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Die Besteigung des Mount Everest

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Mit 3 Bildern ( 143-145Von Michael Westmacott und John Hunt Dank dem Entgegenkommen des Alpine Club in London und des Redaktors des Alpine Journal, Herrn Goodfellow, denen wir auch hier herzlichst danken, können wir nachfolgend in sinngemässer Übersetzung ( aus dem Englischen ) einen authentischen Bericht über die Besteigung des Mount-Everest-Gipfels unsern Lesern bekanntgeben. Der Bericht wurde von Oberstbrigadier Sir John Hunt, dem Leiter der Britischen Mount-Everest-Expedition 1953, und seinem Kameraden Michael Westmacott verfasst. Einleitend wird der Vorarbeit der Schweizer, welche die Südflanke des Everest eigentlich ausgekundschaftet und geöffnet haben, volle Würdigung gezollt.jy/ Qe% Anmarsch und Trainingslager Die beiden schweizerischen Expeditionen von 1952 bilden eine wichtige Etappe in der Besteigungsgeschichte des Everest. Niemand, der deren Berichte, die in « Berge der Welt » ( Bd. 8, 1953 ) veröffentlicht sind, durchliest, wird den Teilnehmern seine Bewunderung versagen für die alpinistische Leistung, den Mut und die Beharrlichkeit, mit denen sie ihre ganze Kraft einsetzten, um eine bisher unbekannte Aufstiegsroute zu erkunden, fast unüberwindliche Widerstände bezwingend, oft genug bei schlechtesten klimatischen Bedingungen. Die Tatsache, dass sie bei ihrem ersten Anhieb bis rund 300 m unter den Gipfel gelangten, zeigt eine erstaunliche Leistung, die sowohl bei den Laien als auch ganz besonders bei den Alpinisten der ganzen Welt volle Würdigung fand.

Wir Mitglieder der britischen Expedition 1953 haben unsern Erfolg im Jahre 1953 zu einem guten Teil unsern Vorkämpfern zu verdanken. Wir sind ganz besonders den Schweizern dankbar dafür, dass sie im wahren und guten Kameradschaftsgeist, der unter Bergsteigern besteht, alle ihre Beobachtungen und Erfahrungen uns bekanntgegeben haben. Dies hat zu unserem Erfolg sehr viel beigetragen. Wir haben auf den Schultern der Schweizer den Gipfel des Berges aller Berge zu erreichen vermocht.

( Alle die vielen Beiträge, die in dieser Zeitschrift und fast in allen schweizerischen Zeitungen erschienen sind, haben die Leser über die Gebiete des Anmarschweges bereits genügend orientiert. Wir geben deshalb darüber nur eine kurze Zusammenfassung wieder, um dann vom Khumbugletscher aus die Expedition gleichfalls Schritt für Schritt mitzumachen. ) Die britische Expedition bestand aus folgenden Teilnehmern: Oberst H. C. J. Hunt, als Expeditionsleiter, C. G. Wylie, W. Noyce, T. D. Bourdillon, A. Gregory, G. C. Band, R. C. Evans, E. P. Hillary, M. Westmacott, Dr. M. Ward, Dr. L. G. Pugh und dem Photographen T. Stobart.

Die 13 Sahibs verliessen Bhadgaou, unweit von Khatmandu, mit 20 Sherpas und 350 Kulis am 10. März, in zwei Gruppen, und erreichten Namchi Bazar nach 15 Tagesmärschen, die vor allem auch dazu verwendet wurden, einen festen Korpsgeist unter den Teilnehmern zu schaffen. Am 28. März wurde im Bereich des Klosters von Thyangboche das Anmarsch-lager errichtet. Die folgenden Wochen wurden für die Ausbildung und Akklimatisation verwendet. In drei Gruppen aufgeteilt führten wir, Sahibs und Sherpas, in den umliegenden Tälern, auf den Gletschern und Gipfeln, die sich bis 6000 m erheben, zahlreiche Fahrten durch, unser Material ausprobierend und prüfend, die Mannschaften kontrollierend, die Verpflegungsrationen abwägend, und ganz besonders die Sauerstoffgeräte, von denen wir zwei Typen besassen: einen mit offenem und einen mit geschlossenem Kreislauf. Oberst Hunt beharrte ganz besonders auf dieser Ausbildungszeit. Ende April waren alle Gruppen wieder im Lager zurück, auf eine Höhe von 6000 m wohl akklimatisiert, und alle hatten Vertrauen gefunden, gegen sich selbst und gegenüber den Kameraden, einschliesslich den Sherpas.

