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Himalaya-Chronik 1957

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

GEMÄLDE VON WILLY MAX HUBER, INTERLAKEN

Im September beginnen im Bergwald die Vorarbeiten für die Holzschläge. Der Forstmann hat die Holzanzeichnungen durchgeführt oder angeordnet, damit, wenn der Winter seinen Einzug gehalten hat, die Bergbauern « ins Holz können », um die Bäume zu fällen und Nutz- und Brennholz zu rüsten und für den Abtransport ins Tal bereitzulegen. Eine harte ArbeitKunstmaler Willy Max Huber zeigt in seinem Gemälde zwei Holzer mitten im Wald, wo auf einem Stapelplatz am Fuss des Reistzuges die Stämme zusammengezogen sind. In der obern Bildhälfte sind die senkrechtstehenden Stämme die Zeugen des kraftvollen Schutzwaldes, in den hinein die Lawine die Schneise gelegt hat, die nun als Holzzug für den Abtransport der gefällten Bäume dienen kann. Die liegenden Stämme markieren den untern Bildteil, wie tragende Elemente. Links ist ein Baum-stock erkenntlich, wie der Übergang vom Liegenden zum Stehenden, auch in der Farbe: ins Rotbraune getönt, im Gegensatz zu den blaubraunen und grauweissen Stämmen der Bäume und dem Weissolive der Umgebung, die Kälte winterlicher Ruhe in sich fassend, während die gerüsteten Trämel, von der Sonne leicht erhellt, schon die Wärme in sich tragen, das Holz den Stuben und Kammern als Werkholz und dem Ofen als Brennholz zu geben vermag. Und in dieses Spiel der Linien stellt der Maler die beiden Holzer, zwei stämmige Gestalten, an harte Arbeit gewohnt. Wie ein Kreis fügen sie sich in ihrer Bewegung ins Geradlinige des Bildes und tragen die Farbe im Kleid, die einerseits ins Kalte des Wintertages und anderseits in die Wärme des Werkens und Wirkens von Arbeit und Holz spielt. Und wie zwei Pole leuchten das Purpurrot im Gesicht des einen und das Braunrot der Beinstulpen des andern Holzers auf und zeichnen die Bewegung markant ins sonst recht ruhige und ausgeglichene Bild.M. Oe.

Himalaya-Chronik 1957

VON G. O. DYHRENFURTH

MIT NACHTRÄGEN AUS FRÜHEREN JAHREN Mit 4 Abbildungen ( 200-203 ) 1. 1957 ist das Jahr, das uns die erste wirklichkeitsgetreue Himalaya-Relief karte im Maßstab 1:25000 geschenkt hat: « Mahalangur Himal, Chomolongma-Mount Everest » - ein Markstein in der Erschliessung des Himalaya. Triangulierung und photogrammetrische Aufnahme, Berechnung und Auswertung sind das Werk von Erwin Schneider ( Lech am Arlberg ), die zeichnerische Darstellung des Geländes schuf Fritz Ebster ( Innsbruck ). Die von Norman G. Dyhrenfurth - einem meiner drei Söhne - organisierte und geleitete « Internationale Himalaya-Expedition 1955 » war zwar von einer gewissen Seite stark angefeindet und dann totgeschwiegen worden, aber sie hat 11 Die Alpen - 1958 - Les Alpes161 mit dieser Karten-Aufnahme eine Leistung vollbracht, die sich neben den « spektakulären » Acht tausender-Ersteigungen anderer Expeditionen in Ehren behauptet und bleibenden Wert hat.

Die Steilheit des Reliefs - mit rund 4000 Höhenmetern auf 10 km Horizontal-Distanz - und die Häufigkeit sturmartiger Höhenwinde und Fallböen würden eine systematische Aero-Photogram-metrie stark erschweren und sehr gefährlich und kostspielig machen. Dagegen ist das Everest-Gebiet für terrestrische Photogrammetrie ideal. Allerdings müssen die Standpunkte für den Phototheodoliten geschickt und durchschnittlich 1000 bis 1500 Höhenmeter über den Talgletschern ausgewählt werden, also meist zwischen 5300 und 6000 m. So hat Erwin Schneider, ein Meister seines Fachs, die ganze Feldarbeit in 20 reinen Arbeitstagen gemacht, die sich im wesentlichen auf Mai und Oktober 1955 verteilen. Dabei hat er 73 Plattenpaare = 146 Messaufnahmen ( Topo-Platten 13 X 18 cm ) verbraucht. Sein ganzer Vermessungstrupp bestand aus 6 Sherpas und 2 Sherpanis; Obmann der Träger war Dawa Tondup, der bereits 1934 Schneiders « Orderly » am Nanga Parbat gewesen war. Der nepalische Verbindungsoffizier, V. G. N. Vaidya aus Kathmandu, leistete gute Dienste als Feldbuchschreiber.

Die Auswertung erfolgte später im Maßstab 1:10000; der Kartenmaßstab wurde um das Zweieinhalbfache, auf 1:25000, verkleinert. Für die Bearbeitung des gesamten Karteninhalts - mit Trennung in drei Farben - hatte Ebster kaum fünf Monate zur Verfügung. Trotz dieser knappen Zeit und unerlässlicher Sparsamkeit kam ein ganz hervorragendes Werk zustande, « die schönste Karte des höchsten Himalaya-Massivs », wofür den Autoren, dem Tibetkenner Peter Aufschnaiter ( der die Schreibweise der Namen überprüfte ), dem ÖAV, Österreichischen Behörden, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem DAV Dank und Anerkennung gebühren.

L/fóra/w/v « Die Alpen », April 1956, S. 86-104; Monatsbulletin Februar 1958, S. 21; 1. Quartalsheft 1958, S. 60-65. « Jahrbuch des ÖAV 1957 » ( Alpenvereinszeitschrift, Bd. 82 ), S. 5-15 und Kartenbeilage. Zu beziehen ist die Karte beim ÖAV, Gilmstrasse 6, Innsbruck.

Bergsteigerisch brachte 1957 nach der Erfolgskette in den Jahren 1953 bis 1956 einen gewissen Rückschlag, nicht nur durch eine relativ geringe Zahl von Erstersteigungen, sondern vor allem durch schwere Bergunfälle, Erkrankungen und Frostschäden. Beginnen wir wieder im Osten:

2. Der Jugal Himal ist nur rund 60 km nordöstlich von Kathmandu, also rasch zu erreichen, obwohl dieses Massiv bereits an der tibetischen Grenze liegt, südlich der berühmten, hinter dem « Eisernen Vorhang » befindlichen Shisha Pangma ( 8013 m ). Die höchsten Gipfel des Jugal Himal sind « kleine Siebentausender », die in P. 23 240 ft. = 7083 m kulminieren. In weiteren Kreisen bekannt wurde diese Berggruppe durch die Schottische Frauen-Expedition 1955, der allerdings nur die Erstersteigung eines Gipfels von etwa 6700 m gelang ( vgl. meine Himalaya-Chroniken 1955 und 1956 ).

1957 traf eine Mannschaft des Yorkshire Ramblers Club unter der Leitung von Captain Crosby Fox am 1. April in Kathmandu ein. Nach einigen Tagen brachen die sechs Briten mit 120 Trägern nach dem Jugal Himal auf. Am 30. April 1957 verliessen George Spenceley und Fox mit zwei Sherpas ihr Hochlager 4 ( etwa 6000 m ), um auf schwieriger Gletscherroute den Platz für ein Lager 5 zu erreichen. Bei diesem Aufstieg wurde die Seilschaft von einer Lawine erfasst, aus der nur Spenceley sich befreien konnte. Die anderen drei wurden in eine Spalte gerissen, die sich gänzlich mit gepresstem Lawinenschnee füllte; das zu ihnen führende Seil wurde dadurch festgeklemmt Spenceley, der seinen Pickel eingebüsst hatte und allein nichts machen konnte, alarmierte seine vier Kameraden in Lager 4, doch alles Suchen und Graben mit Sonden, Pickeln und Schaufeln blieb erfolglos. Nach diesem tragischen Ende des Expeditionsleiters und zweier Hochträger wurde das Unternehmen abgebrochen.

Literatur: « Die Alpen », Monatsbulletin 6, 1957, S. 128.

