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Ikonographisches

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Von Albert Bruckner.

Am 23. Juni 1933 waren es gerade zweihundert Jahre her, dass der berühmte Vater der Alpenforschung, der Zürcher Johann Jakob Scheuchzer ( 1672—1733 ), von dieser Welt geschieden ist.

Dieses Ereignis bietet Anlass, um, an Scheuchzers machtvolle, noch uns Modernen Bewunderung einflössende Lebensarbeit anknüpfend, einige ikonographische Probleme zu behandeln, die uns ebenso sehr interessant wie wichtig dünken und wohl einer Erörterung wert erscheinen.

Scheuchzer, über dessen Persönlichkeit wir den ersten Teil einer wissenschaftlichen Biographie von Rudolf Steiger 1 ) besitzen, die hoffentlich recht bald vollständig vorliegen und Anlass zur Veröffentlichung anderer Lebensbeschreibungen bedeutender schweizerischer Natur- und Alpenforscher geben wird, Scheuchzer, dessen Verdienste um die Alpenwissenschaft zu seinen Lebzeiten sogar schon vom Auslande gebührend anerkannt und gewürdigt wurden — man erinnere sich seiner Ernennung zum Mitglied der berühmten Royal Society in London und zum auswärtigen Mitglied der Königlich Preus-sischen Akademie zu Berlin —, ihm kommt auch in der Entwicklung der alpinen bildlichen Darstellung dank seiner ungemeinen Umsicht und grossen Initiative eine hervorragende Rolle zu, auf die im gebührlichen Zusammenhang bisher nur selten hingewiesen wurde.

Ihr wie einigen ikonographischen Problemen in der alpinen Illustration der Neuzeit — 16. bis 18. Jahrhundert — mögen die folgenden, der Anregung dienenden, mehr oder weniger skizzenhaften Erörterungen gewidmet sein.

Wer sich mit dem älteren alpinen Schrifttum befasst — ich meine etwa Reisebeschreibungen aller Art, Topographien, Facherdkundbücher, Reiseführer, Lexika, statistische und tabellarische Werke, die ausschliesslich oder nur beiläufig die Alpen behandeln —, dem kommen je und je dabei auch Illustrationen in die Hände, gewöhnlich Kupferstiche, die in dieser sichersten, geübtesten und kaum zu übertreffenden Buchbildtechnik des 18. Jahrhunderts nicht selten von hohem künstlerischem Wert, starker Naturtreue und bibliophilem Reiz sind. Wir gewinnen den Eindruck, dass das Bild genau so wie die Schilderung eine der interessantesten Quellen für unsere Erkenntnis der alpinen Topographie darstellt.

Nur schade, dass das Bildmaterial — im folgenden handelt es sich sozusagen nur um schweizerische Motive — so überaus kärglich und lückenhaft ist für die Zeit vor 1700 und noch spärlich genug bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts, so dass es geradezu eine dankbare und wichtige Aufgabe wäre, einmal das noch ungehobene Bildmaterial mit Alpenmotiven aus dem 15. bis 18. Jahrhundert in Faksimiledrucken mit Erläuterungen herauszugeben.

Bis zum Erscheinen des in unserer Zeit wieder neuaufgelegten, sehr geschätzten Werkes von Matthaeus Merian, der « Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae: Das ist Beschreibung unnd eygentliche Abbildung der vornehmsten Stätte und Plätze in der Hochlöblichen Eydgenoßschafft, Graubündten, Wallis und etlicher zugewandten Orthen... » ( Franckfurt am Mayn 1642 ), sind überhaupt nur wenige gedruckte Bilderwerke über die Schweiz oder Teile derselben erschienen, zunächst einmal die berühmte, 1548 in Zürich veröffentlichte « Gemeiner loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Völckeren Chronick wirdiger thaaten beschreybung... » des Johannes Stumpf. Reich an Illustrationen, enthalten diese zwei mächtigen Froschauer Bände doch nur wenig Alpines. Nur im Zusammenhang mit Städtebildern bringen die in der ersten Ausgabe der Chronik so vorzüglich klaren und schönen Holzschnitte Ausschnitte mit alpinen Motiven, darunter aus der Umgebung von Altdorf, Appenzell, Glarus, Schwyz, Sitten, Unterwaiden. In ihrer prächtigen Schwere und Unbeholfenheit dem Wort des Zürcher Chronisten adäquat, ohne Schablone und Schema: wie charakteristisch ragen da etwa die Mythen aus der Schwyzer Talebene empor und wie eigenartig ist die Gegend um Appenzell oder Sitten oder Glarus gestaltet!

