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Doldenhorn und Fründenjoch

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Dr. H. Dübi ( Section Bern ).

Doldenhorn und Fründenjoch Von Die ,Fahrten, die in den folgenden Zeilen dargestellt werden sollen, gehören nicht zu den hervorragenden Leistungen, deren Bericht ,in ;der ganzen clubistischen Welt Aufsehen erregt; es sind bescheidene Gewinne auf. einem bescheidenen Gebiet. Ein Interesse mögen sie darin haben, daß aie in einem viel begangenen Revier, das zudem zwei Jahre lang Clubgebiet gewesen ist, zwei Neuigkeiten Meten und den Satz zu bestätigen scheinen, .daß in den Alpen die Aufgaben und die Resultate nie .palle " .werden. Auch darin haben sie vielleicht etwas Pikantes,

Ich hatte für den Monat Juli 1885 mit meiner Frau und zwei Buben von 5 und 4 Jahren in den » hübsch gelegenen und treff lieh geführten Hotel Victoria'in Kandersteg Quartier genommen, und wir benützten die vielen schönen Tage zu Ausflügen auf die benachbarten Alpen, zum Oeschinensee, auf die Gemmi und dergleichen. Es war lustig, das junge Blut in seiner naiven Freude an den Bergen zu beobachten und dem Jubel zu lauschen, mit welchem sie auf dem Blttmlis-alpgletscher sich mitten im Sommer das Vergnügen einer Schneeballenschlacht bereiteten. Meine Frau seufzte wohl etwa, wie Tell's Gattin: „ Die Knaben fangen zeitig an zu steigenaber die Natur kann man bekanntlich auch mit der Gabel nicht austreiben,, und so ließen wir sie gewähren. Mit dem Führer Christian Hari hatte ich am 8. Juli von der oberen Oeschinenalp aus eine interessante Gratwanderang über Dündenhorn oder Wittli, Zahlershorn und Birre mit Abstieg zum Oeschinensee gemacht. Hari hatte gefunden, daß ich ein schwacher Esser und ein starker Läufer sei; ich war also für größere Partien in guter Verfassung und somit fehlte blos die Gelegenheit, das heißt die Begleitung eines Freundes. Ich weiß nicht,, woher es kommt, aber ich gehe ungern mehr allein mit Führern, was früher mir die ersprießlichste Art des Bergsteigens schien. Die größere Behaglichkeit,, welche eine vermehrte Gesellschaft zu suchen pflegt,, und die Anregung von Gespräch und Widerspruch sind mir Bedürfniß geworden. Da ein bewährter Berggenosse, mit dem ich die Blümlisalpgruppe zu durchwandern gedachte, wegen Geschäften ausblieb, so> entschloß sich meine Frau, mit mir zu gehen, nachdem wir, Führer und ich, ihr hoch und heilig versprochen hatten, daß wir nichts Abenteuerliches unternehmen würden. Wir leisteten unsern Schwur in guten Treuen, aber von Anfang an stimmte zu dieser ge-schwornen Vorsicht der Gedanke nicht, am Doldenhorn einen neuen Abstieg zu versuchen, den Keiner von uns kannte. Christian Hari war auf der Jagd über dem Biberggletscher bis zu dem Kamm gegangen, der diesen von einem auf der Clubkarte unbenannten f im Mund der Jäger aber Faulengletscher geheißene » Firn- und Eisfeld zwischen Hinterem Fisistock und Kleinem Doldenhorn trennt. Doch wurde nur gelegentlich davon gesprochen, weil der Abstieg vom Doldenhorn nach dem Gasternthal nicht gemacht sei, und einen Theil unseres Programmes bildete dieser Weg nicht.

