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Die Besteigungen Alberts I

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Jean Piérard, Brüssel

Es kommt selten vor, dass ein König - im übrigen ein Beispiel an Intelligenz, Mut, Vornehmheit des Geistes und der Gesinnung -gleichzeitig auch ein bemerkenswerter Alpinist ist.

Europa hat die aussergewöhnliche Rolle, die Albert I. von Belgien während des Ersten Weit- krieges ( 1914-1918 ) spielte, niemals vergessen, hat er doch an der Spitze seiner bedrängten Truppen tapfer der deutschen Armee dort unten an der Yser, auf jenem schmalen Landstrich, der dieses Flüsschen von der Nordseeküste trennt, Widerstand geleistet.

Er war mit Elisabeth von Bavière verheiratet, die sich während des Krieges an der Seite ihres Gemahls ganz dem Internationalen Roten Kreuz widmete. Sie war auch, wie ihr Gatte König Albert, eine Freundin der Künste und der Künstler. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle den Musikwettbewerb Reine Elisabeth in Erinnerung zu rufen, dessen Initiantin sie gewesen war und der in Brüssel alljährlich grossartige Talente zutage fördert.

Was an König Albert zuallererst in die Augen sprang, waren, ausser seiner grossen Erscheinung und seiner äussersten Bescheidenheit, seine ungewöhnliche Intelligenz und sein lebhaftes Interesse für alles, was demokratische Belange betraf.

Doch in den « Alpen », die ich sehr bewundere, ist es nicht angebracht, über diese Eigenschaften viele Worte zu verlieren; vielmehr will ich dem ausgezeichneten Alpinisten die nachfolgenden Zeilen widmen.

Wie kam er überhaupt zu dieser Leidenschaft?

Zuerst muss einmal festgehalten werden, dass König Albert zu der Zeit, als er noch Prinz war - er wurde erst am 23. Dezember 1909 Nachfolger seines Onkels Leopold II., jedes Jahr mit seinen Angehörigen einen kurzen Urlaub in der Schweiz, in der Villa Haslihorn am Vierwaldstättersee zwischen Luzern und Alpnach, verbrachte. In der Ferne sah er von seinem Haus aus den Gipfel der Rigi mit all ihren Verlockungen; er hatte die Möglichkeit zu Entdeckungen ohne Zahl und Ende vor Augen, er vernahm den Lockruf dieser abschüssigen Pfade, die man an ihren Hängen erraten kann.

Wenn der Prinz spazierenging, kam es oft vor, dass er Bergsteigern mit Rucksack und Pik- kel auf dem Weg ins Gebirge begegnete, und er äusserte seinen Freunden gegenüber wiederholt den Wunsch, sich diesen Männern anschliessen zu können.

Zu jener Zeit las er auch mit Begeisterung das Alpine Journal, in dem auch von Bergen in Übersee die Rede war, etwa vom Aconcagua, dem höchsten Gipfel der Anden, von den Montagnes Rocheuses und vielen andern.

Er sann den Worten John Tyndalls nach, der, wie er schrieb, tiefste Befriedigung empfand, Jahr um Jahr inmitten der Berge seinen « Pachtvertrag mit dem Leben erneuern zu gehen », um dadurch das Gleichgewicht von Geist und Körper wiederherzustellen.

« Genau das möchte ich auch, wenn ich eine Möglichkeit fände », sagte der Prinz eines Tages.

Aber es war vor allem der Vortrag vom 18. Februar 1902 in Brüssel, gehalten von Ingenieur und Bergsteiger Charles Lefébure unter dem Patronat der Kunstgesellschaft, der diese anhaltende Leidenschaft für die Berge in Prinz Albert entzündete. Lefébure hatte die Hochtäler und Berge der Alpen zum Thema gewählt.

Anschliessend führte der Prinz mit Lefébure eine Unterredung, in deren Verlauf er diesem seine Begeisterung für die Berge offenbarte und ihn fragte, ob er ihm einen erfahrenen Führer nennen könnte. Sein Gesprächspartner schlug ihm Alois Supersaxo von Saas Fee vor, jenen Führer, den M. Solvay, der belgische Industrielle, zugezogen hatte, Solvay, dem wir den Bau jener Hütte am Matterhorn verdanken, die seinen Namen trägt und die all jenen Alpinisten wohlbekannt ist, die dort ein paarmal genächtigt haben.

