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Adler

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Der Mont Blanc bleibt also auch beim herrlichsten Wetter unsichtbar. Das Panorama mag dort etwa so aussehen:

Damit sind meine Beispiele abgeschlossen.

Verwendete Hilfsmittel:

Als Übersichtskarte wurde benützt: ein ungefaltetes Blatt « Reduzierte Generalkarte der Schweiz, 1:300 000 », 1953, der Landestopographie. Zur Ermittlung der Details bei den kritischen Punkten wurde der Sehstrahl auf die entsprechenden Siegfriedblätter übertragen, wenigstens soweit sie existieren. Der Genauigkeitsgrad der topographischen Unterlagen rechtfertigt daher die Verwendung eines Normalrechenschiebers für die Ausrechnungen.

Adler

VON ALFRED FLÜCKIGER, BIRMENSDORF ( ZH ) Miti Bild ( lì ) Sommer! Kein Sommer kann mit dem herrlichen Sommer in den Bergen verglichen werden. Der Bergsommer bleibt unbestrittener König unter den Sommern! Die Sonne steigt seit einigen Tagen jeden Morgen flammend hinter den fernen Bergen empor. Sie sprüht Wärme, Freude und Jubel über die weiten und hochgelegenen Alpen. Sie zaubert Licht und Schatten und Farben in die grauen Felsen. Vor ihrem sieghaften Feuer purzeln Dunkelheit und Schatten nach allen Seiten auseinander, stürzen kopfüber in Schluchten und Felsenrisse hinein, wo sie - scheu und eng zusammengekauert -auf den fernen Abend warten. Die Sonne weckt alle Tiere und Vögel der Berge zu einem prächtigen Tag. Überall regt sich junges Leben. Die Füchse, die Murmel und die Hermeline - alle Jungtiere spielen in der Morgensonne. Auch die jungen Adler im Horst an der Drachenwand haben sich ordentlich gemacht. Ihr Tagewerk besteht in Fressen und Wachsen. Das alte Adlerpaar ist fortwährend unterwegs auf Jagd, wie gehetzt, um die Fresser genügend füttern zu können.

In der Ferne, irgendwo, pfeifen die Murmeltiere und warnen vor Gefahr. Auch die alte Leitgeiss - eine erfahrene Gemse - beginnt zu pfeifen und zu stampfen. Das ganze Gemsrudel wird lebendig; die Tiere sammeln sich, die Kitze rennen meckernd zu ihren rufenden Müttern und verkriechen sich unter die erwachsenen Tiere.

Und schon saust der Steinadler über die Grate herein. Das Gemsrudel gerät in tollen Aufruhr, beginnt zu stampfen und zu pfeifen. Der Adler ist entdeckt! Soll sich nicht getrauen, ein junges Gemslein zu holen! Der Adler heult und bellt, das macht den Gemsen weiter keinen Eindruck; schliesslich krächzt er nur noch jämmerlich. Es ist ein gehässiges Lautgeben aus der Luft, das von den Felsen widerklingt^ Es tönt nah, es tönt fern und hüpft als Echo von Wand zu Wand, bis es sich weit hinten in den Trümmerfeldern verirrt.

Der jagende Adler ist nicht leicht von seinen bösen Absichten abzubringen. Er stösst auf das Rudel nieder; die Gemsmütter stellen sich auf die Hinterkeulen, richten sich hoch auf, drohen mit den Krickeln und schlägein mit den Vorderläufen. Der Räuber türmt über dem Rudel; bald tiefer, bald höher; er öffnet den Schnabel und faucht und stösst immer wieder nieder. Als er nichts ausrichten kann, setzt er sich schliesslich steinwurfweit auf den Boden, rennt mit schleifenden Flügeln auf die Gemsen los, um sie in die Flucht zu treiben. Haha! Die Gemsen pfeifen ihn aus; stampfend rennen sie ihm entgegen, um ihn mit ihren scharfen Hörnern zu reissen. Den Kerl fürchten sie nicht!

Der Adler faucht, schlägt drohend mit den Flügeln - und zieht vor, sich mit einem kräftigen Ruck in die Luft zu heben. Immer wieder saust er tief über das kampfbereite Rudel weg, schlägt Purzelbäume über den Gemsen, schreit hässlich -, und schliesslich muss er doch abziehen, um anderswo zu jagen. Sein Schatten gleitet über die Alpen und jagt überall das kleine Wild in kopflose Flucht.

