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Manolo — ein Klettergenie?

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Nathalie und Claude Remy, Vers-l'Eglise

Die Anfänge Um das Verständnis zu erleichtern, sind wir auf die Ursprünge zurückgegangen.

Manolo wurde 1958 in Feltre in den südlichen Dolomiten geboren und wuchs zusammen mit seinen beiden Schwestern in einer friedlichen normalen Familie auf. Schon in seiner Jugend zeigt er erstaunliche Fähigkeiten und Reife. Beweis: Seine erste Saison im Bo-den-Kunstturnen ( also ohne vorhergehendes Training ), bei der er bis in das italienische Finale kommt. Natürlich ermuntert der Wettstreit, wenn man die einzelnen Selektions-etappen so schnell bewältigt, immer noch weiter vorzudringen; doch bei Manolo ruft er im Gegenteil eine Abwehrreaktion hervor. Manolo zieht die Freiheit und die Einsamkeit vor, zu denen ihm seine langen Wanderungen im Gebirge - im Sommer, wenn er das Vieh hütet -verhelfen.

Mit 17 Jahren beobachtet er an einem Frühlingstag Gefährten, die hartnäckig versuchen, einen Felsen in der Nähe von Feltre zu erklettern. Neugierig geht er näher. Es wurde ein denkwürdiger Tag: Unter den erstaunten Blicken seiner Kameraden bezwang er auf Anhieb und mit Leichtigkeit alle die schweren Routen des Ortes! Jedoch Alpinismus und Hochgebirge sind ihm 1975 noch die wichtigeren Wenig Publikationen, seltene öffentliche Auftritte, kein Film, dagegen im Fels unauslöschliche Spuren einer Gewandtheit, richtiger einer Kunstfertigkeit, die seine Zeitgenossen vor Bewunderung und Fragen verstummen lässt.

Er ist Italiener; seit bald fünfzehn Jahren beherrscht er, ohne es zu wollen, ohne sich darum zu bemühen, die Kletterszene seines Landes. Sein Name: Maurizio Zanolla. Doch seit seiner frühesten Kindheit nennt man ihn Manolo, und dieser Übername ist ihm geblieben.

Wie soll man Manolo beschreiben? Das wird sehr schwierig. Er ist zurückhaltend, das stimmt, ein wenig geheimnisvoll und bereits von Legenden umgeben. Er spricht über seine Wünsche und erzählt uns von vielfältigen Aspekten seines Lebens. Wir werden uns hier auf eine Seite beschränken: das Klettern.

Für Manolo ist Klettern etwas vollkommen Natürliches. Bereits wenn man ihn gehen sieht, kann man erkennen, wie harmonisch und in vollständigem Einklang mit der Natur er sich bewegt.

Ziele. Also nimmt er - ein wenig unter dem Einfluss seiner grossartigen Umgebung, der Dolomiten und besonders der Pala-Gruppe -die langen Routen, darunter extreme Besteigungen des sechsten Grades, in Angriff, wobei ihm bedeutende Wiederholungen und neue Routen gelingen.

In einem Zug begeht er einige der berühmtesten grossen Routen, so die Cassin- und die Carlesso-Route an der Torre Trieste. Instinktiv begrenzt er das Material und dessen Einsatz auf das strikte Minimum; seine Schnelligkeit ist erstaunlich. Ohne äusseren Einfluss erweist er sich als bedingungsloser Purist des Freikletterns in der Nachfolge von Paul Preuss, H. Vinatzer, Emilio Comici und Reinhold Messner. Sicher, während seiner ersten Klettersaison hat er sich, zu seinem grossen Bedauern, in der Carlesso- und der Cassin-Route an einigen Haken hinaufziehen müssen; damit hat er schon damals seine Seilzweiten, die meist rein mit künstlichen Hilfsmitteln kletterten, schockiert. Doch kurze Zeit später kehrt er noch einmal zu diesen beiden Routen zurück und begeht sie ganz frei, schränkt ausserdem, zum Nachteil der Nachfolgenden, die Benutzung von Karabinern stark ein! Nennen wir noch einen weiteren Erfolg jener Zeit: die erste freie Begehung der Bellenzier-Route an der Torre d' Alleghe.

