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Der Pik von Kerintji, 3800 m, in Mittelsumatra

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Albert Frey.

Der Pik von Kerintji ist der höchste Berg Sumatras und zugleich der höchste Vulkan des ganzen ostindischen Inselreiches. Es gibt nur zwei Massive, die ihn an Höhe übertreffen: der Kinabalu, 4175 m, in Nordborneo und das Zentralgebirge in Neuguinea, 5100 m.

Der hohe Vulkan von Kerintji lässt sich in seinen Ausmassen ungefähr mit dem Ätna vergleichen. Seine Basis, gemessen von Süden nach Norden ( Kajoe Aro—Loeboe Gedang, Fig. 1 ), beträgt ungefähr 30 km; in westöstlicher Richtung ist der Kegel weniger breit, da er zwischen andere Berge eingeklemmt ist ( Fig. 2 ). Die grössere Höhe des Pik von Kerintji im Vergleich zum Ätna ist darauf zurückzuführen, dass seine Basis mehr als 440 über Meer liegt.

Bei den Seefahrern ist dieser weithin sichtbare Berg bekannt unter dem Namen Pik von Indrapoera, benannt nach einem kleinen Hafenort am indischen Ozean ( Fig. 1 ), während ihn die Landbewohner Goenoeng 1 ) Kerintji nennen nach dem gleichnamigen Hochtale, das er in imposanter Weise abschliesst.

Die Besteigung des Vulkanes von Kerintji bietet keine Schwierigkeiten bergsteigerischer Art; diese liegen vielmehr auf organisatorischem Gebiete. Erst gilt es, eine so abgelegene Gegend wie das Hochland von Kerintji zu erreichen, das 1250 km von Deli, dem Zentrum der europäischen Plantagen in Nordsumatra entfernt liegt. An Ort und Stelle muss man eine Urwaldexpedition ausrüsten, denn der Anstieg führt durch jungfräulichen tropischen Bergwald, in dem man wiederholt biwakieren muss.

Früher waren diese Schwierigkeiten viel grösser als heute, vor allem zur Zeit der Erstbesteigung des Berges durch die Mittelsumatra-Expedition im Jahre 1878 2 ). Damals war das Hochland von Kerintji noch nicht unter holländische Oberhoheit gebracht und völlig unabhängig. Die Ersteigung erfolgte dann auch nicht von Kerintji, das südlich des Berges liegt, sondern von Norden aus, von Loeboe Gedang, einem Orte, der von Fort de Kock erreicht werden kann. Loeboe Gedang liegt 440 m hoch, so dass die Expedition in schwerem Urwaldgelände einen Höhenunterschied von 3360 m zu überwinden hatte, wozu fünf Tage gebraucht wurden; der Gipfel selbst konnte erst am sechsten Tage erreicht werden. Seither ist der hohe Vulkan von Norden aus wiederholt bestiegen worden, vor allem auch von Schweizer Pflanzern, die auf den Kaffeeplantagen am Nordfusse des Berges tätig sind und waren 3 ).

Auch die erste Vermessung des Berges ( 1893—1897 ) erfolgte von Norden aus. Auf dem höchsten Punkte des Kraterrandes wurde ein Triangulations- punkt erster Ordnung errichtet. Dieser lag ursprünglich 3805 m hoch, stürzte aber später zusammen mit der höchsten Spitze des Berges in den Krater ab, wobei der Vulkan 5 Meter seiner Höhe einbüsste. Der Triangulationspunkt wurde darum 1907 auf einen tiefer gelegenen Vorsprung des Kraterkegels, auf den sogenannten Goenoeng Berapi versetzt. Die genaue Vermessung des Südabhanges dieses abgelegenen Vulkanes erfolgte erst im Jahre 1924. Kurz darauf wurden die gewaltigen Urwälder auf dem Südfusse im obersten Kerintjitale für Teeplantagen in Kultur genommen. Diese liegen auf einer Höhe von 1500 bis maximal 2330 m. Der höher gelegene Teil des Berges wurde als Naturreservat 1 ) erklärt. Der Vermessungsdienst hat 1924 nicht nur die gewöhnliche Landkarte im Masstabe 1: 100,000 hergestellt, sondern zugleich vom noch tätigen Gipfel einen Plan von 1: 10,000 aufgenommen2 ), um Veränderungen des Geländebildes bei eventuellen späteren Ausbrüchen feststellen zu können.

