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Mit Ski am Fletschhorn

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Willy Utfendoppler.

Kurz vor dem Schallberg mündet der Römerweg in die grosse Simplonstrasse. Herrlich ist der Rückblick nach Brig in den Frühling hinunter. In Schallberg hat man zwei Möglichkeiten, die Simplonpasshöhe zu erreichen: Entweder steigt man ein Stück ab und wandert durch das Tavertal hinauf, bis man bei den Kaltwassergalerien die Strasse kurz vor der Passhöhe wieder erreicht, oder aber man benützt die Fahrstrasse nach Berisal, was jedoch einen Umweg bedeutet. Doch lieber wollen wir den Umweg auf uns nehmen, da das Tavertal noch ganz voll Schnee liegt.

Schon bald nach Berisal konnten wir die Ski anschnallen und kamen nun bedeutend schneller voran. Da eröffnete sich für uns ein ganz unvergesslicher Anblick: das Fletschhorn von Norden in seiner ganzen Pracht mit dem Breitlaubgrat, unheimlich steil und überzuckert vom Neuschnee. Lange standen wir in den Anblick versunken und konnten keine Worte finden.

« Siehst du, Georges, dort links oben den Sattel? Dort werden wir morgen die Bretter ablegen und dann den Grat in Arbeit nehmen. » Hierauf liess ich ihn verwundert stehen und zog los. Noch hörte ich ihn etwas murmeln von « unglaublich ».

Die Kaltwassergalerien waren vom Schnee ganz verweht, so dass wir gut fahren konnten. Bei Sonnenuntergang war die Passhöhe 2008 m unser. Wir fuhren gleich weiter zum Hospiz. Ein Knecht erschien und führte uns freundlich in die Gaststube. Drei Viertelstunden später sausten wir in rasender Fahrt auf dem nun hart gefrorenen Schnee in den herrlichen Abend hinaus, die Simplonstrasse hinunter bis kurz vor Eggen, 1600 m. Von da wandten wir uns gleich rechts in das vom Rossbodengletscher herabkommende Tälchen und betraten dann einen lichten Bergwald. Silbern leuchtete der aufgehende Mond, der Landschaft einen besondern Reiz verleihend. Über einige steile Schneehalden mussten wir uns mühsam hinaufarbeiten und fuhren gegen die Rossbodenalp, deren Hütten im hohen Schnee kaum mehr zu sehen waren. Georges fand bald eine, die für unsern kurzen Aufenthalt genügen konnte. Die Türe ging nur halb auf, da auch das Innere bis zur Hälfte verschneit war. Rasch kochte ich etwas Suppe, während Georges für den nächsten Tag die Felle aufschnallte und den Schlafsack über die feuchte Pritsche legte.

Um 3 Uhr sind wir wach. Das Wetter ist wunderbar, vielleicht aber nur für den einen Tag, denn es ist warm. Bald schieben wir die Ski und die Säcke zum Schneeloch hinaus, schaffen auch uns durch und schnallen an. Zuerst führt die Fahrt zur Moräne hinunter, ein Stück diese hinauf und über gewaltige Lawinenblöcke gegen den Griesserengletscher. Der Mond verschwindet, doch die Westflanken der Berge sind noch blauviolett von seinem Schein, die Ostseiten jedoch schon schwach rosa; dunkle Berge stechen in den rötlich werdenden Himmel, der dem Zenit zu immer dunkler und bläu- licher wird. Über dem gewaltigen Breitlaubgrat segeln einige Föhnschleier heran, verschwinden jedoch mit der steigenden Sonne wieder.

Unser Tempo ist gut, und rasch kommen wir höher. Dumpf dröhnt es drüben im grossen Abbruch des Rossbodengletschers, und von oben rieselt das weisse Leichentuch nach. Unterhalb Punkt 2677 m tragen wir die Bretter über einen grossen Lawinenzug hinauf und gönnen uns dann eine kurze Rast. Von hier wenden wir uns links und steigen den Gletscher hinan. Das letzte Stück ist unheimlich steil, und da die Sonne schon gewaltig brennt, ziehen wir vor, die Ski zu tragen, um ja keinen Schnee loszutreten. Im Sattel angelangt, seilen wir uns an. Unter uns braut ein gewaltiges Wolkenmeer zusammen, vor uns weitet sich der Rossbodengletscher mit Spaltengewirr und Eistürmen, und darüber winkt unser Ziel, das Fletschhon.

Der Breitlaubgrat sieht jetzt weniger abschreckend aus als gestern von der Simplonstrasse, aber im obern Teil ist er blank. Wird es gehen? Langsam fahren wir den Fletschhorn von Norden von P. 2677 im Griesserengletscher. + Skidepot.

Hang zum Gletscher hinunter. Es gilt, ei- nen guten Übergang zu finden zwischen grünlich glitzernden Eistürmen und -klötzen. Nur ein schmaler Streifen mit einer sichern Schneebrücke lässt uns durch, rechts und links Eisbrüche. Jenseits auf dem Firn wird uns schon bedeutend wohler, das erste schwere Hindernis ist überwunden, vor uns liegt der Aufstieg zum Sattel im Hauptgrate frei. Etwa in der Mitte der Schneeflanke legen wir unsere Ski ab.

Um 930 Uhr sind wir oben im Sattel, 3342 m. Grossartig ist der Tiefblick auf die Fletschjochseite. Leider ziehen Nebel herauf, und bald sind auch wir eingehüllt. Weiter. Nicht lange, und es beginnt ein lustiges Klettern über grosse Blöcke, die man zuerst nicht anzurühren wagt, aus Sorge, sie könnten unter den Händen weg in die Tiefe stürzen. Einige werden umgangen, zumeist in der Nordflanke des Berges. Schon verziehen sich die Nebel wieder, so dass wir einzigartige Tief blicke gemessen können. Höher und höher klettern wir. Endlos dünkt uns der Grat. Hie und da stürzt ein Stein die Nordflanke hinab; lange hört man ihn poltern und andere mitreissen.

