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Hütten am Matterhorn

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Mit 1 Bild ( 70Von Karlrobert Schäfer

( Von der Capanna della Cravatta bis zur Hörnlihütte ) ( Basel ) Klubhütte — Schutzhütte — Refuge — Rifugio — Capanna! Wie vertraulich klingen diese Worte dem Ohr des Alpinisten. Wem unter den Bergsteigern zieht nicht bei ihrem Klang ein heimeliges Gefühl durch die Seele in Erinnerung an Hochgebirgstage, an Siege und Niederlagen, in denen diese kleinen Bauten in seinem Bergsteigerleben eine wichtige Rolle spielten. Sei es, dass sie ihm vor seinem Aufstieg in die Regionen der Felswände, des Schnees und Eises ihre gastlichen Räume öffneten, sei es, dass er von einer Bergfahrt, siegend oder unterlegen zurückkehrend, dort Ruhe fand vor seinem Abstieg ins Tal; sei es, dass sie im Toben der Elemente, in Not und Gefahr ihm Schutz, Hilfe und Rettung boten. Immer wird unser Gedenken an diese kleinen Asyle unser Herz mit Wärme und Dankbarkeit erfüllen. Hüttenschicksale am Matterhorn schildern und verfolgen, bedeutet dreiviertel Jahrhundert Geschichte dieses herrlichen, einzigartigen Berges, der denjenigen, den er einmal in seinen Bann gezogen, nie mehr loslässt. In der Seele des « Matterhorngläubigen » werden die Worte des unvergesslichen Guido Rey, des würdigen Sängers dieses Berges, wohl stets einen Widerhall finden: «... Ich will in meinem Alter immer und immer wieder an den Fuss des Matterhorns zurückkommen. Schritt für Schritt mich hinaufschleppen, auf meinen Eispickel gestützt, der nun keinen anderen Dienst mehr zu tun hat; hinaufsteigen zu den teuren Stätten und einen lieben Trost darin finden, diesen vertrauten Gipfel betrachten zu können. So will ich die letzten Freuden meines Lebens am Fusse dieses Berges geniessen: aus der frischen Quelle einen Trunk, der meinen Durst stillt, eine Tasse warmer Milch, die mich kräftigt; den Farbenschmelz einer kleinen Blume betrachten; den gesunden Harzduft einatmen, den mir der Wind aus den nahen Arven zuträgt, den Silberklang der Glocken hören, der des Abends von den stillen Ahnen kommt; will hinauf blicken zu der Hütte am Grat und mich zurückträumen in die Zeit, da ich von ihr aus noch leichten Fusses wallfahren durfte zur königlichen Spitze dieses herrlichen Berges. » Es ist sicher reizvoll, dem Werden und dem Schicksal unserer Berghütten nachzuspüren; um so mehr, wenn die Erstellung nicht immer reibungslos verlief; das war der Fall am Matterhorn, wo die Renovation und die Vergrösserung der Hörnlihütte und die Erbauung des Refuge Solvay dem S.A.C.J.ahre unerquicklicher Kämpfe bereitet haben. In der Hüttenbauchronik blickt insbesondere die letztere auf eine seltene Kampfgeschichte zurück 1.

1867—1947! In diesem Zeitraum liegt das Schicksal von sechs Matter-hornhütten.