Indessen fand es Prinz Albert nicht angebracht, seinerseits Alois Supersaxo zu engagieren, da ihn vielleicht zur gleichen Zeit M. Solvay hätte benötigen können. Deshalb zog er es vor, dessen Bruder Albert, ebenfalls einen ausgezeichneten Bergführer, zu wählen, im übrigen eine aussergewöhnlich stattliche Erscheinung.

Und mit Albert Supersaxo machte dann auch Prinz Albert seine ersten Besteigungen in den Alpen, im Alter von 30 Jahren.

Und seine Liebe fürs Hochgebirge, die schon längst in ihm geschlummert hatte, wuchs im Verlauf der Jahre allmählich, um sich dann in eine richtige Leidenschaft zu steigern, die es ihm erlaubte, Besteigungen durchzuführen wie jene grossen gutmütigen Kerle, die ihre dicken Schuhe und ihre Eispickel auf immer neue Routen setzen, auf der Suche nach Gipfeln, wo nur das Rauschen des Windes und die Gnade des Himmels walten.

Der Prinz hatte also seinen Führer auserkoren, und Ende Juni 1905, als er mit Prinzessin Elisabeth von einem offiziellen Empfang aus Berlin zurückkam, reisten sie alsobald wieder ab, um Albert Supersaxo in Pontresina zu treffen, wo sich gewöhnlich auch M. Solvay und sein Sekretär Lefébure aufhielten.

Mitten im lieblichen und gleichzeitig so farbenreichen Oberengadin bot Pontresina dem « Anfänger » unstreitige Vorteile, was die Schwierigkeit der zu wählenden Bergfahrten anbelangt. Die Berge um Pontresina mit dem Piz Bernina ( 404g m ) stellen sowohl für den Novizen als auch den Geweihten und den Erfahrensten ein ideales Massiv dar.

Hier also begannen für den Prinzen die Besteigungen, die man als Kletterschule bezeichnen kann: im Granit des Las Sours ( 2982 m ) und vor allem im Kalkstein der Trais Fluors ( 2957 m ) mit ihrem scharf gezackten Grat, der in einer glatten, ziemlich jähen Platte mit nur wenigen und schwierigen Griffe endigt.

Doch Prinz Albert hatte für die erste Saison im Gebirge ein viel riskanteres Ziel gesetzt: die Besteigung des höchsten Engadiner Gipfels, der Bernina. Er wusste, dass es sich in diesem Falle um eine lange und schwierige Prüfung handelte; aber dieser Berg faszinierte ihn dermassen seit seiner Ankunft in Pontresina, dass er sich an ihn heranzuwagen hoffte, um die Grenze seiner Leistungsfähigkeit besser abschätzen zu können.

" 5 Der Aufbruch für diese Besteigung sollte noch vor Tagesanbruch stattfinden, und er hatte jene eigentümliche Empfindung, jenes seltsam unbestimmte Gefühl, eine Art Widerwillen - er vertraute dies nachher seinem Seilgefährten an; es war eben das, was man anfänglich in der Nacht vor jedem Aufbruch nach unbekannten, kaum sichtbaren Pfaden durch Steine und Geröll empfindet. Es herrschte eine bissige Kälte an jenem Morgen, und sie schritten im Schein der klassischen Kerzenlaterne voran. Bald, als sie nach und nach an Höhe gewannen, waren sie dann halb blind von der Sonne, deren Licht von den Schneeflächen reflektiert wurde, während eine stechende Hitze auf sie niederbrannte und der Durst sie quälte. So gingen die Stunden mit den strahlenden und wechselvollen Bildern von Fels und Himmel vorbei. Und dann, endlich, hatte Prinz Albert das grenzenlose Glück, seinen ersten Viertausender zu betreten; es überkam ihn ein unaussprechliches körperliches Glücksgefühl, es war für ihn ein unvergleichliches ästhetisches Erlebnis, eine unendliche Bergwelt zu entdecken, eine Welt der Gipfel und Gletscher. Jemand, der diesen Moment nicht selbst erlebt hat, kann diesen einmaligen Eindruck auch nicht nachfühlen, den man empfindet, jenes Gefühl, das den Menschen über sich selbst hinaus erlebt und ihn mit Dankbarkeit erfüllt, dass er die Welt wenigstens einmal so erleben darf dank seiner Entschlossenheit und dem unwiderstehlichen Lockruf der Berge.