Khumbu-Eisbruch und Lhotse-Flanke Am 13. April begann der Einstieg in den grossen Gletscherbruch mit den Seraks, am Khumbu-Gletscher, der kaum leichter bezwungen werden konnte als im Vorjahr; im Gegenteil! Mehrere Durchstiege wurden gesucht; das Offenhalten eines Weges durch die Seraks erforderte täglich grosse Arbeit. Am 22. April konnte Lager III am Eingang zum West Cwm ( Firnkar ) aufgeschlagen werden, auf 6150 m Höhe, unweit des Platzes, wo die Schweizer ihr Lager aufgeschlagen hatten. Es galt nun, rund 1500 kg Material durch das gefahrenreiche Gletscherbruchgebiet der Seraks heraufzubringen. Schon am andern Tag erkundeten Hunt, Evans und Hillary den hintern Teil des Firnkars und bestimmten die Stelle für Lager IV, genau da, wo die Schweizer das ihrige aufgeschlagen hatten. Dieses wurde das vorgeschobene Basislager der Expedition.

Nun überlassen wir das Wort dem Expeditionsleiter.

Der Zeitpunkt war gekommen, wo es galt, das zweite grosse technische Problem zu lösen: die Flanke des Lhotse. Am 2. Mai stiegen Hunt, Evans und Bourdillon mit Sauerstoffgeräten mit « geschlossenem Kreislauf » und Ward und Wylie mit solchen mit « offenem Kreislauf » vom Lager IV aus für eine vorläufige Erkundung in die Flanke, kamen aber im tiefen Schnee nur langsam vorwärts, aber doch über den Lagerplatz V der Schweizer hinaus und über den steilen Gletscher des Lhotse bis ca. 6900 m, um dann wieder zum Lager IV abzusteigen und anderntags nach neuem Aufstieg Lager V zu installieren, am Standort des Herbst-lagers der Schweizer. Während Hunt mit zwei erkrankten Sherpas zum Basislager zurückging, führten Evans und Bourdillon, unterstützt von Ward und Wylie, die Erkundung weiter.

Am 4. Mai wurde ein Zelt auf einsamer Höhe von ca. 7000 m aufgestellt, wo die Schweizer im Herbst ihr Lager errichtet hatten. Dieses Biwak, das auf einem schmalen, vereisten Grat stand, wurde Lager VI getauft. Bis hierher war die Kletterei äusserst mühsam und der Weg schwer zu finden, trotz einigen zufälligen Spuren der Route, welche die Schweizer begangen hatten. Einige Laufseile, die die Schweizer gelegt hatten, waren noch vorhanden. Am 5. Mai, trotz einem scheusslichen Wetter und tiefem, losem Schnee, pfa-deten Evans und Bourdillon durch diese schreckliche Flanke weiter und erreichten die Höhe von 7320 m, ehe sie zum Basislager zurückstiegen.

Diese Rekognoszierung der Flanke des Lhotse erlaubte dem Expeditionschef, seinen weitern Angriffsplan aufzustellen. Ein theoretischer Plan war natürlich schon in London ausgearbeitet worden als Grundlage für die Vorbereitung der Expedition. Es wurden dabei zwei Varianten ins Auge gefasst, die beide auf einem doppelten Anstieg auf bauten, mit der Möglichkeit eines dritten Versuches im Falle des Misslingens der ersten beiden. Plan A sah zwei sukzessive Aufstiege vor mit Benützung von Sauerstoffgeräten mit offenem Kreislauf. Nach Plan B sollte ein Besteigungsversuch mit Gerät mit geschlossenem Kreislauf unternommen werden, gefolgt von einer Gruppe mit Geräten mit offenem Kreislauf. Das allgemeine Programm war für A und B gleich, immerhin mit dem wesentlichen Unterschied, dass beim Plan B die Gruppe mit Geräten mit geschlossenem Kreislauf vom Südsattel aus direkt aufstieg, ohne Zwischenlager auf dem Südwestgrat, was eine Zeitersparnis bedeutete und das Herauf-schleppen von entsprechendem Material durch die Flanke des Lhotse überflüssig machte. Nach den Versuchen während der Rekognoszierung wurde beschlossen, Plan B zu wählen.

Alle Anstrengungen konzentrierten sich nun auf die entscheidende Phase der Expedition: die Überwindung der Lhotse-Flanke und die Errichtung des Lagers auf dem Südsattel. Die Rekognoszierungen hatten bestätigt, was uns unsere Schweizer Freunde gesagt hatten: dass das Anlegen eines sichern Weges für die Träger eine enorme Arbeit verlange und dieser Hang auch nachher noch ausserordentliche Schwierigkeiten biete, sowohl tech- nischer Art als auch infolge der Luftverdünnung. Dieser Eishang ist sehr schroff und sehr hoch, etwa 900 m vom Lager V aus bis zum Gletscher und 300 m von hier bis zum Sattel, d.h. im ganzen 1200 m Höhendifferenz vom Bergschrund bis zum Südsattel. Die Einwirkung der Höhe und der Neuschnee, der täglich fiel, machten jeden Schritt mühsam, selbst auf der gebahnten Route. Die Flanke des Lhotse stellte für uns ein Problem dar, das die Kräfte der Mannschaft vorzeitig zu erschöpfen drohte.