Der Gegenwind trägt ihn jäh empor gegen die Sonne. Da trifft er auf sein Weibchen, das ebenfalls seit Sonnenaufgang auf Jagd unterwegs ist. Ein Vogel fliegt hinter dem andern; sie segeln in weiten Kreisen im tiefen Blau des Berghimmels; sie verschwinden in den ziehenden Wolken, gleiten wieder heraus, steigen aufs neue im Aufwind - alles Schweben ohne einen einzigen Flügelschlag. Und unausgesetzt beobachten sie mit scharfen Adleraugen. Sie kreisen enger und scheinen Beute entdeckt zu haben. Denn plötzlich stechen beide Adler mit eingelegten Schwingen kopfvoran in die Tiefe, fangen ihr Stürzen mit sachte auseinandergefalteten Flügelfächern wieder auf und schweben einige hundert Meter tiefer nah über hochgelegenen Alpweiden. Noch etwas tiefer, damit das Männchen knapp über den braungrünen Rasen wegzischen kann. Dazu schreit es hässlich.

Einige Schneehasen und Schneehühner schrecken auf und jagen davon. Das nachfolgende Weibchen schlägt einem jungen Häslein die messerscharfen Fänge in den Leib. Der Hase schreit auf -, und schon wird er, noch wimmernd, in die Luft getragen. Beide Adler schweben über die dunkel drohende Felswand hinaus, schwindelnd hoch hinaus über das Tal, wo tief unten die braunen Dörfer im Wiesengrün liegen. Der Gegenwind hebt die Jäger noch höher hinauf in die kühle, sonnen-durchgoldete Himmelsweite. Plötzlich lässt das Weibchen - aus Übermut - den Hasen fallen und schreit. Das Männchen saust dem Häschen mit eingelegten Schwingen nach, fängt es auf wie einen Ball, legt sich wieder in die breiten Flügel und zieht siegesstolz eine weite Schleife gegen die Felswand hin zum Horst. Beide Adler fliegen ein, um ihre hungrigen, noch unbeholfenen Jungvögel mit diesem Leckerbissen zu füttern.

Verborgen in einer Wettertanne lauert ein hungriger Kolkrabe und beobachtet den Adlerhorst mit den zwei hellflaumigen Jungvögeln. Seit Stunden wartet der Räuber auf eine günstige Gelegenheit. Der eine Adler kreist über der grauen Wand im Aufwind. Eben fliegt das Adlerweibchen ein und bringt ein geschlagenes Schneehuhn. Ein Leckerbissen für die jungen Adler! Das Weibchen zertrennt das noch warme Huhn mit einigen Schnabelschnitten und einigen Rissen. Die beiden Jungadler machen sich gierig über das Futter her. Das Weibchen hingegen verschmäht jeden Bissen; es hat unterwegs zwei unvorsichtige Mäuse gejagt, das genügt; die beste Beute gehört den Jungen.

Es wirft sich wieder in den Wind, spreizt seine herrlichen Flügel mit dem hellen Ordensband, spreizt den breiten Fächerschwanz - und sein Schatten gespenstert der silbergrauen, gähen Felswand entlang. Beim Zurückdrehen liegt der mächtige Vogel mit ausgespanntem Gefieder gegen eine schneeweisse Wolke. Ein prächtiger Anblick! Kein Wunder, dass der Adler bei den Menschen als königlicher Wappenvogel so beliebt ist! Das Weibchen schraubt sich höher und höher und verschwindet schliesslich in vorüberziehenden Nebeln.

Der Kolkrabe, der An- und Wegflug genau verfolgt hat, wird jetzt unruhig. Er klettert aufgeregt auf einen Ast hinaus, der sich im Winde wiegt. Auch der zweite Adler ist nirgends mehr zu sehen. Der Rabe wirft sich in eine Böe und lässt sich gegen den Horst hinauf blasen. Auf einem Felskopf setzt er ab und sichert noch einmal ringsherum. Nirgends, weder beim Horst noch in der Luft, ist ein Adler zu entdecken.