Auf der Südseite des Matterhorns entstand 1867 auf der Cravatte ( 4114 m ), jenem leuchtenden Schneeband unterhalb des Pic Tyndall, die erste Schutzhütte, damals wohl die höchste menschliche Unterkunft in Europa. Erbaut wurde sie von einigen Valtournenser Berglern unter der Leitung von Jean Antoine Carrel, dem kühnen Bersagliere, Whympers zähem Rivalen im Kampf ums Matterhorn auf der Südseite. Dieser jahrelange Kampf ist sicher eines der interessantesten Kapitel des Alpinismus. Die markanteste Persönlichkeit dieser Epoche ist wohl der Kanonikus Georges Carrel, der glühende Patriot, unermüdliche Künder und Erschliesser seines über alles geliebten Valtournanche, der grosse Wissenschafter, Geologe, Botaniker, Meteorologe, der begeisterte Lehrer der damaligen jungen italienischen Alpinistengeneration, der vom unerschütterlichen Glauben an die Ersteigbarkeit des Horns von der Südseite Besessene, der wahrlich sein Wort: «... Es genügt nicht, nur sein Land zu lieben, man muss auch begeistert dafür arbeiten, mit ganzer Seele und ganzer Energie... » in die Tat umsetzte. Die Dankbarkeit seiner Landsleute hat ihm in dem kleinen Flecken Valtournanche am Führerhaus eine schlichte, schöne Gedenktafel gewidmet. Neben ihm leuchtet aus jenen Tagen des goldenen Alpinismus die herrliche Figur des Abbé Gorret, des « Bär der Berge », wie er sich in den späteren Jahren selbst nannte, herüber; jenes kühnen Kämpfers an der Seite Jean Antoine Carrels. Ihm zunächst Felice Giordano, der grosse italienische Ingenieur, dem wir die erste geologische Durchforschung des Matterhorns verdanken. Im Jahre 1866 hat er oben auf dem Schneeband, welches kurze Zeit später die Hütte tragen sollte, fünf Tage und Nächte allein unter einem Zelt zugebracht und, da ihm der Gipfel infolge schlechten Wetters versagt blieb, die Zeit zu wertvollen geologischen und meteorologischen Arbeiten benutzt. Noch zu nennen ist Quintino Sella, der damalige italienische Finanzminister ( mit Kanonikus Carrel der geistige Vater der Matterhornkämpfe auf der Südseite ), der stille, bescheidene Bich und nicht zuletzt: Jean Joseph Maquignaz, der prächtige Valtournenser an der Seite Jean Antoine Carrels, des wohl zähesten und gläubigsten Matterhornkämpen.

Mit diesem kleinen Kreis haben wir die Persönlichkeiten gestreift, die in verbissener Zähigkeit und Gläubigkeit den endgültigen Sieg über das Horn von der Südseite errangen. Ihre Namen sind mit der italienischen Matterhorn-geschichte unlösbar verbunden, und ihre Taten und verwegenen Fahrten mit 1 Siehe « Die Alpen », Heft 6, Juni 1944.