Zur Ausführung der Doldenhornbesteigung verließen wir Freitag den 10; Juli spät im Nachmittag die gastliche Victoria und schlugen, mit Proviant und Decken gut versehen, den Weg nach dem „ Biberg " ein. Außer Christian begleiteten uns sein Bruder Hans und ein Knecht des Hotels als Träger. Unterwegs merkten die Mannen, daß sie notwendiges Geräth, wie Pfanne, „ Kacheli " und Löffel vergessen hätten, und da dem Mangel unterwegs nicht abzuhelfen war, .mußte Einer wieder zurück. Die Folge war, daß wir Uebrigen langsam stiegen und auf der ersten Höhe eine Weile warteten, die Zeit vertreibend mit Gesprächen und „ Spiegeln " in 's Thal hinunter, wo die Kinder munter herumsprangen. Als die Karawane wieder beisammen war, wurde aufgebrochen. Die Alp Biberg ist ver- lassen; man sagte uns, der Staat habe sie gekauft und wolle sie mit Wald bepflanzen. Gegenwärtig gedeiht wenigstens Buschwerk in ungehemmter Fülle. Hinter der Alp geht der Weg steil in die Höhe und bald erreicht ,man eine obere Terrasse dicht unter der steil abfallenden Wand, über welcher die Fisialp liegt. Diese Terrasse wird sonst in östlicher Richtung überschritten zum Bivouak, das man gewöhnlich nahe der Moräne des Biherggletschers nimmt. Uns aber gebot ein sehr drohend aussehender Himmel irgend wo an der vor uns liegenden Wand Deckung zu suchen. Wir fanden auch eine recht ordentliche Balm im Augenblick, wo sich die Schleusen des Himmels zu einem regelrechten Hagelwetter öffneten. Hätten wir nicht zum Glück unsere „ Kacheli " vergessen gehabt, so hätten wir jetzt Kegen und Schlössen „ kübelweise " zu kosten bekommen; denn ohne den dadurch verursachten Aufenthalt wären wir jetzt an dem gewöhnlichen Bivouakplatz, wo man kaum geschützt ist. Selbst da, wo wir waren, drohte eine Invasion der himmlischen Heerachaaren in unsern Lagerplatz. Wie ein Wasserfall kam es über die Platten des längs der Wand ansteigenden Bodens herabgeschossen und nur ein paar schnell gezogene Oräben schützten uns vor der Ueberschwemmung. Rasch, wie es gekommen, war das Wetter auch vorbei, und bald verkündete nur noch die weiße Decke in unserer Nähe und auf den gegenüberliegenden Bergen die Wirkung der verheerenden Elemente. Wir richteten uns für die Nacht ein. Die Führer schleppten einen alten Baumstamm herbei, der, in Stücke geschlagen, reichliche Feuerung lieferte. Der Träger wurde in 's Thal entlassen und allmälig kam die Nacht herauf, still und feierlich, wie sie in solchen Höhen wirkt.