Wieder lässt sich der Kolkrabe in den Wind fallen, beginnt mit den Flügeln gegen den Fallwind zu arbeiten, streicht der Wand entlang, holt noch einmal aus, kommt höher, legt die Flügel an und fliegt auf den Horst ein, aber ohne abzusetzen. Er packt - immer mit den Flügeln rüttelnd - einen der Jungadler, hackt auf ihn ein und will mit seiner Beute abstreichen. Just in diesem Augenblick sticht das Adlerweibchen jäh über die Felsen herunter, sieht den frechen Eindringling, lässt die Beute - ein Murmelkätzchen - fallen und stürzt sich auf den Nestplünderer. Einige Schnabelhiebe! Federn fliegen! Der geraubte Jungadler fällt wie ein Holzstück in die Tiefe. Das Adlerweibchen schreit, lässt den erwürgten Kolkraben aus den Fängen, und er fällt als ein zerzaustes Bündel wirbelnd in den Abgrund.

Das Adlerweibchen kreist hinunter, um sein Junges unten an der Felswand zu suchen. Es lässt sich flatternd neben sein blutendes Kind nieder, das übel hergerichtet in einem Gewirr von Steinblöcken liegt. Der verletzte Jungadler zuckt nur noch einige Male und verendet. Der stolze, grosse Muttervogel dreht den Kopf hin und her und beäugt das leblos gewordene Wesen. Lange bleibt die Adlermutter auf einem grossen Blocke unbeweglich sitzen, lange und wie nachdenklich.

Wie die Sonne weggeht und violettblaue Schatten sich an den Fuss der Felswand und in den Arvenwald legen, sucht der Adler das Murmelkätzchen, packt zu, tut einige sausende Flügelschläge und hebt sich mühsam in die Luft, um das Murmeltier in den Horst zu tragen.

Der Adler kreist hoch über den Felsen und spielt mit dem Winde. Ein prächtiger, stolzer Vogel! Er späht in die Tiefe, türmt eine Weile über der höchsten Felsspitze, dreht dann aus und verschwindet hinter ziehenden Nebeln. Ab und zu schimmert er im weissen Gebrodel als gleitender Schatten dunkel durch.

Tiefer unten gleitet er aus dem Nebelkragen heraus und zieht enge Kreise. Wenn er gegen die Sonne fliegt, glänzt sein auf der Unterseite helles Gefieder und hebt sich gegen den tiefblauen Himmel ab. Er hat einen Fuchs entdeckt, der nach einer kalten Bergnacht lang ausgestreckt, leichtsinnig und sorgenlos, auf einem Felskopf in der Morgensonne schläft.

Der Adler, nach Raubvogelgewohnheit, weicht hinter den Grat aus; er muss noch etwas tiefer hinunter. Dann flitzt er lautlos über eine Felslücke auf die Alp herein und streicht scharf über den blumigen Alpboden hin. Seine Fänge zucken, spreizen auf und zu - und packen im Vorüberflug den Fuchs. Die kleinen, krummen Türkensäbel, die scharfen Krallen schlagen heftig in seinen Leib. Reineke erwacht vom stechenden Schmerz in den Fängen des Adlers. Er schnellt mit dem Leib, schlägt mit der Lunte, beisst wütend um sich, zwickt und kratzt mit den Läufen, zuckt heftig, knurrt und bellt und schreit - und der Adler hackt auf ihn ein.

Dieser graubraune, tobende Balg ist wahrlich ein ungemütlicher Kerl. Dazu ist er schwer; er reisst den Adler schier zu Boden. Glücklicherweise fällt die Alp stark ab und endigt an einer abgrundtiefen Felswand. Hier erhält der freche Jäger kräftigen Aufwind und wird über den Absturz hinausgetragen. Der Fuchs wehrt sich verzweifelt und erwischt den Adler an den Federhosen. Die Federn fliegen, der Adler torkelt durch die Luft, flügelt -, und lässt schliesslich den tobenden Fuchs fallen, bevor er sich festgebissen hat. Der Fuchs - sich werfend und Purzelbäume schlagend -stürzt jäh in die blaue Tiefe. Zwischen Arven bleibt er tot liegen.

Der Adler folgt ihm und setzt sich in der Nähe seiner Beute auf einen gestürzten Stamm, als wäre nichts geschehen. Unbeweglich bleibt er lange Zeit sitzen. Der Fuchs hat ihn an einem Ständer übel erwischt; er kann kaum mehr darauf stehen, der Fuss ist vom Biss wie gelähmt. Hie und da rollt ein Bluttropfen über den Stamm hinunter und versickert im Gras. Der Adler sperrt ab und zu den Schnabel auf, als ob er gähne; er legt den Kopf ins Genick zurück und beginnt sich schliesslich im Sonnenlicht zu putzen. Er zieht Feder um Feder seiner Schwingen durch den Schnabel, kratzt sich, schüttelt sich, und die losgerissenen Federn wirbeln davon.

