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Die Lavaströme im Glarner Freiberg

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Mit 5 Bildern ( 65—69 ) und 1 SkizzeVon G. C. Amstutz

( Zürich ) Mach mich zum Wächter deiner Weiten, mach mich zum Horchenden am Stein, gib mir die Augen auszubreiten auf deiner Meere Einsamsein...

( Roiner Maria Rilke, Stundenbuch ) Es gibt Bergsteiger und Wanderer, welche die Landschaft fast nur mit dem Gefühl erfassen. Auf sie wirken vor allem die vielgepriesenen Stimmungen wegen ihrer grossen Gegensätze, besonders an Licht und Schatten. Andere Bergfreunde lieben vor allem den plastischen Fels, ihre Freude ist das Klettern. Wieder andere fühlen sich nirgends so nah bei Gott wie in der Natur: sie finden hier dasselbe, was andere in der Kirche. Dann gibt es auch noch Leute, welche nur aus wissenschaftlichem Interesse in bewaldete Höhen oder felsige und vereiste Gipfel steigen. Alle diese Bergkameraden können befriedigt, gestärkt oder gar begeistert heimkehren.

Wenn uns am harmonischen Wachstum unseres geistigen Horizontes gelegen ist, kann sich indessen unsere Bergfreundschaft auf die Dauer nicht nur auf eine Erlebnissphäre beschränken: unser Sinn fürs Schöne wird sich..

dem Bergerlebnis ebensosehr öffnen wie das Gefühl dem Erhabenen und unser Intellekt dem logisch Wahren. Der Anteil, den unser Intellekt am Bergerlebnis nimmt, entspringt unserem wissenschaftlichen Interesse. Oft fragen wir uns, wie wohl jene Blume so schön wachsen könne oder warum denn jener herrliche Fels so wild von Adern durchschwärmt worden sei, von harten weissen Quarzadern, die uns manchen Aufstieg über steile Platten ermöglichen. Wenn uns dann ein Botaniker oder ein Geologe vom eigengesetzlichen Geschehen im Grossen und Kleinen der Natur erzählt, so ergreift uns ein Staunen, eine Ehrfurcht und oft auch eine grössere Freude an den Naturschönheiten, und unwillkürlich sehen wir uns durch Erkenntnisse in einer Sphäre unseres Wesens in einer andern bereichert. In diesem Sinne möchten die folgenden Zeilen und Bilder kurz von der wissenschaftlichen Untersuchung eines noch wenig bekannten Naturphänomens berichten.

Wie der Schreiner, der Schmied oder irgendein anderer Handwerker hat auch der Geologe am Ende seiner Lehrzeit ein Meisterstück zu vollbringen, bevor er selbständig auf die Suche nach den kostbaren Gütern der Erdkruste, nach Erdöl, Erzen, Wasser u.a. m ., gehen darf. Die grosse Mannigfaltigkeit der Gesteinsarten und ihrer Lagerung erfordert eine grosse Erfahrung und somit eine lange Lehrzeit. Ungefähr die Hälfte dieser Lehrzeit verbrachte ich im Glarner Freiberg. Hier befinden sich vulkanische Laven, die ich während drei Sommern kartierte. Hartnäckig wurde Tag für Tag ein neuer Flecken des Gebietes untersucht und die Gesteinssorten in die Karte 1:10 000 eingetragen. Am Abend kehrte ich mit dem Rucksack voll Gesteinsproben und hungrig in die vortrefflich saubere Leglerhütte zurück, die mir durch die freundliche Fürsorge des Hüttenwartes zum wahren Heim geworden ist. Die Tage, an welchen weder eine neue Gesteinsvarietät noch ein neuer Zusammenhang sich zeigte, waren weitaus in der Mehrzahl und forderten grosse Geduld. Aber um so schöner war es jeweils, wenn sich nach langem Suchen und Vergleichen der Schleier ein wenig weiter abhob von den Geheimnissen der Gesteinswelt.

Geographie Auf der Landkarte fällt uns inmitten des Glarnerlandes eine allseitig von Tälern eingeschlossene rundliche Berginsel auf: der Glarner Freiberg. Im Osten bildet das Sernftal die Grenze, im Westen das Durnachtal und das Linthtal, das bei Schwanden mit dem Sernftal zusammentrifft. Einzig im Süden verbindet ein Grat, dessen tiefster Einschnitt der Richetlipass ist ( 2261 m ), den Freiberg mit der Hausstock-Vorab-Kette. Die höchste Erhebung bildet der Kärpfstock. Hier beginnen vier grössere Gipfelreihen, die Gand-stock-, Matzlenstock- und Schönaukette auf der Nordseite und die Bützistock- kette auf der Westseite.