HÜTTEN AM MATTERHORN leuchtenden Lettern im « Goldenen Buch des Matterhorns » für alle Zeiten eingezeichnet. Diese Männer sind die Gründer des I. A. C. und die Initianten zur Erbauung der Hütte an der Cravatte. Der Kampf ums Matterhorn war bereits entschieden ( Whympers Pyrrhussieg fiel auf den 14. Juli 1865 und Carrels Triumph folgte drei Tage später ), als die Erstellung der Hütte beschlossen wurde, für welche Kanonikus Carrel eine Subskription eröffnete. Das reiche Sammlungsergebnis, bei einer Bank deponiert, ging aber durch den Zusammenbruch derselben zum Teil verloren, so dass nur ein kleiner Rest für den Hüttenbau übrig blieb, der im Sommer 1867, bescheidener als projektiert, zur Ausführung kam und über ein Jahrzehnt den Matterhorn-besteigern unschätzbare Dienste geleistet hat. Unter einer schützenden Balm erstellt, bot er Raum für 5-6 Personen. Eine Kautschukmatratze und vier währschafte, wärmende Schafpelze ( von Jordan gespendet, der später auch die Strickleiter unterhalb des Gipfels anbringen liess ) machten das Asyl wohnlich. Hatte man einmal die Matratze mittels eines kleinen Blasebalges aufgeblasen, Pelze und Decken ausgebreitet, so konnte man sich in dieser Einsamkeit hoch über den Tälern behaglich und sicher fühlen, obwohl man über den fürchterlichsten Abgründen schwebte. Grandios war der Blick von diesem Erker des Horns in die vergletscherte Welt des Valtournanche und die Penninischen Alpen; herrlich die Sonnenauf- und -Untergänge und wundersam die Nächte, wenn draussen der Wind um die Felsen pfiff, während man aus dem geschützten Inneren durch die kleine Fensterscheibe die Sterne vom schönen Himmel Italiens niederleuchten sah. Ungezählten vom Unwetter Überraschten brachte die kleine Hütte sichere Rettung. Urplötzlich nämlich wandeln sich am Matterhorn die lichtumflossenen Grate in Nacht und Grauen. Unvermittelt springt der Sturm auf und spielt in den Riesenorgeln des Horns sein grandioses Lied. In seinem Gefolge bricht das Unwetter herein, schüttet Hagel und Schnee fusstief über die Felsen, die unter den flammenden Blitzen aufleuchten und von denen hundertfältig der Donner widerhallt. Gesegnet der Wanderer, der vor dem Toben der rasenden Elemente fliehen und unter schützendem Dach sich bergen kann. Von dem kleinen Schutzhaus, das so viel Glück und Bergfreude, aber auch viel Leid und Niedergeschlagenheit an sich vorüberziehen sah, stehen heute nur noch ein paar klägliche Mauerreste. Seit der Zermatter Führer Joseph Branschen ( erkrankt von einer das Horn traversierenden Partie zurückgelassen ) in ihren Wänden 1879 einsam sein Leben aushauchte, wurde die Hütte kaum mehr betreten. Schneewasser und Vernachlässigung bewirkten ihren raschen Zerfall.

1885 erbaute die Sektion Aosta zwischen dem Col du Lion und dem Pic Tyndall am grossen Turm in 3890 m Höhe eine neue Hütte aus Holz mit einem Kostenaufwand von 1700 Lire. Aber auch diese Hütte wurde später aufgegeben, da sie sich durch Tauwasser mit Schnee und Eis füllte und immer unwohnlicher wurde.Von dieser Hütte trat im August 1890 der grosse Carrel seine letzte Bergfahrt an. In einem 16 Stunden wütenden unheimlichen Schneesturm führte er seinen ihm anvertrauten Herren Sinigaglia und seinen Kameraden Gorret durch alle Gefahren in die Sicherheit der oberen Weiden von Giomein, wo er infolge der Strapazen an einer Herzlähmung zusammenbrach und nach kurzer Zeit verschied. An dieser Stelle findet der Matterhornfahrer heute ein schlichtes Eisenkreuz, welches Sinigaglia seinem heldenmütigen Führer errichten liess, mit der einfachen Inschrift: « Hier starb der furchtlose Führer Jean Antoine Carrel am 26. August 1890 im Alter von 62 Jahren. Betet für die Ruhe seiner Seele. » Fünfundzwanzig Jahre nach seiner Erstbesteigung des Horns hauchte dieser grosse Matterhornführer am Fusse des Berges, dem er seine ersten Niederlagen und Siege verdankte, sein Leben aus. Sein Berg hat ihn behalten. Er starb als ein Held, erschöpft von den übermenschlichen Kämpfen, unter drohenden Gefahren, in einem Sturm, gegen den jeder Widerstand vergeblich war. Der Alpinist, der heute an jener Stelle vorbeikommt, erinnere sich, dass hier einer der Währschaftesten seiner Gilde sein letztes Amen in den Felsen dieses königlichen Berges aushauchte.Verfallen steht auch diese Schutzhütte heute am Grossen Turm. Etwa hundert Meter tiefer ( 3830 m ) errichtete im Jahre 1893 die Sektion Turin das Rifugio Luigi Amadeo di Savoia mit einem Kostenaufwand von 5640 Lire. Raum-bietend für 10—12 Personen, ist es mit einem Herd, Küchengeräten, einem Tisch, vier Bänken, zwei übereinander liegenden Pritschen mit Matratzen und Decken versehen.