Die späteren Auflagen des pompösen Werkes, von 1586 und 1606, übernehmen die Bilder der Erstausgabe. Doch schon sind sie weniger scharf, teilweise verblasst, wohl weil die Bildstöcke schon abgenutzt waren und gelitten hatten.

Josias Simler ( 1530—1576 ) brachte die gleichen Abbildungen 1576 in Auswahl in seinem « Regiment Gemeiner loblicher Eydgenoschafft... ». Dabei hat er da und dort die Vorlagen vereinfacht, ihre Masse verkürzt, ohne doch den Charakter der Stumpfschen Helgen zu mindern.

Ausser auf diese bleibt noch hinzuweisen auf Sebastian Münster ( 1489 bis 1552 ). Seine « Cosmographei oder beschreibung aller länder, herschafften, fürnemsten stetten, geschichten, gebreuchen... » ( Basel 1592 ?) hat eine von Stumpf abweichende Abbildung von Sitten, die sich auch nicht bei Merian oder anderen nachweisen lässt. Neu ist ferner eine Skizze vom Leukerbad.

Mit diesen wenigen Produkten ist das Material an alpinen Buchillustrationen für das 16. Jahrhundert hinsichtlich der Schweiz nahezu erschöpft. Ein Gang durch beinahe die gesamte in Frage kommende gedruckte Schweizer Literatur war nicht verlohnender ausgefallen. Freilich dürften die Kupferstich-kabinette und ausserdem handschriftlich überlieferte bebilderte Reisebeschreibungen jener Zeit weit mehr Material an das Tageslicht fördern. Die hier genannten wenigen Abbildungen — es sind Holzschnitte — stehen einander im Bildcharakter nahe, die Auffassung des Alpinen differiert nur unwesentlich.

Die grosse Schweizerische Topographie aus der Merianischen Frankfurter Offizin ging in der Illustration einen bedeutenden Schritt vorwärts, indem sie, abgesehen davon, dass die Aufnahmen neu gemacht wurden und damit die Merian-Stiche annähernd zeitgenössische Aufnahmen darstellen, unabhängig von reinen Städtebildern Darstellungen von alpinen Landschaften an sich bringt, solchen des Grindelwaldgletschers und der Gegend am Vorderrhein. Neben diesen Bildern interessieren uns die Tafeln von Altdorf, Appen- zell, Pfäfers, Glarus, Plurs, mit alpinen Motiven, sämtlich neu beobachtet, oft von einem anderen Standpunkt aus aufgenommen als die Stumpfschen; nur bei « Schwyz » besteht eine ähnliche Anlage wie bei Stumpf.

Gegenüber dem Holzschnitt ist der Kupferstich für die Wiedergabe schärfer beobachteter und eingehender Details weit günstiger. Die Bergansichten bei Merian scheinen uns im allgemeinen jenen Stumpfs und Münsters überlegen, einen Grad natürlicher, sicherer, dem Charakter der Bergwelt angepasster. Mag durch den Kupferstich manch künstlerisches und nicht selten phantasiereiches Moment eingedrungen sein, mancher Effekt, der dem Geschmack des Zeitalters huldigt, so stellen die Merianschen Aufnahmen von der rein beobachtungsmässigen Seite aus betrachtet doch einen bedeutenden Fortschritt in der getreuen Wiedergabe alpiner Landschaften dar.