Botanisch-zoologisch erforscht wurde der Berg im Jahre 1917 durch eine englische Expedition aus Singapore 1 ), die bald darauf gefolgt wurde von einer zweiten, welche das Herbarium in Buitenzorg aussandte.

Seitdem mit der Urbarmachung des obersten Kerintjitales für Teeplantagen begonnen wurde, ist die Besteigung des Pik von Kerintji viel leichter geworden. Man kann nun mühelos im Auto bis auf 1500 m gelangen und erklimmt den Gipfel leicht in zwei Tagen. Wenn die Rodung des Urwaldes, die jetzt bis 1750 m fortgeschritten ist, noch bis gegen die Grenze der Urwald-reservation bei 2300 m hinauf getrieben werden sollte, wird es selbst möglich sein, den Kraterkegel in einem Tage zu erreichen. So ist ein riesiges Gebirgs- Höhenmasstab zweifach überhöht. G = Goenoeng, spr. gunung ( malaiischBerg S = Soengei, spr. sungei ( malaiischBach, Fluss B = Batang ( malaiischFluss, Strom land, das noch vor wenigen Jahrzehnten fast unzugänglich war, in kürzester Zeit vollständig erschlossen worden.

Trotzdem hat ein Gang nach dem Pik von Kerintji nichts von ihrem Reize eingebüsst. Im Gegenteil, sie hat dabei gewonnen, denn tagelanges Marschieren und Biwakieren im feuchten und aussichtslosen Niederungs-urwald ist ein zweifelhaftes Vergnügen. Statt dessen geniesst man nun die unvergleichliche Autofahrt von Padang der rivieraartigen Küste entlang bis nach Tapan ( Fig. 1 ). Von da führt eine romantische Bergstrasse über das Barisangebirge, das als Kettenzug der Küste des indischen Ozeans folgt, ins Hochtal von Kerintji. Diese Fahrt ist pflanzengeographisch nicht nur darum interessant, weil man stundenlang durch unverfälschten Urwald fährt, in Höhenlagen von beinahe 0 bis 1400 m bei der Passhöhe, sondern vor allem, weil hier der südlichste Standort der berühmten Sumatrakiefer Pinus Mercusii liegt. Das Erstaunen des Botanikers Junghuhn, der diese Kiefer seinerzeit im Innern Sumatras entdeckte, bemächtigt sich heute noch jedes Besuchers dieser Gegenden, der unvermutet auf eine solche Föhre stösst. Seither hat man in den Hochtälern von Nordsumatra ( Gajoe-Länder ) ganze Wälder von dieser interessanten Pinusart gefunden, die als Relikt aus. einer geologischen Zeitperiode betrachtet wird, in der es viel trockener und Sumatra noch mit dem Festlande verbunden war; als Stütze dieser Hypothese gelten die Fundorte von Pinus Mercusii in den Gebirgen von Hinterindien.

Von der Passhöhe auf dem Barisangebirge fällt der Weg ziemlich steil ab nach dem Hauptorte von Kerintji, Soengei Penoeh 1 ), unweit eines idyllischen Sees 783 m gelegen. Von diesem Wegstücke aus geniesst man eine unvergleichliche Aussicht auf das Hochtal von Kerintji, das einem mit seinen Dörfern und Reisfeldern nach der stundenlangen Fahrt durch unwirtlichen Urwald sehr gastlich vorkommt. Auf den ersten Blick machte mir das weite Tal den Eindruck — si parva licet componere magnis — wie das Engadin.

Der Wildbach Sioelak ( spr. Siula ) schiesst mit schäumendem Wasser über Steine und weite Kiesbänke, die er angelegt hat. An seinen Ufern weiden grosse Büffelherden. Auf der etwas höher gelegenen Terrasse, wo keine Überschwemmungen mehr drohen, liegen die Reisfelder. In jedem Dorfe sieht man grosse hölzerne Reisspeicher, die zum Teil wie Walliser Heugaden auf durch Pfähle getragenen runden Steinplatten ruhen.