Am 13.Juli 1905 erwähnt das Führerbuch Albert Supersaxos: « Piz Bernina mit Rückweg durch das Labyrinth ( r. Besteigung 1905 ). Unterzeichnet: Albert von Belgien. Nur ein paar einfache Worte; aber, um es nochmals zu sagen: Was für ein Glück bedeuteten sie für Prinz Albert, war ihm doch die erste schwierige Besteigung gelungen, die zweifellos Eigenschaften erforderte, deren sich nur wenige Touristen im Hochgebirge rühmen konnten, und nur wenige von ihnen hätten sich in ein solches Abenteuer zu stürzen gewagt. Der einzige Zwischenfall jenes Tages war ein Sonnenstich: Als der Prinz in sein Chalet zurückkehrte, war sein Gesicht ganz ordentlich verbrannt.

Mit der Gruppe Solvays und Lefébures gelang ihm auch im Jahre 1906 die Besteigung der Cima Tosa, des höchsten Gipfels der Brentagruppe, dann, gemeinsam mit Prinzessin Elisabeth, im Jahre 1907 diejenige des Pizzo Carale-Nordostgrates mit den Führern Schocher und Supersaxo.

Ende August 1908 kam er mit seiner Familie und Charles Lefébure nach Zermatt, wo es ihm gelang, auch Alois Supersaxo für sich zu gewinnen, der fortan sein bevorzugter Führer war.

Alois übernahm alsdann mit seinem Bruder Benedikt die Leitung der kleinen Bergsteigergruppe des Prinzen. So erreichten sie am 25. August gegen Abend die Hörnlihütte. Das Wetter im Tal war seit mehreren Tagen durchaus nicht milde, weshalb sie es vorzogen, in der Hütte günstigeren Wind für ihre Besteigung abzuwarten. Um 2 Uhr morgens hielten die Führer die Verhältnisse für günstig genug, so dass sie es wagen wollten.

Noch bei finsterer Nacht verliessen sie die Unterkunft und begannen vorsichtig zu klettern; doch beim ersten Morgengrauen gewahrten sie einen schwer verhangenen, bedrohlichen Himmel. Sie waren deshalb unschlüssig, ob die Besteigung fortzusetzen sei und rasteten auf einer kleinen Terrasse, auf der die Gruppe gerade Platz fand. Zwei volle Stunden warteten sie hier, von Kälte durchdrungen, ab, und ihre Geduld und ihr Mut wurden glücklicherweise belohnt: Das Gewölk löste sich auf und öffnete ihnen damit den Weg aufs Matterhorn. Sie erreichten den Gipfel ungehindert, ohne Zwischenfall.

Das Matterhorn von 1973 ist nicht mehr dasselbe wie 1908: Heute ist die Bergfahrt lang und eintönig wegen der fixen Seile, die an den schwierigen Stellen angebracht worden sind. Zu jener Zeit aber war diese Besteigung für Prinz Albert noch eine kleinere Heldentat.