3. Nachtrag 1953. Im NNW von Kathmandu, hinter dem Ganesh Himal und östlich des gewaltigen Manaslu ( 8125 m ), liegt an der tibetischen Grenze der bisher vernachlässigte Sringi Himal. Auf einem Flug von Kathmandu nach Pokhara am 18. November 1957 sah ich - über dem Buri-Gandaki-Tal schwebend - den Sringi Himal aus etwa 65 km Entfernung und bewunderte seine kühnen Formen, aber ich wusste von dieser kleinen Gruppe noch recht wenig. Denn im Schatten zweier weltberühmter Erstersteigungen, des Mount Everest und des Nanga Parbat, war die kleine Neuseeländische Himalaya-Expedition 1953 ausserhalb Neuseelands unbekannt geblieben. Diese Kenntnislücke sei jetzt ausgefüllt:

Die Vorarbeiten zu diesem Unternehmen begannen schon 1951. Leiter war Athol R. Roberts; die anderen Teilnehmer waren Maurice G. Bishop, Graham J. McCallum und Philip C. Gardner ( Botaniker ), alle vier Berg- und Clubkameraden ( vom « Tararua Tramping Club » ). An Bargeld standen nur 1800 Pfund zur Verfügung, dazu allerdings zahlreiche Sachlieferungen. Auf ihrer « Ferienreise » waren sie Ende März 1953 in Bombay. Von Kathmandu marschierten sie mit zwei « Führern » und 50 Trägern über Nawakot nach Arughat und durch die ungeheuren Schluchten des Buri Gandaki nach Jagat. Dann ging es in das von Bhutias ( Tibetern ) bewohnte Gebiet und längs der Shiar Khola nach dem Dörfchen Tumje ( auch Domje geschrieben ) und dem Tola Gompa ( Kloster ). Ein Versuch, P. 24299 ft.7406 m ), den höchsten Gipfel des Ganesh Himal, über den Tola-Gompa-Gletscher und den NW-Grat zu bezwingen, blieb schon bei etwa 6100 m stecken. Ebenso erging es ein Jahr später der Japanischen Manaslu-Expedition 1954, die in Sama von der aufrührerischen Bevölkerung vertrieben wurde und in den Ganesh Himal auswich. Die NW-Seite dieses Massivs ist anscheinend sehr abweisend. Erst der Schweizerisch-Französischen Ganesh-Expedition 1955 unter Leitung von Raymond Lambert gelang die Erstersteigung des Hauptgipfels ( 7406 m ), aber von SE über den Sangje-Gletscher.

Nach ihrem ersten Misserfolg versuchten die Neuseeländer ( 1953 ) den Gipfel P.23400 ft.7132 m ) auf der Westseite des Tola Gompa Glacier. In etwa 5800 m Höhe brach ein Schneebrett, das Gardner und seinen Sherpa Nyima beinahe mitgenommen hätte. Also zurück! Auch ein Angriff auf den im Grenzkamm gegen Kyirong ( Tibet ) gelegenen Lampu ( 21345 ft. = 6506 m ) führte zu nichts. Enttäuscht wandten die Neuseeländer dem ungastlichen Ganesh Himal den Rücken und kehrten nach Tumje zurück.

Für einen Vorstoss in nördlicher Richtung, in den Sringi Himal, brauchten sie 18 Träger, die sie sich nach einigen Schwierigkeiten in Chhokang beschaffen konnten, einem grösseren Dorf talaufwärts in der Shiar Khola. Nach vorausgegangener Erkundung stiegen sie nun in der Sarpu Khola hinauf und gelangten zum Chamar ( 23 545 ft. = 7177 m ), dessen NE-Flanke Erfolg versprach. Lager 1 wurde bei etwa 4600 m erstellt, 2 bei 5200 m, 3 bei 5800 m, 4 bei 6250 m und 5 auf dem Hauptgrat bei 6700 m. Am 5. Juni 1953 traten Roberts und Bishop mit dem Sherpa Namgyl zum Angriff an. Roberts, der sich nicht wohl fühlte, musste zwar umkehren, aber die anderen beiden kamen gut vorwärts. Der stark verwächtete eisige Schlussgrat kostete den vorausgehenden Bishop vierstündige Stufenarbeit, was in den Zeiten der modernen Zwölfzacker-Technik etwas befremdet. Immerhin - es gelang: Neun Stunden nach ihrem Aufbruch vom Lager standen sie auf dem Gipfel, dem höchsten Punkt des Sringi Himal.

Die zweite Staffel war inzwischen nachgerückt, und am 7. Juni war die Reihe an Gardner und McCallum mit Nyima, die ebenfalls den Gipfel erreichten. Die von Bishop gehackte prachtvolle Treppe erleichterte den Schlussaufstieg wesentlich, trotz starken Böen. Während der Gipfelrast wurde das Wetter schlecht - Nebel und Schneetreiben. Beim Abstieg ging Nyima als erster ohne Schneebrille, um die verwehten Spuren zu finden. Er führte zwar sicher hinunter, aber schon bei der Ankunft in Lager 5 klagte er über Augenschmerzen, und am nächsten Tage war er vollständig schneeblind. In dichtem Nebel und tiefem Neuschnee war der Abstieg nach Lager 4 recht schwierig und kostete sieben Stunden. Bishop und drei Sherpas, die ihnen zu Hilfe kommen wollten, gerieten in eine Lawine und verloren zwei Eispickel, blieben aber unverletzt. Erst am 10. Juni gelangten sie glücklich hinunter auf den Talgletscher und damit in Sicherheit. « Chamar had been climbed but not conquered. » Nach Einbruch des Monsuns wurden noch einige Kundfahrten in niedrigeren Höhenlagen gemacht, so zum Selbu La ( 5040 m ) und Thaple La, zwei viel benützten Pässen im Handelsverkehr Tibet-Nepal, ferner bis Larkya Bazar im obersten Buri-Gandaki-Tal und auch in die obere Ankhu Khola auf der SW-Seite des Ganesh Himal. Während Gardner noch botanisch arbeitete, wurde das grosse Expeditionsgepäck direkt nach Kathmandu befördert. Der Rückmarsch von Tumje bis Kathmandu erforderte 12 Tage.

Literatur: « Himalayan Holiday—an account of the New Zealand Himalayan Expedition 1953 ». Christchurch, Auckland: Whitcombe & Tombs 1954. 44 S., 16 Abb., 1 Kartenskizze. « Die Alpen » 1956, S. 104-118. « Berge der Welt » 1955, S. 140-144.

4. Annapurna II ( 7937 m ), der zweithöchste Gipfel der Annapurna-Gruppe, ist schon seit langem der Wunschtraum vieler Himalaya-Kenner. Nach den Achttausendern, deren « Ausverkauf » sich ja dem Ende nähert, ist Annapurna II einer der höchsten und stolzesten Himalaya-Berge, und die gegebene Route ist bereits seit 1950 bekannt: Von Manangbhot im Marsyandi-Tal über Annapurna IV ( 7524 m ) oder die Schulter dieses Gipfels zum Verbindungsgrat A. IVA. II, wo ein letztes Hochlager zu errichten wäre, und von dort weiter über den NW-Grat von A. II zu deren Gipfel. Das war auch die Absicht der kleinen britischen Annapurna-Expedition 1957. Sie bestand aus R.C. Evans, einem der erfahrensten « Himalayisten » ( Everest-Südgipfel 1953, Leitung der erfolgreichen Kangchendzönga-Expedition 1955 usw. ), und P. Davis, mit dem berühmten Dawa Tensing als Sirdar und noch drei anderen ausgezeichneten Sherpas, Urkien, Mingma Tsering und Pasang Sonam.

Durch ungewöhnlich viel Winterschnee aufgehalten, konnten sie das Basislager erst am 16. April beziehen. Am 4. Mai stand Lager 4 auf dem Hauptgrat bei etwa 7000 m, und am nächsten Tage gingen Evans-Davis von dort aus in drei Stunden auf den Gipfel der Annapurna IV ( 7524 m ). Es war deren zweite Besteigung; die Erstersteigung gelang bekanntlich der « Deutschen Nepal-Expe-dition 1955 ». Das Wetter war so schlecht, dass an Annapurna II vorläufig nicht zu denken war. Evans kehrte deshalb mit seiner Mannschaft für ein paar Tage ins Basislager zurück.

Am 15. Mai waren sie wieder in Lager 4, und am nächsten Tage umgingen sie den Gipfel von A. IV auf der Schulter-Terrasse und wollten ein Lager 5 möglichst bis an den Fuss des Gipfelkegels von A. II vorschieben; aber dieser Verbindungsgrat von IV nach II, der zunächst ziemlich viel Höhe verliert, ist sehr lang, und das Wetter wurde trostlos. Der unvermeidlich gewordene Rückzug musste gegen schweren Schneesturm ertrotzt werden, und Lager 4 - wo keine Hilfsmannschaft mehr bereitstand - wurde nur knapp vor Einbruch der Dunkelheit erreicht.

An den beiden nächsten Tagen, beim Abstieg zum Basislager, hielt das Schlechtwetter an und änderte sich auch in der folgenden Woche nicht. Für die Rückkehr nach Kathmandu wurde der Weg über Muktinath und durch das Kali-Gandaki-Tal nach Pokhara gewählt.

Der ehrenvolle Misserfolg der kleinen Evans-Expedition zeigt deutlich: Bei etwas Wetterglück wäre die Erstersteigung von Annapurna II wahrscheinlich gelungen; dieser prachtvolle Berg ist « reif ».