Verlassen wir nun die wahrhaft historische Seite des Matterhorns, auf welcher die ersten Schlachten um diesen Berg von Männern geschlagen wurden, von denen jeder einzelne eine prachtvolle, markante Berglergestalt und Persönlichkeit war; ihr Kämpfen und Ringen um den Berg der Berge erfüllt jeden Alpinisten mit Begeisterung, Ehrfurcht und Anerkennung.

Und nun: zur Zermatter Seite. Am Nordostgrat des Horns wurde 1868 auf die Initiative des rührigen und zielbewussten Vaters Seiler unter der Leitung der Gebrüder Knubel von St. Nikiaus eine Hütte erbaut. Einer aus diesem berühmten Führergeschlecht, der spätere « Peter der Grosse », unternahm wenige Tage nach Fertigstellung der Hütte mit dem englischen Geistlichen Elliott die zweite Besteigung des Matterhorns auf der Whymperroute. Erbaut auf einem kleinen Plätzchen ( 3810 m ), welches einen Säulenheiligen mit Neid erfüllen könnte, war wohl kaum eine Hütte so exponiert wie dieser kleine Holzbau, der durch lose aufeinanderliegende Steinmauern geschützt war. Auf dem Boden lagen einige mit Stroh bedeckte Bretter als Lagerstatt. In der nach Osten gerichteten Mauer befand sich ein kleines Fenster mit dem Ausblick auf den Monte Rosa. Gegen Süden eine ( wenigstens in den ersten Wochen nach der Erbauung ) gut schliessende Tür. Das Mobiliar bestand aus einem Tisch, zwei Schemeln und vier Decken. Wenn die Hütte an der Cravatte den Vorrang genoss, die romantischste Lage zu haben, so hatte die Matterhornhütte der Zermatter Seite in bezug auf Grossartigkeit der Rundsicht nicht ihresgleichen. Es sind uns Berichte aus den ersten Hüttenjahren erhalten, welche in heller Begeisterung davon sprechen. Es seien nur erwähnt der bereits zitierte Elliott ( 1868Javelle, der das Horn 1870, und Weilenmann, der es 1872 bestieg. Zu dichterischer Schönheit erheben sich die Berichte über die Allgewalt der Walliser Berge, in die man von der Hütte aus einen fast überirdisch anmutenden Einblick tun konnte, wenn durch den im Westen sinkenden Sonnenball der Schatten des Matterhorns über die Gletscher hinüber zu den Hängen von Riffelalp wanderte und der grosse Kranz der schneeigen Gipfel rötlich in zarten Farben erglühte. Mit Genuss vertieft man sich immer wieder in diese Schilderungen. Mit ihnen verbinden sich aber im Laufe der Zeit bittere Klagen um den Hüttenzustand. Javelle, der dieses kleine Schutzhaus bei seiner zweiten Matterhornbesteigung 1874 aufsucht, berichtet wehmütig: «... Tempora mutantur — Schmutz und Unordnung, die hier herrschen, beweisen deutlich, dass es nicht mehr nur die Gläubigen der Berge sind, die dort Schutz suchen. Die echten Führer wie die echten Bergsteiger, achten die ernsten Berge zu hoch, um eine Klubhütte in solchen Zustand zu bringen oder sie darin zu verlassen. Eis vertritt die Stelle des Fussbodens — von der Decke und vom Tisch hängen Eisstalaktiten — verfaultes, schmutziges Stroh — in der Hütte ein Geruch, welcher eher einen Viehstall als eine Hütte des S.A.C. vermuten lässt. » Das ist der Anblick, der sich nach Jahren immer mehr dem Matterhornbesteiger bietet. Sicher haben auch Witterungseinflüsse dieses kleine Asyl unwohnlich gemacht. Einen guten Teil Schuld aber trugen jene Vandalen des Hochgebirges, die auch heute noch in manchen Hütten ihr Unwesen treiben und deren schmutzige Hinterlassenschaften ein bedenkliches Kultur- und Zivilisationsniveau offenbaren. Immer mehr verlotterte das kleine Obdach. Die Tür wurde herausgerissen und als Sitz vor der Hütte benutzt — das zerbrochene Fenster nicht erneuert, und als 1884 eine Partie zum Schutz vor Kälte die Tür verfeuerte, war es mit der ganzen Hütten-herrlichkeit vorbei. Das Dach wurde vom Sturm fortgetragen und... « des Himmels Wolken schauten hoch hinein ». Unter diesen Umständen hatte keiner mehr Veranlassung, sich über das Intérieur zu beklagen. Schon damals ertönte der Warnruf: « Dieser Schlendrian wird sich eines Tages bitter rächen 1 » Verfallen ist heute auch dieses kleine Refugium; verblieben ist ausser armseligen Mauerresten aber der Ausblick in die herrlichen Berge, ein Ausblick, der sicher auch in den Zeiten der grössten Verwahrlosung und Unordnung aussöhnend wirkte.