Bescheiden, wie er war, antwortete er jeweils, wenn ihm seine Führer zu einer gelungenen Kletterei gratulierten: « Ich betreibe keinen Bergsport, ich spaziere nur in den Bergen. » Im gleichen Jahr begab er sich auch auf den Monte Rosa, wobei er mit denselben Führern die klassische Gornergrat-Route benützte. Sie überschritten den Gornergletscher, um die Nacht in der Betempshütte ( Monte-Rosa-Hütte ) zu verbringen. Es war der 1. September 1908. Trotz des steifen Windes, der die hohen Gipfel « rauchen »liess, setzten sie am folgenden Morgen ihre Bergfahrt fort. Die unaufhörlichen Windstösse, der Schnee und die Kälte konnten Alois und Benedikt Supersaxo nicht aufhalten; sie hatten schon Schlimmeres erlebt. Und Prinz Albert folgte ihnen auf dem Fusse wie ein erfahrener Bergler. Er war - so hiess es - in einer bemerkenswerten physischen Verfassung. So versuchten sie die letzten Hänge zu meistern; aber dort oben war es so bedenklich, dass der Gipfel sich ihnen widersetzte, als sie von ihm nicht mehr weiter als an die zehn Meter entfernt waren.

Das Jahr 1908 wurde von Prinz Albert überhaupt ganz besonders ausgefüllt: Am 28.Sep-tember wagte er sich unter Führung Antonio Dimais und Agostino Verzis an die Besteigung mehrerer Dolomitengipfel. Eine aussergewöhnliche Liste: Croda da Lago ( 2709 m ), 28.Sep-tember; Cima Piccola ( 2856 m ), durch die Nordwand, am 29. September; Piz Popena ( 3152 m ), über den Südgrat, am i. Oktober; Marmolata ( 3342 m ), durch die Südwand, am 5. Oktober; und das ist noch nicht alles: Catinaccio ( 2981 m),über den Südgrat und durch die Westwand, am g. Oktober. Das war wahrhaftig eine bemerkenswerte Leistung für den Bewohner eines Landes, dessen höchster Gipfel kaum über 700 Meter liegt.

Im Jahr 190g, nach dem Tod seines Onkels Leopold II., wurde Prinz Albert König der Belgier unter dem Namen Albert I..

Aber auch seine neuen Verpflichtungen konnten ihn nicht davon abhalten, sich weiter- hin dem Alpinismus zu widmen. Im Gegenteil, die Begeisterung, die er stets für die Höhe empfunden hatte, nahm noch zu. Die Anstrengung, die Gefahr, ja der Kampf um die hohen Gipfel bereiteten ihm unschätzbares Glück; er fühlte einen unwiderstehlichen Drang, über sich hinauszuwachsen, sich selbst zu besiegen. Sich mit Hilfe von Händen und Füssen in die Höhe zu heben, von Griff zu Griff aufzusteigen - immer höher, bis zu den Gipfeln, in der Ferne die aufgehende Sonne zu sehen, auf wilden Felsen die Stimme des Windes zu belauschen — ist nicht dies der reinste, erregendste Sieg über sich und die Materie? Und dies alles ohne Zuschauer und Applaus.

Das Bergsteigen war für ihn eine moralische und gesundheitliche Kur. « Die Berge », sagte er, « sind noch urwüchsiger als das Meer; sie haben ihre ganze Kraft bewahrt; sie sind schwerer zu erobern als das Meer. » Sehr oft kam er in die Schweiz, wo er die Befreiung fand, nach der er sich so sehr sehnte. Und weil er so bescheiden war, reiste er jeweils dritter Klasse, um den Leuten zuzuhören und mit ihnen ungezwungen lachen zu können. Einmal sagte einer zu ihm: « Es ist erstaunlich, wie Sie dem König von Belgien gleichen. » - « Das stimmt », antwortete er, « und Sie glauben nicht, wie unangenehm das ist. » « Ein auffallendes Merkmal », schrieb ein belgischer Autor, « das seiner enthaltsamen Art entsprach, war seine Gewohnheit, stets in seinen Taschen einen Vorrat an Mandeln und Haselnüssen zu haben, an denen er knabberte, wenn er sich unbeobachtet glaubte. » Im Krieg von 1914 bis 1918 sah man ihn als tapferen Kämpfer an der Spitze seiner Truppen, was ihm allseitige Bewunderung einbrachte. Nicht ohne Grund hat man ihn auch den « Roi Chevalier » genannt. Doch als vornehmer Mensch stellte er seine guten Eigenschaften niemals zur Schau, ja er suchte sie sogar zu verbergen, Eigenschaften, die wir erstaunlich lebendig bei Baudouin, dem heutigen König von Belgien, wiederfinden, dessen Bescheidenheit und gesunder Menschenverstand uns an seinen Grossvater erinnern.

