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Die Schneedecke auf Gotthardhospiz

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Eine meteorologische Betrachtung.

Mit 1 Bild und 1 Skizze.

Von Ernst Ambühl

( Bern-Liebefeld, Sektion Piz Lucendro )

Während in den Voralpen der Winter im Februar seine Kulmination erreicht, wird die Schneedecke im Hochgebirge im allgemeinen bis nach Ostern immer mächtiger. Die Eigenschaften dieser Schneedecke sollen im folgenden für das Gotthardhospiz ( 2100 m ) ausführlich dargelegt werden. Es soll der Mittelwert der Schneekurve der vergangenen 40 Jahre für jeden einzelnen Kalendertag dargestellt und diskutiert werden, von Anfang Oktober bis Ende Juni. Es wird also hier über jeden der mehr als 8400 Tage Rechenschaft hinsichtlich ihrer Schneehöhe quantitativ oder qualitativ abgelegt werden. Alle Angaben stammen aus den Annalen der schweizerischen meteorologischen Zentralanstalt, mit Ausnahme der Mittelbildung.

Der Gotthard ist für die Schweiz die höchstgelegene Station, die auf 40 Jahre Schneehöhenbeobachtung zurückblicken kann und für die nachstehende Resultate vorliegen. Wohl weist unser Land bekanntlich eine Anzahl höher gelegener meteorologischer Stationen auf Davon sind aber Jungfraujoch und Weissfluh] och neueren Datums, und zudem sind die genannten Stationen wie auch der Säntis ( seit 1882 ) infolge ihrer Joch- und Gipfellagen wenig geeignet, Schneemessungen ohne grossen Fehler zu liefern ( windexponiert !). Im Gegensatz dazu bildet der Gotthardpass ein grosses etwa % km auf I/2 km messendes Granitrundhöckerplateau, das nach Süden ca. 15 m abfällt. Am Südrande bei den drei Seen befinden sich die Gebäulichkeiten, wo auf einer flachen Stelle seit 40 Jahren beobachtet wird. Selbstredend spielen auch hier die Winde eine grosse Rolle, jedoch wird ihre Wirkung durch die breite und flache Passlage gemildert im Gegensatz zu den Gipfeln. Es wird ja fast ausgeschlossen sein, irgendwo eine Meßstelle zu finden, wo die Windeinflüsse ausgeschaltet sind. Die Wahl einer solchen Stelle kann dann als gut bezeichnet werden, wenn sie sowie die näheren neutralen Plätze ( also keine Buckel und keine Mulden ) gleichzeitig ausapern. Diese Bedingung sollte auch zutreffen, wenn in den verschiedenen Wintern verschiedene Winde das Regime führen.

Wir beginnen nun unsere Betrachtungen mit dem 1. Oktober. Wo im Folgenden nichts Besonderes bemerkt ist, handelt es sich immer um das 40j ährige Mittel 1901-1940. Am 1. Oktober beträgt nun diese mittlere Schneehöhe 5 cm, aber mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit ist dann der Pass noch schneefrei. Es wird uns nun interessieren, wann es auf diesen Höhen einschneit, d.h. wann die definitive Schneedecke beginnt. Eine Schneedecke liegt nach meteorologischer Definition dann vor, wenn mehr als die Hälfte des Bodens in der Umgebung der Station mit Schnee bedeckt ist. ( Dieser Begriff deckt sich voll und ganz mit demjenigen des Ausaperns, wie ihn der Bergbewohner kennt. ) Dieser Tag ist der 25. Oktober, und die Schneehöhe beträgt dann bereits 27 cm.

Ca. 2/3 aller Werte des Winterbeginnes liegen zwischen dem 10. Oktober und dem B. November. Es schneit somit in der Regel Ende Oktober ein, sehr selten erst nach Mitte November, und das Ereignis, dass sich der Winter schon im September festsetzt, ist seit 1864 erst viermal eingetreten. Am frühesten meldetete sich der Winter 1905 ( kältester Oktober der meteorologischen Geschichte ) am 24. September, und am längsten behauptete sich der Sommer 1920, wo die permanente Schneedecke erst am 28. November begann. Durchgeht man dann noch die altern Jahrgänge der Originalaufzeichnungen, so erhält man als frühestes Datum des Einschneiens den i