Die Erkundung der Lhotse-Flanke wurde während einer Transportpause durchgeführt, als die meisten Sherpas und etwa die Hälfte der Bergsteiger bis zur Lobuje-Alp zu einem wohlverdienten Ausruhen abgestiegen waren. Nach ihrer Rückkehr, am 6. Mai.konn te die zweite Etappe des wohlvorbereiteten Programms zur Ausführung gelangen. Um Abwechslung zu schaffen, wurden dieBergsteigergruppen neu zusammengestellt. Die grosseAufgabe der ersten Etappe war die Überwindung des Eisbruches; hier galt nun die grosse Anstrengung dem Erreichen des Südsattels, wobei eine Gruppe die Flanke des Lhotse nach den Ergebnissen der Auskundschaftung für den Aufstieg vorbereitete: es waren Lowe, Westmacott, Band und vier der besten Sherpas: Ang Nyma, Da Tensing, Ang Namgyal und Gyalgen. Unglücklicherweise erkrankte Band vor dem Abmarsch, und Gyalgen und Westmacott waren auch nicht in bester Verfassung.

Nach den Erfahrungen, die die Schweizer bei ihrem Direktaufstieg vom Bergschrund zum Couloir beim Eperon des Genevois gemacht hatten, wählten wir die indirekte Route über den Lhotse-Gletscher. Die Bezeichnung Gletscher gibt eigentlich eine falsche Vorstellung, handelt es sich doch mehr um einen Eishang, dessen Aspekt vollständig verschieden ist von dem des Eisbruches. Photos aus den Jahren 1951 und 1952 zeigen ihn genau so, wie wir ihn trafen: eine Folge von Eiswänden und geneigten Eisbaikonen, die sich ins Endlose über-einanderzutürmen scheinen. Das Ganze machte einen stabilen, sichern Eindruck. Die technischen Schwierigkeiten zur Überwindung dieses Eishanges stellten sich aber als nicht geringer heraus als beim Eisbruch; die Steilheit ist bedeutend grösser. Eiswände wechseln mit Steilhängen, scheinbar ohne Ende. 300 m fixe Seile wurden in dieser Flanke angebracht, eine ungeheure Arbeit für die Equipe, welche diese Spur anlegte.

Am 10. Mai traf Lowe mit Ang Nyma und drei andern Sherpas im Lager V ein. Sie stiegen am nächsten Tag, ohne Sauerstoff, im mühsamen Anstieg bis zum Lager VI auf. Lowe und Ang Nyma blieben dort, während die Sherpas nach Lager IV zurückkehrten, um die weitern Hin- und Hertransporte zwischen den beiden Lagern zu besorgen. Auch Westmacott folgte am 11. Mai ins Lager V, musste aber nach zwei Tagen Arbeit zwischen Lager V und VI erneut erkrankt zum Basislager zurückkehren. Lowe blieb nicht weniger als zehn Tage auf Lager VI oder VII, um an der Route über oder unter demselben zu arbeiten. Noyce vereinigte sich mit Lowe am 15. Mai, und sie errichteten zusammen am 17. Mai das Lager VII auf ca. 7320 m Höhe, auf ca. zwei Drittel der Höhe des Eishanges. Anderntags wurde Noyce durch Ward abgelöst, der bis zum 20. Mai mit Lowe blieb und dann abstieg.

Es gibt kein Lob, das gross genug wäre für diese Equipe, die während zehn Tagen in der Lhotse-Flanke zwischen 6700 und 7600 m Höhe arbeitete, um den Weg anzulegen und zu verbessern. Im ersten Teil durch fürchterliches Wetter behindert, so dass die Stufen immer wieder neu ausgehauen und die Tritte neu gestampft werden mussten, wobei man bis zu den Hüften im schweren Schnee einsank, leisteten diese Männer bewunderungswerte Arbeit, zumal ihre Zahl durch Krankheit immer kleiner wurde.

Es war zuerst beabsichtigt, den Weg mindestens bis zur Traverse vorzubereiten, d.h. von der Höhe des Eishanges bis zum Eperon-Couloir; aber noch bevor man so weit war, drängte die Zeit zum Beginn der eigentlichen Besteigung, wollte man nicht riskieren, dass die schwere Arbeit von Lowe und Ward vergeblich sein sollte.