Die Bevölkerung besteht aus Menangkabau-Malaien, vermengt mit einer alten vormalaiischen Rasse. Am Baustile der Holzhäuser mit schönen Schnitzereien kann man deutlich das Kulturgut der Menangkabauer erkennen, wie es aus dem Padanger Oberland bekannt ist. Besonders heimelig mutet es einen an, dass die Bevölkerung ihre Lasten in grossen « Kräzen » auf dem Rücken trägt, denn bei den meisten Völkern Sumatras ( Küstenmalaien, Bataker usw. ) wird alles auf dem Kopf transportiert. Die auf dem Felde arbeitenden Frauen tragen eine kleidsame Tracht. Über das ganze Tal spannt sich der blaue Himmel, und im Hintergrunde schliesst der imposante Pik von Kerintji die ganze Landschaft ab. Wer möchte sich da nicht heimisch fühlen?

Ungefähr bei 1500 m kommt man in Kajoe Aro 2 ) auf das provisorische Emplacement der neuen Teeplantagen. Von der Plantagegesellschaft hatten wir die Erlaubnis erhalten, in ihrem PasangrahanUnterkunftshaus ) zu wohnen. Am folgenden Tage wurde die Expedition zusammengestellt. Die Plantagegesellschaft stellte uns 10 sogenannte « Buschkulis », die das Arbeiten im Urwalde gewöhnt sind, zur Verfügung.

Am andern Morgen früh machten wir uns auf den Weg. Ungefähr bei 1750 m verschwindet man im Urwald. Seltsam, wie der Mensch in nichts versinkt in diesem ehrwürdigen Dome von Riesenbäumen. Neben typisch tropischen Gattungen findet man auch alte Bekannte wie Quercus und Castanea. Die Eicheln dieser tropischen Eichen sind von einem etwas grösseren « welschen » Format, aber die stachligen Fruchthüllen der Kastanien unterscheiden sich äusserlich kaum von denen, die man bei uns im Tessin und im Wallis findet.

Der tropische Gebirgswald ist nicht so undurchdringbar wie der Niede-rungswald. Wohl schlingen sich Kletterpalmen ( Rotan = spanisch Rohr ) und Lianen von Baum zu Baum, aber ein undurchdringliches Gestrüpp entsteht im geschlossenen Bergwald kaum. Sobald man dagegen auf offene Plätze kommt, wird die Vegetation dicht und unentwirrbar.

Solche Plätze sind die sogenannten « Elefantenweiden », wo die Dickhäuter auf ihren Wanderzügen jährlich einmal zur Äsung kommen. Die gesamte Baum- und Strauchvegetation haben die Elefanten an solchen Stellen vernichtet, und üppig schiessen saftige Gewächse wie wilde Bananen, Araceen und Zingiberaceen ins Kraut. Die Blätter und Stengel dieser Kräuter liefern den Elefanten ihr mächtiges Futter, und wenn sie sich daran gütlich tun, soll man vom Lärme ihres Getrampels und Blättergeraschels auf grosse Abstände hin sein eigenes Wort nicht verstehen. Leider war es uns nicht vergönnt, diese merkwürdigen Tiere anzutreffen, da sie dort zu einer anderen Jahreszeit vorbeiziehen.

Anstatt mit den interessanten Dickhäutern haben wir mit sehr unsympathischen Tieren des Urwaldes intime Bekanntschaft gemacht, nämlich mit den Blutsaugern. Es gibt zwei Arten, die einem das Wandern vergällen: eine braune, die am Boden kriecht und zwischen Schuhnesteln und Wadenbinden ihren blutdürstigen Weg zur menschlichen Haut sucht; gegen diese Art kann man sich einigermassen schützen, indem man Schmierseife auf die Schuhe streicht. Noch viel widriger ist die zweite, grüne Art, die sich unbemerkt vom Geäste des Gesträuches auf einen herunterfallen lässt und Hals über Kopf zu den Ärmeln oder zum Nacken herein kriecht; wenn man dann im Biwak die Kleider wechselt, kann man die vollgesogenen Vampire kugelrund wie kleine Pflaumen von seinem Leibe pflücken, wobei dann das Unangenehme erst recht beginnt, indem die blutenden Wunden auf keine Weise zu stillen sind und noch viele Tage recht unangenehm jucken.