In der Folgezeit wurden die Merianschen Stiche oft übernommen, während die Stumpfschen Illustrationen zusehends in den Hintergrund gedrängt wurden. Man hatte nun ein besseres und reichhaltigeres Material. Entweder übernahm man dabei einfach das Meriansche Gut wie die berühmten « Délices de la Suisse... » ( Leiden 1714 ). Beispiele bieten dafür die Stiche Grindelwaldgletscher, Vorder- und Hinterrheintal, Altdorf, Appenzell, Chur, Glarus, Pfäfers, Schwyz, Unterwaiden, Sitten. Die Tafeln mit der Reuss und Gemmi stammen dagegen von Scheuchzer. Oder aber man änderte an den Merianschen Bildern, ähnlich wie es Simler gegenüber Stumpf tat, und lehnte sich bei Neuschöpfungen bewusst an Merian an. Interessante Beispiele dieser Art sind die Illustrationen in Johann Jakob Wagners « Mercurius Helvetiae » ( Zürich 1701 man vergleiche die Bilder von Appenzell, Glarus, Sitten, die Merian entnommen sind — und in der anonymen « Ausführlichen und Grundrichtigen Beschreibung der Hertzogthümer Lottringen und Sa-vojen, Dess Obern und Untern Elsasses, Der Franche-Comté Oder Grafschafft Burgund und Dess gantzen Schweitzerlandes... » ( Nürnberg 1690 ). Hier sind die Tafeln mit Chur, Altdorf und Glarus nach Merian oder in Anlehnung an ihn, während jene von Schwyz anderer Herkunft ist.

Ganz allgemein gilt, dass bei dieser Übernahme von Vorlagen das alte Format des Merianschen Bildes im allgemeinen verlassen wurde: das bedeutend kleinere Quartformat der späteren Publikationen veranlasste dies. Damit trat eine empfindliche, oft kleinliche Reduktion des Bildes ein, womit wieder eine Verschlechterung verbunden war. Die Bilder stehen an Sauberkeit und Schönheit dem Original weit nach.

Mit einem unvergleichlich grössern Illustrationsmaterial trat zu Beginn des 18. Jahrhunderts Johann Jakob Scheuchzer auf. Wie Merians Topographie, so bringen seine verschiedenen Opera neugezeichnete, neuaufgenom-mene Bilder. Aber nicht nur hinsichtlich des rein zahlenmässigen Umfanges übertrifft er seine Vorgänger: bei ihm ist die alpine Welt sozusagen ausschliesslich das direkte Objekt des Künstlers. Der Hintergrund der früheren Bilder wird bei ihm der Vordergrund, eigentliches Bildzentrum — die alpine Landschaft macht ihren Einzug in die schweizerische Buchillustration. Doch ist das nicht das einzige Verdienst des grossen Mannes. Sein Bildstoff schildert mehr als nur Landschaftliches, er umfasst alles, was mit der Alpenwelt zu- sammenhängt: Geologisches, Geographisches, Flora und Fauna, Kultur- und Volkskundliches, kurz die Alpen in einer Gesamtheit ihrer Erscheinungsformen, wie ein solches Bildwerk bis auf Scheuchzer von keinem Gelehrten in der Schweiz versucht worden war.

Dabei sind seine Illustrationen gut, in der Technik wie in der Beobachtung. Sie entbehren nicht des Künstlerischen und stehen doch weit entfernt von blossen Phantasieprodukten. Für die Qualität seiner Stiche bieten seine Zeichner Gewähr, namentlich Johann Melchior Füssli ( 1677—1736 ), jener markante Zürcher Meister, dem Scheuchzer die Bilder für seine « Kupfer-bibel » verdankte. Füssli hat einen grossen Teil der Scheuchzerschen Tafeln geschaffen — etwa die der Banten- und Teufelsbrücke, der Gotthardstrasse und des Rhonegletschers, der Gemmi usw., Leistungen, die auch in späteren Büchern über die Schweiz noch begegnen. Erwähnen wir an alpinen Illustrationen aus Werken des Zürcher Gelehrten ferner noch die Bilder von dem Vierwaldstättersee, der Julierstrasse, dem Schams, den Bergeller Alpen, der Julierpasshöhe und der Martinswand. Die meisten stehen in den Ausgaben seiner Bergreisen.

