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Die Desorientierung in den Bergen

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Nicht ohne einiges Erstaunen las ich 1 ) von Vorträgen und Arbeiten des Pfarrers Pierre Jaccard in Lausanne über dieses Thema.

Nicht um irgendwelche Prioritätsansprüche zu erheben, wohl aber weil es doch im Interesse der Frage gesagt sein muss, dass das Problem denn doch bei weitem nicht dort stehen geblieben ist, wo es der verehrte Forscher in « Verschleierung und Unnahbarkeit » hat aufgehen lassen, möchte ich zu dieser tiefschürfenden und uns Bergsteiger, wenn nicht wissenschaftlich so doch praktisch, alle interessierenden Frage noch einmal das Wort ergreifen. Aus meiner im Jahrbuch S.A.C. 1919 erschienenen Studie: « Die Romantik der Wegspur, der Weginstinkt und das Verirren » und einem Briefwechsel, der sich auf diese Arbeit und ihre Belege engstens bezog, im ganzen hervorgegangen, kommt denn die Forschung Pierre Jaccards zu den ziemlich gleichgerichteten Schlüssen wie diese Arbeit, wenngleich durch Leugnen alles Instinktmässigen bei jeder Wegfindung dem ganzen Probleme gerade das Fenster verstopft wird, durch das die Psychologie die einzige brauchbare Aussicht geniesst. Und es ergibt sich nochmals der wunderliche Widersinn, dass der Theologe in der toten Körperlichkeit sucht, was der Mediziner schon lange in der Seele glaubt gefunden zu haben.

Wenn aber schon jener Aufsatz im Jahrbuche manchen unumstösslichen Wegweiser aufgestellt hat, der die Fragen doch schon recht nahe an das Problem heranliess und auf feste Tatsachen hinwies, die das Vorhandensein einer instinktmässigen, also natürlichen Orientierung beim Menschen, gerade auch beim Bergsport bewies, so erübrigt es sich denn auch beim heutigen Stande der psychologischen Forschung schon lange, nach irgendwelchen anatomischen « Dissymetrien » und überhaupt nach irgendeinem körperlichen Beweistum in unserer Orientierung oder Desorientierung zu fragen.

Denn keine anatomische oder mechanische Einsicht wird es eben je zu klären vermögen, warum unsere rechte Hand die Arbeitshand geworden, warum das rechte Bein immer das instinktive Standbein ausser aller Übung und Angewöhnung sein muss, sowenig kein Vergrösserungsglas und keine mikroskopische Finesse es je herausbringen werden, warum die Bohnenranke naturnotwendig links wickelt, wie auch die weisse Winde niemals rechts an ihrer Stütze sich emporrankt.

Auf diese Rechtshändigkeit aber führte meine Arbeit damals in erster Linie es zurück, dass der Mensch, wenn er vollständig unbeeinflusst ist, d.h.frei von Überlegung, Einspruch und Befehl, immer sich nach rechts anlehnt, nach rechts trachtet, nach rechts auch immer den wirklichen Verirrungsbogen zeigt.

Doch ist diese Rechtshändigkeit und Rechtswegigkeit nur ein letzter und nicht einmal wichtiger Ausläufer einer viel tieferen und bedeutungsvolleren Urorientierung, die ja auch Pierre Jaccard anzunehmen scheint.

Solche hat nun aber unzweifelhaft nur seelische Eigenschaften, weshalb es unverständlich erscheint, ihrem Organe noch in den Gliedmassen nachgehen zu wollen und eine anatomische Forschung dafür zu bemühen.

Diese rein seelische Orientierungsfunktion muss aber auch kaum mehr « bewiesen » werden, und es ist sehr eigentümlich, dass man vielerorts bald nur noch das als wissenschaftlich bewiesen gelten lässt, was im Mikroskop oder im Reagenzglas gezeigt werden kann.

Der Mensch ist nun einmal nach rechts orientiert.

Alle Phänomene seines Handelns und Verfügens illustrieren es.

Es ist ein Axiom.