Morphologie Schon aus der Karte 1:100 000 ist gut ersichtlich, dass die Oberflächenformen des Freiberges in erster Linie zwei Ursachen besitzen: die Härte und Lagerung der Gesteinsschichten und die Gletschererosion. Fast durchwegs bestehen die Gipfelreihen aus steilen Felspartien und verraten härteres Gestein als die Grashänge der Bergflanken. Die schönen runden Karkessel mit den zahlreichen Karseen und Rundhöckern beweisen, dass es vor allem die Gletscher waren, die das heutige Relief des Freiberges modelliert haben. Das ganze Gipfelkettengerippe kann aufgefasst werden als übriggebliebene Kar-seiten- und Karrückwände. Der Morphologe spricht in diesem Falle von Kar-lingkämmen.

Geschichte Der Freiberg « Karpfen » ist der älteste Freiberg der Schweiz. Im Jahre 1548 wurde von Landammann Joachim Bäldi zum erstenmal der Vorschlag gemacht, den Karpfen zum Jagdbanngebiet zu erheben, zwar mehr aus ökonomischen Erwägungen heraus als aus Naturgefühl. Im Jahre 1569 endlich beschloss die « gantze Landtsgmeind zu Schwanden versampt, dem gmeinen Lannd Glarus zu nutz und gutem ein Fryberg Im Gantberg » zu « Fryen »: « Darumb so gebietennd min Herren allen unsern Landtlüthen, Dienstknächten und Hindersässen, das Niemandt In Oberzellter Fryheit gentzlich kein Roth-gwild, mit einem gespalttnen Fuss als Gemsen, Hirtzen, Hinnen oder Reh, nit schiessenn, umbringen, noch beleidigen solle, ess were mit fallen, thruen, oder sonst Inn ander wäg, bim eydt und schwerer Straff, so min Herren daruf setzen wurdenn. » ( Aus F. Knobel, Jagd, Wild-, Wald- und Pflanzenschutz im Glarnerland, Mitteilungen der naturforschenden Gesellschaft des Kantons Glarus, 1922. ) Der Bestand an Gemsen wird neuerdings auf über 1500 geschätzt. Der Bannbezirk besitzt eine Grosse von rund 130 km2. Ebenso zahlreich sind die Murmeltiere. Auch Adler, Kolkraben, Habichte und Falken, Schneehühner und Schneehasen, Auerhühner und Wiesel können häufig beobachtet werden.

Geologie Es ist ein schöner Zufall, dass das Kärpfgebiet nicht nur bedeutend mehr Wild beherbergt als jeder andere schweizerische Bannbezirk: hier findet sich auch das schönste Vorkommen von vulkanischen Gesteinen, das man in den Schweizer Alpen beobachten kann. Zwar sind die Laven des Kärpfstockgebietes schon lange erstarrt. Aber durch die Erosion sind ihre Fliessformen wieder ans Tageslicht gebracht worden und bilden heute prächtige Plateaus und Stufenlandschaften ( Bild 4 ). Um den geologischen Aufbau des Freiberges zu verstehen, müssen wir ein wenig Erdgeschichte treiben.