Literatur: « Alpine Journal », Nr. 295, November 1957, S. 173-174. 164 5. Nur rund 16 km westlich der Annapurna II schwingt sich der wilde Machapucharé ( 6997 m ) aus tief eingeschnittenen subtropischen Tälern empor. Der schwierige Name, der offiziell sogar Machhapuchhare geschrieben wird, hat eine ziemlich prosaische Bedeutung, nämlich « Fischschwanz », weil die eigenartige Form des zweigipfligen Berges bei etwas Phantasie an die geteilte Schwanzflosse eines riesenhaften Fisches denken lässt ( s. « Die Alpen » 1956, Aufnahme 90 ). Ama Dablam ( 6856 m ) in der südlichen Everest-Gruppe, Machapucharé ( 6997 m ) in Zentral-Nepal und Mustagh-Turm ( 7280 m ) im Karakorum, das sind die drei berühmtesten Vertreter der romantischen Schönheit, vergleichbar unserm Matterhorn, aber ins Himalaya-Mass gesteigert. Nachdem der Mustagh-Turm 1956 - sogar von zwei Expeditionen - erobert worden war, brachte 1957 den ersten ernsthaften Angriff auf den Machapucharé.

Leiter der britischen Expedition war T. O. M. Roberts. Die anderen Teilnehmer waren R. Chorley, D. Cox, Ch. Wylie und W. Noyce. Unter den Sherpas befand sich der berühmte Ang Nyima.

Am 18. April 1957 brachen sie mit 50 Trägern von Pokhara ( mit kleinem Flugplatz ) auf, gelangten in viertägigem Marsch über Ghandrung nach Chomrong, dem letzten Dorf, und arbeiteten sich dann in der Modi-Schlucht durch Bambus-Dickicht aufwärts. Am 24. April errichteten sie ihr Basislager bei knapp 4000 m auf der rechten ( westlichen ) Seite der Modi Khola, aber etwa 200 m über dem Fluss.

Der Zugang zum Nordgrat des Machapucharé wird unten durch mächtige Felswände gesperrt, die nur an einer Stelle durch eine noch schneeerfüllte Schlucht durchschnitten werden ( « Gardy-loo » getauft - nach dem ehemaligen Warnungsruf in Edinburgh, wenn schmutziges Wasser aus den Fenstern geschüttet werden sollte !). Der Durchstieg gelang, und am 27. April wurde Lager 1 bei knapp 4900 m bezogen.

Zum Kummer des nepalischen Verbindungsoffiziers teilte sich die britische Mannschaft nun in zwei Gruppen: Roberts und Wylie wollten P. 23807 ft. = 7256 m ( Ganesh? x ) erkunden, einen stattlichen Berg westlich der Modi Khola. P. 23 807 und Machapucharé sind der westliche und der östliche Torwächter vor dem Sanktuarium auf der Südseite des Annapurna Himal, und man liebäugelte offenbar mit diesen beiden stolzen Gipfeln. Bei dieser ersten Erkundung des « Modi Tse » kam man in sehr tiefem Schnee nur bis etwa 5940 m.

Die andere Gruppe, die am Machapucharé blieb, wurde von einem sehr bösen Zwischenfall betroffen, nämlich Roger Chorley erkrankte an Poliomyelitis ( spinaler Kinderlähmung ) und musste unter grossen Schwierigkeiten nach dem British women 's Hospital in Pokhara transportiert werden. Trotzdem ging die Arbeit am Berg weiter.

Cox und Noyce gelangten von einem Lager 2 aus zum « Nordsattel », mussten sich aber davon überzeugen, dass der wilde Nordgrat in voller Länge praktisch unbegehbar ist. Es kam also darauf an, den Grat weiter südwärts, näher dem Gipfel, zu gewinnen. Dazu musste zunächst ein Lager 3 bei etwa 6100 m erstellt werden, auf einem Eisnollen in 2/3 der Wandhöhe. Diese Riefelwand kostete viel Stufenarbeit und wurde mit 270 m fixem Seil gesichert. Auch die gut 200 m von dem neuen Lager bis zur Grathöhe machten viel Mühe und erforderten weitere 60 m fixes Seil. Dann endlich konnte Noyce eine Kerbe in die Gratwächte hacken.

Die zu einem Felspfeiler hinaufziehende Gratschneide sah so abschreckend aus, dass nun ein Versuch in der Ostflanke gemacht werden sollte. Dazu wurde ein solider Holzpfahl auf der Grat- 1 Der Name « Ganesh », der dort anscheinend gebraucht wird, ist sehr unglücklich gewählt, da er zu Verwechslungen mit dem Ganesh Himal ( im NNW von Kathmandu ) führen muss. Vielleicht sollte man P. 23 807 lieber Modi Peak oder Modi Tse taufen. Seine Höhe, die früher mit 23 607 ft. = 7195 m angegeben wurde, scheint nach W. Noyce 23 807 ft. = 7256 m zu sein.

kante eingerammt und fixiert, der zum Abseilen nach beiden Richtungen dienen konnte, worauf die britischen Bergsteiger in einer sehr steilen kleinen Hohlkehle der Seti-Khola-Seite 60 m am Seil abstiegen. Es folgte eine 400 m lange Querung in südlicher Richtung, ein bedenkliches Stück, denn in diesem Steilhang der Ostflanke war der Schnee beinahe grundlos. Mit Erleichterung betraten sie endlich wieder sicheren Boden, ein flacheres Firnfeld, den Platz für Lager 4 ( 6200 m ).

Auch der Rückweg nach Lager 3 war höchst ungemütlich, und dann erst recht die erneute Begehung dieser gefährlichen Strecke zusammen mit drei schwer beladenen, tapferen Sherpas - Ang Nyima, Tashi und dem jungen Ang Tsering. Doch es gelang, und am 17. Mai stand Lager 4.

Die Hoffnung, nun ohne weitere Schwierigkeiten die oberste Gletscher-Terrasse unter dem Gipfelaufschwung des Machapucharé erreichen zu können, wurde bitter enttäuscht. Hinter dem Ostsporn eines markanten Felsbollwerks ( « Rock Buttress » ) schien es zunächst überhaupt keine Fortsetzung mehr zu geben, nur einen Absturz gegen die Seti Khola; doch schliesslich fand sich eine Ausweichmöglichkeit: Auf dem buchstäblich fast messerscharfen Sporn nach rechts, gegen den Hauptgrat hin, und dann mittels einer 7½ m langen Strickleiter und 90 m Seil hinunter zu einem an die Wand geklebten Gesims, auf dem man - zwei gewaltige Klüfte überlistend - zu dem oberen Terrassen-Gletscher gelangen konnte. Dort bezogen Cox und Noyce am l.Juni das Lager 5 ( 6400 m ).

Der nächste Tag sollte die Entscheidung bringen. Um 4.15 Uhr brachen sie auf. Es war ein strahlender Morgen, doch der Schnee war hier auf der Nordseite knietief- bis zum Bergschrund. Darüber bäumt sich die Riefelwand jäh empor, kanneliert wie antike Säulen, jede Rippe gerade hinaufziehend zu dem gezackten Gipfelgrat - und alles reines Eis! Jeder Tritt, jeder Griff muss förmlich hineingemeisselt werden, man kommt unendlich langsam vorwärts. Bis zum Gipfel ist es nicht mehr weit, vielleicht noch 40 bis 50 Höhenmeter ( 150 Fuss ), aber welcher der Grattürme mag der höchste sein, welche Eisrippe führt zum eigentlichen Gipfel? Das ist von unten nicht leicht zu entscheiden.

Das Wetter verschlechtert sich rasch, die hohen Gipfel - Dhaulagiri, Annapurna und Manaslu -verschwinden in langen Wolkenwürsten, schon beginnt es zu schneien, immer heftiger, also... zurück! Noyce und Cox waren sehr froh, als sie um 14.30 Uhr ihr schon halb begrabenes Zelt ( Lager 5 ) glücklich wiedergefunden hatten. Am 3. Juni traten sie den Abstieg zum Basislager an, der heikel genug war, aber ohne Unfall gelang.

Viele Zeitungen haben gemeldet, Machapucharé, das nepalische Matterhorn, sei von der britischen Expedition 1957 bezwungen worden. Das ist nicht richtig. Nach dem spannenden, streng bei der Wahrheit bleibenden Bericht von Wilfrid Noyce ist seine Seilschaft knapp 150 Fuss unter dem Gipfel umgekehrt. Gewiss, das ist nicht viel, kaum zwei Seillängen, und auch beim Kangchendzönga hat man 1955 den höchsten Punkt des Berges nicht betreten. Aber dort geschah dies nur, um die religiösen Gefühle der einheimischen Bevölkerung zu schonen. Man blieb 1 ½ Höhenmeter unter dem Gipfel stehen, aber man hätte in wenigen Schritten mühelos hinaufgehen können. Beim Machapucharé dagegen war es kein freiwilliger Verzicht: Die geriefelte Eiswand zum Gipfelgrat hinauf war äusserst schwierig und hätte noch langwierige harte Arbeit gekostet, die Position des Hauptgipfels ( 6997 m ) war nicht genau bekannt, obendrein schlug das Wetter um und zwang zum Rückzug. Es war eine sehr ehrenvolle Niederlage nach langem, hartem Kampf, aber - es war keine Erstersteigung des Machapucharé.