Die heftigen Herbstniederschläge konzentrieren sich auf dem Gotthard tendenzmässig auf die letzten 10 Oktobertage. Der Oktober ist sowohl hier als auch im Tessin und in der Poebene, wie auch noch nördlich der Wasserscheide bis nach Wassen und zur Handegg im Haslital der nasseste Monat. Im Gegensatz zu dieser Tatsache sind im schweizerischen Mittelland Juni, Juli und August die niederschlagsreichsten Monate, nachher nehmen die Regen im allgemeinen ab. Die Grenze dieser beiden verschiedenen Niederschlagstypen verläuft nun aber nicht genau auf dem Alpenkamm, sondern nördlich davor, wie oben erwähnt. ( Typische Föhntäler. ) Da sich nun auf den rauhen Höhen des Gotthards im letzten Oktoberdrittel die Temperatur schon stark der 0-Grad-Grenze nähert, so ist es weiter nicht verwunderlich, dass diese « Klippe » nicht mehr passiert werden kann, ohne damit den Winter in Kauf nehmen zu müssen. Ebenfalls alle meteorologischen Stationen des Kantons Uri zeigen diesen Wintereinbruch Ende Oktober deutlich. Zählt man nämlich die Tage mit Schneedecken aus, im Zeitraum 1900-1940, so zeigen folgende Kalendertage darin ein Maximum: Andermatt am 25. Oktober, Göschenen am 26. und 27. Oktober. Gurtnellen am 26. Oktober und Altdorf am 28. und 29. Oktober. Für Guttannen im Haslital ist es ebenfalls der 26. Oktober. Zum Einschneien kommt es aber dabei mit seltenen Ausnahmen beim Urserntal nicht, sondern es ist nur ein in der genannten Zeit stattfindendes Gastspiel des Winters. Das oft während dieser Zeit herrschende schlechte Wetter spiegelt sich in vielen Bauernregeln wider. Im « Wilhelm Teil » sagt Ruedi, der Schiffer, in der ersten Szene: «'s ist heut Simon und Juda, da rast der See und will sein Opfer haben. » ( 28. Oktober. ) Gerade in diesen Tagen erobert sich aber der Winter grosse Gebiete in den Alpen und Voralpen zurück, wie anschliessend gezeigt werden soll.

Bei den Galenhütten, ca. 140 m oberhalb Hotel Belvédère—Furkastrasse, auf 2409 m, konnte ich den Winterbeginn für den 22. Oktober ermitteln. Es beginnt hier also die dauernde Schneedecke nur um drei Tage früher als auf dem Gotthard.

Von Allerheiligen an — wir charakterisieren immer das 40jährige Mittel — zeigt sich gerne für einige Tage milde Witterung, der Martinisommer. Schon kurz nach dem 20. November erobert sich der Winter das Urserntal. Die ruckweise Abwärtswanderung des Winters tritt hier recht deutlich in Erscheinung. Für die 310 in Höhendifferenz wurden seinerzeit für Furka-Gotthard bloss drei Tage benötigt. Für diese 650 m aber braucht es vier volle Wochen!

Die Schneekurve des Gotthardhospizes, der wir uns nun wieder zuwenden wollen, steigt weiterhin steil an, und erst von Mitte Dezember zeigen sich Spuren der Verflachung. Bemerkenswerte Rückschläge, wie sie bei analogen Kurven um und unter 1000 m Höhe auftreten ( z.B. Airolo, Göschenen, Gurtnellen, Guttannen ), zeigen sich hier nicht, da auf der Höhe des Gotthards ein Wärmeeinbruch im allgemeinen keinen oder nur einen sehr untergeordneten Einfluss auf die Verminderung der Schneehöhe ausübt, und in einem so langjährigen Mittel gar nicht zum Ausdruck zu kommen vermag. In eine ebene Partie der Kurve gelangen wir zwischen dem 20. Januar und dem 5. Februar. Diese beiden Monate sind im langjährigen Mittel die trockensten. Wir sehen, wie die Höhe der Schneedecke ziemlich lang sich nicht nach oben zu bewegen vermag, bis nach dem 10. Februar, einer Zeit, die wieder gerne mit grosser Kälte oder Stürmen aufwartet. ( Grösste Kälte 1929: am 12., 13., 14. Februar; schwerer Wettersturz Mitte Februar 1925. ) Besonders markant ist das « Horn » um den 10. März. Um diese Zeit finden nämlich vielfach Rückschläge mit grossem Schneefall bis unter die 1000-m-Grenze statt. Der 9. und 11. dieses Monats zeigen für das Reusstal und Haslital die grösste Schneehöhe im Mittelwert vieler Jahre. Das gilt für Andermatt ( mittlere Höhe an jenen Tagen über 1 m ), dann auch für Göschenen, wo am 9. März mit 46 cm die Kulmination der Schneedecke erreicht wird, sowie für Guttannen mit 66 cm am 9. und 11. März. ( Selbst ermittelte Werte. ) Im noch tiefer gelegenen Gurtnellen ( 742 m ) wird bereits zu Lichtmess ( 2. Februar ) im Mittel die grösste Schneetiefe mit bescheidenen 21 cm registriert.