Nun wechseln wir die Führung. Georges geht voran. Um 12 Uhr, als die Glocken vom Simplondorf heraufklingen, nähern wir uns dem Punkte 3928 m. Steigeisen! Weit kann unser Ziel nicht mehr sein. Bei jedem Schritte nimmt die Steilheit zu. Der Hang unter dem Punkt 3928 m wird fast senkrecht. Links von uns zieht sich der Hauptgrat hin, der in den Vorgipfel ausläuft, aber ganz verwittert ist, rechts haben wir eine Schneewand, welche in die Nordwand abfällt. Die Sonne steht gerade über der Wächte am Vorgipfel und blendet so, dass wir kaum mehr sehen können.

Georges hackt jetzt Tritte und Griffe für Füsse und Hände und kommt nur sehr langsam voran. Ich stehe senkrecht unter ihm, den Kopf gegen die Wand gedrückt, um von den fallenden Splittern nicht ins Gesicht getroffen zu werden. Zwischen den Füssen hindurch kann ich fast senkrecht auf den Rossbodengletscher hinab sehen, ein fabelhaftes Bild. Allmählich wird mir die Geschichte ungemütlich, da die Finger vom Festhalten im Eise fast erfrieren und dazu beständig von den fallenden Splittern gezwickt werden. Ei, das Fletschhorn fletscht also doch die Zähne. Dazu meldet nun Georges von oben: « Senkrecht! » Noch zwei Meter klimmt er höher, wie von Saugnäpfen gehalten klebt er an der Wand. Glücklicherweise ist die Wächte nicht sehr gross, so dass er eine Bresche schlagen kann. Dann verschwindet sein Kopf, sein Körper, seine Beine, die Füsse... « Nachkommen, bin sicher! » ruft er. Rasch folge ich am gespannten Seil die Eisleiter hinauf und — was sehen wir! Ein grosses Plateau mit dem Schlussgrat zum Gipfel. Nach einer halben Stunde, genau um l 30 Uhr, nach zehnstündigem Anstiege, stehen wir auf dem Fletschhorn, 4001 m.

Hatten wir am Grate wenig Zeit, die Aussicht zu kosten, so können wir dies nun reichlich nachholen. Da stehen die Walliserriesen über einem gewaltigen Wolkenmeer, das bis auf 3500 m heraufreicht, der Monte Leone ist kaum mehr sichtbar. Im Süden erheben sich greifbar nahe Laquinhorn, Weissmies und Portjengrat, im Westen, ah — der Monte Rosa, die Mischabel, das Weisshorn. Gegen Norden grüssen uns alte Bekannte, die Oberländer. Wir lagern uns. 0 köstliche Rast! Mir fehlt das Wort dazu. Die Sorge um den Abstieg lässt uns leider nur eine Stunde in der Herrlichkeit verweilen.

Rasch gelangen wir zur Eiswand zurück. Eishaken wären jetzt gut. Wenn man aber keine hat, muss es auch ohne gehen! Mit Schultersicherung lasse ich meinen Gefährten hinunter, bis das Seil nicht mehr weiter reicht und auch die Wand an Steilheit etwas abnimmt. Dann folge ich sehr behutsam. Kopf gegen die Wand setze ich vorsichtig Fuss um Fuss von Stufe zu Stufe, krampfhaft kralle ich mich mit den Fingern fest. Erleichtert atmen wir auf, als wir beide wieder beieinander stehen. Weiter unten gelangen wir zu stark nach links und müssen nun einen blanken Steilhang nach rechts queren, um die Gratfelsen wieder zu erreichen. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, will Georges nicht hacken, kommt auch mit seinen Eckensteinern gut hinüber. Mir jedoch wird diese Stelle zum Verhängnis. Ungefähr in der Mitte des Hanges greift mein äusseres Eisen nicht mehr, ein Warnungsruf, dann fliege ich kopfüber hinaus. Zum Glück ist Georges aber schon im sichern Fels und hält gut.

Der Rest des Abstieges zu den Ski erforderte noch viel Zeit. Die Abfahrt am Seil über den Gletscher gelang viel besser, als wir uns denken konnten, und im Sattel drüben schlüpften wir aus den Schlingen. Nun folgten herrliche Fahrten, wobei die Stahlkanten sich glänzend bewährten. In weitausholenden Bogen sausten wir den Griesserengletscher hinunter. Immer schneller und schneller, im Ohr ein dumpfes Brüllen wie von ferner Brandung, rund herum alles in wirbelnder Eile. Wie schimmernde Züge fliegen die Firnhänge heran, pfeifen unter den Brettern durch, schemenhaft jagen schwarze Felsrücken zur Seite aufwärts, in weissen Wolken stäubt der Schnee vor den Spitzen auseinander. Die Freude am Sport giesst prickelndes Feuer in jede Ader. Nur immer weiter so, immer tiefer, bis auf die Moräne des Rossbodengletschers hinab.

Es war 6 Uhr, als wir in der Hütte den abgelegten Luxus wieder aufnahmen, denn wir wollten noch Simplondorf erreichen. Das Wetter verschlechterte sich zusehends, auch der Schnee wurde mies. Bei Dunkelheit gelangten wir unterhalb Eggen auf die Simplonstrasse. Rechts über uns leuchtete der Breitlaubgrat in die Nacht hinaus. Um 8 Uhr zogen wir im Dorfe Simplon ein. Ha, das war ein guter, ein stolzer Tag!

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