Seit dem Archaikum, der ersten Epoche der geologischen Zeitrechnung, sind iy2 bis 2 Milliarden Jahre verflossen. Das Relief der Erdoberfläche hat dabei recht häufige Umwandlungen erfahren. Meere, Wüsten und fruchtbare Gebiete lösten sich ab. Mit einer gewissen Regelmässigkeit fand ein Wechsel statt zwischen relativ ruhigen und unruhigen Perioden. Während den unruhigen schoben sich feste Stücke der Erdkruste zusammen und türmten die schwächeren Zwischenzonen auf zu Gebirgsgürteln. In ruhigen Zeiten nagten Frost und Hitze, Wind und Pflanzenkräfte die Gebirge langsam wieder ab, und das Wasser trug Geschiebe und Sand, Schlamm und Lösungen in die Meere, wo sich die mächtigen Sedimentgesteinsbänke bildeten, die Kalksteinbänke, Sandsteinbänke u.a. m. Während der gebirgsbildenden Perioden drang dann jeweils aus tieferen Krustenzonen flüssiges Gesteinsmaterial ( Lava ) unter und auf die Erdoberfläche hinauf und trug wesentlich bei zum Aufbau neuer Gebirgsgürtel. Die vorletzte Periode der Gebirgsbildung nennt man die herzynische, die letzte die alpine. Am Ende der herzynischen Gebirgsbildung befand sich da, wo heute der Alpenbogen steht, grossenteils ein flaches, trockenes Land mit temporären Flüssen ( Vadis ) und Seen. Diese Zeit nennt man Perm. Die Sedimente des Perm sind grobe und feine Trümmer des herzynischen Gebirges, von dem der Schwarzwald ein Überrest ist. Diese Konglomerate, Brekzien und Sandsteine werden oft einfach mit « Verruccano » bezeichnet.

Im Verlaufe des Abklingens der vulkanischen Tätigkeit am Ende der herzynischen Gebirgsbildung drangen in und auf die eben beschriebenen Sedimente vulkanische Laven. Aus den Vulkanschloten wurden grosse Massen Asche ( vulkanische Tuffe ) und teils noch halb flüssige, teils schon ganz feste Gesteinsbrocken herausgeschleudert. Die vulkanischen Aschen vermischten sich teilweise mit Sedimenten, was zu Tuffiten führte. Der Glarner Freiberg wird somit durch drei Gesteinsarten aufgebaut: durch Sedimente, vulkanische Laven, Tuffe und Tuffite.

Über diese Gesteine der Permzeit lagerten sich dann die mächtigen Sedimentschichten des Mesozoikums ab ( Trias, Jura, Kreide ), im allgemeinen in Meeren. Am Ende der Kreidezeit, das war vor ungefähr 60 Millionen Jahren, spielten sich die Hauptphasen der Alpenfaltung ab. Dabei wurden nun die Sedimente in dem früheren Mittelmeer ( der sog. Thetis ) zwischen Afrika und Europa zusammengestaucht und zum Alpengebirge aufeinandergetürmt, indem Afrika um etwa 100 km gegen Europa vorrückte. Die Sedimenttafeln des alten Mittelmeerbeckens wurden übereinandergeschoben, wobei oft ältere Schichten auf jüngere zu liegen kamen. Unser Verrucano wurde mitsamt den darüber liegenden Kalken usw. vom Untergrunde weggeschert und über nördlich liegende, viel jüngere Sedimentschichten weggeschoben ( Zeichnung !), auf welchen er heute liegt ( Flysch des Tertiärs ). An der Basis dieser überschobenen Sedimentpakete zieht sich ein weissgraues Kalkband hin, der Lochseitenkalk ( benannt nach der Örtlichkeit Lochseite bei Schwanden ). Er diente bei der Überschiebung vielleicht als Gleitmittel. Dieses Kalkband tritt sowohl auf der Eimer Seite des Freiberges wie auch südlich von Elm ( Piz Segnes, Tschingelhörner, Piz Grisch, Vorab, Hausstocksehr schön zutage und markiert deutlich die Trennungslinie zwischen den jungen verfältelten Flyschschiefern unten und dem ( der Überschiebungsfläche schön parallel liegenden ) Verrucano oben. Die Überschiebungsfläche verläuft mit einer Neigung von ziemlich konstant 12° nach Nordnordwesten. Sogleich sieht man, z.B. vom Richetlipass aus, wie die jungen weichen Flyschschiefer der Erosion viel weniger Widerstand entgegensetzen als die darüberliegenden Verrucanoschiefer; denn die Geländeformen sind unter dem weissen Lochseitenkalkband sogleich viel weicher. Bei der Kärpfbrücke im Niederental hat der Niederen-bach die Verrucanodecke durchfressen. Er fliesst auf eine Länge von ungefähr DIE LAVASTRÖME IM GLARNER FREIBERG hundert Metern unter dem Lochseitenkalk durch, der eine prächtige Naturbrücke bildet, und hat sich schon einige Meter in den Flysch eingegraben. Es ist dies ein schönes Beispiel für ein geologisches Fenster. ( Der junge Flysch und Lochseitenkalk schaut aus dem alten Verrucano hervor. ) Pétrographie Vom alpinistischen Standpunkt aus gesehen ist es ein grosses Glück, dass der Glarner Freiberg nicht nur aus Verrucanoschiefern aufgebaut ist. All die wundervollen Kletterberge, vom Bützistock bis zum Berglihorn, bestehen nämlich zur Hauptsache aus den vulkanischen Laven. Es hat drei verschiedene Lava-Arten: ganz weisse bis grünlich- oder rötlichweisse ( Quarzporphyr ), violette bis violettrötliche ( Keratophyr ) und grasgrüne bis graugrüne ( Spilit ).