Die Transporte zum Südsattel Während dieser Zeit hatte die Expedition ihre zurückliegenden Lager nachgenommen. Das vorgeschobene Basislager IV war am 18. Mai aufgegeben und nur eine dünne Verbindungslinie beibehalten worden. Der Proviant war bereit, und die Teams warteten auf die Aufstiegsmöglichkeit, da sich das Wetter endlich besserte ( am 14. Mai hellte es plötzlich auf ); aber der Weg zum Südsattel war noch nicht offen. Wir begannen uns zu fragen, wieviel Zeit bis zum Einbruch des Monsuns noch verbleibe? Kurz, es durfte nicht mehr gezögert werden. Nach dem Wetterbericht war der Monsun noch im Gebiet von Anda-mans; aber wir wussten, dass er sich plötzlich ausdehnen konnte, wie dies 1936 der Fall war. Da das Wetter gut war, hatte das Warten im Lager IV auf uns einen seelischen Druck ausgeübt. Denn die Hunderte von Kilo Material und Lebensmittel mussten zuvor auf den Südsattel gebracht werden, ehe die Bergsteigergruppen zum Gipfel aufbrechen durften. Dies war der letzte und schwerste Teil der Vorbereitungen.

Noyce verliess Lager V am 20. Mai, mit acht Sherpas, zwei davon als Reserveleute. Er hatte die Aufgabe, seine Gruppe bis zum Sattel zu bringen, doch blieb es seinem Ermessen überlassen, zuerst eine Route zu bahnen oder direkt das Material hinaufzubefördern. Wylie folgte mit der zweiten Südsattelgruppe von neun Sherpas einen Tag später, ebenfalls mit zwei Ersatzträgern, für den Fall, dass ein Mann erkrankte oder sonstwie ausfiel.

Am 21. Mai fand Noyce, dass seine Sherpas zu ermüdet würden, um den langen, ungebahnten Weg ohne Sauerstoff zu bewältigen, weshalb er sich für die erstere Lösung entschloss: er und Sherpa Annullu verliessen um 10 Uhr Lager VII, beide mit offenen Kreis-laufgeräten, und bahnten den Weg über den obersten Drittel des Gletschers, langsam aber stetig, bis zum Beginn der Traverse. Bis hier war der Aufstieg für die Lhotse-Flanke typisch: Pulverschneehänge wechseln mit jähen Felswänden. Die Frage der Schneeverhältnisse auf der Traverse hatte uns lange beschäftigt. Die Schweizer hatten zur Sicherung der ersten 30 m ein Handseil befestigt. Mit einigem Missbehagen, das aber einem wachsenden Gefühl des Vertrauens Platz machte, beobachtete man aus dem vorgeschobenen Lager, wie Noyce und Annullu ständig und fast schnell beim Eperon des Genevois zum Couloir vordrangen. Die Schneeverhältnisse waren offensichtlich ausgezeichnet, was ein Sicherungsseil entbehrlich machte. Noyce und Annullu hatten die Höhe des Gletschers um 12.30 Uhr erreicht, und kurz nach 14.30 Uhr stiessen sie auf die Überreste des letztjährigen Schweizerlagers auf dem Südsattel.

So gross unsere Erleichterung angesichts des Erreichens des Sattels auch war, blieb doch noch die schwere Aufgabe, Material und Lebensmittel in die beiden letzten Lager hinaufzuschaffen. Hunt entschloss sich, Hillary und Tensing ins Lager VII zu beordern, für den Fall, dass nicht genügend Sherpas für den Aufstieg zum Sattel am folgenden Tag bereit wären. Es geschah dies schweren Herzens; denn die beiden waren für die zweite Be-steigungsgruppe ausgewählt, so dass zu befürchten war, ihre Kräfte würden durch diese vorangehende Beanspruchung vorzeitig erschöpft. Aber noch weniger war es möglich, Leute der ersten Equipe für diese Aufgabe zu bestimmen. Im Augenblick war das Wichtigste, dass die Transporte zum Südsattel rasch durchgeführt werden konnten. Auf jeden Fall hatte der geglückte Aufstieg von Noyce und Annullu und ihre heile Rückkehr auf die Moral der Leute im Lager VII Wunder gewirkt. Hillary und Tensing trugen in der Tat zum Erfolg dieser letzten Transporte am 22. Mai beträchtlich bei, indem sie für die Kolonne spurten und die Träger bei der Erfüllung ihrer mühsamen Arbeit ermutigten. Für uns untenstehende Beobachter war es eine ungemeine Erleichterung, als wir nicht weniger als 17 Mann das Lager VII verlassen, zum Gletscher aufsteigen und zum Sattel hinüber traversieren sahen.

Ein Sherpa gelangte nicht bis zum Sattel, erstaunlicherweise nur einer, aber seine Last wurde von Wylie weitergetragen. 250 kg Material wurden an diesem entscheidenden Tag zum Sattel gebracht.