Die Aussicht war ziemlich beschränkt, aber die Hoheit des Gebirges wirkte doch auf die Phantasie, und die Erinnerung so mancher schönen.Stunde stieg mit alter Kraft in uns auf. Erst spät gelangten wir zur Ruhe und schliefen auf dem harten Felsboden so fest, daß die Führer Morgens Mühe Ratten, uns zu wecken. Es war beinahe 5 Uhr als wir aufbrachen. Ein Theil des Gepäckes wurde hier zurückgelassen, so wenig waren wir sicher, daß wir einen andern Rückweg nehmen würden. Ueber Schutthalden und Schieferplatten ansteigend, erreichten wir in drei Viertelstunden den gewöhnlichen Bivouakplatz, der nur den einen Vortheil bietet, etwas höher zu liegen. Die Stelle, wo wir übernachtet haben, ließe sich mit leichter Mühe etwas besser herrichten. Leider ist sie ohne Wasser. Gewöhnlich macht man die Besteigung von Kandersteg aus in einem Tage. Sind Damen oder schwächere Gänger dabei, so empfiehlt sich ein Bivouak. Die Besteigung des Doldenhorns geschah auf dem gewöhnlichen Wege via Spitzstein, wie sie in dem hübschen Werk „ Doldenhorn und Weiße Frau " von A. Roth und E. v. Fellenberg beschrieben ist. Nur daß wir bedeutend geringere Schwierigkeiten fanden, da Gletscher und Firn von außerordentlich günstiger Beschaffenheit waren. Der Aufstieg über die Trümmerhalden bis an den Rand des Gletschers war aber so mühsam und langweilig, daß der Versucher wieder an uns herantrat und uns einblies, es wäre schöner und auch angenehmer, in 's Gasternthal abzusteigen oder wenigstens die Schafschnur am Oeschinensee zu passiren. Von unserm Frühstücksplatz am Spitzstein konnten wir das Band deutlich sehen, das sich hoch über dem Biberggletscher um die Vorsprünge des „ Doldenstocks " windet. Es schien nicht besonders schwierig zu sein und schon damals stand eigentlich fest, daß wir es machen wollten. Der Aufstieg über die verrufenen großen Schrunde ging leicht von statten; aber da wir nicht schnell marschirten, so überholte uns der leidige Nebel, der seit Stunden schon auf der Spitze des großen Doldenhorns hockte. Als wir 10Va Uhr auf der Einsattlung anlangten, konnten wir nur noch den schönen Blick auf die Walliser Alpen genießen, die Berner waren schon ganz verhüllt und bald steckten wir selber im Nebel, der wenigstens den Vortheil hatte, daß er meiner Frau die Steilheit des Gehänges am Gipfel maskirte. Dieser wurde IIV2 Uhr erreicht. Nur hier und da erlaubte ein Windstoß einen kleinen Ausblick, der zu lebhaftem Rathen veranlaßte. Um 12 Uhr wurde wieder aufgebrochen. Der Abstieg geschah am Gipfel vorsichtig, von der Einsattlung weg schnell und bald waren wir unter den großen Schrunden. Nach kurzer Berathung wendeten wir uns links und gelangten über leichte Schneefelder an die Felsen des kleine » Doldenhorns, und an das auch auf der Excursionskarte pro 1884 deutlich erkennbare Band. Ueber demselben steigen die Felsen des kleinen Doldenhorns steil empor; unterhalb fallen steile Hänge mit Felsen und Schneerinnen auf den Biberggletscher ab, der sich in der Tiefe ausbreitet. Bis wir an die Ecke des Felsgestells kamen, der auf der Fellenberg'schen Karte Doldenstock heißt und den Fuß des kleinen Doldenhorns bildet, ging die Sache rasch und leicht, aber von da weg änderte sich die Situation. Der Schnee reichte bis an die Felsen heran. Theilweise deckte Eis die Felsen und bald aufwärts, bald abwärts kletternd auf schmalem Gesims und um unendliche Vorsprünge und Ecken herum verbrachten wir vielleicht zwei Stunden in starker Aufregung und steigendem Aerger. Die Kletterei war nicht leicht und wollte nicht aufhören. Meine Frau hielt sich tapfer und geschickt, aber begreiflich sehnte sie sich nach dem ihr versprochenen leichteren und bequemeren Abstieg. Statt dessen steckten wir in der Patsche und mußten wohl oder übel bis an 's Ende gehen. Wohl ein Dutzend Mal hofften wir, daß die nächste Ecke die letzte sein würde ( ein ruhiger Nebel nahm uns die Aussichtanstatt dessen wurde der Halt am Felsen und auf dem abschüssigen Hange immer prekärer. Endlich erreichten wir den sogenannten „ Sparren ", einen wunderlichen, dem Spitzstein ähnlichen Felskegel, wo wir die Gasternseite und damit für uns das gelobte Land sahen. Aber der Marsch durch die Wüste hatte uns verdrossen und Christian, welcher uns denselben angerathen hatte, bekam aus zartem Munde eine unzarte Strafpredigt zu hören, die er mit Demuth entgegen nahm. Er hatte die Traversirung beträchtlich tiefer und unter viel besseren Bedingungen gemacht und gab zu, daß, hätte er die Situation genau gekannt, er einer Dame diese Kraftleistung nicht zugemuthet hätte. Item, es war gemacht und nachträglich hat es uns nicht gereut. Unsere Eitelkeit war sogar geschmeichelt, wenn wir später in „ Doldenhorn und Weiße Frau " S. 11 lasen, daß im Jahre 1862 die Gesellschaft des Herrn v. Fellenberg vom Grat zwischen Faulen- und Biberggletscher aus den von uns gemachten Weg recognoscirt und auf dessen Begehung verzichtet habe, weil da alle practi-cable Verbindung fehle. Ich sage das keineswegs, um uns zu rühmen. Die Gesellschaft des Herrn v. Fellenberg war besser zusammengesetzt als die unsrige und die Ersteigung des kleinen Doldenhornes vom Faulengletscher aus gewiß schwieriger als unsere Passage. Es scheint mir nur eines aus unserem Sieg hervorzugehen, daß in den letzten 20 Jahren der Begriff von practicabler Verbindung sich merklich verändert hat.