Bei 2300 m schlugen wir das erste Biwak auf dem Kampierplatz Pondok Dingin 1 ) auf. Es war erst 11 Uhr, was wohl eine merkwürdige Zeit scheint, um schon sein Nachtlager zu errichten. Bei einer Urwaldexpedition ist es aber die Regel, dass man um die Mittagszeit, spätestens aber um 14 Uhr, sein Biwak bezieht, denn am Nachmittag gehen gewöhnlich die gewaltigen tropischen Gewitterregen nieder, die sich viel heimeliger unter der Zeltdecke als im offenen Urwalde anhören: es ist von Vorteil, wenn all die wichtigen Beschäftigungen, wie Aufrichten der Zelte, Holzsuchen und Kochen am offenen Feuer erledigt sind, bevor das Ungewitter losbricht. Das Wetter hätte uns zwar erlaubt, noch weiter zu steigen; aber auf einem rezenten Vulkan, der ganz aus losem Gesteinsmaterial aufgetürmt ist, in dem das Wasser leicht versickert, ist man an die wenigen Stellen gebunden, wo genügend Wasser zu finden ist. Solche Stellen gab es auf unserem Aufstiege nur zwei. Bedenkt man, dass der geizige Tropentag erst um 6 Uhr anbricht und dass man am Nachmittag sein Tagwerk bereits vollbracht haben muss, begreift man, dass die Tagesleistungen bei einer solchen Tropentur nicht zu vergleichen sind mit denjenigen in den Alpen.

Wenn man das Glück hat, dass es am Nachmittag nicht regnet, entwickelt sich ein gemütliches Lagerleben, von dem wir reichlich Gebrauch machten, um in der Nähe zu botanisieren. Der schönste Fund in der Umgebung von Pondok Dingin war wohl die anmutige Anemone sumatrana, die ausser in den Bergen von Mittel- und Südsumatra nur noch in Nordsiam vorkommt.

Am anderen Morgen zogen wir weiter über die Schlucht des steinigen Soengei Kering 1 ) und dann auf einen Grat, der steil und unentwegt zur Höhe führt. Das Bild des Urwaldes ist kaum anders als am Tage vorher. Am Boden blühen grosse weisse Begonien, gelbe Springkräuter, schwarze Aronskelche und die kegelförmigen Blütenstände der Schmarotzerpflanze Balonophora, die auf Eichenwurzeln parasitiert.

Ungefähr bei 2700 m kommt man in eine offene Formation, die aber nicht klimatisch, sondern wahrscheinlich edaphisch bedingt ist. Man könnte diese Pflanzengesellschaft am besten mit der Hochstaudenflur in den Alpen vergleichen. Da blüht vor allem die seltene Primula imperialis mit zwei Stockwerken prächtiger dunkelgelber Schlüsselblumen auf hohem Stiel. Ausser Primula kommen hier noch eine ganze Reihe Gattungen vor, die auch in den Alpen vertreten sind. Es würde zu weit führen, all diese Pflanzen hier einzeln zu beschreiben.

Ein Blick zeigt dem Fachmann, wie weitgehend die Hochgebirgsflora der indo-malaiischen Inselwelt der europäischen Alpenflora gleicht. Diese Verwandtschaft steht im Zusammenhang mit der tertiären Gebirgsbildung, die nicht nur Alpen, Kaukasus und den Himalaya, sondern auch die Kettengebirge des ostindischen Archipels aufstaute.Von den tertiären Gebirgen Sumatras, die früher höher waren, ist dann diese tropische Alpenflora auf den rezenten Vulkan von Kerintji übergesiedelt. Es ist wohl eines der packendsten Erlebnisse, wenn man aus der tropischen Niederungsflora mit ihren Palmen, Pandanen, Musaceen, Araceen und Zingiberaceen, aus dem Urwald mit Lianen, Kletterpflanzen und Epiphyten langsam emporsteigend plötzlich in diese heimelige Gebirgsflora kommt!