Nach dem Krieg begab sich Albert I. nach Hochsavoyen. Es war im Jahr 1919. Er wollte seine Berge wiedersehen - ein mühsamer Wie-deranfang für ihn, den 44jährigen.

Vorerst erprobte er seine Kräfte in den bescheidenen Aiguilles Rouges. Die Drahtseilbahn von Plan Praz bestand damals noch nicht, und bevor der König am Fuss der Wand anlangte, führte ihn der Weg erst durch die Alpenrosen, dann durch Geröll; aber dort oben, bei der Index-Wand, befiel ihn ein Schwindelgefühl. Er zweifelte an seinen Kräften und kehrte enttäuscht in sein Hotel nach Chamonix zurück.

Weniger als 24 Stunden später nahm er, sich nicht entmutigen lassend, denselben Weg unter die Füsse und bewältigte mit erstaunlicher Leichtigkeit die Index-Wand und die Pointes de la Glière ( 2863 m ).

Als nächstes Ziel wählte er die Petits Charmoz ( 2867 m ), Trainingsobjekt für die Aiguilles de Chamonix. Es gelang ihm ebenfalls glänzend. Die von ihm gewählte Route führte in die Nähe der Aiguilles de I'M, deren südliche Spitze ihm eben von den Bergbewohnern zugeeignet worden war.

Erinnern wir bei dieser Gelegenheit daran, dass der Gemeinderat von Chamonix unter dem Vorsitz seines Bürgermeisters M. Jules Bes-sonnay die Sache am 23. Februar 1919 amtlich beglaubigte, indem er diese Nadel auf den Namen des Königs von Belgien taufte. Der bei dieser Gelegenheit verfasste Text lautete folgendermassen: « Auf Vorschlag ihres Präsidenten beschliesst der Rat einstimmig, einer der Spitzen der Aiguilles de I'M, nämlich der Südspitze, den Namen -Pic du roi Albert- zu geben. » Am Nachmittag des 23.Juni 1920 erreichte der König Le Montenvers auf dem Weg von Chamonix zum Mer de Glace und bestieg tags darauf die Aiguille du Grépon ( 3482 m ), die be- rühmteste Nadel und vielleicht die interessanteste der Aiguilles de Chamonix.

Es ist gar nicht möglich, alle Bergfahrten König Alberts aufzuzählen; er hat allzu viele gemacht.

ig26 hatte er den zweitletzten Grad in der Schwierigkeitsskala erreicht. Häufig nahm er in der Schweiz auch an Klettertouren teil, die viel alpinistisches Können erheischten. Eine Photographie, die mir gerade in die Hände gekommen ist, zeigt ihn in Murren zwischen Walter Amstutz und Arnold Lunn.

Unter anderen stellte er auch mit Amstutz im Juli 1929 ein ganzes Programm von Besteigungen in den Engelhörnern zusammen. Man wollte sich in Meiringen treffen. « Ich werde um 12.28 Uhr ( Zug 2615 ) am Sonntag, den 30., in Meiringen ankommen », hatte er ihm geschrieben, « und würde gerne unverzüglich zur Engelhornhütte aufbrechen. Ich bitte Sie, dafür zu sorgen, dass niemand von meiner Gegenwart erfährt. » König Albert I. ist auch ohne Führer in die Berge gegangen. Von Luzern aus, wo er in der Villa « Le Châtaignier » logierte, konnte er in der Umgebung leicht Kletterpartien unternehmen, und von Brüssel aus kletterte er in den Felsen des Maas-Tales. So kam es häufig vor, dass er im Morgengrauen, ohne dass jemand etwas davon wusste, den senkrechten Grat des Bayard-Felsens in Dinant bezwang.