Ich wies im besonderen für den Weginstinkt diese rechtsseitige Anlehnung in unseren alten Bergpässen nach, die, wo sie nur können, ihren Aufstieg, und zwar auf beiden Seiten, rechts herauf nehmen, also dort, wo die Arbeit des Steigens getan wird, die rechtsseitige Anlehnung suchen.

So der St. Gotthard, die alte Grimsel, die Furka, Bernhardin, Splügen, Julier, Albula, Brenner und viele andere. Aber auch jedes alte Ebenenweglein sucht diese rechtsseitige Anlehnung, jedes Geisstieglein führt, wenn es die freie Wahl hat, rechtsseitig über den Arbeitshang.

Rechtsseitige Anlehnung dokumentieren in Bauart und Disposition unsere alten Bauernhöfe. Rechtsseitige Einstellung beweisen uns alle militärischen Aufstellungen und Bewegungen und alle menschlichen Raumverfügungen.

Die Religion, die Polizei, Anstand und Höflichkeit weisen alle auf dasselbe Phänomen.

Ja, in der durchgängigen und nicht zu übersehenden Ausdehnung aller Grossstädte und natürlichen Siedelungen unserer Erdhalbkugel nach Westen verrät sich zuletzt, wie im Maikäferflug, nichts anderes als eine zwangsläufige Rechtsanlehnung, da ganz von selbst und ebenso natürlicherweise die Stellung des Sonnenbildes als Grundstellung genommen wird.

So weist denn auch die Verirrungskurve ausnahmslos zuerst eindeutig nach rechts.

Der Skiläufer, der Bergsteiger, der unvermutet an eine Spalte, an einen Hang, an ein Hindernis gerät, wird das Experiment am besten illustrieren, unbeeinflusst und unvoreingenommen.

Ich habe nun nie gesehen, dass bei völlig offener Wahl, zumal beim Alleingänger, der schnell getroffene, instinktive Entschluss nach links führte. Tausende von Skibildern, die ich wahllos von den Sportplätzen sammelte und aus dem Dienst heimbrachte, haben mir diese frappante Einseitigkeit bewiesen, lange ehe ich an deren Erklärung heranging.

Der Deviationsbogen führt rechts hinaus und bleibt rechts angelehnt, solange die Verirrung nicht bewusst ist.

Wenn wir nun aber solche von selber entstandene Abweichungsbogen, wie sie uns unsere grasbewachsenen, starkbesuchten Turistenziele in der beschriebenen Art in freigebiger Weise vorführen, betrachten, oder wenn wir ein rechtes Skischlachtfeld mit seinen Tausenden von Fahrtspuren kritisch vornehmen, so erfahren wir, wie an bestimmter, die Gebundenheit unserer Raumverfügung recht eindringlich illustrierender Stelle alle die Rechts-weglein und Rechtsbogen wieder in Linksbogen oder in Geraden auslaufen, weil eben die « Verirrung » dort korrigiert wird.

Dann vereinigen sich, und zwar ohne allen weiteren Grund, auf einmal die oft über eine ganze Alp zerfaserten Spuren, deren jede eine eigene Seelen-spannung zeichnet, und Weg und Pfad werden einheitlich, zielstrebig bedingt.

So sind denn auch die « gaucheries » der experimentellen Waisenknaben von Dr. Jaccard ausgesprochene Korrekturbogen und keine Verirrungsbogen. Schon darum, weil mit verbundenen Augen, wie dort das Experiment durchgeführt wurde, kaum eine auch nur einigermassen saubere Voraussetzung zum Verirrungsexperiment geschaffen wird und von vorneherein das orien-tierungsuchende Bewusstsein korrigierend überläuft.

Was wird nun aber auf diese Weise nach links korrigiert oder über-korrigiert?

Doch eben nichts anderes als die gefühlte Rechtsabweichung!

Reine Experimente von Verirrung kann aber nur die Natur selbst herstellen, die sich denn auch in ganz objektiver Weise von den Bewusstseins-kurven unterscheiden. Bei letzteren wird nämlich die Zielrichtung durch die Mitte des Verirrungskreises laufen. Der Verirrte läuft dann mit Denken und Räsonnieren um seine Kompassrichtung herum. Er weiss, dass er verirrt ist.