Der erste Vorstoss Der erste Aufstieg konnte nun in Angriff genommen werden. Mit Geräten mit geschlossenem Kreislauf ausgestattet ( sie waren wohl schwerer und unbequemer, aber beträchtlich wirkungsvoller ), hatten Evans und Bourdillon die Aufgabe, den ersten Vorstoss vom Südsattel aus zu unternehmen. Sie sollten wenn möglich den Südgipfel erreichen und, so sie noch genügend Sauerstoffvorrat besassen, sich wohlauf fühlten und die Zeit reichte, versuchen, den Hauptgipfel zu besteigen. Bis zum Südsattel wurden sie von Hunt begleitet, mit Da Namgyal und Ang Tensing, alias « Balu », welche Material für das Lager IX auf dem Südostgrat mittrugen. Die Karawane kam am Abend des 24. Mai sehr müde auf dem Südsattel an. Der Aufstieg war ausserordentlich hart gewesen; denn durch den zwei Tage dauernden scharfen Wind waren die Spuren der Trägerkolonne ausgewischt worden, und auf den steilen Hängen der Traverse hatten sich Schneewächten angehäuft. Auf dem Sattel selbst herrschte Sturmwind, der das Aufrechtstehen fast verunmöglichte. Unter diesen Umständen war das Aufstellen von zwei Zelten für die Männer, da sie die Sauerstoffmasken ablegen mussten, eine unvorstellbare Anstrengung. Sie brauchten mehr als eine Stunde für das Aufrichten eines Pyramidenzeltes. Der Sturm zerrte ihnen fortwährend das Segeltuch aus den Händen und liess sie über die Spanntaue straucheln, so dass sie sich gegenseitig bei der Arbeit hinderten. Am folgenden Morgen, 25. Mai, war wieder schönes Wetter, und der Sturm hatte sich wunderbarerweise in eine frische Brise gewandelt. Aber die Partie entschloss sich, auf dem Sattel zu verbleiben. Erschöpft von den Anstrengungen des Vortages, vermochten sie nicht, am frühen Morgen einen Aufbruch zu wagen. Um aber die Südspitze und wenn möglich den Hauptgipfel erreichen zu können, war ein früher Start die Voraussetzung. Zudem war einer der Sherpas, Balu, vollständig zusammengebrochen, was wohl auf den entmutigenden Einfluss der furchtbaren Umgebung zurückzuführen war. Man hoffte, dass ihn Ruhe wieder herstelle; denn nur ein voll leistungsfähiges Team war imstande, das Material für das höchste Lager an den beabsichtigten Platz auf 8300 m Höhe zu schleppen. Der Tag wurde deshalb zum Ausruhen und für die Vorbereitungen für den nächsten Tag verwendet. Die Luftverhältnisse waren so günstig, dass Hunt ohne Sauerstoffzufuhr auf der ganzen Breite des Plateaus herumgehen konnte, mit Stoffschuhen an den Füssen, den Ausblick auf den Westkessel auf der einen und auf das Kangchungtal auf der andern Seite.

Auch der 26. Mai begann schön; aber der Wind war nicht mehr so mild. Er wehte stark und aus der Tiefe stiegen Wolken auf. Es war beabsichtigt gewesen, dass Evans und Bourdillon um 6 Uhr starten sollten, aber Evans Sauerstoffgerät funktionierte nicht richtig. Hunt und Da Namgyal brachen um 7 Uhr auf. Da Balu nicht mitkonnte, musste jeder mehr als 20 kg Material tragen. Sie waren mit Geräten mit offenem Kreislauf ausgerüstet, die 41 Sauerstoff in der Minute abgeben konnten. Sie stiegen zuerst in der Diagonale einen mässig steilen, mit Geröll übersäten Eishang hinauf zum Fuss eines steilen Schneecouloirs, das zum Südostgrat führt, unmittelbar über einem Felsvorsprung, der den Hang durchschneidet, ehe er den Sattel erreicht. Sie wurden bald von Evans und Bourdillon überholt. Deren Sauerstoffgeräte funktionierten nun, und da sie leistungsfähiger waren als die der andern, kamen sie viel rascher vorwärts. Hunt und Da Namgyal konnten nun den getretenen Spuren folgen; aber trotzdem war der Aufstieg durch das Couloir für die beiden mit den schweren Lasten äusserst anstrengend. Sie erreichten den Grat erst um 9 Uhr, an der Stelle, wo vor einem Jahr das Zelt gestanden hatte, in dem Tensing und Lambert die Nacht zugebracht hatten, auf 8300 m. Es waren nur noch die Verankerungen mit einigen gelben Stoffetzen vorhanden.

