung desselben. Als Beweis hiefür mag angeführt werden, dass die Glarner-Alpen, die im Jahr 1636 13,000 Kühe ( Stösse ) ernähren konnten, im Jahr 1863 nur noch 10,178 zu ernähren vermochten.

c. In der Verminderung des Waldareals, bedingt durch die extensive Vergrösserung der Alpen etc. und die Vernachlässigung des Holzanbaus, der Waldpflege und des Forstschutzes.

d. In einer sehr bedeutenden Verminderung der Holz-vorräthe und des Ertragsvermögens der Waldungen, dem daherigen Versiegen einer der ergiebigsten Einnahmequellen und in der Gefährdung der nachhaltigen Befriedigung des eigenen Holzbedarfs.

Land-, AlpenForstwirthschaft im Hochgebirge. 365-

e. In häufig eintretenden Beschädigungen durch Schneelawinen, Steinschläge, Bodenabrutschungen und Abschwemmungen und in der Vertiefung der Runsen und Bachbette.

f. In ungünstigerer Gestaltung der Witterungserscheinungen und der klimatischen Verhältnisse überhaupt.

g. In grösseren Verheerungen durch die Flüsse und Bäche, die in der Regel die schönsten und werthvollsten Thalgüter treffen; in dem sehr veränderlichen Wasserstande derselben und in der daherigen Gefährdung der industriellen Etablissemente, die das Wasser als bewegende Kraft brauchen.

Die Frage: Wie kann diesen Uebelständen abgeholfen werden? lässt sich kurz dahin beantworten: Durch baldige und allgemeine Einführung einer besseren Land-, Alpen und Forstwirthschaft. Ein näheres Eintreten auf den technischen Theil der Lösung dieser Aufgabe dürfte hier nicht am Platze sein, wogegen diejenigen Verbesserungen, welche zunächst anzustreben sind, noch aufgezählt werden mögen. Es sind folgende:

1 ) Beseitigung der gemeinschaftlichen Atzung der Thalgüter im Frühling und Herbst.

2 ) Einführung der Stallfütterung für die Heimkühe und das Zugvieh und Benutzung der Heimkuhweiden als Mattland, Ackerfeld oder Streuried oder überhaupt zu den Zwecken, zu welchen sie sich am besten eignen.

3 ) Steigerung der Düngerproduktion, sorgfältige Behandlung des Düngers im Stall, auf den Düngerstätten und auf den Alpen, zweckmässige Verwendung desselben und Ankauf von künstlichen Dünger-sorten, so weit sie nicht zu theuer sind.

4 ) Ausführung der nöthigsten Bodenverbesserungs-Ar-beiten auf den Thalgütern, den Alpen und im Wald, ganz besonders Entwässerung des nassen und Bewässerung des sehr trockenen Bodens.

5 ) Zweckmässige und solide Abgrenzung der Thalgüter, Alpen und Wälder mit besonderer Rücksicht auf die Beschaffenheit des Terrains, des Bodens und die Arrondirung der einzelnen Kulturarten.

6 ) Erstellung der unentbehrlichen Ställe auf den Alpen.

7 ) Ersetzung der holzfressenden todten Zäune durch Lebhäge, Trockenmauern oder Gräben.

8 ) Verbesserung des Zuwachses auf den Alpen durch Beseitigung der holzigen Sträucher und anderer nicht als Viehfutter dienender Pflanzen, der Ameisenhaufen etc. und durch den Anbau geeigneter Futterpflanzen auf den dadurch kahl werdenden Steilen.

9 ) Räumung der Alpen von Steinen und Verwendung der letzteren zur Einzäunung derselben mit Trockenmauern, zur Sicherung der Sohle und der Ufer derjenigen Gräben und Runsen, welche durch das abfliessende Wasser geschädigt und vertieft werden, und zur Ausführung von Bauten zum Schütze der Alpen gegen die Erweiterung der Schutthalden etc.

10 ) Regulirung des Holzbezuges aus den Waldungen nach wirtschaftlichen Grundsätzen, namentlich:

a. Verhinderung aller sogenannten Freiholzhiebe und zwar sowohl für den Bedarf der Familien, als der Sennhütten; Anweisung alles zu fällenden Holzes durch Sachverständige.

b. Verhütung der Kahlhiebe an allen durch Lawinen, Steinschläge, Bodenabrutschungen und Abschwem- mungen gefährdeten Stellen, sowie in ganz rauhen Hochlagen.

c. Ermittelung des nachhaltigen Ertrages der Wälder und Beschränkung der Nutzung auf diesen ( Vermessung und Taxation der Waldungen ).

