H. Steinitzer: Sport und Kultur | Club Alpin Suisse CAS
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H. Steinitzer: Sport und Kultur

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Die vorliegende Broschüre ( 79 Seiten, Preis geheftet M. 1., nur vom Verlag zu beziehen ) ist der Sonderabdruck einer Reihe von Artikeln, die in der D. A. Z. kürzlich erschienen sind. Die Artikel haben schon dort Aufsehen erregt und verdienen die Beachtung aller ernsthaften Freunde des Alpinismus, der — leider — mit dem Bergsport und damit mit dem Sport überhaupt in einer unauflöslichen Verbindung steht. Dies mit allem Nachdruck und logischer Schärfe hervorgehoben zu haben, ist « las Hauptverdienst der Steinitzerschen Arbeit, deren schwache Seiten wir nicht übersehen, die uns aber im ganzen genommen einen tiefen Eindruck gemacht hat, einen weit tieferen und besseren als manche der Entgegnungen und Kritiken, deren es auf den Verfasser förmlich gehagelt hat. Das ist auch verständlich, denn man kann es einem Rinaldo des modernen Bergsports, dem in einem unerbittlichen Schild sein „ dekadentes " Antlitz vorgehalten wird, nicht verargen, wenn er unwillig „ sich bespiegelt, sich so tief erniedrigt sieht ". Und es hilft auch nichts, wenn einige Kritiker versucht haben, die Anwendung auf ihre von ihnen für gänzlich einwandfrei gehaltene Sache abzulenken auf die armen Sünder des modernen Herdenbetriebs der Bergsteigern, indem sie, wie etwa Hamlet dem räudigen König Claudius gegenüber, sich darauf steiften: „ Wen's juckt, der kratze sich, unsre Haut ist rein ". Denn es fällt von den Steinitzerschen Abschreibungen an dem Kulturwert des Bergsteigens für jeden von uns, der sich in irgend einer Weise sportlich betätigt, etwas ab. Denn im Bergsport, wie in jedem andern Sport, geht der Teufel der Eitelkeit „ brüllend umher und sucht, wen er verschlinge ". Und wenn ich als Rezensent die Sportleistungen der alpinen Vereine der schärferen und der schärfsten Tonart — wenn auch mit leisen Vorbehalten — gewissenhaft rubriziere, so mache ich mich der Weiter-verbreitung einer Tendenz schuldig, mit der ich im Innersten nicht einverstanden bin. Und doch kann ich nicht anders; denn meine Pflicht als alpiner Weltüberschauer ist, jedem alpinen Geschehnis sein Plätzchen in den Akten zu sichern, unbekümmert um die Folgen solcher Veröffentlichung. Darum bin ich dafür dankbar, wenn ein Unabhängiger die Stimme des Propheten in der Wüste erhebt und zur Umkehr und Besserung mahnt. Ich habe nur für wenige kritische Bemerkungen zu Steinitzers Arbeit Raum und auch diese sollen nur als ein vorläufiges Urteil in einer wohl noch nicht spruchreifen Diskussion gelten. Steinitzer stellt zwei Thesen auf: 1. „ Jede Tätigkeit ist Sport, soweit sie ausschließlich zu dem Zwecke ausgeführt wird, Kräfte mit andern unter bestimmten Ausführungsbedingungen zu messen. Jede beliebige wie immer geartete Tätigkeit kann als Sport betrieben werden. Die Triebfedern jeder Tätigkeit, soweit sie Sport ist, liegen ausschließlich in dem Streben nach persönlicher Auszeichnung und deren Anerkennung " und 2. „ Die sportliche Ausübung von Tätigkeiten ist, soweit diese Tätigkeiten als kultur-förderlich und allgemein wertvoll angesehen werden, ein Symptom des Verfalls. " Nachdem Steinitzer diese Thesen in logischen Deduktionen und historischer Beweisführung begründet hat, wendet er sie im zweiten Teil auf den Alpinismus an und sucht zu beweisen, daß sportliche Elemente im Alpinismus enthalten sind, daß diese mit der Entwicklung des Alpinismus gewachsen sind und