Der Grat war in Nebel gehüllt, das Wetter wurde schlechter. Es schneite, und der Wind nahm zu. Die beiden Bergsteiger konnten ihre Gefährten Evans und Bourdillon beobachten, wie sie, etwa 100 m höher, kräftig aufwärtsstiegen. Sie selbst waren müde, und Hunt hatte grosse Mühe beim Atmen. Langsam stiegen sie dem Grat entlang, entschlossen, ihre Lasten so hoch als möglich zu tragen. Aber Hunt musste feststellen, dass er mit nur einem Träger das Material nicht bis zum Platz des vorgesehenen höchsten Lagers bringen konnte; er hoffte aber, dass die zweite, stärkere Gruppe unter Gregory, deren eigene Traglasten nur etwa halb so schwer waren, auch ihre Lasten aufnehmen und höherschleppen konnte. Nachdem sie sich noch während % Stunden weitergekämpft hatten, hielten sie in einer Gratlücke, wo der Grat wieder zu einer verschneiten Schulter ansteigt. Die Höhenlage dieses Punktes wurde mit 8340 m bestimmt. Da war Namgyal am Ende seiner Kräfte; Hunt hätte noch etwas weitergehen können, aber nicht mehr als 15 Meter. Sie errichteten daher ein Depot, in das sie ein Zelt, Nahrungsmittel, Petrol und ihre Sauerstoffflaschen versorgten, und begannen dann den Abstieg ohne Sauerstoffgeräte. Hunt hatte schon eine volle Sauerstoffflasche beim Standort des Schweizerzeltes zurückgelassen, in der Absicht, sie beim Abstieg mitzunehmen, um die Reserve der zweiten Aufstiegsequipe zu erhöhen. Um mehr Kräfte für den Abstieg durchs Couloir zu haben und so einem Unfall vorzubeugen, benützte er daraus noch während einiger Minuten den Sauerstoff, fühlte aber, dass für ihn das Atmen eher schwerer wurde. Deshalb stellte er die Sauerstoffzufuhr ein und legte die Maske ab. Da sich beide ausserordentlich müde fühlten, mussten sie besonders im oberen, sehr steilen Teil des Couloirs sehr vorsichtig gehen. Als sie auf den flacheren Hängen des Sattels ankamen, beobachteten sie die zweite Bergsteigergruppe, die vom Lager VII her über die Lhotse-Flanke in der Richtung des Südsattels aufstieg. Die beiden, Hunt und Da Namgyal, erreichten das Lager VIII in erschöpftem Zustand.

Bourdillon und Evans rückten inzwischen langsam auf dem Südostgrat vor. Über dem Schweizerzeltplatz wurde der Aufstieg offensichtlich schwerer. Pulverschnee und brüchiger Fels verlangten äusserste Vorsicht. Ihr Vorrücken sank auf etwa 110 Meter in der Stunde. Etwa um halb 11 Uhr gelangten sie zur Schneeschulter, bis zu der Lambert und Tensing letztes Jahr vorgedrungen waren. Hier mussten auch sie einen lebenswichtigen Entscheid treffen: Die Wirkung der Sauerstoffgeräte liess merklich nach. Sollte die Sauerstoffzufuhr bei der Bewältigung der steileren Hänge, die noch über ihnen lagen, plötzlich erschöpft sein, so würde eine Katastrophe eintreten. Nach einigem Zögern entschlossen sie sich, ihre Sauerstoffgeräte mit ihrer Sauerstoffreserve neu aufzufüllen, um damit die Tageszeit, die ihnen noch zur Verfügung stand, möglichst für den Weiterstieg ausnützen zu können.

Nach kurzer Zeit stiegen sie weiter. Die Schneeverhältnisse waren schlecht, und sie hielten sich, soviel als möglich, an die Felsen zu ihrer Linken. Die letzten 120 Meter bis zum Südgipfel sind viel steiler als die untern Partien des Grates. Sie zogen vor, über einen jähen Felsgrat, links eines weiten Schneehanges, emporzuklettern, weil der Schnee allzu unsicher aussah. Um 13 Uhr standen sie auf dem Südgipfel.

Es war nun klar, dass weder Zeit noch Sauerstoff ausreichten, um den Hauptgipfel zu erreichen, ausser wenn sich das letzte Gratstück als sehr leicht erwiese. Niemand hatte erwartet, dass es leicht sei, aber ebensowenig hätte jemand, ausser in pessimistischsten Anwandlungen, einen so ungeheuren Grat erwartet, wie er nun vor ihnen lag, mit mächtigen Wächten von überalpinen Dimensionen über dem östlichen Abgrund. Nach einem kurzen Halt, um Photographien aufzunehmen, machten sie sich mit Bedauern auf den Rückweg. Beide waren sehr müde, besonders aber Evans, dessen Sauerstoffgerät wieder nicht einwandfrei funktionierte, so dass er den geschlossenen in einen offenen Kreislauf umformen musste. Langsam ging ihr Abstieg vor sich, über den Schneehang hinab, dem Grat entlang und durchs Couloir hinunter zum Grat, mühselig im Zustand fortschreitender Erschöpfung. Sie wurden durch Hillary, Tensing, Hunt, Gregory und Lowe freudig im Lager VIII begrüsst.