Im selben schnellen und leichten Stil gelingen ihm die ersten Winter-Premieren in den Pale di San Martino. Was andere später lautstark verkünden werden, hat er bereits verstanden! Aber Manolo hat keine Theorien nötig.

In der Zwischenzeit, er ist 18 Jahre alt, sind Manolo und seine Freundin Bruna Eltern einer Tochter, Emanuelle, geworden. Ein familiärer Ausgleich, der ihn glücklich macht.

Ein Virtuose im Fels Kehren wir zum Fels zurück, der ihm immer lieber wird. Er bekennt, dass er nur für sich selbst und dort, wo er sein eigenes Wesen voll zum Ausdruck bringen kann, klettert. Er eröffnet die Routen von unten, wobei er die Zahl der Haken auf extreme Weise begrenzt, so dass eventuelle Wiederholer sie nicht mehr mit künstlichen Hilfsmitteln begehen können. Dort, wo man von einer bestimmten Schwierigkeit an alle Meter Eisen erwarten würde, finden sie nichts als zum Verzweifeln kompakte Platten, die ersten obligatorischen 7a-Routen Italiens, die Manolo aufgrund seiner Gewandtheit und der Unkenntnis des Bewer-tungssystems seinerzeit als V+ oder VI -klassiert hat.

« Appigli ridicoli ) In der Route Wir sind 1978, in der Route Piazzaroi an der Cima della Madonna. Diese Route im Schwierigkeitsgrad 7a ist nur eine unter mehreren, denn Manolo eröffnet innerhalb eines Monats 28 Routen, unter ihnen die Südwand des Monte Arber ( 900 m ) in der Marmarole-Gruppe und den Pilier Magro am Monte Brento ( 1000 m ).

Ein grosses Problem besteht darin, jeweils einen Seilzweiten zu finden, der folgen kann. Zwei seiner häufigsten Gefährten sind Piero Valmassi und Diego Dalla Rose. Es sei präzisiert, dass Manolo in jener Zeit nicht trainiert, nicht einmal daran denkt ( im Unterschied zu aufkommenden starken Kletterern wie Patrick Berhault und Wolfgang Güllich ), er begnügt sich damit zu klettern.

Im Jahr 1979 kommt es zur direkten Begegnung mit den Franzosen und dem ( Heiligtum ) jener Zeit, dem Verdon. Wieder einmal verblüfft seine Gewandtheit. Unter den ungläubig staunenden Augen der Einheimischen begeht er Dingomaniaque, und in Mangoustine hängt er nur an drei Punkten der berühmten ersten Seillänge einen Karabiner ein. Er erklärt, dass er überrascht war, so viel Material zu sehen, und fügt hinzu: ( Ich habe festgestellt, dass ich bei mir Schwierigeres mit erheblich weniger Material gemacht habe, wobei ich von unten ausgegangen bin. Ich habe damals verstanden, dass ich Sachen machte, die als gefährlich angesehen wurden, und das hat mich erstaunt! Nach dem Verdon ist mir klargeworden, was das Setzen von Bohrhaken bedeuten kann. Sie machen es möglich, kompakte Platten zu überwinden; um aber den Anteil an Abenteuer zu bewahren, ging ich weiter von unten aus. Jedoch ergriff mich so ganz langsam der Gedanke, dass es andere Methoden gibt, die ich zunächst nicht benutzen wollte, so auch diejenige, Platten von oben zu erkunden und auszurüsten. ) Im Jahr 1980 gelingt ihm die erste freie Begehung der Route Scalet/Biasin am Saas Maor; der Schwierigkeitsgrad 7c ist erreicht.

