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Einige Tage im Lötschenthal

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Der naßkalte Sommer des Jahres 1896 hatte auch mir recht übel mitgespielt und manchen schönen Plan zu Wasser werden lassen. Unter den günstigsten Auspizien, mit einer bei herrlichstem Wetter vollführten Besteigung des Balmhorns hatte ich meine Touren begonnen, von da an aber verließ mich das Wetterglück vollständig. Unter Regen und Schnee verbrachte ich darauf mit zwei Basler Studenten drei volle Tage in der Clnbhütte an der Blümlisalp; als die einzigen Gäste wußten wir uns zwar in dieser musterhaften Clubhütte den Aufenthalt sehr behaglich zu machen, von Bergfahrten kam dagegen nur eine einzige zu stände, diejenige auf das selten bestiegene Morgenhorn ( 3629 m ), deren Genuß zudem durch den dichten Nebel sehr beeinträchtigt wurde, wobei auch der Versuch der Gratwanderung zur Weißen Frau hinüber nicht mehr weit vom Ziele eintretenden Schneefalls wegen mußte aufgegeben werden. Über die Gamchilücke und den Petersgrat, der gleichfalls in beständigem Nebel mußte überschritten werden, kamen wir dann ins schöne Lötschenthal. Unsere Wege trennten sich hier; ich ging für einige Tage nach Beialp, konnte aber bei dem von Tag zu Tag schlechter werdenden Wetter sehr wenig ausrichten, doch gelüstete es mich wieder nach dem Lötschenthal; ich kehrte dahin zurück und nahm im Hotel Nesthorn in Ried Quartier. Während der paar Tage, die ich hier noch zubrachte, war das Hotel stets gut besetzt, doch wurden von niemand größere Bergtouren unternommen; auch ich verspürte bei den dermaligen Witterungsverhältnissen keine Lust nach solchen, sondern zog es vor, mich auf kleinere Ausflüge zu beschränken, die ich mit gutem Gewissen allein machen durfte.

Einmal bummelte ich planlos thalaufwärts. Von den Bergen war nicht viel zu sehen, da sie immer bis tief herab in Wolken gehüllt waren, um so größere Aufmerksamkeit konnte ich dem Thale selbst schenken, das, wenn auch im ganzen etwas einförmig und ernst, doch eine Fülle reizender Partien enthält und schon um seiner selbst willen eines Besuches wert ist. Recht stattlich nimmt sich das Dorf Blatten aus, dessen schöne, neue, weißschimmernde Kirche von den alten schwärzlichbraunen Lärchenholzhäusern, wie sie für das Wallis so charakteristisch sind, gar seltsam absticht. Von den im hintersten Hintergrunde des Thales idyllisch gelegenen Alphütten im „ Gletscherstaffel " machte ich einen Abstecher nach links gegen die Burstspitzen hin, der vorgerückten Tageszeit wegen konnte ich indes nur bis zu einer Höhe von etwa 2600 Meter vordringen.

Ein andermal betieg ich das Spaliiiorn, jenen merkwürdigen Felsenkopf, der durch einen von oben bis unten reichenden, den ganzen Felsen von Nord nach Süd durchsetzenden senkrechten Spalt, durch den man hindurchgehen kann, in zwei Teile geteilt ist. ( E. v. Fellenberg widmet dieser Naturmerkwürdigkeit im Jahrgang XIV des Jahrbuches S.A.C. eine eingehende Beschreibung. ) Der östliche, höhere Gipfel wird Groß-Spalihorn, der westliche Klein-Spalihorn ( cirka 2450 m ) genannt. Dieses letztere erkletterte ich an seiner östlichen Wand, von der trümmerbedeckten kleinen Schlucht aus, in die der nördliche Ausgang des Spaltes ausmündet. Die Kletterei erheischt Vorsicht, ist aber sehr kurz. Nördlich vom Spalihorn, von diesem durch die eben erwähnte Schlucht getrennt, ist noch ein etwas höherer Felskopf, den ich ebenfalls erstieg, der aber kein weiteres Interesse bietet. Das Groß-Spalihorn, welches das kleine um einige Meter überragt, ist noch unerstiegen.

Beim Abstieg nach der Weritzalp war es mir seit meiner bereits vor 5 Tagen erfolgten Ankunft in Ried zum erstenmal vergönnt, die Bietschhornkette und vor allem das Bietschhorn selbst, das sich bisher immer neidisch hinter Wolken versteckt hatte, frei und nnverhüllt vor mir zu sehen. Die Aussicht auf dasselbe von diesem Punkte ist überaus großartig, und je höher man steigt, desto mächtiger entfaltet es sich, desto unverkürzter zeigen sich seine scharfen Eisgräte und seine jäh abschießenden Firnhänge. Der Koloß erscheint um so gewaltiger, als er in seiner Nachbarschaft nirgends einen ebenbürtigen Rivalen hat und als Beherrscher der ganzen langen Bergkette von der Lötschenlücke bis zum Hohgleifen seine gesamte nähere Umgebung um mehr als 600 Meter überragt. Bei der respektvollen Bewunderung des stolzen Schneeriesen mußte ich es aber bewenden lassen und die Besteigung desselben einer bessern,, vorderhand noch unbestimmten Zeit vorbehalten.

In der Absicht, das Huckenhorn zu ersteigen, wanderte ich auch einmal bei anfangs gutem, sich aber rasch verschlimmerndem Wetter zum Lötschenpaß hinauf. Hatte mir bis hierhin schon der Nebel in der pfadlosen Gegend zu schaffen gemacht und die Orientierung sehr erschwert, so empfing mich nun zum Überfluß auf der Paßhöhe auch noch ein widerliches Schneegestöber, das mich zum Rückzug nötigte. Drei Tage darauf führte ich aber dann die Besteigung bei prächtigstem Wetter glücklich durch. Vom Balmhorn aus hatte ich fast 3 Wochen vorher den tief unter mir liegenden unscheinbaren schwarzen Felskegel kaum beachtet, jetzt aber, wie ich ihm vom Lötschenpaß her näher-rückte, erschien er in seinem dichten Neuschneegewande als eine ganz; stattliche Schneepyramide. Der schlechten Beschaffenheit des tiefen Schnees-wegen war übrigens die Erklimmung des sonst sehr leicht zugänglichen, 3297 Meter hohen Gipfels noch ein ziemlich mühsames Stück Arbeit,, wurde aber durch eine wundervolle Aussicht belohnt.

Dies war meine letzte Tour im denkwürdigen Sommer 1896; sc-schön der Anfang und der Schluß meiner Bergfahrten war, was dazwischen geleistet wurde, konnte mich nur mäßig befriedigen; einigen Ersatz für die vielen nicht zur Ausführung gekommenen Projekte bot das trotzdem ausgefüllte Skizzenbuch.o. Mœhly ( Sektion Basel ).

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