11 ) Verbesserung der Transportanstalten durch Versicherung der Ufer der Flossbäche, durch Erstellung von Fahr- und Schlittwegen und durch möglichste Beschränkung der Holzriesen in lockerem Boden.

12 ) Beschränkung der Weide- und Streubenutzung, insoweit es zur Nachzucht guter Waldbestände unbedingt nothwendig ist.

a. Durch Schonung der dem Maule des Viehs noch nicht entwachsenen und der in Verjüngung begriffenen Bestände gegen das Weidevieh, namentlich gegen die Ziegen.

b. Durch sorgfältige Benutzung aller Streusurrogate, namentlich der Schneidelstreu vom gefällten Holze und durch zweckmässige Regulirung des Bezuges von Rech- und Mähstreu.

13 ) Sorgfältige Aufforstung alles öde liegenden, zur Holzerziehung bestimmten Bodens durch Saat oder Pflanzung und Einführung einer Hiebsart in den alten Beständen, welche der Verjüngung derselben möglichst günstig ist.

14 ) Zweckmässige Pflege aller jungen und älteren Bestände durch die Einführung von Säuberungen und Durchforstungen.

15 ) Ablösung der die Einführung einer guten Wirthschaft hindernden Servitute, Schutz der Wälder gegen alle eigenmächtigen Bezüge von Waldpro- dukten und strenge und unnachsichtige Bestrafung aller Frevler.

Trotz der grossen Vortheile, welche den Grundbesitzern des weiten Alpengebiets aus der Durchführung dieser Verbesserungsvorschläge erwachsen würden, darf man sich der Hoffnung nicht hingeben, dass die Verbesserungsarbeiten bald an die Hand genommen und so gefördert werden, wie es die Kücksichten auf das allgemeine Wohl erheischen, es liegt daher in der Pflicht der Behörden, der Vereine und aller gemeinnützigen Männer, diese wichtige Angelegenheit nach Kräften zu fördern. Die Mittel hiezu liegen in der Belehrung des Volks durch Wort und Beispiel, in der Verabreichung von Beiträgen an die Ausgaben für Verbesserungsarbeiten, die im Anfang wenig lohnend sind oder zum allgemeinen Besten dienen, und in der Gesetzgebung.

Die Gesetzgebung liegt uns ferne, es genügt daher hier die Bemerkung, dass dieselbe zwar die Beseitigung aller, der Einführung einer besseren Wirthschaft im Wege stehenden Hindernisse möglich machen muss, die Freiheit des Einzelnen aber nicht mehr beschränken darf, als es zur Erreichung des Zweckes absolut nothwendig ist. Auch die Verabreichung von materiellen Unterstützungen für Verbesserungsarbeiten fällt der Hauptsache nach den Behörden zu, dagegen gehört die Belehrung des Volks über seine wahren wirtschaftlichen Interessen zum Wirkungskreise der Vereine und der Einzelnen, es darf sich daher auch der Alpen-Club dieser Aufgabe nicht entziehen.

Da gegen die Ausführung eines Theiles der vorstehenden Verbesserungs-Vorschläge grosse Bedenken walten, so dürften noch einige Andeutungen darüber am Platze sein, wie man über die scheinbar grössten Schwierigkeiten hinaus kommen könnte.

Für die Einführung einer guten Forstwirthschaft bildet die Ziegenweide unstreitig eines der grössten Hindernisse, um so mehr, als die Ansicht allgemein verbreitet ist, die Beschränkung derselben habe die vollständige Verarmung und Verkümmerung des ärmeren Theils der Gebirgsbevölkerung zur Folge. Wäre dem so, dann müssten auch die eifrigsten Förderer der Forstwirthschaft auf die Durchführung ihrer Pläne verzichten, zum Glück steht aber die Sache nicht so schlimm. Ein grosser Theil der den Wald durchstreifenden Ziegen gehört den Wohlhabenden, die unter der Ausschliessung derselben von der Waldweide nicht allzusehr leiden würden. Die Gesetzgeber haben das längst erkannt, wofür der beste Beweis darin liegt, dass in mehreren Kantonen schon im vorigen Jahrhundert ge-« setzlich bestimmt wurde, Diejenigen, welche im Sommer eine Kuh zu Hause halten können, dürfen keine und überhaupt Niemand mehr als 2-3 Gaisen auf die gemeinsame Weide treiben. Durch die Vollziehung dieser gesetzlichen Bestimmung, die leider bisher nur auf dem Papier stand, würde keine arme Familie ruinirt und keinem Kinde die unentbehrliche Milch entzogen, wohl aber liesse sich die Zahl der den Wald schädigenden Ziegen auf die Hälfte reduciren. Die Einführung einer besseren Forstwirthschaft macht übrigens nicht die Beseitigung, sondern nur die Re- gulirung der Waldweide in dem Sinne nothwendig, dass diejenigen Bestände geschont werden, welche dem Maule des Viehes noch nicht entwachsen, oder in Verjüngung begriffen sind.