Literatur: « Alpine Journal », Nr. 295, November 1957, S. 113-120. Vgl. auch « Berge der Welt » 1954, Tafel 53, und « Himalayan Journal » XVIII, S. 81-86.

Für einen neuen Angriff sei der grossenteils felsige SW-Grat ernsthaft in Betracht gezogen, der einen direkten Zugang zu dem - allerdings etwas niedrigeren - Südgipfel des Machapucharé vermitteln würde.

Vom Dhaulagiri ist für 1957 nichts zu melden. Erst 1958 wird sich dort wieder etwas tun: Eine neue achtköpfige schweizerische Expedition unter Leitung von Werner Stäuble-Zürich, der schon 1955 am Berg war, tritt an1.

6. Nanda Devi ( 7816 m ), der höchste Berg von Garhwal, war 1957 das Ziel einer indischen Expedition, die vom « Himalayan Mountaineering Institute » in Darjiling organisiert worden war. Die Erstersteigung war bereits am 29. August 1936 W. Tilman gelungen, die zweite Besteigung hat wahrscheinlich die verschollene Seilschaft Duplat-Vignes 1951 ausgeführt. Es hätte sich also nur um eine dritte Besteigung gehandelt, aber die « Göttin Nanda » ist ein so prachtvoller Berg, dass auch diese Wiederholung eine sehr lohnende Aufgabe war. Nach einem Bericht von Major Jayal zwangen jedoch schwere Schneestürme und die Erkrankung eines Teilnehmers zum Rückzug, obwohl fünf Bergsteiger bis etwa 150 m unter dem Gipfel vorgedrungen waren.

7. Nachtrag von 1956. Gleichfalls unter Leitung von N.D. Jayal hatte das « Himalayan Mountaineering Institute » 1956 eine Expedition in die Sasir-Kangri-Gruppe ( Südost-Flügel des Karakorum ) gemacht, wie in meiner vorjährigen Himalaya-Chronik ( « Die Alpen » 1957, Quartalsheft 1, S. 23 ) kurz gemeldet wurde. Die ursprüngliche Absicht, den Sasir Kangri selbst ( 7672 m ) anzugreifen, wurde aufgegeben, da ein Gürtel von überhangenden Eiswänden bei etwa 6400 m den Zugang auf der Westseite sperrte oder zum mindesten ausserordentlich gefährlich gemacht hätte. Aber die Erstersteigung eines namenlosen Gipfels von etwa 7300 m, die erst später bekannt wurde, war wenigstens ein Trostpreis.

8. Der gewaltige Siachen-Gletscher ( Sia = Rose, chen = gross ), 72 km lang, ist der zweitgrösste Eisstrom Asiens und wird nur von dem Fedtschenko-Gletscher in NW-Pamir noch übertroffen, der mit seinen 77 km der längste Gletscher ausserhalb der Polargebiete ist. Nach langer Pause war der « Grosse Rosengletscher » das Arbeitsgebiet der « Imperiai College Expedition 1957 » unter der Leitung von Eric E. Shipton. Stellvertretender Leiter war Dr. G. M. Budd; die anderen Teilnehmer dieses rein wissenschaftlichen Unternehmens waren: B.J. Arnos, G.C. Bratt, R. Cratchley, M. Gravina, P. H. Grimley und K.J. Miller.

Der Anmarsch aus dem Shayok-Tal folgte dem Saltoro- und Dansam-Fluss bis Goma, dann dem Bilafond-Gletscher, wo bereits kartographisch gearbeitet wurde, und über den Bilafond La ( 5547 m ) zum mittleren Siachen. Dann ging eine Gruppe den auf der Südseite des Teram-Kangri-Massivs gelegenen Teram Sher Glacier ( Teram Shagrihinauf, ohne aber eine grössere Besteigung zu unternehmen. Ein Versuch, den von mir 1934 genau erkundeten Übergang vom Siachen zum Baltoro praktisch auszuführen, wobei man auf der Südseite des Sia Kangri bis etwa 6700 m ( zum Lager 7 der « I.H.E. 1934 » ) hinaufgehen muss, scheiterte an Schlechtwetter und starkem Schneefall. Auf dem Rückweg überschritt man wieder den Bilafond La.

Über die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Expedition kann man noch nicht viel sagen, da bisher noch nichts publiziert ist. Am 22. April 1958 hielt Shipton im Alpine Club einen Vortrag über sein Siachen-Unternehmen. Eine photogrammetrische Neuaufnahme des in den letzten Jahrzehnten vernachlässigten « Grossen Rosengletschers » ( Maßstab 1:50000 ) wäre bestimmt wissenschaftlich und bergsteigerisch höchst wertvoll, aber da es sich hier um ein riesengrosses Gebiet handelt, werden wir auf diese Karte wohl noch eine Weile warten müssen.

1 Während des Druckes geht die Meldung ein, dass die Dhaulagiri-Expedition 1958 bei etwa 7600 m Höhe aufgeben musste. Wetter- und Schneeverhältnisse seien trostlos gewesen.

Dafür gibt es im benachbarten Baltoro-Gebiet eine prächtige Neuaufnahme, wenn auch zur Zeit noch nicht in der endgültigen Form, die « Edizione Provvisoria » des Rilievo stereofotogrammetrico terrestre: « K2 », 1:12500, Äquidistanz 25 m, herausgegeben vom Istituto Geografico Militare in Florenz nach den Aufnahmen der Italienischen Karakorum-Expedition 1954 unter der Leitung von Prof. Ardito Desio. Nach der dramatischen Erstersteigung des K 2 durch A. L. Lacedelli am 31. Juli 1954 kommt nunmehr die Karte - in sehr grossem Maßstab, weich und schön in der Felszeichnung, fast « ein Luxus für den Karakorum » ( Marcel Kurz ). Sei's drum - es ist ja K 2 oder Chogori, « der Berg der Berge ». Freuen wir uns, dass wir jetzt vom Mount Everest ( 8848 m ) und vom K 2 ( 8611 m ), den beiden höchsten Bergen der Erde, prachtvolle Spezialkarten haben, in einem Maßstab, wie wir es sogar in den Alpen nicht gewohnt sind!

Literatur: « Die Alpen », 1.Quartalsheft 1958, S. 62 und 64. Die neue Karte des K2 wird zurzeit ( Frühjahr 1958 ) offiziell noch nicht ausgegeben. Nur der Liebenswürdigkeit von Prof. Desio verdanke ich ein Stück der provisorischen Ausgabe.

10. Die wichtigsten bergsteigerischen Ereignisse des Jahres 1957 brachte die Karakorum-Expe-dition des Österreichischen Alpenvereins - Marcus Schmuck, Fritz Wintersteller, Kurt Diemberger und Hermann Buhl. Hauptziel war der Broad Peak ( 8047 m ), an dem eine deutsche Expedition im Herbst 1954 bis 7100 m vorgedrungen war. Die kleine, aber ungewöhnlich leistungsfähige und kampfkräftige österreichische Mannschaft 1957 wollte es ohne Hochträger und ohne Sauerstoffgeräte versuchen, und zwar auf der Route, die ich in meinem Buch « Baltoro » ( Basel 1939, vgl. S. 70-72 ) vorgeschlagen hatte.

Am 26. April brachen sie mit 92 Balti-Trägern von Askole auf. Bis Urdokas ging alles gut, aber dann gab es auf dem mittleren Baltoro bei schlechtem Wetter und tiefem Schnee den üblichen Streik. Am 6.Mai wurden die vier Bergsteiger von den Kulis endgültig im Stich gelassen; zusammen mit zwei übriggebliebenen verlässlichen Postläufern mussten sie nun acht Tage lang mit etwa 30 kg « pendeln »: 23 Lasten mussten 4 km, alles andere sogar 12 km weit zum Hauptlager ( 4900 m ) auf der Mittelmoräne des Godwin-Austen-Gletschers befördert werden. Dieses erbarmungslose « Training » war der Akklimatisation sehr förderlich!