Die weisslichen Laven sind das beste Klettergestein unter den drei Arten; denn sie sind rauh, hart wie Guss und gelegentlich schön zerklüftet wie ein Granit oder von Quarzadern durchschwärmt, an denen man einen zuverlässigen Halt hat ( Bild 5 ). Rauh ist dieses Gestein deshalb, weil es zu einem Teil ( meist zur Hälfte ) aus einer ganz feinen, fast glasigen Grundmasse besteht, in der Quarz ( farblos bis rosa ) und Feldspat ( himbeeirot bis weiss ) eingestreut sind und beim Verwittern als kleine Höcker ( 0,1 bis 5 mm Durchmesser ) aus der feinen Grundmasse herausragen. Die Quarzporphyre weisen einen lagigen und selten schlierenartigen Farbwechsel auf. Daran kann man ab und zu Fliessformen sehen wie an farbig gestreiftem Glas, das vom Glasbläser gezogen und gewunden wurde. Die Lavaströme lassen sich so recht gut erkennen, ganz besonders schön aber östlich der Kärpfscharte ( Bild 4 ). Der Quarzporphyr baut den ganzen Bützistock auf und den Grosskärpf, Kleinkärpf und Unterkärpf zur Hauptsache. Wie der beigefügten Karte entnommen werden kann, bildet sie auch am Sonnenberg und am Karrenstock einen mächtigen Horizont. Als ausgezeichneter Baustein konnte er beim Bau des Stausees Garichte im Niederental als Verkleidungsmaterial der Staumauer dienen, und hoffentlich wird die geplante neue Leglerhütte in diesem wunderbaren Gestein erprangen.

Blickt man von der Leglerhütte zum Kärpfstock hinauf, so sieht man zwei weisse Quarzporphyrlinsen nach Süden auskeilen: die obere unmittelbar über dem Kärpfgletscher, die untere unter der grossen Moräne als Rückwand eines grossen Karkessels.

Während der violette Keratophyr und der grüne Spilit fast immer nebeneinander oder sogar vermengt auftreten, besteht zwischen diesen beiden Laven und dem Quarzporphyr keine ähnliche Beziehung. Es ist zwischen ihnen nicht einmal ein Kontakt zu beobachten. Mit seltsamer Konstanz befindet sich überall eine trennende Schieferschicht von oft nicht mehr als 50 cm Mächtigkeit. Am schönsten zeigt dies das Nordufer des Milchspühlersees im Süden der Leglerhütte, wo zuoberst Quarzporphyr ansteht und ein schönes Plateau bildet. Dann folgt eine Schicht roter Verrucanoschiefer, dann eine Zunge Spilit und darunter wieder Schiefer, dann eine Bank Keratophyr und zuunterst, am Ufer, sieht man wieder rote Schieferpartien. Diese letzteren sind

Lavaströme im Glarner Freiberg 1

Büd2.

Silhouetten der Karriegel westlich des Mild spühlersees. Diese bestehen ganz aus Lav Bild 3.

Dünnschliffbild eines Keratophyrs. Die wei sen Tafeln bis Nadeln sind Feldspat, die dunk Grundmasse Eisenerz ( Hämatit ) Vergrössi rung 40 mal.

IBk.MM Bild 5.

Zerrklüfte im Quarzporphyr ( mit Quarz gefüll Nordgrat Grosskärpf.

Bild 4.

Freigelegte Lavazunge ( Quarzporphyr ) östli der Kärpfscharte. Rechts die Ostwand d Grosskärpfs, ebenfalls aus Quarzporphi der meist so weiss ist wie der Schnee.