Die Abschaffung der gemeinschaftlichen Beweidung der Thalgüter hat nur da erhebliche Schwierigkeiten, wo letztere stark parzellirt sind; sie erfordert keine andere Vorkehrungen als Trennung der Heerden und Einzelhut auf den eigenen Grundstücken.

Schweizer Alpen-Club.24

Die Aufforstung öder, exponirter Flächen in rauhen Hochlagen ist keine leichte und, vom rein finanziellen Standpunkte aus betrachtet, eine undankbare Aufgabe, ausführbar aber ist sie und zwar ohne unverhältnissmässig grosse Kosten. Sollen jedoch die diessfälligen Arbeiten nicht von vorneherein in Misskredit gebracht werden, so darf man mit denselben nicht an den steilsten Stellen anfangen, weil hier nur ein geringer und erst sehr spät in die Augen fallender Erfolg zu erwarten ist. Zuerst sind die Partien mit besserem Boden und in geschützter Lage in Angriff zu nehmen, um sodann von diesen aus auf die ungünstigeren vorrücken zu können. An Schutthalden, Rutschflächen u. dergl. darf die Aufforstung in der Regel * erst beginnen, wenn der Boden zur Ruhe gebracht ist, und bei allen Aufforstungsarbeiten sind die vorhandenen Deck-mittel, als Bäume, Sträucher, Stöcke, Felsblöcke etc. je so zu benutzen, wie sie der Pflanze den wirksamsten Schutz gegen die drohenden nachtheiligen äusseren Einwirkungen geben können. An der Wiederbewaldung steiler Hänge und exponirter Stellen hat nicht nur der Eigenthümer des betreffenden Bodens, sondern die ganze Bevölkerung ein hohes Interesse, weil der Wald den wirksamsten Schutz gegen Bodenabschwemmungen, Schneeabrutschungen, Steinschlag, allzuraschen Wasserabfluss und gegen Verschlechterung des Klimas bietet, es erscheint daher billig, dass die Grundbesitzer in ihren diessfälligen Bestrebungen kräftig unterstützt werden.

Die zum Schutz gegen Schneelawinen, Steinschlag, Bodenabrutschungen, Vertiefung der Bäche und Runsen, Ueberschüttung der Thalgüter mit Schlamm und Geschieben u. dgl. auszuführenden Bauten übersteigen die Kräfte der Einzelnen noch mehr als die Aufforstungsarbeiten, theils weil sie grössere Kosten veranlassen, theils weil sie in der Regel von einer grossen Zahl von Grundbesitzern gemeinschaftlich und nach einem durchgreifenden Plane ausgeführt werden müssen.

Im Allgemeinen müssen sie darauf gerichtet sein, den Schnee und das Geschiebe in der Höhe zu behalten, oder demselben, wo das nicht ausführbar ist, möglichst unschädliche Bahnen und die nöthigen Ablagerungsplätze anzuweisen. An den Bächen und Runsen sind, soweit das Gefäll stark ist, die Querbauten, oder sogenannten Thalsperren, den bei der Bevölkerung sonst so sehr beliebten Parallelbauten oder Ufermauern entschieden vorzuziehen, weil die letzteren die Vertiefung der Sohlen eher begünstigen als hindern, während die ersteren das Gefäll vermindern, das Geschiebe zurückhalten, die Sohle erhöhen und dadurch weiteren Abrutschungen wirksam vorbeugen. Durch gemeinsames Vorgehen wäre auch auf diesem Gebiet in kurzer Zeit und ohne unverhältnissmässige Kosten den grössten Uebeln vorzubeugen.

Für die Durchführung der übrigen vorgeschlagenen Verbesserungsarbeiten reicht fast durchweg der gute Wille der Grundbesitzer aus, es kann sich daher mit Rücksicht auf dieselben nur um die nöthige Belehrung durch Wort und Beispiel handeln. Zur Belehrung durch das lebendige und das geschriebene Wort haben alle Einsichtigen und namentlich auch die Vereine Gelegenheit; die wirksamere Belehrung durch das Beispiel dagegen muss durch die intelligenten und wohlhabenden Grundbesitzer unserer Alpen in der Weise vermittelt werden, dass sie ihre eigenen Güter musterhaft bewirthschaften und damit ihren Nachbarn zeigen, dass die Land-, Alpen- und Forstwirthschaft wirklich verbessert werden kann und dass sich die Verbesserungen durch grössere Erträge reichlich lohnen.

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