Oben wurde hingewiesen, wie Scheuchzer darauf geachtet hat, seinem Leser einen möglichst guten Begriff von der Alpenwelt in ihrer Gesamtheit zu vermitteln. Neben landschaftlichen Darstellungen finden wir so als Bild-belege für den Text Landkarten, sei es vom Glarnerland, vom Vierwaldstättersee, dem Urserental, dann zahlreiche Abbildungen von Versteinerungen aus den Alpen, von Kristallen, Blumen, schrecklichen, die Alpen bevölkernden Tieren schlangenartiger Natur; dazu gesellen sich Zeichnungen der verschiedenen Gebrauchsgegenstände der Bergbewohner, wie der Näpfe, Brenten, Kellen usw. von Sennen, der Einrichtung von Käsereien, gleichzeitig wird die Herstellung des Glarner Ziegers im Bilde festgehalten. Es fehlen auch nicht Abbildungen von Steigeisen, trigonometrischen Messinstrumenten, Barometern und Thermometern u.a. m.

Mit dieser Unmenge von bildlichen Darbietungen hat Scheuchzer genau so gewirkt wie mit seinen an Beobachtungen und Feststellungen so überaus reichen Berichten von seinen Bergreisen. Zusehends wurden die Reisebeschreibungen und was man sonst noch über Berge schrieb, mit Illustrationen reicher bedacht. Zu den von Scheuchzer gestellten, oft weiter übernommenen Bildern gesellten sich neue, so dass am Ende des 18. Jahrhunderts eine grosse Zahl alpiner Darstellungen aus der Schweiz vorhanden war. Sie hier aufzuzählen, führt viel zu weit. Selbst auf einige charakteristische Werke braucht man nicht aufmerksam zu machen, denn es herrscht in der illustrativen Alpenauffassung während des 18. Jahrhunderts eine ähnliche Konstanz wie im Bericht. Die vorhandenen Bilder unterscheiden sich wenig voneinander, die einen kennzeichnen sich durch schärfere Beobachtung, die anderen durch künstlerische Wiedergabe.

Angesichts dieser verschiedenen Illustrationen präsentiert sich wie von selbst das Problem der Vorstellung des Alpinen beim Beobachter und Künstler. Inwieweit können wir nämlich sagen, dass ein solches Bild topographisch genau ist? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle, die diese genaue Be- obachtung beeinträchtigen können? Abgesehen davon, dass schon eine mangelhafte Technik — wie sie vielleicht bei den Stumpfschen Holzschnitten vorliegt — eine auch noch so genaue Beobachtung und klare Vorstellung nicht in die Wirklichkeit umsetzen lässt, dürfte man an gewisse zeitbedingte Befangenheit des Beobachters gegenüber dem Objekt, auch an gewisse herrschende Kunsttendenzen denken, die sämtlich mitwirken, kein topographisch genaues Bild zustande kommen zu lassen. Man stelle etwa den Stumpfschen Holzschnitt neben die Skizze Appenzelle von Merian, und man vergleiche diese wiederum mit der Ebelschen Zeichnung vom Seealpsee-gelände. Ein unverkennbarer Fortschritt in der Wiedergabe des Beobachteten gibt sich hier kund. Was zugleich bei den ersteren nur als angedeuteter Hintergrund erscheint, tritt bei Ebel als eigentliches Objekt, auch jetzt noch in nicht ganz richtigen Proportionen, hervor. Ganz Ähnliches lässt sich bei den meisten alpinen Darstellungen des 18. Jahrhunderts bemerken.

Von hohem Interesse wäre zur Erschliessung nicht nur des zeitbedingten topographischen Geländes, sondern gerade auch des Verhältnisses vom Beobachter und Künstler zu seinem Objekt, einzelne typische Landschaften — hier also alpiner Natur — von der modernen Photographie durch alle die zahlreichen Stadien bis zur frühesten vorhandenen Aufnahme zurückzu-verfolgen, unter möglichster Berücksichtigung der jeweiligen Lebensepoche. Ohne Zweifel erschlössen sich daraus wertvolle Erkenntnisse vom Ausdruck des seelischen Erlebens des jeweiligen Künstlers und von den Wechselbeziehungen zwischen diesem und dem Naturbild.

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