Zeitlich folgt auf die obere Matterhornhütte im Jahre 1875 die Erbauung der Stockjehütte. Wenn auch nicht in einer Flanke des Horns gelegen, war sie doch wohl als Matterhornhütte anzusprechen, da sie ( später ) den Alpinisten als Ausgangspunkt für die Ersteigung des Berges über einen der herrlichsten Grate, dem bis heute noch von jeder Fessel und jedem technischen Hilfsmittel freien Zmuttgrat diente. Wieder war es der alte Vater Seiler, der zum Bau der Hütte die Initiative ergriff und ihn mit Hilfe der Sektion Monte Rosa im Sommer 1875 durchführen liess. Auf einer Felseninsel zwischen Stock-, Tiefen-matten- und Zmuttgletscher 2759 m hoch gelegen, war sie mit ihren 36 Plätzen in drei Abteilungen für die damaligen Verhältnisse eine der geräumigsten Klubhütten. Ihre Erstellungskosten von Fr. 2450 würden einer heutigen Abgeordnetenversammlung ein beifälliges Lächeln entlocken!

Erinnern wir uns der dramatischen Episode angesichts der Hütte vom 3. August 1887: Lammer und Loria, zwei Grosse unter den ersten Führerlosen, sind im Aufstieg zum Horn von der Zmuttseite. Im Penhallcouloir werden sie von einer Lawine erfasst und nachmittags gegen 17.30 Uhr ca. 200 m tief auf den Gletscher hinuntergeschleudert. Loria bleibt mit schweren inneren und äusseren Verletzungen bewusstlos liegen. Lammer, gleichfalls schwer verletzt, schleppt sich in glühender Sonne durch den Gletscherbruch zur Stockj ehütte. In der Hoffnung, dort Menschen zu finden, sieht er sich getäuscht. Der Freund aber braucht dringend Hilfe! Lammer, buchstäblich auf Händen und Füssen kriechend, macht sich auf und erreicht nach achtstündigem Leidensweg Staffelalp. Von hier wird Zermatt alarmiert. Eine Rettungskolonne bricht sofort auf und bringt, bereits zwölf Stunden nach dem Unfall, am frühen Morgen dem auf der Unglücksstätte delirierenden Loria erste Hilfe. Lammer hat das Geschehen dieses schicksalsschweren Tages in seinem Buch: « Jungborn » geschildert. Wie eine grandiose Vision zieht da das Erlebnis jener Matterhornfahrt, in deren Blickpunkt auch die Stockjehütte steht, am Leser vorüber. Aber auch die Stockjehütte verfiel nach kurzer Zeit der Verluderung. In den Inspektionsberichten der Hütte finden wir immer und immer wieder die Bemerkungen: «... Hütte bietet im Innern einen trostlosen Anblick. » Sogar gewissenlosen Dieben dient die Hütte als Ausbeutungsobjekt. Es wird gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. 