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Das Problem der Taffoni auf Korsika

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

VON WALTER SIEVERS, ZÜRICH

Mit I Bild ( 57 ) und 3 Skizzen Bergsteiger, die in Korsika Touren unternehmen und dort mit Naturliebe und Interesse in der wildromantischen Landschaft wandern, stossen gelegentlich auf Gebiete von so grosser Seltsamkeit und Eigentümlichkeit, dass es sich wohl lohnt, einmal näher darauf einzugehen.

Es handelt sich um die im Volksmund « Taffoni » genannten grotesken Steingebilde, einer höchst bemerkenswerten Erosionsform des Granites, die von verschiedenen Gebieten der Erde bekannt ist als « Erosion alvéolaire » und über deren Entstehung sich die Geologen aller Länder auch heute noch den Kopf zerbrechen.

Wir begegneten diesen Gebilden zum erstenmal auf einem Vorgebirge östlich der wilden Halbinsel Revellata an der Westküste Korsikas.

Nach einer einstündigen Wanderung auf der schmalen kurvenreichen Landstrasse, von Calvi herkommend, biegen wir in ein kleines Tal ein; ein steiniger Alpweg führt durch üppiges, grünes Maquis bergan, immer im Grunde des Tälchens, wo zwischen mächtigen Granitbuckeln liebliche blumenreiche Wiesen liegen. Die Gegend ist äusserst einsam. Die einzigen Lebewesen, denen wir an diesem Spätsommertag begegnen, ist ein kleines Rudel wilder Schweine, die sich an einer feuchten Stelle im Buschwald suhlen. Sie lassen sich durch Die rätselhafte Erosion in einem losen Granitblock, 1:20 das Erscheinen der seltenen Wanderer in dieser Gegend nicht im geringsten stören. Weiter oben weitet sich das Tal zu einer breiten, mit dichtem Buschwerk überwachsenen Mulde. Dort liegt eine völlig verlassene Alp mit wenigen zerfallenen Steinhütten. Der Weg hört hier auf, man wandert über magere Wiesen oder stapft durch das dornige Buschwerk, wo es eben geht, weiter. Das manchmal fast undurchdringliche Maquis besteht meist aus immergrünen Sträuchern verschiedener Cistusarten, Arbutus, Quercus ilex, Spartium usw. Überall leuchten die erdbeerartigen feurigroten Früchte des Arbutus aus dem dunklen, glänzend grünen Laub. Es ist eine wunderschöne, heitere Landschaft von weltferner Einsamkeit.

Und hier, etwa 600 m über dem Meer, steht man plötzlich vor dem geologischen Wunder der « Taffoni ». Im Talgrund und an den Berghängen liegt ein grosses Trümmerfeld mächtiger Granitklötze, alle schön abgerundet oder vielgestaltig geformt. Gleichsam als Wächter zu der Märchenwelt, die wir jetzt betreten, stehen zwei etwa 6 m hohe Kolosse vor uns, der eine davon ist inwendig vollkommen hohl und weist nur an einer Seite eine längliche Öffnung auf. Der andere sieht aus wie ein riesiges, halbiertes Haus einer Pyramidenschnecke, deren prachtvoll modelliertes Labyrinth sich nach oben zierlich verjüngt. Weiter hinten, am Fusse des Berghanges, liegt ein gewaltiger Granitklotz wie ein Menschenschädel mit allen Einzelheiten. Dort steht ein 10 m hoher Koloss von der naturgetreuen Form eines Steinpilzes. Daneben liegen, nebeneinan- der und aufeinandergetürmt, ovale, kugelrunde oder eiförmige Granit- Zu einem ^ erodierter Granitfelseil( auf einem Grat liegend bollen, fast alle sind hohl, nur einca. 1:200 relativ dünner Mantel täuscht einen massiven Stein vor. Uns ist sofort klar: hier hat man es mit einem Naturwunder zu tun! Zuerst bestaunt man die höchst seltsame Erscheinung, doch dann beginnt sich das wissenschaftliche Interesse zu regen, und man versucht der Sache auf den Grund zu kommen Doch: da stösst man auf einige Schwierigkeiten. Viele Theorien tauchen auf.

Man versucht das Meer dafür verantwortlich zu machen, die alles zerfressende Brandung des Urmeeres vielleicht, das einst die Insel überflutete. Doch dagegen spricht die grosse Höhe des Standortes sowie die Tatsache, dass auch nicht die geringsten Meeresablagerungen hier zu finden sind.

Massiver Granitfelsen mit « Taffoni »-Aushöhlungen, Maßstab 1:200 Dazu kommt, dass die Gebiete mit diesen eigentümlichen Gebilden eng lokalisiert sind. Sie sind über die ganze Westseite der Insel verstreut, finden sich aber nirgends höher als etwa 1000 m über Meer.