Neigung zur Einsamkeit Eine andere Seite des Menschen Manolo: Er geht gern allein. Er liebt es, lange Stunden im Gebirge zu wandern oder zu träumen. Seinen Neigungen entsprechend hat er manchmal das Gefühl, ihm wüchsen Flügel, und dann beginnt er zu klettern. In Basketballschuhen er- In ( Ultimo movimento ) ( 8b ) öffnet er lange, neue Routen, die nicht mit Hühnerleitern zu vergleichen sind, denn ihre Schwierigkeit erreicht den Grad 7a.

In der Folge beginnt er. Arco und Totoga zu erkunden. Er macht zunächst Versuche, meist von unten, manchmal auch von oben, und eröffnet grosse und herrliche Routen, zum Beispiel Zanzara El Labrador, und eine Menge kleiner. Am Totoga eröffnet er eine berühmte Route, indem er, die Haken zwischen den Zähnen, von unten beginnt; lange Zeit kommt er an einer kompakten Platte nicht weiter. Daraufhin beginnt er von oben, setzt zwei kleine Cassin-Bohrhaken und geht dann, ohne die Bewegungen zu studieren, wieder von unten aus. Er durchsteigt nun die gesamte Route; das ( später bestätigte ) Ergebnis: 7cman-che meinen, es könnte sogar 8a sein. Die Route Mattino dei maghi ist geboren.

Entdeckung des Trainings In dieser gleichen Epoche begegnet Manolo Luisa Jovane und Heinz Mariacher. Das Trio beginnt, das Etschgebiet ( abzugrasen ), und gibt der Entwicklung des modernen Klettems In « Uomini e topi ) ( 8aTotoga ) in Italien entscheidenden Aufschwung. Heinz und Luisa sind bereits gut über Fragen des Trainings und der Ernährung orientiert. Manolo lächelt darüber, er ist bei der Eröffnung schwieriger Routen gewandter als sie, ohne sich allzusehr um Zugkraft, Geschmeidigkeit und Diät zu kümmern. Er beginnt jedoch -eine Folge seiner Begegnung mit dem Paar -mit einem Krafttraining ( hier liegt sein schwacher Punkt ) und lernt, die Details des Felsens, die Welt der Mini-Griffe, besser zu erkennen und zu unterscheiden. Damit zeigen sich ihm ungeahnte Klettermöglichkeiten. Der Kleine wird gross! Es ist die Epoche der höchstens zehn Meter messenden Kurzrouten, und auch da wird Manolo seine aussergewöhnlichen avantgardistischen Fähigkeiten beweisen, wofür er ein Tabu aufgibt: Er beginnt, seine Routen auszuarbeiten. Nur in kleinen Partien, nichts Ernsthaftes. Und nachdem er die ver- schiedenen Stufen des 7. Schwierigkeitsgrades hinter sich gebracht hat, gelingen ihm die ersten 8a-, 8b- und sicher auch 8c-Routen Italiens. Diese Entwicklung hindert ihn aber nicht, weiterhin die grossen Hochgebirgsrouten Italiens zu begehen.

Einige kleine Geschichten Im Verdon kommt er von Les Malins im Laufschritt auf dem Martel-Pfad, erreicht den Fuss des Escales und durchklettert die 300 m lange Route La fête des nerfs ( 7a. Weiter geht es im Laufschritt zum Miroir du Fou. Nach dem Aufwärmen in einigen kurzen Routen begeht er, wie immer on-sight, Sale Temps ( 7c.

In den USA durchsteigt er im Yosemite die berühmte Wand des El Capitan in acht Stunden, und zwar, mit Ausnahme zweier zu feuchter Abschnitte, gänzlich frei. Danach setzt er diese Demonstration in der Route Salathé fort. Am Joshua Tree gelingen ihm wei- tere Grosstaten: Erstdurchsteigungen einiger äusserst exponierter Routen, die bis dahin nur in Top-rope-Technik begangen wurden.