Nun begann die Arbeit am Westsporn des Broad Peak, von dem ich vor zwanzig Jahren schrieb: « Dieser Sporn ist sicher gangbar und bietet einen lawinensicheren, direkten Durchstieg durch die unteren Steilwände bis auf die grosse Firnterrasse. Auch für „ Tiger " ist dieser Zugang bestimmt möglich, wahrscheinlich sogar ohne langwierige „ Weg-Arbeiten ". Für Balti-Träger allerdings ist der Westsporn bereits zu viel. » Was ich 1938/39 nicht voraussehen konnte, ist bloss das Einreise-verbot für Sherpas in den ( 1947 entstandenen ) Staat Pakistan. Dass eine Klein-Expedition trotzdem - ohne Sherpas und auch ohne Hunzas - einen schwierigen Achttausender bezwingen könne, indem die « Sahibs » selbst die Schwerarbeit der Hochträger übernahmen, hätte man früher für unmöglich gehalten. Es war tatsächlich eine einzigartige Leistung, wie die vier Österreicher - täglich bis zu 25 kg schleppend - ihre drei Hochlager erstellten und mit allem Notwendigen ausstatteten: I ( das « Zahnlager » ) bei 5800 m, II ( das « Wächtenlager » ) bei 6400 m am Rande des Firnplateaus und III ( oberhalb der steilen « Eiskapelle » ) bei 6950 m.

Am 29. Mai wurde der erste Angriff auf den Gipfel angesetzt. Es war eigentlich noch zu früh, denn Lager III war erst am 28. Mai fertiggestellt worden - eine ungeheure Strapaze bis in die Nacht hinein! Aber um das schöne Wetter auszunützen, verzichtete man auf den wohlverdienten Rasttag und trat um 5 Uhr morgens an: Grimmige Kälte, tiefer Pulverschnee, harte Spurarbeit im Steilhang. Das Schlimmste waren die letzten 250 Meter zur Scharte zwischen Mittel- und Hauptgipfel des Broad Peak - die Strecke, die ich schon 1938/39 als « das einzige problematische Stück der Route » bezeichnet hatte.Vereiste steile Felsen - immerhin schon mit Schwierigkeitsgrad 4 zu bewerten - werden von Wintersteller in grosser Form bewältigt und mit 80 m fixem Seil gesichert, die Scharte ( ca. 7800 m ) ist erreicht. Doch es ist bereits 17 Uhr, und das Wetter verschlechtert sich. Trotzdem kämpfen Wintersteller und Diemberger sich noch bis auf einen Vorgipfel ( ca. 8030 m ) im Nordgrat des Hauptgipfels. Inzwischen ist es 18.30 Uhr geworden, dazu Nebel und Schneetreiben, also - zurück! Nach einem ziemlich abenteuerlichen Abstieg sind alle um 21.30 Uhr glücklich wieder in Lager III ( 6950 m ) und kehren am nächsten Tage ins Basislager ( 4900 m ) zurück, um sich gründlich zu erholen und Schönwetter abzuwarten.

Am B. Juni wurde Lager III wieder bezogen, diesmal schon am frühen Nachmittag, so dass alle Vorbereitungen für den Schlussangriff in Ruhe getroffen werden konnten. Der 9. Juni - Pfingstsonntag - sollte die Entscheidung bringen: Um 3.30 Uhr ging es los. Die bittere Kälte machte allen wieder zu schaffen, vor allem Buhl, der nicht gut in Form war und an seinen ( am Nanga Parbat erfrorenen ) Füssen litt. Die ersten, Schmuck und Wintersteller, waren dank dem beim ersten Angriff zurückgelassenen fixen Seil schon um 12.45 Uhr in der Scharte, wo sie eine längere Rast machten. Der Aufstieg zu dem schon einmal erreichten Vorgipfel machte viel Mühe; es war etwas schmerzlich, dass der höhere Südostgipfel noch ziemlich weit entfernt war. Endlich lag auch dieser lange Verbindungsgrat mit seinem vielen Auf und Ab hinter ihnen, und bald nach 17 Uhr betraten sie die gewaltige Wächte des Hauptgipfels. Broad Peak ( 8047 m ) war der vierte « österreichische Achttausender » geworden. Das Wetter war strahlend, die Aussicht klar bis in die weitesten Fernen.

Die anderen beiden hatten die Scharte ( ca. 7800 m ) um 13.30 Uhr erreicht. Dort musste der sonst so schnelle Buhl, der sich gar nicht wohl fühlte, eine volle Stunde rasten; Diemberger blieb bei ihm. Dann gingen sie langsam weiter, aber kurz vor 17 Uhr waren sie noch nicht einmal auf dem Vorgipfel und sahen den Hauptgipfel in weiter Ferne. Was nun? Diemberger war in ausgezeichneter Form, und Buhl war damit einverstanden, dass sein junger Bergkamerad es allein versuchte. Er selbst hatte in den Füssen kein Gefühl mehr und deshalb, wie er ehrlich bekannte, « im Augenblick keinerlei Ambitionen »; er blieb also zurück.

Inzwischen stürmte Kurt Diemberger in wenig mehr als einer halben Stunde über den Gipfelgrat des Broad Peak und kam auf dem Hauptgipfel an, als Schmuck-Wintersteller gerade den Abstieg antraten. Und Diemberger bestieg den Hauptgipfel ( 8047 m ) sogar zweimal! Denn auf dem Rückweg traf er Hermann Buhl, der sich mit seiner alten, unbezähmbaren Willenskraft - trotz der vorgerückten Zeit - vorwärtskämpfte. Wortlos kehrte Diemberger wieder um, und vereint standen sie um 7 Uhr abends auf dem Hauptgipfel des Broad Peak. Aus den Tälern stieg die Nacht herauf, nur die höchsten Gipfel leuchteten noch in blutrotem Schein. Es war ein unbeschreiblicher Augenblick - Krönung von Hermann Buhls einzigartigem, stolzem Bergsteigerleben!

Nahe dem Hauptlager, wo sie sich nun erholten, gab es noch eine fast unbekannte stattliche Berggruppe mit mehreren Siebentausendern, auf der Westseite des Savoia-Gletschers gelegen, also zwischen dem K 2 ( 8611 m ) und dem Mustagh-Turm ( 7280 m ). Der höchste Gipfel dieser « Savoia-Gruppe » ( ein offiziell nicht anerkannter Name ) sah sehr verlockend aus. Am 18.Juni packten Schmuck und Wintersteller diese neue Aufgabe an und wanderten über den mittleren Goldwin-Austen- und den unteren Savoia-Gletscher zu dessen zerschründetem rechtem ( westlichem ) Tri-butär-Gletscher. Hier leisteten die Sommer-Ski gute Dienste und trugen über die verdächtigen Schneebrücken zahlreicher Spalten sicher hinweg. Nach zehnstündigem Marsch schlugen sie auf einer breiten Gletscher-Terrasse bei etwa 6060 m ihr Leichtzelt auf.

Am Morgen des 19. Juni konnten sie die Ski noch bis zum Bergschrund ( 6200 m ) benützen und nahmen dann auf Steigeisen die steile Südostflanke ihres Berges in Angriff: 300 m Eiswand, dann einem Eisbruch rechts ausweichend durch eine Schneerinne empor, weiter im hüfttiefen Pulverschnee, alle dreissig Schritte rastend, hinauf zu gefährlichen, schneebedeckten Felsen und endlich noch ein Wächtengrat zum Gipfel. Es war eine zwölfstündige Schwerarbeit mit vollem Einsatz, fast noch ärger als auf den Broad Peak.

Wie hoch ist dieser bisher namenlose Gipfel? Der Höhenmesser der Österreicher zeigte 7420 m, aber auf ein Aneroid darf man sich ja nicht verlassen. Sehr viel wichtiger sind die photogrammetrisch ermittelten Werte. Da haben wir die Wahl zwischen zwei Koten: Die Karte 1:100000 von F. Negrotto ( 1911 ) nennt 23829 ft. = 7263 m, und diese Höhenzahl wurde auch auf die Karte 1:75000 der Spoleto-Desio-Expedition 1929 ( erschienen erst 1937 ) übernommen Die Karte 1:250000 von Michael Spender 1937 ( erschienen 1938 ), aufgenommen von Norden, also von der Shaksgam-Seite, gibt 7360 m an. Beziehen sich aber beide Koten wirklich auf den gleichen Gipfel? Das hatte ich zunächst angenommen, doch nach sorgfältigem Studium aller zur Verfügung stehenden Aufnahmen neige ich jetzt zu der Auffassung, dass zwei verschiedene Gipfel visiert sind: P. 7263 m ( Negrotto ) ist der Ostgipfel des Massivs - der auf der Skizze in der Alpenvereinszeitschrift 82 ( 1957 ), S. 30, mit 7360 verzeichnet ist. P. 7360 m ( Spender ) ist der rund 100 m höhere westliche Hauptgipfel - der auf der genannten Skizze mit « ca 7420 » angegeben ist und auf den italienischen Karten fehlt. Spender hat von Norden wohl sicher den Kulminationspunkt der « Savoia-Gruppe » visiert und berechnet, und das ist eben der von den Österreichern erstbestiegene Siebentausender. Für diesen scheint mir also 7360 m vorläufig die beste und wahrscheinlichste Höhenzahl zu sein. Ob Spenders Wert wirklich 60 m zu niedrig ist und ob ausnahmsweise die barometrische Höhenangabe 7420 m der Wahrheit näher kommt, kann höchstens eine photogrammetrische Neuvermessung entscheiden. Übrigens ist die Differenz von 60 m nicht allzu schwerwiegend. Die Karakorum-Karten enthalten mancherlei sehr viel schlimmere Fehler! Dass die Österreicher auf ihrem Gipfel den Mustagh-Turm ( 7280 m ) deutlich überhöhten, ist kein Kriterium, da es auch für Spenders Höhenzahl - 7360 m - zutrifft. Auf alle Fälle war es eine hervorragende Leistung von Schmuck und Wintersteller, noch etwas abgekämpft von einer ( zweimaligen ) Achttausender-Besteigung den höchsten Gipfel der « Savoia-Gruppe » mit nur einem Zwischenlager im Sturm zu nehmen.