Aber höchstes Glück bereiteten ihm unbestritten die Hochtouren, die er mit Graf Aldo Bonacossa, dem damaligen Präsidenten des CAI, machte: die Besteigung der Grignetta über dem romantischen Comersee am 16. Oktober 1931; die Gipfel im Brenta-Tal, die Südwand des Sasso Pardoi ( 2950 m ) und die Gipfel des Bregaglia-Tales. « Das waren wirklich herrliche Touren, die ich nie vergessen werde », hat er auch Walter Amstutz geschrieben. « Ich habe so grosse Freude gehabt, die Kameraden vom letzten Jahr wiederzufinden und Bekanntschaft mit Graf Bonacossa, dem Bregaglia-Speziali-sten, zu schliessen. » Erwähnen wir noch die Besteigung der Jungfrau und des höchsten Grates am Gotthard.

In Alpinistenkreisen stand sein Name in hohen Ehren. Seine Ausdauer und Kraft waren aussergewöhnlich.

Auf den Kanarischen Inseln hatte er auch den Alfur bezwungen, im Kiwugebiet den Mikeno und den Vulkan Namlagira, Höhen zwischen 3000 und 4000 Meter.

Im Campiglio-Massiv löste sich ein Block, als er sich daran festhalten wollte. Wenn dieser heruntergekommen wäre, hätte die Seilschaft das Gleichgewicht verloren und wäre ins Leere gestürzt. Doch im Spreizstand drückte der König den Stein mit seiner Brust und den Händen an die Wand, bis seine Kameraden in Sicherheit waren.

Die Berge waren für ihn auch ein Mittel, um gegen das Altern anzukämpfen. Mit bemerkenswerter Leichtigkeit machte er im Oktober 1933 die Besteigung des Croce Provenzale. Ja er legte eine solche Meisterschaft an den Tag, dass Giusto Gervasutti nicht umhin konnte, ihm zu erklären, er könnte mit ihm die allerschwierigsten Touren unternehmen. Diese Worte aus dem Mund dieses berühmten Bergsteigers, der nichts weniger als ein Heuchler war, rührten König Albert zutiefst. Sicher war dies für ihn das schönste Lob, das man ihm erteilen konnte.

Und dieser Mann, der in den Bergen die ursprüngliche Reinheit des Lebens wiedergefunden hatte, sollte ein tragisches Ende nehmen.

Am 14. Februar 1934 hatte der König das Schloss in Brüssel am Morgen mit seinem Kammerdiener in einem kleinen, unauffälligen Ford verlassen. Das Auto wurde in der Nähe des Dorfes Boninne abgestellt, und sie begaben sich zu den Felsen von Marche-les-Dames, etwa 9 Kilometer von Namur entfernt. Hier ist die Felsküste der Maas kaum mehr als 80 Meter hoch und bietet keine ernstlichen Schwierigkeiten, ausser dass der Fels ziemlich brüchig ist. Der König war hierhergekommen, um ein paar Kletterübungen zu machen. Nachdem er sich etwa zwei Stunden in seinem Lieblingssport geübt hatte, schickte er sich an, nach Boninne zurückzukehren, doch dann fand er, er hätte noch etwas Zeit. Also stieg er wieder ab zu einer Gruppe von Nadeln, die sich über einer Kapelle mit dem Namen Vieux Bond-Dieu in die Höhe recken. Von dort kam er nicht mehr zurück. Man fand ihn auf dem Rücken liegend mit einer grossen Wunde, die ihm die rechte Schä-delhälfte geöffnet hatte. Als er auf den Gipfel eines Grats klettern wollte, hatte ihn ein loser Block in die Tiefe gerissen.

In diesem Februar des Jahres 1934 weilten Prinz Leopold und Prinzessin Astrid in Adelboden. An diesem Ferienort erfuhren sie am Morgen des 17. Februar in einem ungewöhnlichen Telephonanruf die traurige Nachricht.

So starb der Mann, der den Belgiern ein grosser König gewesen war. Seine Intelligenz, sein Mut und seine ausserordentliche Leutseligkeit hatten ihm die Sympathie nicht nur seines ganzen Volkes, sondern auch der benachbarten Nationen eingetragen. In Bergsteigerkreisen aber waren alle seine Freunde.

Übersetzung R. Vögeli

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