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Bergmusik

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von M. Szadrowsky

( Chur ) Bergmusik ist dem Schweizer Alpenclub von Anfang an beachtenswert gewesen. Schon im 1. Jahrbuch aus dem Jahr 1864 ist eine Arbeit über Nationalen Gesang bei den Alpenbewohnern, im 4. Band eine Abhandlung über « Die Musik und die tonerzeugenden Instrumente der Alpenbewohner ». Beide — sie stammen von meinem Grossvater — sind aus den geistbewegten ersten Vortrag, gehalten in der Sektion Rätia des Schweizer Alpenclubs.

Jahren des Alpenclubs herausgewachsen. Ein bisschen Klubvergangenheit darf heute nachklingen.

Mein Vortrag hat aber keinen musikhistorischen Ehrgeiz und erst recht keinen prähistorischen. Den Ursprüngen der Alpenmusik geht er nicht nach. Wozu sich in das Wanderhirtentum der Steppen Asiens verlieren? Wie der Bergsteiger den Sprung über eine allzu breite Gletscherspalte nicht wagt, so muss er nicht mitgehen, wenn Forscher gleiche oder ähnliche Bergmusik verschiedener Völker und Länder durch Wanderung erklären wollen oder gar eine Bergmusik erschliessen, die schon vor Jahrtausenden dem indogermanischen Urvolk eigen gewesen wäre. Einfache Instrumente aus einem Baumstämmchen, aus Baumrinde konnten doch da und dort und allenthalben in ähnlichen Landschafts- und Lebensbereichen immer wieder eigenwüchsig wachsen. Übrigens stellen fast alle Forscher den Erbschafts- und Wander-vermutungen gegenüber die Eigenart bestimmter Bergmusik fest, besonders der schweizerischen. Wozu eine doch immer sehr fragwürdige « Vorgeschichte », « Frühgeschichte », « Geschichte » ersinnen oder leichtgläubig übernehmen?

Wir halten uns ganz einfach an die Tatsache: es besteht einiges, was wir als echt schweizerische Bergmusik empfinden, was wir lieben, was wir bewahren möchten. Was ist der Eigenwert dieses Geliebten? Das geht uns an! Als unwissenschaftliche Liebeserklärung ist beizufügen: von aller Bergmusik liebe ich mit ganzer Liebe nur das Alphorn. Seine Töne liebe ich, nicht seine Geschichte.

Geschichtliches steckt nicht im Alphornerlebnis, gehört nicht dazu, wird nicht mitgehört. Urgeschichtliches klingt nicht mit, wohl aber ungeschichtlich, geschichtlos Urtümliches, was in tiefen Gründen wurzelt, die immer da sind, im Wesen der Welt und der Musik. Tatsache ist der Alphornklang, Tatsache auch das Mitschwingen unsrer Seele, Tatsache auch der Grund der Ergriffenheit, das, was der Tonnatur Macht über unser Gemüt gibt. Ganz einfach Naturhaftes erlebt der Bergwanderer als seltsam Beseeltes. Dieses ganz wesentliche Bergsteigererlebnis im Einzelfall der Bergmusik: das geht uns an. Auch das Naturtönen des Windes, des Baches ist nicht nur physisch oder physikalisch. Es tönt ein Inneres darin, etwas Metaphysisches. Es ist mehr als Natur oder eben Natur in reicherem Sinne, das Immer-wieder-Werden des geistartigen Grundwesens. In unserm Naturerleben ist mehr davon, als wir wissen und zugeben.

Auf und ab ist beim Bergsteigen üblich, steht auch einem Bergsteigervortrag an. Auch er darf von saftiggrüner Weide der Wiederkäuertatsachen ins schwerer Gangbare hinaufsteigen, in gewagte Gedankenkletterei, darf in dunkle Abgründe und Gründe tauchen, sich in Höhen und Tiefen ins Halsbrecherische versteigen, muss aber immer wieder rechtzeitig vor Hals- und Hirnbruch zu den Milchkühen und zur Milch der ihm frommenden Denkart zurückkehren. Also: in einem Bergsteigervortrag dürfen Hornvieh und Philosophie einander begegnen. Alphornmelodie und Sinfonie, so edel schlicht die eine, so edel gross die andere, erinnern sich einer gemeinsamen Urmutter. Mit ihr den Vortrag zu beginnen, wäre aber gefährlich: es könnte zur Prähistorie überführen und verführen, der wir bereits vorsichtig hochachtend abgesagt haben.

Zuerst sei schlechthin von Älplermusik die Rede und von allerlei, was da für uns Bergfreunde zu tun und hauptsächlich abzutun ist, dann zweitens von den Alphornmelodien, ihrem Wesen und ihrer wundersamen Wirkung auf das Gemüt. Drittens darf man beobachten, wie Tongebilde der Bergmelodik in Werke der Tonkunst übergegangen sind. Zuletzt aber und viertens kehren wir in die Berge zurück und lauschen auf Töne der Natur.

In den « Alpen » muss fast alles wegbleiben, was im Vortrag als leibhaftige Musik er-klungen ist. Bloss Noten wären es ja für die meisten Leser, keine Töne. Dem 3. Teil geht 's dabei hart ans Leben. Nicht einmal der 1. Teil kommt mit heiler Haut davon.

1.