Dem natürlichen, unbewussten, also wirklichen Verirrungsbogen wird dagegen die Zielrichtung immer Tangente sein, von der sich der Verirrte immer mehr entfernt.

Die natürliche, die Uraberration, wie sie uns z.B. geländefremde Soldaten in den Mobilisationswintern täglich zeichneten, wie sie mir im pfadlosen Gebirge die Einerkolonnen immer wieder vorführten, indem sie, aus innerer Nötigung allein, am gleichen Hang den gleichen Winkel am gleichen Orte biegen mussten, diese Abweichung wies nun ausnahmslos stets nach rechts. Ausnahmslos nach rechts weisende Verirrungsbogen boten meiner Kamera auch durch mehrere Winter die Skiläufer von Adelboden und andern Sports-plätzen, alle unbeeinflusst und ohne Experimentierklausel.

Doch ist ja selbstredend auch der Korrekturbogen nach links eine Verirrung. Er führt aber viel rascher aus dem Irrtum heraus. Einen vollständigen Kreis nach links habe ich seit 20 Jahren, da ich darnach suche, noch nie gesehen. Es ist vielleicht auch psychologisch interessant, festzustellen, dass augenverbundene Waisenknaben und wohltrainierte Frontsoldaten ein gänzlich verschiedenes Beobachtungsmaterial bedeuten.

Dass nun in der überreichen Berg- und Wintersportsliteratur, trotz der eingefleischten Rechtsanlehnung, der vollständige Rechtsbogen so selten zu finden ist, hat aber einen ganz anderen Grund, als P. Jaccard in seinen Arbeiten annimmt. Gewiss wird oft genug, wenn kein wegweisendes Bewusstsein helfend beispringt, der Verirrungsbogen nach rechts sich zum Kreise fügen.

Doch ist hier dann etwas geschehen, etwas Wichtiges und unendlich Interessantes, dass die Kreisführung darüber bedeutungslos erscheint und nebensächlich.

Läge es nicht in allen Berichten unserer ersten Bergpioniere, in den unglaublichen Anstrengungen der Polforscher, der Wüstenfahrer, so möchte man ganz bescheidentlich auf die Stunden hinweisen, wo man selbst mit grauser Angst und schwerer Verantwortung auf solchem Verirrungsbogen gestanden, dort wo er ein Kreis werden kann.

Der Seelenkampf, der sich aber hier abspielt, ist nun sofort nicht mehr nur ein eitler Zwist zwischen rechts und links und ein leeres Dilemma zwischen rechtem und falschem Weg. Und wir werden unversehens zu den tiefsten Wurzeln des Seelenlebens, zum Elementaren und Letzten der ganzen Schicksalsfrage geführt, das lautet: « Vorwärts oder Zurück », « Durchhalten oder Verzichten », « Siegen oder Unterliegen »! Und wir werden es inne, dass das « Zurechtfinden » unseres Verirrungsbogens in Wahrheit ein Heimfinden bedeutet, erfahren, dass alle sogenannte Desorientierung in Wirklichkeit etwas sehr Zweckmässiges, eine Urorientierung darstellt, womit der Untaugliche, der Mindertüchtige wieder heimgeführt wird.

Wir wissen jetzt, warum der ideale Verirrungskreis so selten zu treffen ist. Nicht im tollen Zirkel herum will uns die Natur mit der Verirrung narren. Haben wir einmal rechtsumkehrt gemacht, so lässt uns merkwürdigerweise die Verirrung aus, und die « Deviation » endigt wie beim Pferd, das seinen Reiter abgeworfen, nicht in der Wildnis, sondern vor einer soliden und fährnis-losen Stalltüre.

Dass wir aber auch von der Seelennot, die diese Umkehr begleitet, in unseren Schriften und Fahrtberichten so wenig vernehmen, trotzdem in diesem Examen recht eigentlich der Schlüssel zum ganzen Berggenusse liegt, ist eben aus Menschlichem und Allzumenschlichem zu erklären.

Immerhin gibt es seltene Ausnahmen.