Der zweite Aufstieg Die zweite Aufstiegsgruppe erreichte Lager VIII auf dem Sattel am 26. Mai, an dem Tag, an dem der erste Versuch unternommen wurde. Gregory, Lowe, Ang Nyma, Pemba und Ang Temba sollten Hillary und Tensing treffen, um Lager IX so hoch als möglich vorzutragen. Die Schneeschulter schien dafür sehr geeignet. Fünf weitere Sherpas, mit zusätzlichem Material beladen, erreichten den Sattel. Es war deren zweiter Aufstieg ( zu Lager VIII ), ohne Sauerstoff.

Am 27. Mai wurde die Partie durch einen Sturm festgehalten, aber der nächste Morgen war schön, trotzdem noch ein scharfer Wind wehte. Lowe, Gregory und Ang Nyma verliessen das Lager um 8.45 Uhr, Hillary und Tensing um 10 Uhr. Pemba wurde krank im Lager zurückgelassen und Temba war am Vortag mit Hunt, Bourdillon und Evans über den Lhotse-hang zurückgekehrt, da sie offensichtlich nicht in Form waren.

Die beiden Partien stiegen Schritt für Schritt das Couloir empor und vereinigten sich in der Nähe der Überreste des Schweizerzeltes. Lowe hackte durch das ganze Couloir Stufen. Beim Depot, das Hunt und Da Namgyal auf 8340 m zurückgelassen hatten, wurde haltgemacht und die Lasten wurden ergänzt. Ang Nyma trug ca. 19 kg und die andern je 22 bis 27 kg. Sie stiegen nun langsamer über den Grat weiter und suchten nach etwa einer Stunde einen Lagerplatz.T.ensing schlug vor, nach links zu traversieren, erinnerte er sich doch an eine etwas weniger steile Partie unter einer Felsbank. Sie querten hinüber und stiessen wirklich auf eine kleine Hangmulde, in 8500 m Höhe. Mittag war vorbei. Alle waren sehr müde; Gregory, Lowe und Ang Nyma hatten nicht mehr viel Sauerstoff. Sie legten ihre Lasten nieder und machten sich auf den Rückweg, während Hillary und Tensing ihre Sauerstoffmasken abnahmen und sich daran machten, den Zeltplatz herzurichten. Nach zwei Stunden harter Arbeit hatten sie zwei übereinanderliegende, schmale Plattformen geebnet, stellten ihr Zelt auf und richteten sich für die Nacht ein. Da sie keine Haken besassen, befestigten sie die Haltetaue an den Felsen und an Sauerstoffflaschen. Die ganze Nacht hindurch wurde das Zelt von Windstössen immer wieder gerüttelt. Dank dem Sauerstoff konnten sie während vier Stunden schlafen, und laut Hillarys Aussage soll es eine relativ gute Nacht gewesen sein. Einen guten Teil der Zeit verbrachten sie mit dem Aufwärmen von Suppe und Getränken.

Als sie am nächsten Morgen den Kopf um 4 Uhr aus dem Zelt steckten, war schönstes Wetter. Sie wärmten Getränke, soviel sie konnten, verspeisten ihre letzten Vorräte an Sardinen und Biskuits und verliessen um halb 7 Uhr das Zelt. Sie stuften durch den Schnee zum Grat und stiegen langsam aufwärts, wobei sie sich etwas links der Gratkante hielten, wo der Schnee besser war. Bei der Stelle, wo Evans und Bourdillon drei Tage vorher die Sauerstoffflaschen deponiert hatten, rasteten sie, und Hillary stellte befriedigt fest, dass die Flaschen für den Abstieg zum Sattel genügend Sauerstoff enthielten. Der Grat verbreiterte sich nun zu einem sehr steilen Schneehang, der zum Südgipfel führte. Der Schnee war hier von gefährlicher Beschaffenheit: eine dünne Harschschicht auf Pulverschnee. Sorgfältig stiegen sie weiter und erreichten den Südgipfel ca. um 9 Uhr.