Technisch von besonderem Interesse ist, dass sowohl am Broad Peak als auch am Savoia-Gipfel P. 7360 beim Abstieg die sitzende Abfahrt mit Pickelbremse ausgiebig angewandt wurde, im tiefen Schnee ein viel Zeit und Kraft sparendes Verfahren. Auch diese Art der Abfahrt muss allerdings gekonnt sein!

Auch Buhl und Diemberger wollten dem Broad Peak gern noch einen schönen Siebentausender folgen lassen - Chogolisa ( 7654 m ), über den ich in « Baltoro » S.79 geschrieben hatte: « Chogolisa ist ein wundervoller Gipfel. Die klassische Schönheit und Ruhe seiner Linien und die gewaltigen kannelierten Firnwände machen ihn zum Ideal eines Eisberges. » Die gegebene Route ist seit 1909 bekannt: der Südostgrat, an dem der Herzog der Abruzzen mit seinen Führern bis 7498 m vorgedrungen war, ein bergsteigerischer Höhen-Weltrekord, der erst 13 Jahre später am Everest überboten wurde. Bei etwas Wetterglück wäre Chogolisa ( damals noch « Bride Peak » genannt ) sicher schon 1909 bezwungen worden - für moderne Bergsteiger der « Extraklasse » also scheinbar gar kein Problem.

Buhl und Diemberger passierten den Platz, wo einst das Lager 4 meiner « Internationalen Hima-laya-Expedition 1934 » gestanden hatte, und wandten sich hier südwärts, dem Kaberi-Sattel zu. Am 24. Juni errichteten sie ihr Hochlager I bei 6300 m, am 25. Juni Lager II bei 6700 m. Der 27. Juni sollte die Entscheidung bringen. Buhl, der viel gespurt hatte, war in guter Form und fühlte sich viel wohler als am Broad Peak.

Nach frühem Aufbruch ( 4.45 Uhr ) überschritten sie den Vorgipfel P. 7150 und waren um 9 Uhr in dem Sattel ( 7010 m ) dahinter. Das Wetter schien einwandfrei, der Weg zum Gipfel war gut zu übersehen und offenbar ohne weiteres gangbar. Auf Wunsch von Buhl gingen sie ohne Seil. Im Spuren sich ablösend waren sie bis knapp 7300 m gekommen, als es plötzlich neblig und windig wurde. Es verschlechterte sich rasch, der Wind wurde zum Sturm, Schneeschauer nahmen jede Sicht, eine Fortsetzung des Aufstiegs über den Wächtengrat wurde bedenklich. Um 13 Uhr entschlossen sie sich zur Umkehr, Diemberger voraus, Buhl mit 10 m Abstand hinterher, ohne Seil, links im dichten Nebel ( « Waschküche » ) der Wächtenrand, die Aufstiegsspur kaum mehr zu erkennen. Da geschah es! Der Schnee erzittert, Diemberger springt instinktiv nach rechts, Hermann Buhl aber...

« Vom Gratgipfel konnte ich die Spuren genauer beobachten und feststellen, dass Hermanns Spur bei einer Biegung meine Spur verliess und gerade weiterführend in den Wächtenabbruch führte ( Photo ) » schliesst die Aussage Kurt Diembergers, die am 28. Juni 1957 im Hauptlager protokolliert wurde.

Die Such- und Bergungsaktion blieb ergebnislos. Unter der Absturzbahn - mindestens 300 Höhenmeter - türmten sich gewaltige Schneemassen, die von immer neuen Lawinen überflutet wurden. Unter ihnen schlummert einer der besten, kühnsten und erfolgreichsten Bergsteiger unserer Zeit.

Literatur: « Österreichische Bergsteiger-Zeitung », Nrn. 8 und 10, August und Oktober 1957. « Der Bergsteiger », Heft 12, September 1957, Chronik, S. 157-160; Heft 1, Oktober 1957, S. 41-49. « Jahrbuch des Österreichischen Alpenvereins 1957 » ( Alpenvereinszeitschrift, Bd. 82 ), S.

11. Ein Glanzstück des Baltoro ist der Masherbrum ( 7821 m ), der schon 1938 von einer britischen und 1955 von einer neuseeländischen Expedition bestürmt worden ist, natürlich nicht auf der ziemlich aussichtslosen Baltoro-Front, sondern auf der Südseite, vom Hushital aus. 1957 brachte einen neuen entschlossenen Angriff durch eine Bergsteigergruppe aus Manchester. Leiter war/. Walmsley. Die anderen Teilnehmer waren: E. W. Dance, R. Downes, G. Smith, R. Sykes und D. Whillans.

Man verliess Skardu am 7. Juni, marschierte auf der Nordseite des Shayok über Doghani und durch das Hushital zum Masherbrum-Gletscher und errichtete am 15. Juni das Basislager bei knapp 4000 m am Fuss des « Sérac Glacier », eines nördlichen Zuflusses des Masherbrum-Gletschers. Wie schon der ( nicht sehr originelle ) Name besagt und wie auch durch die früheren Expeditionen bekannt wurde, ist der Aufstieg über den « Sérac Glacier » ziemlich schwierig und nicht ungefährlich. Lager 1 ( ca. 4700 m ) wurde am 18. Juni über dem zweiten Eisfall erstellt, Lager 2 ( ca. 5240 m ) am 19. Juni in dem Becken über dem dritten Eisfall, Lager 3 ( ca. 6400 m ) am 23. Juni auf dem « Dom », einer Firnkuppel über dem « Sérac-Gletscher ». Nr.3 diente als vorgeschobenes Basislager, denn man war hier auf der Schwelle zum oberen Firnbecken, so dass man nun ein gutes Stück weit ohne grössere Schwierigkeiten vorrücken konnte, aber - es folgte eine achttägige Schlechtwetterperiode.

Erst am 2. Juli stand Lager 4 ( ca. 6700 m ) auf dem Plateau unter der Südostflanke des Masherbrum und zwei Tage später Lager 5 ( ca. 7000 m ) auf der Seite des Ostgrates. Am 9. Juli wurde Lager 6 ( ca. 7300 m ) in der Südostflanke errichtet, und von hier aus machten Whillans und Smith den ersten Angriff auf den Gipfel, aber in etwa 7680 m Höhe wurden sie durch gefährliche Schneeverhältnisse zur Umkehr gezwungen, und sie mussten sogar biwakieren! Statt sich nach diesen Strapazen in tieferen Regionen erholen zu können, blieben sie drei Tage lang durch Schlechtwetter in Lager 6 eingesperrt.

Am 18. Juli waren Walmsley und Downes mit dem Hochträger Hussein wieder in Lager 6, bereit zu einem zweiten Angriff. Aber da erkrankte Downes plötzlich an Lungenentzündung und starb schon am nächsten Tage. In grosser Höhe ( 7300 mist die Pneumonie ja binnen weniger Stunden tödlich, wenn kein Sauerstoffgerät zur Verfügung steht. Das hat sich leider schon oft bewahrheitet.

Wieder war das Wetter so schlecht, dass Walmsley und Hussein erst am 24. Juli absteigen konnten, und dann musste der Tote heruntergeholt und bestattet werden. Trotz alledem gaben die Männer aus Manchester nicht auf. Am 12. August waren Walmsley, der tapfere Expeditionsleiter, und Whillans, der schon einmal bis 7680 m vorgedrungen war, wieder in Lager 6, und wieder schlug das Wetter um und zwang zu dreitägigem Warten. Am 15. August rückten sie bis zu dem Platz vor, wo seinerzeit die erste Seilschaft biwakiert hatte, und erstellten dort Lager 7 ( ca. 7560 m ). Der 16. August sollte die Entscheidung bringen.