Was Pierre Jaccard und der Verfasser vergebens gesucht und zu welchem Ende sie die Literatur aller Sprachen durchstöbert, steht, wie durch gütiges Geschick hergezaubert, im wundervollen Fahrtbericht von Dr. Walter Hofmeier « Col de Valpelline », in Nr. 1 unserer « Alpen », 1927: die Verirrung mit Rechtsbogen, die Zurückführung bis in vollständige Heimkehrrichtung nach dem Stockje, ferner die Seelennot und das sieghafte Neuansetzen mit neuem Motiv, nachdem die Tête Blanche statt rechts vorne links rückwärts erkannt worden.

Für die Bergpsychologie und für die Verirrungsfrage im besonderen ist die klare Wiedergabe hier von klassischer Durchsichtigkeit.

Die Kenntnis, dass jede einfachste Seelenregung, jedes aufglimmende Fünkchen Bewusstsein immer eine Orientierung, eine Raumfindung heisst und dass diese Orientierung unzweideutig gesetzmässige Bahnen schreitet, auch dort, wo sie verirrt und vom Wege abgekommen ist, hat so durch diese Beweisführung eine Stütze erhalten, die nicht nur philosophischen, sondern für uns hohen praktischen Wert hat.

Denn nicht nur beim Wegesuchen, sondern auch bei der Ermüdung, beim Training, bei jedem Lernen und Üben, aber auch bei Krankheit und Unfall begegnen wir diesen einfachsten Regungen, die eine zwangsläufige Raumbewegung, eine Andersorientierung einleiten.

Mit Tausenden von Reaktionen, die gesetzmässig sind und immer in der gleichen Folge wiederkehren, werden wir beständig zurechtgewiesen, in Abwehr gestellt, gewarnt und angehalten, aufgepeitscht und wieder abgeschreckt, und der Sinn dieser Bewegungen und Anderseinstellungen ist immer die Orientierung. Wenn wir aber genauer zusehen, wohin wir denn eigentlich orientiert werden, gewaltsam fast und zwangsläufig, dann ergibt sich, dass der im Räume sich tummelnde Mensch, der Künstler, der Sportsmann, der Arbeiter, der Bergfex, der Forschungsreisende, der Seefahrer, mit allem, was ihm begegnet, mit allem, was ihm hindernd oder fördernd sich in den Weg stellt, aber auch mit allem, was er denken muss und innerlich erleben, immer nur wieder auf jenem Verirrungsbogen kämpft, der ihn wieder auf seinen Anfangsstandort zurückweist. Und wenn wir es im einzelnen und genauer betrachten, so sind wir im Grunde nicht viel unabhängiger als die Pflanze, nur dass die Wurzeln, die uns festhalten, noch tausendmal fester als bei der Eiche und beim Bergahorn und durch keinen Beilhieb zu lösen sind.

Dieses ist aber nicht nur ein willkürlicher Bild vergleich.

Aus sorgfältig, durch ein halbes Jahrhundert und länger geführten Familiengeschichten und Ortschaftsstatistiken ergibt sich nämlich die höchst auffallende und sehr nachdenkliche Tatsache, dass das Werden und Gedeihen, das Blühen und Fallen der Geschlechter und der Einzelnen, das Krank-und Gesundsein niemals mit den sichtbaren und messbaren äusseren Zufälligkeiten, die wir zu beschuldigen gewohnt sind, als da sind: Epidemien, Seuchen-züge, Erkältungen oder wirtschaftlicher Konjunktur u. dgl. zusammenhangen, sondern einzig und allein mit dem Innehalten oder Verlassen des angepassten Standortes engstens zusammengehen.

Hier hat der Mensch seine natürliche Aufgabe, hier tätigt er am vollkommensten seine Arbeit, hier will die Natur ihn haben. Bindet ihn aber nicht nur mit tausend Abhängigkeiten, sondern verleiht ihm allein auch einen weitgehenden Schutz, eine eigentliche Immunität, gerade gegen seine bösesten Feinde und wichtigsten Gefahren.

Es ist erstaunlich, dass diese verblüffende Schicksalstechnik, die jede Familiengeschichte, jeder einzelne Lebenslauf dartut, so wenig gekannt, ihre Logik so spärlich angewandt wird. So war z.B. die Auswahl der Opfer der Grippe nur in diesem Sinne zu verstehen. So geschehen alle Einschläge: Unfall, Krankheit, Tod bei den meisten Berufsarten nachweislich nur unmittelbar nach solchen Wechseln und Andersorientierungen, z.B. nach der Pensionierung, nach der Versetzung, nach Wohnortsänderung.