Die Theorie von einer Erosion durch Sandstürme, wie sie z.B. an Graniten in der Sahara beobachtet wurde, will uns hier nicht recht einleuchten. Man denkt an eine Art Gletschermühlen, doch fehlen dafür gewisse spezifische Merkmale, sowohl als auch die Vergletscherung dieses Gebietes nur spärlich war oder überhaupt fehlte.

Man könnte die « Taffoni » in zwei Gruppen einteilen. Erstere betrifft die oft sehr tiefen, geräumigen Höhlungen in massiven Felsen, und zwar immer in vertikal geschichteten, wobei die Öffnungen meist elliptisch mit etwas nach abwärts geneigter Bodenfläche erscheinen, oft mehrere Höhlungen über- oder nebeneinander liegend. Die zweite Gruppe besteht aus losen, verstreut umherliegenden Blöcken aller Grössenordnungen; sie haben Öffnungen auf der horizontalen Oberseite oder sind sehr oft von unten her ausgehöhlt oder beides zusammen. Diese hohlen Steine erregen das weitaus grösste Interesse.

Die primäre Ursache dieser Erosionsformen besteht darin, dass die Felsen durch bestimmte chemische Einflüsse an ihrer Oberfläche verhärtet worden sind, so dass die spezifischen Kräfte, welche die Erosion bewirkten, eigentlich nur die weichere Masse des Granites innerhalb des harten Mantels bearbeiten konnten. Welcher Art aber jene Kräfte waren, bleibt vorläufig noch im dunkeln. Darüber bestehen aber verschiedene Theorien, die teils wahrscheinlich, teils vielleicht sogar richtig sind. ( Einzelne Teilchen von Feldspat oder Quarzit lassen sich im Innern der Höhlungen verhältnismässig leicht von der Unterlage abbröckeln, es liegt die Vermutung nahe, dass man es mit einer Art Loslösung zu tun hat. Dabei hat wahrscheinlich das zur Zeit der Entstehung dieser Gebilde herrschende Klima eine wesentliche Rolle gespielt ).

Viele Forscher haben sich mit dieser merkwürdigen Erscheinung befasst, ohne jedoch konkrete Beweise ihrer Entstehung zu bringen. Ich verweise hier nur auf die Arbeit des französischen Geologen Bourcart ( « Revue de Géographie Physique et de Géologie Dynamique: Le problème des « Taffoni » de Corse et l' érosion alvéolaire, 1930 ).

Obwohl die Erscheinung dieser Erosionsformen überall auf der Erde anzutreffen ist, so ist sie für Korsika ganz besonders charakteristisch. Dies liegt wohl an der kristallinen Beschaffenheit des korsischen Granites, oder besser gesagt, von bestimmten Partien des Granites, da die hart an diese Gebiete angrenzenden Gesteine eine völlig normale Verwitterung und Struktur aufweisen. ( Das beschriebene « Taffoni»-Gebiet misst nur knapp einen halben Quadratkilometer. ) Sicher scheint zu sein, dass die Aushöhlung der Gesteine physikalischer und nicht chemischer Natur ist. Die harten Partien sind dabei oft zu den phantastischsten Gebilden ausgewittert, die der Landschaft ein fast unheimliches Gepräge geben. Auf Schritt und Tritt glotzen einen die steinernen Phantome an. Während auf der einen Seite ein gewaltiges Märchenschloss mit gähnenden ovalen Fensteröffnungen das Tal gegen Osten abriegelt, steht auf dem Grat oben ein etwa 10 m hoher zackiger Ring aus Granit, durch den man wie durch einen barocken Bilderrahmen in die heitere Landschaft blickt. Die Natur hat sich da einen ganz besonderen Scherz erlaubt!

Obwohl es beinahe verwegen erscheint, das « Taffoni»-Phänomen ergründen zu wollen, lässt es den Forscher nicht mehr los. Es ist, wie wenn die Natur eines ihrer Jahrhunderttausende alten Geheimnisse nicht preisgeben wollte.

Die Schwierigkeit der Ergründung liegt dabei hauptsächlich im völligen Fehlen von Relikten einer abbauenden ( erodierenden ) Kraft. Die losgelösten Teilchen finden sich jedoch teilweise als Sand unter den ausgehöhlten Steinen wieder.

So rätselhaft und problematisch die Existenz dieser « Taffoni » auch sein mag, so faszinierend und überwältigend ist sie als Bestandteil einer einsamen und wundervollen Berglandschaft auf der an Naturschönheiten so reich gesegneten Insel Korsika.

( Eine Theorie betreffend die Bildung der « Taffoni » hält fest, dass beim betreffenden Granit die Kaolinisierung der innern Gesteinsmasse sich zeigt, während durch Ausscheiden von Eisen-hydraten sich eine äussere Schutzrinde bildet, die als erhärtete Kruste dieser - allerdings chemischen -Verwitterung zu widerstehen vermag. M. Oe. )

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