Die oben erwähnte Hochstaudenflur enthält natürlich neben diesem alpinen Florenelement 2 ) auch noch eine grosse Anzahl echter Tropenpflanzen, wie Araliaceen, Baum- und Kletterfarne, die alles zu einem undurchdringbaren Gestrüpp verweben. Aus dieser interessanten Pflanzengemeinschaft kommt man dann wieder in den Urwald, der nun aus Bäumen von geringeren Ausmassen und aus Sträuchern besteht. Vor allem entzücken uns die Rhododen-dronbäumchen und die grossen gelben Blumen eines baumartigen himalaya-nischen Johanniskrautes. Dazwischen fallen reichlich blühende Myrsinaceen auf. Überall hängt von den Ästen eine zierliche rotviolette Baumorchidee aus der Gattung Dendrobium, die mit ihrem orangegelben Schlund entfernt an unser Alpenleinkraut erinnert. Alles ist behangen mit der bekannten Bartflechte Usnea. Überall tropft 's und trieft 's von Feuchtigkeit.

Ungefähr bei 3000 m erreicht man die Waldgrenze. Auch auf anderen Hochgebirgen des indo-malaiischen Archipels ( Nordborneo, Neuguinea ) hat man diese Vegetationsgrenze auf ungefähr gleicher Höhe gefunden. Die Waldgrenze auf der Südseite des Pik von Kerintji scheint daher klimatisch bedingt zu sein. Sie liegt ungefähr so hoch wie in den Alpen die Schneegrenze I Der Übergang des Gebirgswaldes in die höher gelegene Strauchzone ist gleitend, ohne besondere Kampfzone. Auf ungefähr 3200 m bezogen wir das zweite Biwak auf dem Kampierplatz Pondok Boenga 1 ); dieser liegt, wie der Name sagt, mitten in einem Park von Blumen. Es sind vor allem die Ericaceen, die die Vertreter des Strauchgürtels stellen: besonders häufig ist Rhododendron retusum, eine kleinblütige, unseren Alpenrosen sehr ähnliche Art, ferner struppige Heidelbeerbäumchen und verschiedene Gaultheriaarten, von denen eine besonders würzig riecht, während eine andere kleinere entfernt an unsere Rauschbeere erinnert. Zwischen diesen Ericaceen schimmert blendend weiss ein Kompositensträuchlein aus der Verwandtschaft des Edelweiss und ein prächtiges hohes Kreuzkraut. Von diesen blühenden Sträuchern pflücken die Kulis ganze Arme voll Zweige, um die Lagerstätte gegen die Feuchtigkeit des Bodens zu schützen, so dass wir im wahren Sinne des Wortes auf Edelweiss und Alpenrosen schlafen.

Bei 3500 m erreichten wir eine neue Vegetationsgrenze, die nun aber nicht mehr klimatisch, sondern edaphisch bedingt ist. Man kommt da nämlich zu den Gesteinsmassen der letzten Ausbrüche des Vulkans. Diese Eruptionen förderten keine Lava, sondern nur loses Schuttmaterial, das vermengt mit viel Wasser wie ein Murgang als breiartige Masse talwärts floss. Derartige Schuttströme, die bei Ausbrüchen tropischer Vulkane häufig sind, werden als Lahar bezeichnet. Ein zum Stillstande gekommener Lahar-strom kann am besten mit einer Geröllhalde verglichen werden. Wir finden darauf dann auch eine entsprechende Schuttflora: Agrostis infirma und Carex hypsophila, die sehr an unsere einheimischen Schuttgräser erinnern. Eine wichtige Rolle spielt auch ein steifes Horstgras, das ein typischer Vertreter der tropischen Kraterflora ist. Diese Gräser wachsen, blühen und fruchten dem kommen in dieser tropischen Bergflora eine ganze Reihe ausschliesslicher Vertreter des asiatischen Hochgebirges vor ( Gaultheria, Pratia, Myriactis usw. ). 1 ) Boenga, spr. bunga ( malaiischBlume.

hier auf einer Höhe von 3400 bis 3600 m. Den Höhenrekord leistet aber ein Farn, der, allerdings in sterilem Zustande, zwischen den Laharblöcken bis zum Gipfel hinauf vorkommt. Dieser Farn, der bei 3800 m noch grünt, ist die höchststeigende Gefässpflanze von ganz Sumatra.