Sie brachen schon um 2.30 Uhr auf, was für den Himalaya ganz ungewöhnlich früh ist, und waren gegen 4 Uhr in dem Couloir zwischen den beiden Spitzen ( NE 7821 m, SW 7806 m ). Da erlebten sie eine sehr böse Enttäuschung: Trotz der frühen Stunde war der Schnee ganz faul und grundlos. Es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als den Felspfeiler auf der linken Seite des Couloirs in Angriff zu nehmen, und da war die Kletterei geradezu extrem schwierig. Für 200 Fuss, also rund 60 Höhenmeter, brauchten sie sieben Stunden! Die Felsen waren verglast und verschneit. Whillans büsste ein Paar Handschuhe ein, Walmsley bekam Frostschäden an einem Daumen und an seinen Zehen. Zuletzt waren sie in einer Höhe von 25 300 ft. = 7711 m, also nur noch 110 Höhenmeter unter dem Hauptgipfel, aber - es ging nicht weiter! Sie seilten sich ab und kehrten nach Lager 7 zurück. Zwei Tage später waren sie im Basislager. Es war ein heldenhafter Kampf gewesen, der in der Geschichtsschreibung des Karakorum-Himalaya ehrendes Gedenken verdient - auch wenn der Gipfelsieg ausblieb.

Vor zwanzig Jahren, in meinem Buch « Baltoro » ( S.38 ), schrieb ich über den Masherbrum von Süden: « Allerdings ist nicht zu verkennen, dass gerade die obersten 300 m der steilen Gipfel-Pyramide die grössten technischen Schwierigkeiten bringen. Sehr schwere Felskletterei in einer derartigen Höhe bleibt immer ein Problem. » Obwohl diese Prognose sich bewahrheitet hat, darf man heute sagen: Masherbrum, das « Matterhorn von Baltistan », ist jetzt « reif ». Es braucht allerdings nicht nur Spitzenkönner, sondern vor allem etwas mehr Wetterglück, als die tapferen Bergsteiger aus Manchester hatten.

Literatur: Berichte über diese Expedition sind bisher ( bis Mai 1958 ) nur in den « Times » erschienen. Wichtiger für mich waren genaue briefliche Informationen, die ich meinem Clubkameraden D.F.O. Dangar verdanke.

12. Im August und September 1957 versuchte eine Expedition der Oxford University eine Besteigung des Haramosh ( 24 270 ft. = 7397 m ), des berühmten, aber noch nie ernsthaft angegangenen Massivs zwischen Indus und Chogo-Lungma-Gletscher. Leiter war Captain A. Streather; die anderen Teilnehmer waren: R. C. Culbert.J. G. Emery, B.A.J.illott und der Amerikaner D. Hamilton. Mit dem pakistanischen Verbindungsoffizier und Topographen Sahib Shah und mit 6 Hunza-Trägern verliess die Expedition Ende Juli 1957 Gilgit und fuhr mit Jeep nach Sasli ( auch Susli geschrieben ) in der Indus-Schlucht. Ein nur zweitägiger Anmarsch brachte zum Basislager im Kutwal-Tal, unter der Nordflanke des Haramosh. Diese Nordfront ist gegen 4000 m hoch, sehr steil und von Lawinen gefegt, kommt also nicht in Frage. Darum wurden zunächst NW- und W-Grat bis etwa 5200 m hinauf erkundet. Beide Grate sind stark gezackt, durch Steilstufen gegliedert, offenbar technisch recht schwierig, also nicht gerade einladend. Auch der SW-Grat scheint ziemlich aussichtslos zu sein. Mitglieder der Italienischen Karakorum-Expedition 1954 berichteten, dass die Südseite des Haramosh ebenfalls sehr abweisend ist. Also wurde beschlossen, den noch nicht näher bekannten NE-Grat ernsthaft anzugehen, der allerdings vom Haramosh La ( ca. 5200 m ) bis zum Hauptgipfel gut 9 km lang ist und bedeutende Gegensteigungen aufweist.

Die Route folgte zunächst dem Haramosh Glacier, auf dessen oberster Stufe Lager 3 ( ca. 5640 m ) errichtet wurde. Aber am 19. August schlug das Wetter um und blieb mit kurzen Unterbrechungen wochenlang schlecht, so dass alles ins Basislager zurückkehren musste. Endlich konnte wenigstens Lager 4 ( knapp 6100 m ) erstellt werden, aber wieder folgte eine Woche erzwungener Untätigkeit, und erst am 14. September arbeiteten sich Culbert und Emery durch hüfttiefen Schnee über zer-schründetes Terrain gegen den NE-Grat hinauf, während Streather und Jillott nach Lager 4 auf-schlössen. Die Verhältnisse waren so trostlos, Proviant und verfügbare Zeit so knapp geworden, dass ein Angriff auf den Gipfel nicht mehr in Frage kam. Das Äusserste, was man noch erhoffen konnte, war die Erreichung eines Punktes im NE-Grat, von dem aus der Rest einer zukünftigen Route mit einiger Sicherheit beurteilt werden könnte.

Am 15. September stieg die Mannschaft bis zu einer Höhe von etwa 6400 m im Grat hinauf. Es war schon später Nachmittag geworden, eigentlich an der Zeit, nach Lager 4 zurückzukehren. Jillott und Emery waren daran, einen Firnzacken im Grat zu ersteigen, als dort plötzlich - ohne warnende Vorzeichen - eine Schneebrettlawine brach und sie etwa 300 m mitnahm, bis in eine Mulde gerade oberhalb des Eisfalles, der über der Nordflanke des Berges hängt. Dabei verloren beide Bergsteiger ihre Eispickel und Emery auch seine Handschuhe. Der direkte Rückweg zum Grat war ihnen durch eine etwa 60 m hohe Eiswand versperrt, über die sie soeben mit der Lawine heruntergestürzt waren. Obendrein hatten sie ja keine Pickel mehr.

Als Streather und Culbert sahen, dass Jillott und Emery noch lebten, eilten sie zum Lager 4, um Proviant und Kälteschutzmittel zu holen. Bis sie wieder auf dem Grat oberhalb der Unfallstelle waren, wurde es bereits dunkel. Sie versuchten einen nächtlichen Abstieg zu dem Becken, wo ihre beiden Kameraden auf Hilfe warteten, doch waren sie bei Morgendämmerung ( des 16. Septembers ) erst über der 60-m-Eiswand, die einen langen Quergang notwendig machte. Diese Traverse kostete offenbar viel Zeit, ebenso der nun folgende steile Abstieg, so dass es Nachmittag wurde, bis sie bei Jillott und Emery waren. Zwei Versuche, sich noch an diesem Tage aus der Todesfalle zu befreien, scheiterten, ohne dass sie die lange Traverse erreicht hätten. Den Rest der Nacht ( 16./17. September ) verbrachten Streather-Culbert in einer flachen Spalte.

Am 17. September erstiegen sie zunächst den unteren Steilhang und nahmen dann den grossen Quergang in Angriff. Der vorausgehende Streather hackte eine lange Stufenreihe - mit der einzigen ihnen verbliebenen EisaxtWieso auch Culbert keinen Pickel mehr hatte, ist schwer zu verstehen. ) Abends, am Ende der Traverse, verlor Culbert, der nur ein Steigeisen hatte, das Gleichgewicht und riss Streather mit, wobei auch der letzte Eispickel verlorenging. Beide stürzten über die 60-m-Eiswand hinunter und landeten wieder in dem Firnbecken. Schwer angeschlagen verbrachten sie die Nacht ( 17./18. September ) in einer Spalte.

Am 18. September versuchten sie wieder den Aufstieg über den unteren Steilhang, offenbar seilfrei, da ohne Pickel sowieso keine Sicherung möglich war. Culbert, der an schweren Erfrierungen litt und ja nur ein Steigeisen hatte, rutschte ab und glitt wieder in die grosse Mulde zurück. Noch zweimal setzte er an, aber es gelang ihm nicht mehr, die Traverse zu erreichen. Streather, der noch in etwas besserer Verfassung war, wollte Hilfe holen, beging glücklich die Traverse, fand seinen Eispickel an der Stelle, wo er am 17. September abends mitgerissen worden war, erstieg den oberen Hang zum Grat hinauf und gelangte am späten Abend des 18. Septembers nach Lager 4 ( ca. 6100 m ), wo er nur Emery antraf. Was war dort inzwischen geschehen?

Am 16. September hatten Emery und Jillott sich bis zum Grat durchgeschlagen. Beim nächtlichen Abstieg in Richtung Lager 4 - ohne Pickel - verloren sie die Route und trennten sich. Emery fiel in eine Spalte. Als er am nächsten Morgen ( 17. September ) wieder zu sich kam, gelang es ihm hinauszuklettern. Er stiess auf Jillotts Spuren und ging diesen nach, bis sie plötzlich am Rande einer Eiswand endeten, die über die jähe Ostwand des Berges hinaushing. Irgendein Ret-tungs- oder Bergungsversuch kam da nicht mehr in Frage. Am 17. September mittags war Emery mit schweren Erfrierungen in Lager 4, wo 1 ½ Tage später auch Streather eintraf, ebenfalls mit Frostschäden.

Die beiden Überlebenden waren viel zu schwach, als dass sie noch nach Culbert hätten sehen können. Dieser ist wahrscheinlich in der Nacht ( 18./19. September ) gestorben, Jillott in der Nacht vorher ( 16./17. September ) abgestürzt.