1887 trat die Sektion Basel die Schutzherrschaft über dieses schön gelegene Asyl an. Die Abgeordnetenversammlung in Biel übergab es ihr mit der etwas sarkastisch klingenden Bemerkung: « Überlassen wir es der Sektion Basel, Ordnung zu machen, sie wird Gelegenheit haben, das Problem in ihrem Sinne zu lösen. » — Nun, sie mühte sich ehrlich, die Basler Sektion. Aber sie wurde ihres Besitzes nie recht froh. Alle Anstrengungen, die Hütte in Ordnung zu halten, waren vergeblich. Neben anderen unerwünschten Gästen beherbergte die Hütte oft Schmuggler, die natürlich kein Interesse daran hatten, sich vor dem Weitermarsch mit Reinigungsarbeiten und dergleichen zu plagen. Die Sektion Basel war zu weit entfernt, um selber zum Rechten zu sehen. Schon sprach man in einer Sitzung davon, die Hütte aufgeben zu wollen, da besorgte eine Lawine im November 1889 die Aufräumungsarbeiten gründlich und fegte den ganzen Krempel auf den Gletscher hinunter. In der Folge wird die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Wiederaufrichtung der Hütte betont. Auch von der Sektion Basel werden in diesem Sinne Vorschläge gemacht, allerdings mit dem deutlichen Hinweis, dass sie nicht wieder geneigt sei, die Schutzherrschaft zu übernehmen. Das C. C. stellt für den Neubau eine hohe Subvention in Aussicht. In der Abgeordnetenversammlung von 1891 wurde beschlossen, die Hütte auf Kosten des Gesamtklubs zu erstellen, aber keine Sektion will sie übernehmen. Zudem machte die Gemeinde Zermatt Schwierigkeiten wegen der Landabtretung und stellte Bedingungen über die Bewachung und Bewirtung. 1898 wurde das C. C. auf Antrag der Sektion Basel nochmals ermächtigt, einen Wiederaufbau zu subventionieren. Zur Ausführung kam dieser Beschluss aber nie. Jahrelang diente als Ersatz eine Höhle am Schönbühl, bis 1904 drei ausländische Mitglieder der Sektion Monte Rosa derselben eine Schenkung machten mit dem Wunsche, zuzüglich etwaiger Subventionen der Sektion und des Gesamtklubs am Schönbühl für die zerstörte Stockjehütte ein neues Asyl zu errichten, ein Wunsch, der 1909 mit der Erbauung der Schönbühlhütte seine Erfüllung fand. An den Einweihungsfeierlichkeiten nahm noch der damals 72jährige Erstbesteiger des Matterhorns, Edward Whymper, teil, der an diesem Tag zum letzten Male in Zermatt weilte.

Hütten und Unterkünfte am Hatterhorn 1867 4114 m.(Verfallen ) 3818 m.(Verfallen ) 2759 m.(Iawine:1889 3298 m.(Eenov»1915 3890 m.(Verfallen ) 3830 m. 2716 m. 4000 m.

1867. 1868. 1875. 1880. 1885. 1893. 1909. 1915.

1.Rifugio della Cravatta. 2.Alte obere Hütte. 3. Stockjehütte. 4 .Unt. M hom=Hömlihütte 5.Capanne d.Gran Torre 6.Rifugio L.A.di Savoia 7.Schönbühlhütte. B. Solvaybütte.

9.Staffelalp1887. 2208 m.