Bei 3655 m kommt man zum Vermessungspunkte auf dem Goenoeng Berapi. Dieser Vorberg liegt auf einem alten Kraterrande, der sich in nordwestlicher Richtung fortsetzt zum Goenoeng Elok. Der Krater selbst hat sich im Laufe der Jahre etwas nach Nordosten verschoben und dabei den Kraterrand 150 Meter höher aufgebaut. Während man diese letzte steile Blockhalde emporklettert, geniesst man die wunderbarste Aussicht. Obschon wir keinen jener in den Tropen so seltenen ganz klaren Tage trafen, wo man nach Osten die Strasse von Malakka und nach Westen die Sumatra vorgelagerte Inselreihe ( Mentawei-Inseln ) im Indischen Ozean sehen muss, war doch der Anblick des umgebenden Landes von dieser hohen Warte aus überwältigend. Tief unten liegt das Tal von Kerintji; nach Westen, so weit man sieht, die Kuppen und Ketten des Barisangebirges, Buckel an Buckel, bis sie sich im Dunste verlieren; und dann, wenn man sie schon entschwunden wähnt, tauchen im Süden noch ein paar blaue Höhen aus einem fernen Nebelmeere auf. Wie ein Auge blinzelt der kleine Kratersee des Goenoeng Laboe aus dem Urwald herauf. Das ergreifendste Bild aber bietet ganz in der Nähe der Goenoeng Toedjoeh ( sprich: Gunung Tudju ). In seinem erloschenen Schosse birgt dieser erstorbene Vulkan einen riesigen Kratersee, der still leuchtend im Glanze der eben hinter der dunkeln Berges-silhouette aufgehenden Sonne schimmert. Wie ein Märchen liegt dieser Bergsee zwischen hohen Wänden. Unten im Tale ahnt man kaum etwas von seiner verborgenen Schönheit, und nun sieht man plötzlich von hoch oben auf dieses Bergkleinod, das unversehens seine ganze Pracht enthüllt. Das leuchtende Becken ist so voll, dass es überfliesst, und ein feiner Silberstrahl stürzt als schäumende Kaskade zu Tale. Es ist, als trage der Morgenwind das Brausen des hohen Wasserfalles als leises Geräusch über das weite Tal des Danau Bento zu unserem Ohr.

Jäh wird man aus dieser idyllischen Träumerei aufgeschreckt — denn wir sind an den Kraterrand des Pik von Kerintji gekommen. Ein wilder, gewaltiger Abgrund öffnet sich; es ist, als sähe man in den Schoss der Erde! Tief unten im Kraterschlund, 400 m unter dem hohen Kraterrande, auf dem wir stehen, liegt dämonisch brodelnd ein smaragdgrüner See. Im Gegensatz zum stillen Bergsee vom Goenoeng Toedjoeh, den wir soeben bewunderten, ist hier eitel Leben, Brausen und Gedröhn. Acht Fumarolen 1 ) schäumen auf dem gelbgrünen Seespiegel, der vom Schatten vorbeiziehender Wolken wie ein Salamander phantastisch dunkel gefleckt erscheint. Man kann sich nicht satt sehen am zauberischen Farbenspiele dieses einzigartigen Kratersees. Das Gezisch der perlenden Gasquellen schwellt an und ab; es wird einem fast schwindlig, wenn man auf das ständige Entstehen und Vergehen der magischen Schaumringe hinab starrt. Ein scharfer Schwefel geruch benimmt einem den Atem. Beinahe senkrecht fallen die Kraterwände zum Seespiegel ab. Wer möchte es wagen, hier hinunter zu klettern? Ein Steinblock fällt mit lautem Gekrach wohl eine Viertelminute lang, bis ein lauter Knall verkündet, dass der Felsbrocken ins Wasser gestürzt sei; hundertfach wird jeder Ton durch den Riesentrichter verstärkt. Unsre Kulis fliehen eilig ob so ruchlosem Herausfordern der Geister, die da unten in diesem Hexenkessel hausen.

Die Luft ist trocken und herrlich kühl, während sich in der Ebene mit dem wachsenden Tage der tropischen Schwüle lähmender Dampf auf die ganze Gegend legt. Was für ein befreiendes Gefühl, diesem Hitzepfuhl für einmal entronnen zu sein! Bis zum Abend möchte man hier, dem hastigen Pulse des der Höhe entwöhnten Herzens lauschend, in der Sonne liegen und sinnen über die Macht der Kräfte, die mit leichtem Spiele solche Berge aus Lava und losen Steinen aufgeschüttet haben. Doch das drohend aufsteigende tropische Mittagsunwetter jagt uns bald in unser Blumenbiwak zurück.

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