Unbekümmert um diese Tatsachen wächst aber die Schneedecke auf dem Gotthardpass weiter und weiter. Erst am 7. April wird das Maximum erreicht und beträgt 273 cm. Den aufsteigenden Kurvenast in Zahlen festgehalten, bekommt man folgende Werte:

50 cm am 7. November, 100 cm am 23. November, 150 cm am 12. Dezember, 200 cm am 12. Februar, 250 cm am 12., 14. und 19. März.

DIE SCHNEEDECKE AUF GOTTHARDHOSPIZ.

Auf den Höhen des Säntisgipfels wird dieses Maximum nochmals um 2-3 Wochen hinausgeschoben, so dass die beginnende Schneeschmelze auf dem höchsten Alpstein erst mit dem Mai beginnt, im langjährigen Mittel betrachtet. Auf dem Gotthardhospiz weisen die einzelnen Jahresmaxima manchmal ganz andere Werte nach oben und nach unten auf und halten sich oft recht wenig an das genannte Datum. So wurde z.B. im Winter 1922/23 Maximum - »..0™ Schneehöhenkurve vom St.öotc-haxdhospiz, vomixiow-3o.jx.mo.

Nach den Angaben der meteordogiscten Zen-trdknstâlt, zusammengestellt von E. Ambühl.

Kleinste Maxima « 5gn.in.«Mji*octni 9>.i9ät Einschneien-,Extreme: iv.9.ieo5| a*. 11.19*0. Ausapern-.Extreme: ias.i90ejM7i9fru.ieit Entsprechende wahrschainlicheWerte ab :2.5.

am iu O.S* IV.

VI.

E. A. 21. 3. 41.

die höchste Schneemenge schon am Tage nach Neujahr gemessen, während 1938/39 die Schneeschichten erst am 20. Mai — zwischen Auffahrt und Pfingsten — ihren maximalen Betrag aufwiesen.

Interessanter sind die absoluten Extremwerte. So lag am 31. März 1916 der Schnee volle 670 cm hoch, und im folgenden Jahre wurden am 23. April noch 650 cm beobachtet. Es sind dies fast unglaublich grosse Schneemassen, wenn man bedenkt, dass der Fahrdraht des Zürcher Trams 610 cm hoch liegt. Möglicherweise war der Winter 1878/79 noch'schneereicher ( Ende Mai 7 m ?), oder gar 1887/88, wo am 25. April die Schneehöhe 7% bis 7*4 m betragen haben soll! Zum Vergleich sei die maximale Schneehöhe vom Furkapass 675 cm vom 2. Mai 1919 angeführt, wobei am gleichen Tage auch der Säntis sein bisheriges absolutes Maximum mit 785 cm notierte.

1932/33 wurden am 18. Januar nur 155 cm beim Gotthard-Hospiz gemessen und 1920/21 am 9. April 160 cm. Diese beiden Werte stellen die kleinsten Maximalbeträge sowohl in diesen vergangenen 40 Jahren als höchst wahrscheinlich auch bis zurück auf 1864 dar.

Betrachten wir unsere Kurve, aufgeteilt in die vier vergangenen Dezennien, so überraschen uns die Unterschiede: im ersten Jahrzehnt betrug im Mittel die maximale Schneehöhe 328 cm, 1911-1920 waren es 373 cm, im dritten Dezennium 229 cm und endlich im abgelaufenen Jahrzehnt nur noch 198 cm. Also waren die Schneemengen am Gotthard früher bedeutend höher; namentlich weisen die Kriegswinter durchwegs enorme Beträge auf. Seit dem Winter 1926/27 wurden Mächtigkeiten von mehr als 4 m nicht mehr erreicht, während vorher dies 12 mal zur Tatsache wurde. Die Frage, ob es sich hier um Zufälligkeiten oder Periodizitäten klimatischer Natur handelt, muss hier offen gelassen werden.

Wenden wir uns nun dem absteigenden Kurvenast zu. Nach dem 7. April ist das Sinken ganz analog wie der letzte Teil des Anstieges. Es treten sogar noch einige kleine Gegensteigungen auf. Aber vom 1. Mai an ändert sich der Charakter der Kurve ziemlich plötzlich. Im Gegensatz zum oft zögernden Aufstieg mit vielen Unregelmässigkeiten und kleinen Rückschlägen tritt nun ein sehr starkes Fallen ein. Man sieht, wie der Frühling mit Wucht und Macht einsetzt. Die bösen Eisheiligen und die Schafkälte ( um den 10. Juni ) zeichnen sich keineswegs in der Kurve ab. Die Linie verläuft ganz glatt, und erst von Mitte Juni an wird sie flacher. Im Durchschnitt findet die grösste Schmelze vom 31. Mai auf den 1. Juni mit fast 9 cm statt. Am intensivsten war sie im Jahre 1917, wo nach einem schneereichen April ein recht warmer Maimonat folgte. In einer Woche wurde die Schneedecke um 180 cm dezimiert, und vom 23. auf den 24. Mai wurde eine Verminderung von 35 cm errechnet. Das ist ausserordentlich viel, denn im allgemeinen sind schon 20 cm ein ansehnlicher Betrag.