10.Belvederet(Hömli ) 1911. 3300 m. * Nach der Zerstörung der Stookjehütte durch eine Lawine(1889)diente bis zur Erbauung der Sctön= bühlhütte eine alte Höhle, daselbst als Unterlauft Matterhomhütten 70 - Aus dem Matterhomarchiv. Karlrobert Schäfer, Basel Art. Institut Orell Füasli A.G. Zürich Die Alpen - 1943 - Les Alpes Im Juni 1880 schlug Alexander Seiler dem S.A.C. den Bau einer neuen Hütte vor am Fusse des Matlerhorns in der Nähe des Whymperbiwaks vom 13. Juli 1865, erbat die Mithilfe des Klubs und der Sektion Monte Rosa, die ihm mit einer Kostenbeteiligung von Fr. 1500 zugesagt wurde. Er selbst beteiligte sich mit Fr. 1000, der Führerverein Zermatt mit Fr. 500. Schon im September desselben Jahres konnte Seiler dem S.A.C. die Fertigstellung dieser bescheidenen Hütte melden. Es war eine einfache Steinhütte aus Trockenmauern, ohne Täferung, mit einem Steinplattendach. Sie umfasste neben dem einfachen Abteil für Touristen einen kleinen Koch- und Führerraum, von dem aus mittels einer Leiter die Führer ihre besondere Schlafstelle im Dachschopf erreichten. So war denn als Ersatz für die obere verfallene Hütte ein neues Asyl entstanden, das als behaglich gelten konnte, wenn man nicht allzu komfortable Ansprüche stellte. War es aber imstande, den am Horn in Bergnot geratenen Partien die wertvollen Dienste der alten oberen Hütte zu leisten? Diese stand doch immerhin an einem Ort, der es den vom Unwetter Überraschten auf der Hälfte des Weges — sei es im Auf- oder Abstieg — ermöglichte, dort Schutz zu suchen und Rettung zu finden. Kaum ein Berg ist so dem Witterungswechsel unterworfen wie das Matterhorn. Man kann es 99 mal besteigen, ohne eine Veränderung wahrzunehmen, aber beim 100sten Male, vom Unwetter überrascht, trifft man Verhältnisse an, dass man es nicht für möglich hält, noch denselben Berg unter den Händen und Füssen zu haben. In den seltensten Fällen war es möglich, von der unteren Hütte den im oberen Teil des Horns gefährdeten Partien Hilfe zu bringen und sie vor dem Untergang zu retten. Das tragische Unglück des Engländers Borckhardt im August 1886, der beim Abstieg vom Horn in ein Unwetter geriet, die Nacht in einem Schneesturm auf einem Felsband oberhalb der Mosleyplatte ( dem Standort der jetzigen Solvayhütte ) zubringen musste und am nächsten Tage vor Kälte und Erschöpfung starb, redete eine deutliche Sprache. Sicher wäre Borckhardt zu retten gewesen, wenn sich in der Nähe ein Obdach befunden hätte. Andere, glücklichere Partien konnten nur durch übermenschliche Anstrengungen, treue Hilfe und Tatkraft ihrer Führer im Unwetter ein Freilager in diesen Regionen des Horns überstehen. Viele mussten schwere körperliche Schäden in Kauf nehmen. Die untere Hütte stand sozusagen ausser Gefechtslinie und sank in der Folge mehr oder weniger zur Dépendance des Schwarzseehotels und später des Belvédère herab. Bedauerlich war, dass sich auch in ihr, unbewacht wie sie war, in kurzer Zeit die Zustände einstellten, welche schon den Ruin des oberen Schutzhauses herbeigeführt hatten: Unordnung — Unreinlichkeit und eine unglaubliche Lotter-wirtschaft. Trotz wiederholter Reinigung und Instandstellung fiel diese Unterkunft an einem der schönsten Berge durch die Rücksichtslosigkeit einer gewissen Sorte von Touristen und Bergsteigern immer wieder in einen erbärmlichen Zustand. Gewiss ist die, um die Jahrhundertwende einsetzende « Matter-hornkonjunktur », der die enge Hütte in keiner Weise gewachsen war, nicht ganz schuldlos daran gewesen. In den 90er Jahren wird an