Eine letzte lustige Geschichte stammt aus dem Jahr 1987: In Jugoslawien, an der Adria, in den berühmten Schluchten von Paklenica, eröffnet er einige kurze Routen, darunter II Maronete ( 8b, an der sich andere ausgezeichnete Kletterer, zum Beispiel G. Hörhager und B. Kammerlander, vergeblich versucht hatten. Manolo hatte sich darauf vorbereitet, indem er von Triest her gelaufen war, ungefähr 300 km in einigen Tagen.

Kurz, er verfügt über ein ungewöhnliches Mass an Energie, die er aber gut einteilt und nur zu seinem Vergnügen einsetzt.

Manolo im Gespräch C. Remy: Woher hat du deine ausserordentliche Befähigung zum Klettern?

Manolo: Ich weiss nicht... Vielleicht eine natürliche Begabung. Wenn man bedenkt, was ich mache, habe ich verhältnismässig wenig Kraft. Ich bin jedoch sehr beweglich. Das genaue Studium des Felsens ist auch sehr wichtig. All das habe ich im Lauf meiner Erfahrungen entwickelt. Was mir genützt hat, ist das On-sight-Klettern, das ich wirklich sehr liebe. Diese Art, Fels und Wände zu durchsteigen, habe ich sehr weit getrieben, auf die Gefahr hin, manchmal sehr, sehr ausgesetzt zu sein, weit über dem letzten Sicherungspunkt. In solchen extremen Situationen zwingt der Lebenswille dazu, Bewegungen zu erfinden, die man unter normalen Bedingungen niemals gewagt hätte. Ganz bestimmt ist das sehr riskant, man sollte damit keinen Missbrauch treiben. Vielleicht hat mir das moderne, also besser gesicherte Klettern mit zuverlässigen Sicherungspunkten das Leben gerettet. Gleichwohl glaube ich, dass Unvorhergesehenes zur Entwicklung erstaunlicher Kletterfähigkeiten führt.

C. ff.: Meinst du damit die « motorische Intelligenz )?

M.: Ja, es ist die exakte Wahrnehmung unseres Körpers im Fels. Um das zu erreichen, hilft es gar nichts, wenn man sehr kräftige Muskeln hat, ebensowenig, sich die Passagen durch Wiederholungen einzuprägen. Es ist viel nützlicher, sich in problematische Situationen zu bringen und seinen Körper mit ständig neuen Problemen zu konfrontieren. Dann kann man seine Intelligenz dazu benutzen, neue Bewegungsabläufe zu entwickeln, die es möglich machen, die Schwierigkeiten zu überwinden; man erreicht so ein grösseres Mass an Wirksamkeit, Schnelligkeit und Verständnis der Bewegungen. Umlenksicherungen, ( asepti-sches ) oder Wettkampfklettern verbessern die körperliche Leistung, aber der Geist verarmt dabei.

C. ff.; Was sagt dir der Grad 8c?

M.: Gedankliche Einteilungen. Wie willst du jemanden verstehen, der in Yard oder Fuss denkt, wenn du selbst an Meter gewöhnt bist?

C. ff.: Was hältst du in der heutigen Kletterei für herausragend?

M.: Ich glaube, die Route New age im Rätikon ist für einen grossen Wandel kennzeichnend. Sie ist wirklich eindrucksvoll, denn es handelt sich um sehr ausgesetzte Kletterei auf hohem Niveau. In dieser Richtung gibt es noch viel zu tun.

C. ff.: Eine letzte Frage: Was bedeutet dir das Freiklettern?

M.: Freiklettern ist die persönliche Konzeption einer Aktivität, die nicht ein der Lösung harrendes Problem bildet, sondern dem Menschen Wohlbefinden verschaffen sollte. Ich bin zu empfänglich für die vielen Aspekte des Lebens, um das Klettern allzu ernst zu nehmen. Verglichen mit den grossen menschlichen Problemen, ist es unwesentlich. Jeder kann mehr leisten, aber es ist vorzuziehen, Besseres zu leisten.

Unser Dank richtet sich an Manolo und Andrea Gobetti.

Bibliographie

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