Auf dem Faulengletscher beriethen wir, ob wir über die Lücke zwischen den Fisistöcken nach der Fisialp gehen wollten, von wo wir einen guten Weg in 's Thal hatten. Die Führer riethen davon ab, weil wir in der zu passirenden Schlucht viel Schnee und Steintrümmer zu passiren hätten und verhießen uns einen leichtern Abstieg in 's Gasternthal. Aber auch das erwies sich als trügerisch. Eine Weile lang ging es freilich recht gut, trotz dem eintretenden Regen, der den schmalen Pfad schlüpfrig machte. Aber als wir uns nun entschiedener der Tiefe zuwendeten, hörte der Pfad stellenweise ganz auf und wir hatten über steile Gras- und Schutthalden stundenlang abzu- Doldenhorn und Fründenjoch.14S steigen, ehe wir die Thalsohle im Gasternholz er- reichten. Beim „ Alpli ", einer erbärmlichen Weide für Kleinvieh, bedrohten uns die Schafe, während wir am Bache den brennenden Durst zu löschen trachteten, mit Steinfällen. In der Dunkelheit erreichten wir Kandersteg, wo wir, wie billig, sehr angestaunt wurden. Die von uns gemachte Variante empfiehlt sich für Leute, die Abwechslung lieben. An sich ist sie länger und beschwerlicher als der gewöhnliche Abstieg und wenn sie auch zum ersten Mal von einer Dame mitgemacht wurde, ein „ Damenweg " wird sie wohl nie werden.

