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Dent Blanche

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Erwin Horat

( Zürich ) Obwohl seither auch schon Jahre verflossen sind, erinnere ich mich so genau an diese Tour mit allen Einzelheiten, wie wenn ich sie vor ein paar Wochen erlebt hätte. Das liegt vor allem daran, dass sie ganz unprogrammgemäss verlief und uns dadurch ein tiefes Bergerlebnis schenkte.

Anstatt im Berg, in zwei sich zugerichteten Stollen, einander zuzustreben, wollten mein Arbeitskollege Karl Jäger und ich einmal zusammen auf einen Berg steigen. Auch sein Bruder Rudi, der mit seinem Motorrad aus dem Montafoner Tal kam und uns in Ilanz traf, freute sich auf eine Besteigung im Wallis.

Nachdem wir uns in Zermatt mit Proviant eingedeckt und tüchtig zu Nacht gegessen hatten, nahmen wir den Weg zur Schönbühlhütte unter die Füsse. War das ein herrliches Wandern in der frischen Abendluft! So gewaltig und drohend wie die Nordwand des Matterhorns zur Linken, so lieblich war der Rückblick auf das im Abendlicht stehende Rimpfisch-und Strahlhorn. Langsam dämmerte es, und vereinzelte Sterne fingen an zu glitzern. Schweigend stiegen wir den bequemen Weg an, und jeder war in seine eigene Gedankenwelt versunken. Das letzte Stück des Weges gingen wir in der Dunkelheit unter einem so dicht mit Sternen übersäten Himmel, wie er eben nur im Gebirge zu sehen ist.

Als wir um halb 10 Uhr in die Schönbühlhütte eintraten, war schon alles still und dunkel. Auch wir schlüpften rasch unter die Decken, nachdem wir den Durst gelöscht hatten.

Weil wir im Sinn hatten, uns am Samstag einzulaufen, standen wir erst um halb 6 Uhr auf. Der Himmel war blau, nur über die Dent d' Hérens und das Matterhorn zogen leichte Föhnstreifen. Um halb 7 Uhr verabschiedeten wir uns von der Frau des Hüttenwarts, die allein zurückblieb, nachdem die übrigen drei Touristen, die genächtigt hatten, nach Zermatt abstiegen. Als Ziel gaben wir möglicherweise doch die Dent Blanche an, denn wenn das Wetter gut blieb, hielten wir bei den herrschenden Verhältnissen, die den ganzen Sommer nie so gut waren wie jetzt anfangs September, die Besteigung über die Normalroute doch noch für möglich.

Bevor wir bei Punkt 3042 den Gletscher betraten, ratschlagten wir nochmals. Der Ostgrat gefiel Karl immer besser, und wir zogen den Führer hervor, um die Zeiten zu vergleichen.

Normalroute: 6-9 Stunden, Ostgrat: 6-7 Stunden. Ungefähr gleiche ZeitAlso auf zum Ostgrat! Dass sich diese Zeit nur auf den Weg bis zum Vereinigungspunkt mit dem eigentlichen Viereselsgrat bezog, der von Mountet aus begangen wird, und es von dort bis zum Gipfel nochmals 4-5 Stunden dauert, das erlebten wir im Laufe des Nachmittages dann gründlich.

Bei der Ersteigung des Wandstückes unter dem Col de Zinal schwirrten ein paarmal Steine durch die Luft, so dass wir uns eng an den Fels schmiegten. Solche Begrüssungen schätzten wir nicht, und wir beeilten uns, um auf den Col zu gelangen.