In Zahlen zeigt die absteigende Kurve an den betreffenden Tagen die nachfolgenden Werte: „ _.. „.

ö250 cm am 4. Mai, 200 cm am 18. Mai, 150 cm am 27. Mai, 100 cm am 3. Juni. 50 cm am 13. Juni.

Die kleine Grünfläche neben dem Hotel Monte Prosa, auf der die Schneehöhen gemessen werden, apert am 17. Juni aus. Im Durchschnitt haben wir dann noch eine Höhe von 38 cm ( weil die Schneeschmelze nicht immer mit diesem Datum beendet ist ). Wir fanden beim Einschneien am 25. Oktober eine Höhe von 27 cm. Das Ausapern hat während der 40 Beobachtungsjahre eine ähnliche Streuung wie das Einschneien. Das Ausapern erfolgt somit in der Regel im Juni oder in den allerersten Tagen des Juli. Später gehört es zu den Seltenheiten, wie anderseits ein Schneefreiwerden schon Ende Mai oder gar noch früher einen ausserordentlich frühen Lenzbeginn bezeichnet.

Am frühesten wurde der Boden am 20. Mai des sonst wenig rühmlichen Jahres 1909 schneefrei. Anno 1933 war die Schneedecke am 7. Mai allerdings nur wenig mehr als 5 cm mächtig, als eine Schlechtwetterperiode den Frühlingseinzug um zwei Wochen hinausschob. Die späteste Schneeschmelze erfolgte in den Jahren 1914 und 1916 am 20. Juli. Zieht man noch die altern Jahrgänge der Beobachtung ( bis 1864 ) zum Vergleich herbei, so findet man wahrscheinlich als noch früheres Datum den 5. Mai 1865, und anderseits war das Ende des schneereichsten Winters 1888 erst am 26. Juli.

Rasch hält der Frühling seinen Einzug auf dem Gotthard, und der Winter ist für eine gute Spanne vertrieben. Gerade im August kommt es nur sehr selten zur Bildung einer meist bescheidenen und kurz andauernden Schneedecke ( von 1931-1940 lmall ).

Fassen wir nochmals die beschriebene Kurve als Gesamtbild ins Auge, so stellen wir zusammenfassend fest: Ein zögernder, oft von kleinen Rückfällen charakterisierter langsamer Aufstieg, vom Einschneien, dem 25. Oktober, bis zur Höchstlage der Schneedecke am 7. April mit 273 cm = 164 Tage. Ein, namentlich ab 1. Mai, rascher, fast von keinen Rückfällen begleiteter Abstieg bis zum Ausapern am 17. Juni = 72 Tage. Also eine stark asymmetrische Kurve, was natürlich ist, da ja der Abstieg bei stets zunehmenden Temperaturen erfolgt. Der dazwischenliegende Sommer von 129 Tagen macht 35,3 % des Jahres aus. Auf dem Säntis dauert dieser kurze Bergsommer nur noch 102 Tage, ( d.h. 28,0 % des Jahres ).

Die Schneekurve, wie sie vorliegt und für eine neutrale Lage des Pass-plateaus gilt, steht naturgemäss nur wenig in Parallele zur jährlichen Öffnung der Strasse. Der Unternehmer, dem diese Arbeit übergeben wird, interessiert sich in erster Linie, wieviel Schnee es in den Mulden und Löchern hat, wohin der Schnee vom Wind getrieben wird. Je nachdem die Niederschläge mehr aus der Bise fallen statt aus dem Föhn, wird die Nordseite mehr Schnee aufweisen als die Tremola und umgekehrt.

Am Gotthard sind nun diese Stellen auf der Urnerseite bei der Lucendro-brücke und am Ölberg ( gerade unterhalb des Passes ) und auf der Tessinerseite bei der Seilabrücke und in der untern Tremola. Am letztern Orte der Lawinen wegen, die von beiden Seiten einfallen. Im Juni 1936 mussten z.B. in einem Kehr nicht weniger als 10 y2 m Schnee weggeschaufelt werden, bis die Strasse offen war. ( Lampenhöhe in der Bahnhofstrasse in Zürich = 12 m !)

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