Der glückliche Erfolg hatte uns Lust zu Weiterem gemacht, und die Entdeckung, daß noch ein zweiter „ neuer Weg " in der Gegend sei, spornte uns 8 Tage später zu einer neuen Unternehmung. Ich hatte vor Jahren via Oeschinenhorn die Einsattlung zwischen diesem Gipfel und dem Fründenhorn erreicht und war von da auf den Kandergletscher abgestiegen; Herr Löhnert war in umgekehrter Richtung vom Gasternthal zum Oeschinensee gelangt und dieser Paß galt uns als Fründenjoch. Ich war daher sehr erstaunt auf'der Excursionskarte von 1884 diesen Namen in Lücke zwischen Fründen- und Dolden--horn zu finden und fragte in Kandersteg eifrig nach, ob und von wem dieser Uebergang gemacht worden sei. Die Antwort lautete von Führern und Wirthsleuten übereinstimmend verneinend. Herr Egger wußte zu sagen, daß sein verstorbener Bruder auf der Jagd von der Gasternseite her bis zu jener Lücke zwischen Fründen- und Doldenhorn emporgestiegen sei und Olirìsian Hari wollte auf der Oeschinenseite bis zum Fründengletscher gekommen sein. Von einem Uebergang durch Touristen wußten beide nichts. Nun hatte ich bei verschiedenen Gelegenheiten mit einem trefflichen Fernrohr einen Felsenkopf, auf der Karte mit 2569 m bezeichnet, gemustert, der zwischen den beiden steilen Enden des Fründengletschers liegt und es schien mir, daß, wenn man bis dorthin gelangen könne, die Paßhöhe leicht zu erreichen sein würde. Die Gasterseite war nachweisbar nicht schwierig und so schien das Unternehmen nicht allzu gewagt. Konnte man vom „ Fründenjoch " der Karte nicht direkt in 's Gasternthal absteigen, so blieb ein Ausweg nach rechts -oder links wohl immer möglich. Am 18. Juli Morgens 4 Uhr machten wir Vier uns also auf den Weg, wieder entschlossen, alle Abenteuer zu vermeiden und wieder dazu bestimmt, solche zu erleben. Das Wetter war schön, aber etwas warm schon in der Nacht. Am Südufer des Oeschinensee's vorbei stiegen wir durch Knieholz, Alpenrosengesträuch und später über magere Schafweiden und Platten, mehrere Bäche traversirend, ziemlich rasch empor und erreichten ob der Stelle, die „ in den Fründen " heißt, den Fuß der Felswand, wo wir einen ersten Halt machten. Es war ein hübscher Frühstücksplatz im Hintergrund « ines Felsencircus, auf welchem sich Schafe mit -„Gemsenfreche " herumtrieben. Nach kurzer Rast wurde die „ Frau " an 's Seil genommen und- zunächst nach links wendend der Versuch gemacht, das Bollwerk an seiner tiefsten Stelle zu ersteigen. Nach wenigen Schritten hörte das Band auf und wir mußten uns nicht ohne Mühe rückwärts concentriren. Ein zweiter Versuch, gerade aufwärts einer Spalte im Felsen folgend, fiel besser aus. Christian, der voraus war, half am Seil ziehend meiner Frau, die von Hans getreulich ge-^Wltet war, hinauf und ich folgte, „ auf allgemeines " Verlangen " ebenfalls angebunden, mit dem Rest des Gepäckes nach. Dann ging es eine Weile munter vorwärts und eine zweite Mauer erwies sich in der Nffire als eine etwas roh construite Treppe. Noch « in paar Schritte und wir standen am Rand des ebenen Gletschers, freudig jauchzend; denn das Ziel war nicht zu fehlen. Doch erwies sich der Anstieg über Gletscher und Firn schwieriger als am Doldenhorn. Beide waren arg zerklüftet und zwangen uns zu Umwegen und Seilmanövern. Wie wir uns dem Joche näherten, rief auf einmal meine Frau: „ da sitzen die beiden Malerinnen ". Aufblickend gewahrten wir links über uns zwei steinerne Figuren, die an zwei Gäste der „ Victoria " erinnerten, eifrig über die Palette gebeugt. Leider würdigten wir sie nur einer flüchtigen Aufmerksamkeit. Hätten wir ihnen einen Besuch gemacht, so würden sie uns einen Weg nach dem Gasternthal gezeigt haben, der uns Zeit und Mühe gespart hätte. Um 12 Uhr erreichten wir die Paßhöhe. Leider war wieder nur der Rückblick wolkenfrei. Die Walliserseite steckte im Nebel. Bald wurde aufgebrochen und ein leichter Abstieg durch eine kurze Schlucht brachte uns auf den namenlosen Gletscher, der seine Eisbrüche auf die Platten am Fuß des Alpetligletschers hinunterwirft. Wir gingen fast bis an den Rand vor, verzichteten aber weislich10 auf diese Art von Beförderung. Möglicherweise ist nach rechts ein Ausweg und Abstieg auf die „ Dolden " möglich. Wenigstens wollte uns das später vom Thal her so scheinen. Aber augenblicklich verboten nicht nur unsere guten Vorsätze alles Experimentiren, auch die Luft hatte eine verdächtige Färbung angenommen und in den Felskämmen heulte der Sturm. Wir eilten, auf den richtigen Abstieg, der unter dem Gipfel des Fründenhorns liegt, zu kommen. Nach der Karte wäre das nun durch einen einfachen Flankenmarsch auf dem wenig geneigten Gletscher zu machen gewesen. Die rauhe Wirklichkeit aber zeigte einen Felskamm, der bis zum Absturz hiiiuuterreichte und, uns von der östlichen Fortsetzung unseres Gletscherchens abschnitt. Wohl oder übel mußten wir wieder aufwärts und fanden weiter oben ein gutes Schieferband, das uns auf die andere Seite und wieder auf Schnee brachte. Deber uns saßen die „ Malerinnen " immer noch an der Arbeit, und mit Bedauern sahen wir, daß der bessere Weg an diesen Holden vorbei gegangen wäre. Unser Umweg aber kommt der Karte und damit späteren Wanderern in diesem Gebiet zu Gute. Bald erreichten wir die Stelle unter dem Gipfel des Fründenhorns, wo der Abstieg über einen langen Felsrücken auf den untersten Theil des Alpetligletschers möglich schien. Da aber der oberste Theil dieses Felsrückens steil war und von Eis schimmerte, so gingen wir „ noch ein Haus weiter " und stiegen das nächste Dach hinunter. Die Senkung desselben war bedeutend und Vorsicht am Platze. Nach einiger Zeit schien es uns, daß jetzt der erste Felsrücken Doldenhorn und Fründenjoch.147 "