der Hütte herum-geflickt und ausgebessert. Die verschiedenen C. C.s mühen sich vergeblich, Ordnung zu schaffen. Sektionen, denen die Hütte angetragen wird, lehnen Die Alpen - 1948 - Les Alpes21 dankend ab. 1902 übernimmt die Sektion Monte Rosa das « Danaergeschenk ». Die Klagen über die Zustände in der Hörnlihütte hören nicht auf. Flammende Proteste erschienen in den schweizerischen und internationalen Zeitschriften, welche den S.A.C. nicht allzu glimpflich behandelten und ihn für die unhaltbaren Verhältnisse verantwortlich machen. Immer dringender wird die Vergrösserung der unteren, der Neubau der oberen Hütte gefordert und — scheitert an dem Widerstand der Gemeinde Zermatt, welche nach dem Gesetz Eigentümerin des Baugeländes am Matterhorn ist. Unhaltbar werden die Zustände, als 1911 die Gemeinde ein Hotel neben der Hörnlihütte erstellen lässt, dieselbe als Ablage und Unterkunft für die Arbeiter benutzt und in der Folge natürlich nicht das geringste Interesse an einer unteren oder oberen Hütte hat. Das Hüttenidyllwird in einem Brief der Sektion Basel vom 28. August 1911 an das C. C. Rätia in Chur drastisch geschildert: «... Das Hütteninnere befindet sich in einem unglaublichen Zustand. Der Boden ist mit einer dicken Schicht Schmutz bedeckt, das Stroh liegt herum und vermischt sich mit dem geschmolzenen Schnee in einen unsaubren Teig. Vom Dachschopf rinnt ein Wasserfall. In den Fensternischen, auf Tisch, Schemeln und Lagerstätten herumliegende Speisereste. Das ganze Inventar in einem eklen Zustande. Eine Hüttenordnung ist nicht zu entdecken — hätte auch gar keinen Zweck, da Ordnung und Reinlichkeit hier unbekannte Begriffe sind. Die Tür zur Hütte meist offen — die Fenster lädiert. Direkt oberhalb der Hütte ohne Zwischenwand ein Geissenstall, dessen Abwasser die Hütte infizieren. In unmittelbarer Nachbarschaft der Abort des Gasthauses, dessen Inhalt, wenn die Grube undicht, in den Kochraum der Hütte sickert. Das Hüttenbuch wimmelt von Bemerkungen, Glossen und Beschwerden, in denen das Wort .Hütte'geflissentlich vermieden wird und dafür nicht wieder-zugebende Ausdrücke benutzt werden. Das C. C. wird eingeladen, schleunigst, bevor an weitere Neubauten gedacht wird, dem unwürdigen Zustand der unteren Matterhornhütte ein Ende zu bereiten. » — UmsonstZermatt bleibt hartnäckig und verweigert die Abtretung des Baugeländes, dessen der S.A.C. unbedingt zur Vergrösserung der unteren und Erbauung der oberen Matterhornhütte bedarf. Dem ungemein rührigen und energischen C. C. St. Gallen reisst endlich die Geduld, und es wendet sich im Februar 1914 um Vermittlung an den Walliser Staatsrat. Demselben gelingt es, mit der Gemeinde Zermatt einen Vergleich herbeizuführen, nach welchem dem S.A.C. die Vergrösserung der unteren Hütte durch Aufbau bewilligt wird unter der Bedingung, dieselbe nicht gewerblich auszubeuten und in ihr nicht mehr wie 17 Personen zu beherbergen. So hat die deutliche und energische Sprache des C. C. St. Gallen endlich die Widerstände besiegt. Bereits ist das Baumaterial zugleich mit demjenigen für die Solvayhütte am Hörnli angelangt, da bricht der erste Weltkrieg aus. Die begonnenen Arbeiten müssen unterbrochen werden, und erst im Jahre 1915, zugleich mit den Bauarbeiten der Solvayhütte, kann man sie wieder aufnehmen. Mit der Beendigung dieser Hütte in den Augusttagen des Jahres 1915 ist auch die Hörnlihütte in einem menschen-würdigen Zustand. Das ist die via dolorosa der unteren Matterhornhütte.

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