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Bergwanderung in Marokko

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Walter Maurer

( Bern ) 6. Juni 1955. In Asni, am Fusse des Hohen Atlas. Wie wir dahin kamen? Zuerst per Autostop von Edinburg nach Marrakech, der grosse Handelsplatz in Südmarokko. Des lebendigen Treibens dieser einzigartigen Stadt bald müde, schlugen wir unsere Zelte in Asni, dem Ausgangspunkt für Touren im Toubkal-Massiv, auf. Eigentlich hatten wir uns dieses Dorf grösser vorgestellt: ein Hotel, eine Jugendherberge, ein Gendarmerieposten und einige kleine, zusammengeschachtelte Kaufläden, die kaum als solche zu erkennen sind: das ist alles. Mit stolzer Neugierde verfolgen braune Berber unsere mühsamen Einkaufsversuche. Sie sitzen herum, trinken goldgelben arabischen Tee, diskutieren, zünden sich gemächlich eine Haschisch-Pfeife an, derweil ihre Frauen schwere Holzburden durch die Strasse schleppen. Nach langem Verhandeln sind wir im Besitz von Eiern, salziger Butter, säuer-lichem Brot und getrockneten Datteln. Ben Achmed Brahim, der uns als Bergführer auf den Djebel Toubkal ( 4165 m ) führen will, scheint sich damit abgefunden zu haben, dass wir diese Bergtour in zwei und nicht in vier Tagen ausführen wollen. Kopfschüttelnd zieht er die Kapuze seiner Djilaba über den Kopf, schwingt sich auf sein Maultier und verschwindet in der finsteren Nacht.

Wider Erwarten erscheint er am andern Morgen pünktlich zur abgemachten Zeit. Rasch werden Proviant und Material dem Maultier aufgebastet. Zuerst folgen wir der neuen Strasse entlang das Tal hinauf. Kleine Dörfchen liegen an die steilen Hänge angeschmiegt. Man achtet sie kaum, ist doch das Baumaterial dem Boden entnommen, auf dem sie stehen. Wie einfach diese schachtelartigen Häuser gebaut sind: Steine, mit lehmiger Erde zusammengefügt, bilden die Seitenwände. Als Dach dienen grobe Äste, darüber kommt ein Geflecht von Schilf und Zweigen und zuletzt eine dicke Schicht gestampfte, lehmige Erde. Nicht zu vergessen ein Loch im Dach, damit der Rauch der Kochstelle entweichen kann. Überall ist die Erde rot; nur ab und zu wird sie von gelben Tönungen oder dunkelgrünem Buschwerk unterbrochen. Wir wechseln auf einen schmalen Pfad. Unter uns der Bach, links und rechts davon kleine Getreidefelder und einige Nussbäume.

Auf 2500 m weitet sich das Tal, wir sind in Armed. Zum Glück ist der Mann, den wir hier suchen, zu Hause. Ein Ruf Brahims genügt, und der Hüttenwart des Refuge Neltner ( 3200 m ) bringt uns den Hüttenschlüssel. Ein Versuch unseres Führers, hier in Armed zu übernachten, scheitert. Steiler wird der Pfad, wilder die Gegend, schweigsamer der Führer. Die letzten Nussbäume bleiben zurück, die Farbe des Bodens wechselt ins Graue. Auf ma- geren Weiden entdecken wir Schafherden. Eine Maultierkarawane, geführt von stolzen Berbern, jeder in weissem Gewand, weissem Turban und umgehängtem, reichverziertem Dolch, kreuzt unsern Weg. Weit ist ihr Weg, um für einen abgelegenen Weiler Nahrung zu holen. Weisse Wolken verhüllen das trotzige Toubkal-Massiv und schliesslich auch uns, als wir abends bei der Hütte des französischen Alpenklubs, dem Refuge Neltner, anlangen. Am gemütlich prasselnden Herdfeuer wird der morgige Tag besprochen. Brahim ist fest davon überzeugt, dass wir müde sind und er deshalb erst um 9 Uhr aufbrechen wolle. Das ist ein neuer Versuch, die Reise auf drei Tage auszudehnen. Stillschweigend sind wir anderer Meinung.

Anderntags, 5 Uhr morgens: Sehr kalt, äusserst klare Sicht, kein Wölklein am Himmel. Unheimlich laut rauscht der Bach an der Hütte vorbei. Schnell schieben wir unsere Uhren um zwei Stunden vor, wecken Brahim und machen ihm klar, dass es höchste Zeit sei, aufzubrechen. Nur so erklärt es sich, dass wir bereits um 6 Uhr reisefertig sind, bereit, die letzten 1000 m zu ersteigen. Der beschwerlichste Teil stellt sich gleich zu Beginn in Form einer sehr steilen, breiten Geröllhalde ein. Ein Stein sitzt lose auf dem andern. Aber gefährliche Rutschstellen rasch durchlaufend arbeiten wir uns empor. Langgedehnte Schneebänder verheissen einen leichteren Aufstieg. Ein eiskalter Wind weht um die Bergkanten, Dohlen verfolgen unseren Pfad. Unser Führer ist etwas zurückgefallen; er scheint mit dem Schweizer Tempo nicht so ganz einverstanden zu sein. Nach dreistündigem Aufstieg durch mehr oder weniger tückische Geröllfelder stehen wir auf dem Gipfel des Königs des Hohen Atlas. Welch prächtige Aussicht! Links und rechts erheben sich majestätisch Drei- und Viertausender, die schneefleckenreiche Aiguille d' Imi ( 4100 m ), Djebel Tibherinr ( 3950 m ) und andere. Südwärts reicht der Blick über die Ausläufer des Atlas und die Hochplateaus bis an den Rand der Sahara. Im Norden liegt die Ebene Haouz, wo inmitten eines grossen Palmengartens Marrakech knapp sichtbar ist.

Allzu rasch heisst es aufbrechen. Nach acht Stunden sind wir zurück in Asni, wo unser eine freudige Überraschung wartet: Brahim lädt uns zu einem vorzüglich schmeckenden Mahl in seine Hütte ein.

Auf Wiedersehen!

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