practicabler aussehe, und wir entschlossen uns rasch, dahinüber zu traversiren. Zu diesem Zweck aber hatten wir eine mit steil abfallenden Platten ausgekleidete Schlucht zu überqueren. Kaum hatten wir uns mit einigem Seufzen an diese Arbeit gemacht, so brach ein Hagelwetter los, dem wir diesmal schutzlos ausgesetzt waren. Erbarmungslos schlug es uns auf Gesicht und Hände und im Nu waren wir naß, wie wenn man uns durch einen Bach gezogen hätte. Es war also mehr als überflüssig, wenn nun dieser Bach selber über die Platten herabgeflossen kam, so daß diejenigen von uns, welche nicht in Bewegung waren, und das waren regelmäßig Drei von Vieren, zur Hälfte im Wasser saßen. Aber so „ eingeteufelt " waren wir nun schon durch das Bergleben, daß wir, nicht ohne Murren zwar, aber in schönster Eintracht und Kaltblütigkeit vorwärts manövrirten, bis sich der Sturm gebrochen hatte und wir mit einem letzten „ bösen Tritt " auf den Felskamm gelangten, über den wir nun leichter abwärts kamen. Eine Rutschpartie über Lawinenschnee brachte uns auf den Gletscher, der nun im Trabe passirt wurde. Die größten Schrunde wurden dabei unbesehen übersprungen und nach kurzer Zeit war die Moräne erreicht. Was wir zu dieser selbst, sowie zu dem Abstieg vom „ Hnndsschüpfena und zu der alten Kandermoräne sagten, darüber will ich den Mantel christlicher Liebe breiten. Naß und verwettert, aber nicht halb so unwirsch, wie acht Tage vorher, rannten wir an Heimritz, Seiden und Gastern vorbei und erreichten mit dem Einbruch der Nacht die Klus, wo wir gerade noch den Weg sahen.

Abends um 10 Uhr waren wir im Hotel zurück. Das Abendessen nahmen wir aus guten Gründen im Bette liegend zu uns und noch Tage lang zierten die hinteren Balkone der „ Victoria " verschiedene Kleidungsstücke, welche von Beredsamkeit über unsern neuen Paß trieften. Das neue Fründenjoch aber mag Besuchern von Kandersteg empfohlen sein. Ich habe oben angedeutet, wie seine Begehung vielleicht abgekürzt werden kann. Andere werden sicherlich auch schneller marschiren als wir. Wer pressirt ist, wird immerhin, um von Kandersteg nach Seiden zu gelangen, besser den Thalweg einschlagen.

IL Freie Fahrten.

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