So fehlen aber auch vielen Ständen und Berufen mit unerbittlichem Standort, mit streng rhythmischer Betätigung meistens alle Angriffspunkte für die unheimlichsten der geschlechterfällenden Feinde.

Es sind aber die gleichen Halte- und Warnrufe, dieselbe Form der Zurechtweisung und Heimfindung, dieselbe tastende, suchende Orientierung, die dort unseren Willen einspannen, wie im Verirrungsbogen.

Es ist das Urerinnern an einen gesicherten Standort, eine elementare Mahnung des angestammten Lebensrhythmus.

Auf dieser Abwehrkurve, auf diesem ewigwiederkehrenden grösseren Verirrungsbogen, spielt aber unser ganzes Schicksal.

Dass solches wissenschaftlich bereits umschrieben, praktisch dokumentiert ist, darf bescheidentlich angeführt werden.

Aber unsere Erkenntnis führt noch weiter und damit zum Kernpunkt dieser Erörterungen.

Jene, unsere Sinne immer gleichtreffende Zurechtweisung, jene bogenförmige Heimkehr, jener an seinen Ausgangspunkt zurückweisende Verirrungskreis: sie müssen sich aus zwei, sich entgegenstrebenden Kräften zusammensetzen, von denen wir erst den rückläufigen kennen.

Es gelingt nun mit einer geschickten Fragestellung nicht so schwer, auch der zielstrebigen, gradauslaufenden, ungestüm immer weiter und tiefer in den Raum, seine Eigentümlichkeiten, Gefahren und Unzulänglichkeiten vortreibenden Kraft im Menschen sich experimentell und mit exakter Forschung zu nähern. Wir sahen und massen so bei unseren Soldaten, dass eine Militärmusik, ein strammes Lied, eine scharfe Konsigne, dass aber auch die Nacht, die erste Ermüdung, so paradox es klingt, die Raumorientierung immer in gleichbleibender Weise gesetzmässig verschärfte, die Sicherheit vermehrte, also die Unsicherheit aufhob.

Und die Verirrungsbogen streckten sich, die Abwehrreaktionen und Seelennöte hörten auf, die Maroden verschwanden.

Ja, man konnte bei einer « homogenen » Truppe diese Sicherheitsventile ein- und ausschalten nach Willkür, und der letzte Mann reagierte darauf in ganz gleicher Weise. Man konnte einer verlorenen Patrouille mit einem Wort, einer kranken Kompagnie mit einem Trompetenstoss die Unsicherheit, die Erschöpfung, die Krankheit ausblasen. Und dies ist nur einer der vielen Beweise für unsere neue Erkenntnis; dass nämlich alle Raumorientierung und alles Versagen dieser Lebensfunktion sich nur in der Psyche abspielt nur dort verstanden und korrigiert werden kann. Die ganze Psychologie der — nicht nur durch den Bergführer, sondern wohl noch mehr durch den Truppenführer — meist in einer kleinsten Geste liegenden, von einer Sekunde auf die andere einschaltenden Sicherheit und Unermüdlichkeit beweist uns im ferneren täglich unsere These.

Es ist immer ein Ersetzen des Willens und der Bewusstseinseigenschaften durch eine straffe, eingeleisige Autonomie, das ist durch das nicht versagende Unterbewusstsein.

Was sind aber Übung, Training, Sport, Künstlertum und Genie anderes, als das systematische Wegschaffen von Wille und Bewusstsein und ihrer tausend Einwände?

Und es ist ein herrlicher Fund in der Tiefe unserer Seele, diesen Ursinn blosszulegen und zu erkennen, dass alle Anstrengung, alle Übungsarbeit, alle Ausdauer immer ein Kampf sind gegen das Nichtwollen der Materie und der Körperlichkeit und eine Verteidigung des herrlichsten « Erbgutes »: der Beherrschung des schrankenlosen Raumes.Charles Widmer.

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