66/69 - Aufnahmen G. C. Amstutz Art. Inantut Orell Füssli A.G. Zur Die Alpen - 1948 - Les Alpes flacher und grasbewachsen, weil weniger widerstandsfähig, die Erguss-gesteinsbänke sind hart und bilden deshalb steile Bänder.

Nicht so imposant wie die hellen, aber im Detail interessanter sind die grünen und violetten Laven. Das schlackige Aussehen der Keratophyre beweist, dass ihr Gehalt an Dämpfen und Gasen sehr gross gewesen sein muss: sie liessen partienweise schön rundliche oder unregelmässige Hohlräume zurück, welche sich nachträglich mit Karbonaten ausfüllten ( ( i Mandelstein » ). Die Spilite indessen sind nie blasig, sondern oft plattig. Beide dunkle Lava-arten sind oft von grünen, roten oder schwarzen Tüpfchen durchstreut. Das sind Einsprengunge oder Einschlüsse einer bestimmten Mineralsubstanz.

Die Eruptivgesteine ( Granit, Syenit, Basalt, Porphyr usw. ) sind durch Erstarrung aus Laven entstanden. Wo die Abkühlung langsam vor sich ging, kristallisierte das Magma ganz aus ( z.B. als Granit, wo unzählige Feldspat-, Quarz- und Glimmerkristalle gleichmässig wuchsen, bis sie aneinanderstiessen und zum festen Gefüge des heutigen Granites wurden ). Trat die Abkühlung schnell ein, wie in unsern Laven, kam es nicht zu einer vollständigen Auskristallisation: ein Teil blieb glasig ( unkristallisiert ) oder sehr, sehr fein-kristallin und bildet heute die Grundmasse. Ein anderer Teil wuchs zu Kristallen heran. Verlief die Abkühlung stufenweise, so bildeten sich verschiedene Generationen von Kristallen. Einsprengunge nennt man dabei die in einer feinen, später oder überhaupt nicht kristallisierten Grundmasse verstreute erste Kristallgeneration ( Quarz und Feldspat im Quarzporphyr ).

Der Mineralbestand der Keratophyre und Spilite ist merkwürdig einfach: sie bestehen zu 70—80 % aus Albit ( Na-Feldspat ). Der Rest ist bei den Spi-liten Chlorit ( Mg-Al-Fe-Silikat ) und Epidot ( Ca-Al-Fe-Silikat ), bei den Kerato-phyten Hämatit ( Eisenerz ). Die Verteilung von Albit und Hämatit in den Keratophyren ist aus Bild 4 sehr schön ersichtlich. In der Hauptmasse des farblosen Albites mit dem grünen Chlorit und dem rötlichen Hämatit finden sich meistens Einschlüsse von dunkelgrünem Chlorit oder Einsprengunge von rotem oder schwarzem Hämatit und grösseren Albitkristallen, die als glänzende bis weisse kleine Täfelchen von blossem Auge gut beobachtbar sind ( am schönsten am Hahnenstock ). Zur Gesteinsuntersuchung werden Dünn-schliffe hergestellt. Das sind Gesteinsplättchen von 0,02 mm Durchmesser, die man mittels eines Polarisationsmikroskopes betrachtet.

Im Gegensatz zum Quarzporphyr hat es in den dunklen Ergussgesteinen noch allerlei Merkwürdigkeiten. Dazu gehört vor allem das strudelschlieren-artige Auftreten von hämatitreichen Partien im Spilit, das 100 m südlich der Leglerhütte gut sichtbar ist. Sehr zahlreich sind die Quarz-Chlorit-Klüfte, die als grünlichweisse Schnüre durch die Laven verlaufen. Wenn wir die Kontakte der Laven mit den Schiefern aufsuchen, so sehen wir sehr gut, dass eine Uberfliessung stattgefunden hat; denn die feinen Schiefer sind meistens etwas verstellt worden unter dem Druck des Lavastromes, oder die glutflüssige Lava ist teilweise in die Schiefer eingedrungen oder hat diese randlich aufgefressen ( resorbiert ).