Die Lieder der Bergler nach Wort und Weise zu behandeln, davon muss der Vortrag absehen. Mit dem 1. Jahrbuch erkennen und bewundern wir die Eigenart des Schweizer Volksliedes, sein unverkennbares Eigenwesen in Wort und Ton, innerhalb der Einheit dann die Mannigfaltigkeit von Gegend zu Gegend, auch das etwa den Appenzeller gegenüber dem Berner Oberländer Kennzeichnende in der Vortragsweise von Lied und Jodel. Wir wollen uns aber nicht zu einem Gang durch den blühenden Garten des Volksliedes verleiten lassen. Bergschuhe haben wir angetan, bleiben auf Gebirgspfaden und bei der Bergmusik. Eine Art Gesang ist wesenhaft berglerisch, gehört also zur Sache: der Jodel. Zu ihm wird uns das Alphorn hinführen.

Nahe verwandt mit beiden ist der Kuhreihen. Seinen Ursprung und Sinn drückt am besten die Appenzeller Bezeichnung Löckler aus: Lockruf für die Herde. An Sprachlichem gehören nur ein paar Rufsilben dazu und der Anruf an die Kühe, die Loba, auch mit ihren Namen, sicher keine Sennen-geschichtlein. Auch keine « Musikstücke » sind die echten Kuhreihen, sondern einfache Weisen mit Jodel- und Alphorntonfolgen. « Ein Lied von Kühen und Kühern » ist nach J. R. Wyss ( 1826 ) der Kuhreihen, im Grunde nur von Kühen oder an Kühe, eben Lockruf, darüber hinaus « Erguss der allgemeinen Hirtenlust, die auf den Alpen so innig ist ». Das 4. Jahrbuch bestätigt: « Ein Jubelgesang, ein Jauchzen ist auch der Kuhreihen mit seinen reichen Jodlerverzierungen. » In den Sammlungen waren schon damals neben Kuhreihen von ursprünglichem Gepräge auch « überarbeitete und nicht immer glücklich zugestutzte Tonweisen,... sehr unbedeutend, mehrere geradezu nichtssagend ». Mit Nachdruck wiederholen wir heutzutage: « Mit solchen, unter der Firma nationaler Weisen, im Kreise urkräftiger Brüder siech und erbärmlich umherschleichenden Melodien ist der Pflege des wahren nationalen Bergliedes nicht gedient. » Die Menschenstimme ist auch Trägerin eines ganz besonders gehaltvollen Berglerbrauchs: des Alpsegens oder Abendrufs. Hauptsache sind da die Worte. Den Segen Gottes und den Schutz verschiedener Heiliger erbittet er für « Liber, Hab und Guet und alles, was hierum ist ». Vorzüglich Sankt Peter möge den Schlüssel zur Hand nehmen: « B'schliess wol dem Bären sein Gang, dem Wolf den Zahn, dem Luchs den Kräuel, dem Rappen den Schnabel, dem Wurm den Schweif, dem Stein den Sprung! » Die Worte werden zum Teil singend gesprochen, zum Teil rhythmisch gesungen, zum Beispiel im singenden Sprechton die Worte « B'hüet's Gott und der lieb heilig » und dann rhythmisch gesungen der Name:

Sankt Mar - ti Ebenso erklingen die andern Namen, später dann wieder eintönig « B'hüet's Gott alles hier » und in jenem Tonfall ( der aller Bergmusik lieb ist ) wieder « in unserm Ring ». Markig gegliedert ist der den Raubtieren und dem Stein geltende Teil:

Dem Stein den Sprung!

Das sind Stücklein aus dem « Alpsegen auf der Alp Lasa, am Gebirgsstock der .Grauen Hörner ', im Bezirk Sargans » wie ihn am 8. August 1864 mein Grossvater gehört und nach Spruch und Weise aufgezeichnet hat. Im 4. Jahrbuch erzählt er, der Gebetsspruch werde jeden Abend gesungen, und selbst Schneegestöber oder Sturm hindere den Sennen nicht an der Ausübung des religiösen Gebrauchs. « Die Art und Weise des Vortrages dieses .Alpsegens ', die Dunkelheit das vieltönige Geläute der Herdenglocken — alles vereint macht dem Hörer einen tiefen und unverwischbaren Eindruck » auch uns durch den einfachen Bericht auch uns sogar noch als Wirklichkeit gerade im Sarganser Land. Auch aus andern Gegenden fehlt es nicht an Zeugen für die Lebenskraft des Alpsegens. Gesang und Bergmusik ist er aber nicht allenthalben. Aus dem Wallis gibt mir Prior J. Siegen ( Kippel ) Bescheid: « Alpsegen ist auf allen Alpen », des genaueren aber: « Abends versammelt die Alpenvögtin die Sennerinnen in der Alpkapelle oder beim Alpkreuz, betet 22 Vater Unser vor. Nachher singen die Töchter ein religiöses Lied. Wo Kapellen sind, wird der Rosenkranz gebetet. Ich weiss nur eine Alp, auf der der Senne den Alpsegen ( Johannisevangelium ) in die Volle ( Trichter ) ruft, auf der Greicheralp bei Riederalp. » In den Gomser Alpen wird nach Mitteilung von Dekan A. Briw ( Fiesch ) « noch manchenorts das Evangelium des hl. Johannes ( 1,1-14 ) gesprochen, aber nicht gesungen », also: « Im Anfang war das Wort... » Nicht überall wird uns demnach Bergmusik zuteil, wenn wir auf Hörensagen einem « Alpsegen » nachsteigen. Kein Grund zum Klagen: nicht für Bergsteiger und Musikliebhaber ist er da.

Wir Nachfahren im 20. Jahrhundert kommen uns armselig vor, wenn wir im 4. Jahrbuch lesen: « Versetze sich der Leser in die vielen durchwanderten Gebirgsgegenden, so zaubert die Erinnerung vor die Seele einen wahrhaften Jakob Böhmschen Himmel von Freuden und Genüssen, die durch Musik bei den Bergvölkern erzeugt worden.»Fortsetzung folgt )

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