Nach einer kurzen Rast nahmen wir den Grat in Angriff. Den ersten Aufschwung umgingen wir nach rechts. Loses, brüchiges Gestein empfing uns, so dass wir sorgfältig schauen mussten, wo wir hintraten und wo wir uns hielten. Wir stiegen ständig, und doch hatten wir das Gefühl, kaum an Höhe zu gewinnen. Als wir nach Umgehung des gewaltigen, rötlichen Abbruches in der Schönbühlflanke den Grat wieder erreichten, glaubten wir ein gutes Stück des Weges hinter uns zu haben. Doch beim Höhersteigen konnten unsere Blicke immer wieder über den endlos scheinenden Grat schweifen. Mittag war vorbei und bei vollkommener Windstille brannte die Sonne auf uns durstige Gesellen nieder. Auf der italienischen Seite der Kette Monte Rosa bis Dent d' Hérens stiegen dicke und teils dunkle Wolken auf, doch um uns herum zeigten sich keine Zeichen einer Wetterverschlechterung. Der Grat war hier ab und zu mit Schnee bedeckt, in den sich gut Stufen treten liessen, und die Felsen waren warm und trocken. Das liess uns trotz des noch langen, vor uns liegenden Weges bei guter Laune bleiben. Immer und immer wieder türmten sich neue Zacken auf, die auf der einen oder anderen Seite umgangen werden mussten. Die Zeit verging nur zu rasch, und wir waren mitten im Nachmittag und der Gipfel aber immer noch fern. Je höher wir kamen, um so mehr Schnee lag auf dem Grat und um so seltener wurden felsige Partien. Hoch über den riesigen Abstürzen der Nordflanke traten wir unsere Spur auf der Mountetseite in den feinen Schneegrat. Unsere Schätzungen für die zu benötigende Zeit, um bis zum Gipfel zu gelangen, erwiesen sich immer wieder als falsch, und es war 5 Uhr, als wir die Pullover anzogen, ich die Steigeisen anschnallte, um über das letzte Stück des Grates dem Gipfel zuzuschreiten.

Als wir nach 6 Uhr in der Abendsonne den Gipfel betraten, da waren alle Anstrengungen des Aufstieges schon vergessen, denn was unsere Augen da oben schauen konnten, das übertraf alle Erwartungen und kann vielleicht am besten mit den Worten von Gottfried Keller gesagt werden: « Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluss der Welt! » - Die vereinzelten Wolken hatten sich gelichtet und über die Gipfel gehoben, einzig die Spitzen der Mischabelgruppe waren noch eingehüllt. Die Monte-Rosa-Gruppe stand im klarsten Abendlicht, und gegen Westen erstrahlte Gipfel an Gipfel, bis zum alles überragenden Mont Blanc, im Gegenlicht. Das Val d' Hérens war in einen leichten Dunstschleier gehüllt, der die Konturen der gestaffelten Kreten weich durchscheinen liess.

Nur ungern verliessen wir den Gipfel, um zur Dent-Blanche-Hütte abzusteigen; denn der Rückweg über die Wandfluh zur Schönbühlhütte kam bei der bald einbrechenden Nacht nicht mehr in Frage. Die Felsen des Südgrates strahlten noch etwas Wärme von der Nachmittagssonne aus. Während es bei uns oben noch kaum dämmerte, wurde es in den Tälern bereits rasch dunkel. Während des Abwärtskletterns mussten wir immer wieder nach Westen sehen, wo am Himmel alle Farbtöne von Orange-Rot bis Violett ineinanderflössen. Mit dem letzten Tageslicht kamen wir auf etwa 3900 m auf den Firnhang. Glücklicherweise hatte ich am Morgen, « so für alle Fälle », die Kerzenlampe in den Rucksack gesteckt, ohne diese wären wir nicht um ein Biwak herumgekommen. Nur noch langsam konnten wir mit dem Kerzenlicht absteigen. Doch endlich waren wir über die letzten Felsen hinuntergeklettert und erreichten um halb 11 Uhr die Dent-Blanche-Hütte, die ganz verlassen war. Ausser einem Päcklein Ovomaltine und einem Stücklein Brot hatten wir nichts Essbares mehr auf uns. So brauten wir eine sehr, sehr dünne Ovomaltine, um den knurrenden Magen und die ausgetrocknete Kehle zu beschwichtigen. Dann sanken wir überglücklich in einen tiefen Schlaf. Am Morgen fanden wir in einem Fach noch ein wenig Kakaopulver und einen Rest Haferflocken, woraus wir uns eine Art Kakao-Hafersuppe bereiteten, wieder sehr wässrig, aber was machte das schonDie Sonne stand schon hoch am Himmel, als wir zum Bummel über den Col d' Hérens zur Schönbühlhütte aufbrachen. Dort wurden wir von der Hütten- wirtin herzlich empfangen. Sie ängstigte sich nicht um uns, denn sie rechnete mit unserem Abstieg zur Dent-Blanche-Hütte. Als wir ihr, mit schlechtem Französisch, unsere Begehung des Viereselsgrates erzählten, war sie aber überrascht und fand uns « très courageux ». Wie gut schmeckte dann eine gar nicht mehr wässerige Suppe und viel anderes dazu. Den Nachmittag verbrachten wir mit Faulenzen, kleinen Spaziergängen in Hüttennähe und der Vorbereitung unserer weitern Touren, die wir noch vorhatten. Und wir kamen überein, dass auch drei Esel genügen, um den Vierseisgrat zu begehen!

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