Am schönsten treten diese dunklen Laven in der grossen Stufe zutage, die vom Heuergrat über dem Kühtal durch, unter der Leglerhütte vorbei Di8 Alpen - 194S - I*s Alpes20 zum Sonnenberg zieht. Hier bilden diese Laven bald mächtige Bänke, bald durchschwärmen sie die Schiefer in kleineren Zungen ( Lagergänge ). Auch die beiden Gipfelreihen vom Kärpfstock bis zum Matzlenstock einerseits und bis zum Gandstock andererseits bestehen in ihren obersten, steilsten Partien aus den dunklen Laven. Am Gandstock erreicht eine Keratophyrbank eine maximale Mächtigkeit von 110 m. Das Berglihorn besteht ganz aus Keratophyr. Hier hat es Mandelsteinvarietäten mit strahlig in die Mandeln ragenden Epidotkristallen.

Wie aus der Profilzeichnung ei sichtlich ist, befindet sich auch auf dem Hausstock noch ein Verrucanohut, ebenso auf dem Vorab, Piz Grisch und Piz Segnes. Wenn es hier auch bedeutend weniger Eruptivgesteine hat, so fehlen sie immerhin nicht ganz. Indessen sind sie bei der alpinen Überschiebung fast durchwegs ziemlich stark verschiefert worden und sind deshalb oft kaum von den Sedimenten zu unterscheiden. Im Kärpfgebiet hat nur teilweise eine Verschieferung stattgefunden und erfasste vor allem die Sedimente.

Einige kurze Bemerkungen sollen noch den Tuffen und Tuffiten gelten. Ihr klassisches Gebiet ist die Karstufenlandschaft zwischen Milchspühlersee und Hahnenstockgrat. Sie sind wechselweise grün bis violett und enthalten partienweise eine Unmenge von Quarzkarbonateiern von 0,1 bis 30 cm Durchmesser. Diese Eier fallen bei der Verwitterung heraus, und es bleibt ein Gestein zurück, das oft zur Hälfte ( oft sogar zu über 50 % des Volumens ) aus Löchern besteht. Ab und zu enthalten diese Tuffmassen kleinere Lavalinsen von ca. 1-10 m Durchmesser oder — andererseits — wieder Lagen von Verrucanoschiefern oder Konglomeraten. Schiefer und Konglomerate sind ab und zu gemischt mit Tuffen; man spricht dann von Tuffiten.

Eine der grössten Merkwürdigkeiten der beschriebenen Laven indessen ist ihre einseitige Zusammensetzung. In der Hauptsache bauen ja immer nur zwei Mineralien das Gestein auf. Diese Tatsache erklärt man sich durch Annahme einer gravitativen Differentiation im Magmaherd: In den Lavakammern der Erdkruste findet prinzipiell das gleiche statt wie in der Frischmilch, die wir über Nacht stehen lassen: die leichten Bestandteile ( in der Milch das Fett ) wandern nach oben, die schweren sinken ab. So resultieren am Schluss getrennte, eintönig zusammengesetzte, schichtig übereinanderliegende Lava-horizonte. Die Zusammensetzung eines Lavastromes hängt nun sehr davon ab, aus welcher Schicht der Lavakammer er stammt.

Eine Bergwanderung oder Kletterei führt uns aber nicht nur die Werke des Unterweltgottes Pluto so eindrücklich vor Augen, dass wir hier eine Ätna- oder Vesuvreise im kleinen erleben können: wir haben hier, auch abgesehen von der mannigfaltigen Tierwelt und der märchenhaften Landschaft mit der weiten Rundsicht, zu guter Letzt noch eine seltene, reichhaltige Flora.

Sei es, dass wir als Geologen, Botaniker, erholungsbedürftige oder andächtige Wanderer, als Kletterer oder als Tierfreunde in den Glarner Freiberg steigen, immer werden wir überrascht und erfreut heimkehren können und uns gerne später an jene Höhen erinnern.

( In der Leglerhütte befindet sich eine kleine Sammlung der oben beschriebenen Gesteine, insbesondere der Laven. ) Literatur zur Weiterbildung:

Jakob, J., Der chemische Aufbau unseres Planeten. Zürich 1943. Büchergilde Gutenberg. Knobel, Frid., Jagd-, Wild-, Wald- und Pflanzenschutz im Glarnerland. Mitt. der naturforschenden Gesellschaft des Kantons Glarus, 1922. Oberholzer, J., Geologie der Glarner Alpen. Beiträge zur geol. Karte der Schweiz.B.ern 1933.

— Der geologische Bau der Glarner Alpen. Mitt. der naturforschenden Gesellschaft des Kantons Glarus, 1934.

— u.a. Geologische Karte der Glarner Alpen. 1933.

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