Ein Flügelschlag! Und er sitzt - der erhabene König der Lüfte - auf seiner Beute. Weidmännisch beginnt er sein Wild zu zerlegen. Zuerst trennt er den Kopf vom Leibe. Seine Schnabelschneiden sind richtige, scharfe Wildbretscheren.

Ein Rudel junger Wiesel, eine innert weniger Wochen gross gewordene Hermelinfamilie, spielt in der goldenen Abendsonne. Die jungen, ungemein beweglichen Tierchen jagen sich und balgen sich. Wenn irgendwo ein Stein ausbricht und fällt, ein Ast knallt, ein Wolkenschatten vorübergleitet, so erschrecken sie und verschwinden in den Bodenlöchern. Husch! Fort! Weg ist die ganze Sippschaft.

Ein Wieselbau ist weitverzweigt und hat viele Ein- und Ausgänge. Schon blinzelt da und dort wieder ein neugieriges Tierchen heraus, schnellt hoch auf und läuft im Zickzack über den blumigen Grasboden, der bittersüss nach frischen Alpenkräutern duftet. Und schon geraten wieder einige der putzigen Tierchen aneinander und balgen sich. Sie spielen wie flinke, junge Katzen; stürzen aufeinander los, bellen und schreien sich an und überkugeln sich voller Übermut.

Hoch über dem schon blaudunklen Arvenwald kreist am gelben Abendhimmel ein junger Adler. Er wiegt sich spielerisch im Wind, sticht nieder, segelt im Aufwind wieder empor und beobachtet die Hermeline. Er kennt zwar diese Sorte kleiner Vierbeiner nicht; er hat noch nie Bekanntschaft mit ihnen gemacht, noch nie sie gejagt - aber die Tierchen sehen aus wie für einen Adler geschaffen: nicht zu gross, nicht zu schwer.

Er lässt sie nicht mehr aus den Augen und dreht im Winde immer etwas näher. Die Wiesel hetzen sich über Steine, schlüpfen durch Gräben, spielen Versteckens in den Latschen, hüpfen hoch auf, machen Männchen und treiben sich sorgenlos über die offene Alp. Unversehens pfeilt ein Schatten hinter dem Felsen hervor und schiesst tief über die Alp weg. Der Adler! Er schreit, jagt die Hermeline in kopflose Flucht - und schon gleitet er mit einem fauchenden und bellenden Hermelin in den Fängen davon. Der König der Lüfte holte sich wieder ein Opfer!

Das geraubte Tierchen windet sich, schlägt, zappelt und beisst mit scharfen Zähnen. Der Adler hackt auf sein rebellierendes Opfer ein. Die Bisse in die Greifer schmerzen; der Adler löst seine Klauen, um den kleinen Peiniger fallenzulassen. Umsonst! Das Hermelin klettert am Ständer gegen die Brust hinauf und verbeisst sich im Hals. Die Federn fliegen — Der Adler wankt; er versucht immer wieder die kleine bissige Bestie abzuschütteln, ihr irgendwie mit Schnabel und Krallen beizukommen Umsonst! Schon tropft das Blut; der Adler beginnt unsicher zu fliegen, verliert an Höhe und fällt mit letzter Kraft auf eine mächtige Wettertanne ein. Das Hermelin hat sich festgebissen und wütet in entbrannter Mordlust weiter, beisst und beisst, während der Adler nur noch matt mit den Flügeln schlägt, das Gleichgewicht verliert und zwischen den Ästen durch hinunterfällt.

Das Wiesel blutet am Kopf an einigen Stellen von den Schnabelhieben. Das wird schon wieder heilen; einige Tage vielleicht. Es frisst sich satt am jungen Fleisch des Adlers - und hüpft dann über Arven wurzeln davon. Hinter der Wettertanne lauern im Violettblau des Abends die jungen Füchse.

Die Sommernacht kommt warm und weich aus den Tälern herauf. Es ist ein Abend der duftenden Bergveilchen; ihr Duft schwebt federleicht über den Alpen und schenkt allen lebendigen Wesen Frieden und Glück. An den Eisdomen und Silberhörnern verglimmt das letzte Abendleuchten; dann werden die Firnen grau und kalt.

Nur der milde Sommerwind zigeunert über die Alpen; ein zufriedener und gütiger Wind, der an den Disteln und Türkenbundkugeln zupft und leise vor sich hinpfeift.

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