Hier entledigten sie sich der einen der beiden Sauerstoffflaschen und erleichterten so das Gewicht des Kreislaufgerätes auf 13 kg. Der Hang vor ihnen machte einen furchtbaren Ein- druck. Wie war wohl die Schneebeschaffenheit? Von ihr hing jedes weitere Fortkommen ab. Hillary ging prüfend vor und konstatierte, dass der Schnee alle Hoffnungen übertraf. Die Oberfläche bestand aus festem Schnee, voll feiner Kristalle, im Gegensatz zum eben begangenen Hang. Sie hielten sich links, um möglichst den Wächten auszuweichen, bahnten sich den Weg meist über den Schnee, ab und zu über den Rand der Felsen der Westflanke. Sie rückten stetig vor, bis sie den grossen Felsvorsprung erreichten, der den Firstgrat etwa in einem Drittel seiner Länge durchschneidet. Wir hatten diesen Vorsprung von Thyangboche aus gesehen und uns gesagt, dass er ein sehr grosses Hindernis sein werde. Er war etwa 12 m hoch und fast senkrecht. Hillary fand denselben auf der linken Seite bei den vorhandenen Verhältnissen als nicht besteigbar, rechts aber war zwischen Fels und Wächte ein Riss. Durch Tensing gesichert arbeitete sich Hillary längs diesem hinauf und kroch auf den Grat. Hier fühlte er, wie er aussagte, dass sie nichts mehr würde aufhalten können. Tensing folgte, und nach kurzer Rast setzten sie ihren Weg über den Grat fort, umgingen einen Schneebuckel nach dem andern, und immer wieder dehnte sich der Grat vor ihnen weiter aus, so dass sie sich zu fragen begannen, wie lange dies so weitergehe, als der Kamm plötzlich aufhörte. Noch einige Schritte - und sie standen auf dem Gipfel! Es war halb 12 Uhr.

Schon viele haben versucht, ihre Gefühle, die sie beim Betreten weit weniger bedeutender Gipfel empfanden, auszudrücken. Wir erkühnen uns nicht, es für Tensing und Hillary zu tun. Vielleicht sagen darüber Tensings Worte am meisten aus: « Es war, wie wenn man einen alten Freund trifft. Man braucht nichts zu sagen. Man ist einfach glücklich, da zu sein. » Sie blieben eine Viertelstunde auf dem Gipfel, legten während dieser Zeit die Masken ab, um Sauerstoff zu sparen, und lutschten Pfeffermünzpastillen. Hillary machte Photoaufnahmen. Um 11.45 Uhr traten sie den Abstieg an. Nach einer Stunde hatten sie den Südgipfel wieder erreicht. Nachdem sie den grossen Schneehang mit der nötigen Vorsicht gequert hatten, fiel, nach Hillarys Aussage, das Angstgefühl, das sie während des ganzen Tages begleitet hatte, von ihnen. Um 2 Uhr erreichten sie das Lager IX, wo sie sich eine Limonade bereiteten, bevor sie den langen Abstieg zum Südsattel antraten. Beide waren sehr müde, aber doch nicht zu müde, um nicht mit letzter Kraft durchs Couloir hinab Stufen zu hacken, wo die Spuren des Vortages schon verschwunden waren. Auf dem Grat wurden sie von Lowe und Noyce empfangen. Letzterer war an diesem Tag mit Passang Phutar zur Mithilfe heraufgekommen. Für beide war es der zweite Aufstieg zum Grat. Noyce war diesmal ohne Sauerstoffgerät.

Am 30. Mai war die ganze Expedition, mit Ausnahme der Südgratgruppe und Wylie, im vorgeschobenen Basislager. Noch am Abend zuvor hatten angstvolle Augen den Grat beobachtet, in der Hoffnung, das verabredete Signal zu sehen: Schlafsäcke, die in einer bestimmten Anordnung auf dem Schneehang ausgelegt würden, vom Westkar aus sichtbar. Mit grosser Anstrengung hatten Noyce und Passang Phutar das Signal auch ausgelegt, das aber durch Nebelschwaden verdeckt wurde. Das ganze Lager befand sich in einem Zustand grosser Aufregung. Als die auf dem Grat im Abstieg befindliche Partie entdeckt wurde, verfolgte man jede ihrer Bewegungen und deutete aus ihrer Schnelligkeit auf Erfolg oder Misserfolg. Sie erreichte Lager VII, stieg bald weiter ab und entschwand unsern Blicken, als sie sich im für uns verdeckten Gebiet des Lagers V befand. Plötzlich, etwas nach halb 2 Uhr, erschienen die Leute wieder auf einer Erhebung, etwa 300 m vor unserem Lager. Wir eilten ihnen entgegen, und bald konnten sie uns durch Zeichen ihren Sieg zu verstehen geben. Die Szene, die nun folgte, war eine kindlich-rührende, wie man sie in einem Kreis solcher Bergsteiger kaum erwarten würde. Aber für uns alle war dies ein Tag, wie ihn keiner von uns je wieder erleben wird.

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