Am 19. September begannen Streather-Emery den Abstieg Richtung Basislager. In Lager 3 ( ca. 5640 m ) trafen sie Hamilton, der dort offenbar lange gewartet hatte, ohne in die tragischen Ereignisse am Berg einzugreifen. Nunmehr zu dritt, mussten sie am 22. September bei etwa 4900 m nochmals biwakieren. Dann wurden sie glücklicherweise von Trägern gesehen, die ihnen am 23. September ins Basislager hinunterhalfen, fünf Tage nach dem Abmarsch von Lager 4( !).

Dieser Auszug aus einem schriftlichen Bericht, den G. Emery für den « Alpine Climbing Group » verfasst hat, mag hart klingen, aber « die Wahrheit, nichts als die Wahrheit » zu sagen, ohne auf mancherlei Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen, ist die Pflicht des verantwortungsbewussten Chronisten. Es ist geradezu erschütternd, wie oft und schwer gegen Grundbegriffe der bergsteigerischen Technik und Taktik verstossen wurde. Man muss sich nur wundern, dass es überhaupt noch Überlebende gab. Allerdings hat John Emery seine Finger und Zehen sämtlich verloren.

Der Haramosh ist sicher ein schwerer und gefährlicher Berg, aber auch für ihn wird die Stunde schlagen, vielleicht schon im Laufe der nächsten Jahre.

Literatur: Nur briefliche Informationen.

13. Eine der wichtigsten Gruppen im NW-Flügel des Karakorum ist der Hispar Mustagh, das « Eisgebirge des Hispar-Gletschers ». Es kulminiert im Disteghil Sar ( 7885 m = 25 868 ft. ). Dieser mächtige Berg war das Ziel einer britisch-italienischen Expedition 1957. Leiter war Alfred Gregory. Die anderen Teilnehmer waren: David Briggs, John Cunningham, Dennis Davis, Dr. Keith Warburton, der Expeditionsarzt, und der italienische Altmeister Piero Ghiglione.

Die Reiseroute von Gilgit ( Flugplatz ) führt durch das Hunzatal um den Rakaposhi herum nach Nagir, von wo man am B. Juni nach Hispar aufbrach, dann auf der Nordseite des Hispar-Gletschers zu seinem rechten Zufluss, dem Kunyan g- ( richtiger wohl Khiang- ) Gletscher. Bei diesem Anmarsch gab es grosse Schwierigkeiten mit den Trägern. Am Südfuss des Disteghil Sar wurde das Basislager bei knapp 4600 m errichtet. Von hier aus wurde zunächst die Möglichkeit eines Zuganges über den Ostsattel erkundet, aber die Lawinengefahr war zu gross. Dann entschied man sich für einen Angriff auf den Sattel westlich des Disteghil Sar. Es war eine richtige Wandkletterei, und die ganze Südflanke des Berges wurde ständig von Lawinen gefegt. Eine davon zerstörte Hochlager 1, zwei andere Lawinen kamen bis in die Nähe des Basislagers, aber bei guten Wetter- und Schneeverhältnissen sollte die vorgesehene Route zum Westsattel durchführbar sein. Diesmal waren jedoch in zwei Monaten nur acht gute Tage.

Insgesamt wurden vier Hochlager erstellt, und die Spitzengruppe drang bis etwa 6700 m 1 vor, d.h. bis knapp unter den Westsattel, aber ein Angriff auf den Gipfel war infolge des trostlosen 1 Ich halte mich an die britischen Höhenangaben. P. Ghiglione nennt höhere Zahlen. 174 Wetters und der dauernden Lawinengefahr nicht möglich. Ende August waren die Expeditionsteilnehmer wieder in Europa.

Literatur: Briefliche Informationen, die ich O. Dangar verdanke. « Derby », Nr. 3, April 1958, Milano.

14. Aus dem Pamir-Gebiet wird gemeldet: Dritte Ersteigung und die erste von Westen des Pik Stalin ( 7495 m ) 1955, vierte Ersteigung 1957. Erstersteigung des « Pik der Einheit » ( 6770 m ) und des « Pik Oktober » ( 6780 m ) 1955.

Literatur: « Der Bergsteiger », Dezember 1957, Chronik, S. 49-52. « La Montagne », février 1958, S. 188.«The Alpine Journal », N° 296, May 1958, S. 130.

Von besonderem Interesse ist ein Bericht von Prof. G. Pronin, einem russischen Naturwissenschaftler, der auf dem Fedtschenko-Gletscher einen « Schneemenschen » ( Yeti ) traf. Er kam ihm nahe genug, um mit dem Fernglas beobachten zu können, dass dieses Wesen ungewöhnlich lange Arme hatte und leicht vorwärts geneigt als Zweibeiner lief. Es war nicht bekleidet, d.h. der Körper trug nur ein dichtes rötlich-graues Haarkleid. Pronin ist der festen Überzeugung, dass es kein « Homo Sapiens Recens » und auch kein Affe war, sondern ein « Affenmensch », also so etwas wie ein rezenter « Pithecanthropus Erectus » oder « Gigantopithecus ». Die Beschreibung, die Pronin gibt, stimmt mit den Schilderungen verschiedener Sherpas gut überein, aber... leider fehlt noch immer ein einwandfreies photographisches Dokument!

15. Aus dem Tienschan wird gemeldet: Nach wiederholten vergeblichen Versuchen in den Jahren 1938, 1949, 1952 und 1955 gelang 1956 die Erstersteigung des Pik Pobjeda«Siegesspitze », 7439 m ) durch elf Bergsteiger ( Russen und Chinesen ) unter der Leitung von W. M. Abalakow über die Nordrippe. Pik Pobjeda ist der höchste Berg des Tienschan und der zweithöchste der UdSSR. Beim 6. Internationalen Festival für Gebirgs- und Expeditionsfilme in Trient ( Oktober 1957 ) wurde der Film « Der Gipfel des Sieges », Regie E. Pokrowski, vorgeführt. Auch Filme von der Ersteigung des Pik Moskau ( 6785 m ) und des Mustagh Ata ( 7433 m, nach russischer Angabe 7546 m ), beide im Pamir-Gebiet, wurden in Trient gezeigt.

Literatur: « Der Bergsteiger », April 1958, Chronik, S. 105-107. « Neue Zürcher Zeitung », Nr. 2959 vom 17. Oktober 1957.

16. Der Minyag Kangkar ( 7587 m ), der auch Minyag Gangkar, Minya Gongkar und ( schlecht !) Minya Konka geschrieben wird, in China ( Prov. Hsikong ) gelegen, wurde bekanntlich schon 1932 von den Amerikanern R. L. Burdsall und Terris Moore erstmals erstiegen. Die zweite Besteigung gelang 1957 einer grossen, rein chinesischen Expedition unter der Leitung von Shih Chan-Chun, wenn auch unter schweren Opfern:

Am 28. Mai wurde eine Erkundungs-Mannschaft von einer Lawine mitgerissen. Der junge Meteorologe Ting Hsing-you fand dabei den Tod, und mehrere andere Teilnehmer wurden verletzt. In zäher Arbeit entstanden nach und nach sieben Lager, Nr. 1 bei 4300, 2 am Ende der Moräne bei 4700 m, 3 im Schütze einer Wächte bei 5400 m, 4 auf dem Grat ( offenbar NW-Grat ) bei 6190 m, 5 auf dem « Hump » ( Buckel ) bei 6250 m, 6 bei 6600 m und 7 bei 6700 m. Am 13. Juni brachen sechs Bergsteiger um 3 Uhr morgens bei hellem Mondschein vom letzten Lager auf und standen um 13.30 Uhr auf dem Gipfel des Minyag Kangkar, des « weissen Schneeberges von Minyag ». Noch war das Wetter gut, so dass die üblichen « Kulthandlungen » - auch die Mitnahme eines Handstücks Gipfelgranit - in Ruhe vorgenommen werden konnten. Aber beim Abstieg gerieten sie in ein schweres Gewitter mit Schneesturm. « Und wir kamen an einen Eishang, so glatt und hart wie Glas, dass sich selbst Steigeisen und Eispickel als nutzlos erwiesen. »Der erste Mann der vorausgehenden Dreier-Seilschaft glitt aus und riss seine beiden Kameraden mit, doch im letzten Augenblick konnte Shih Chan-Chun sich an einem Felsblock anklammern und den Fall aufhalten. Die zweite Dreier-Seilschaft glitt an der gleichen Stelle aus und... sauste ins Leere. Man hat nie wieder etwas von ihnen gesehen; auch eine spätere Bergungsmannschaft suchte vergeblich.

Die drei Überlebenden hackten sich in einer Spalte eine Biwakhöhle und verbrachten vom 13. zum 14.Juni eine böse Nacht, aber am nächsten Tage war das Wetter wieder schön, und am ló.Juni trafen sie im Basislager ein.

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