daß sie sich den ( im Anfang vorhandenen ) kulturfördernden Wirkungen des Alpinismus hemmend entgegenstellen oder sie völlig beseitigen. Und der Schlußsatz, zu dem der Verfasser auch für den Alpinismus kommt, lautet dahin „ daß die sportliche Ausübung einer Tätigkeit, ohne Rücksicht auf deren Kulturwert, niemals und unter keinen Umständen der Kultur förderlich sein kann ". Der ersten These könnte ich insoweit beistimmen, als ich in ihr einen verhältnismäßig gut gelungenen Versuch erblicke, unter Ausscheidung aller etymologischen und historischen Deutungen des Wortes den Begriff des Sportes, wie er heutzutage in Deutschland und Österreich und wohl auch in der Schweiz gäng und gäbe ist, zum adäquaten Ausdruck zu bringen. Jedenfalls ist Steinitzers Definition nicht schlechter als irgendeine der vor ihm gegebenen. Gegen die zweite These ist zunächst eingewendet worden, daß Steinitzer, welcher Sport und Kultur als unvereinbare Gegensätze erkläre, uns die Definition der „ Kultur " schuldig geblieben sei. Das ist nur zum Teil begründet, denn im Verlauf der Beweisführung und namentlich in der Scheidung zwischen individualistischer und sozialer Kulturform und in den völkerpsychologischen Vergleichen und den historischen Erörterungen läßt uns der Verfasser keinen Zweifel darüber, was er und was er hier, im Gegensatz zu der körperlichen Kultur des Sportes, unter Kultur und Kulturfortschritt versteht, und mehr dürfen wir von ihm nicht verlangen. Und gerade hierin liegt das Gesunde in seiner Reaktion gegen die moderne Überschätzung des Ath-letentums und gegen die Geschichtslüge von dem heilsamen Einfluß der Palaestra auf die hellenische Kultur oder des Spielplatzes auf die innere Tüchtigkeit des englischen Volkes. Gewiß ist manches in der allgemeinen und in der auf den Alpinismus bezüglichen Beweisführung Steinitzers mißlungen — ich nenne nur seine von der ersten Besteigung des Mont Blanc und dem ersten Versuch auf die Aiguille du Dru hergenommenen Argumente auf Seite 49 und den schon durch Saussure widerlegten Satz ( Seite 50 ), daß „ für die wissenschaftliche Bergfor-schung das Erreichen der höchsten Spitze, außer bei Messungen, von sehr nebensächlicher Bedeutung " sei. Aber im Ernste wird doch „ niemand sich der Einsicht verschließen können, daß im Alpinismus eine Zunahme der sportlichen Elemente auf Kosten des ursprünglichen wissenschaftlichen, ästhetischen und sozial-ethischen Bestrebungen stattgefunden hat " ( Seite 65 ). Hier legt Steinitzer den Finger in eine offene Wunde. Daß der Patient dabei schreit, vielleicht sogar um sich schlägt, ist begreiflich. Aber wir würden unrecht tun, ihn wegen seines sonstigen robusten Gebarens für gesund zu halten. Und wir werden auch im S.A.C., obwohl seine Publikationen oder seine Tätigkeit nirgends zur Zielscheibe der Pfeile Steinitzers gewählt sind, gut daran tun, uns auf unsre Anfänge zu besinnen und unserm Verein die Auswüchse zu ersparen, oder, wo sie schon sich zeigen, sie zu beseitigen. Das geschieht am leichtesten, wenn wir dem Sinn unserer Pioniere treu bleiben — auch Steinitzer mahnt dazu — und das Bergsteigen mit reinen Händen und Herzen betreiben als eine freie Kunst zur Pflege der Humanität und zum Fortschritte der wissenschaftlichen Erkenntnis. Sportliche Ausbildung, und meinetwegen auch Tourenverzeichnisse, sollen dabei nur Mittel zum Zwecke sein. Und ich denke, einen so gereinigten Alpinismus hatte Herr Steinitzer im Auge, als er im Eifer „ das Kind mit dem Bade ausschüttete.Redaktion.

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