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Nevada el Ruiz als Sonntags-Skitour

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MITTLERE KORDILLERE KOLUMBIENS VON ROBERT BAUR, LIEBEFELD-BERN

MITTLERE KORDILLERE KOLUMBIENS VON ROBERT BAUR, LIEBEFELD-BERN Solche « Blitztouren » sind zwar normalerweise nicht gerade meine Spezialität, denn Besteigungen von wenig bekannten Hochgipfeln in fernen Landen sollten doch unbedingt von A—Z ausgekostet sein. Da aber berufliche Reisen naturgemäss nicht die gewünschte Zeit freilassen, um Expeditionen zu unternehmen, blieb mir vorerst nichts anderes übrig, als oft und wehmütig aus den Kaffeeplantagen von Manizales gegen das verheissungsvolle Blinken eines formverkehrten Wildhorns aufzuschauen, welches von Zeit zu Zeit über die tropischen Hitzewolken hinausragte.Auf meine Frage nach Namen und Besteigungsmöglichkeiten hiess es bloss:

« Nevada el Ruiz - mucho, mucho alto! » Einige Tage später stiess ich aber zufälligerweise auf einen Landsmann namens Schneider, der mir mit mehr Angaben an die Hand gehen konnte und überdies einen Besteigungsversuch unternehmen wollte. An Ausrüstung konnte er mir sogar ein Paar Ski zur Verfügung stellen, die, welch glücklicher Zufall - nicht allzuschlecht zu meinen Schuhen passten!

Ohne zuverlässige Freunde von einer Basis von 2100 m in einem Tag einen Fünftausender zu besteigen, kommt mir - offen gestanden - wirklich etwas « spanisch » oder sagen wir zu optimistisch vor Einzig Schneider ist zur festgesetzten frühen Morgenstunde zur Stelle, aber der Wagen zweier Kolumbianer, der uns ein gutes Stück führen soll, erscheint gemäss « lokaler Pünktlichkeit » erst gegen 9 Uhr!

Schon ziehen die ersten, vom Magdalenental aufsteigenden Nebel hinter dem Nevada el Ruiz durch, als wir die charakteristisch altspanischen Häuserblöcke von Manizales - « Cuadras » genannt - hinter uns lassen. Die Strasse, zuerst sehr gut, wird bald schlechter und schlechter. Aus prächtiger Tropenwildnis steigt der VW unentwegt, und vorerst mühelos, an mit Gras und Stroh bedeckten Indianersiedlungen vorbei, die letzten mageren Palmen auf 3300 m zurücklassend, bis zu einer heissen Schwefelquelle auf 3400 m, welche bereits für die Volksgesundheit gefasst worden ist.

Bei einem kolumbianischen Kaffee erfahren wir, dass per Auto unter Umständen sogar die Schneegrenze erreicht werden könne. Unentwegt steigen wir also weiter und mit uns das Aneroid, immer öderen Gegenden entgegen. Auf 4000 m begegnen wir den letzten Kartoffeläckerchen, bebaut von schmutzigen Indianern, mit ihrem typischen « Ruana » - Überwurf- und breitran-digem, schwarzem Hut bekleidet. Bald nachher verschwinden die letzten « Frailejones », eine Art hochstengliger Agaven, hinter, respektive unter uns. Der harte Boden macht einem vulkanischen Aschengrund Platz, welcher jedoch trotz fast vollständiger Weglosigkeit immer noch mit dem infolge der Höhe nach Luft « schnappenden » Auto befahren werden kann.

Rechts erhebt sich ein etwa 4800 m hoher Vulkankegel aus grauschwarzer Asche und Lava. Geradeaus führen immer neue « schiefe Ebenen » zum Rande des Gletschers, welchen wir gegen 11 Uhr auf 4700 m erreichen. Die rasche Höhendifferenz von 2600 m in zwei Stunden hat uns etwas zugesetzt, so dass wir nur langsamen Schrittes, mit geschulterten Ski ( Steigfelle sind hier unbekannt ) die vergletscherte Kalotte unseres Berges in Angriff nehmen. Ein erster prächtiger Schneehang von ca. 300 m Höhe bringt uns rasch höher. Eine Spaltenzone mit grossen Séracs 15 Die Alpen - 1957 - Les Alpes225 lassen wir links, nördlich liegen und erreichen mit Schneider über einen gut verschneiten Bergschrund mit anschliessendem Steilhang die breite, vergletscherte SW-Flanke des Berges. Trotz herumziehender Nebelschleier vermögen wir auf der andern Seite ein relativ grosses Gletscherbecken zu erkennen. In der südlichen Ferne glänzen die flachen Gletscherkuppen des Nevada Santa Isabel und die stumpfe Pyramide des Tolima. Der Höhenmesser zeigt 5080 m.

Unsere Kolumbianer-Freunde sind zurückgeblieben; trotz ihres südlichen Elans finden sie offenbar das Spiel nicht ganz nach ihrem Geschmack. Unverdrossen ersteigen wir beide in nördlicher Richtung den breiten Gipfelgrat bis zu einem Vorgipfel, von welchem sich über ein leicht ansteigendes Firnfeld die Schneekuppe des Nevada el Ruiz erstampfen lässt. Der Höhenmesser ist schon seit einiger Zeit « oben aus », d.h. auf 5170 m blockiert, was uns eine Gipfelhöhe von 5320 m schätzen lässt.

Überrascht gewahren wir auf der Nordseite einen rauchenden Krater von etwa 800 m Durchmesser und 300-400 m Tiefe. Gleissende Hängegletscher kleben am Innenrand und liefern mit ihrer Eiseskälte seit Jahr und Tag einen Naturkampf sondergleichen gegen die aufsteigende vulkanische Hitze. Gedämpfte Explosionen erfüllen den rauchenden Schlund, welcher rundum mit einem schönen Schneegrat verziert ist.

Infolge der vorgerückten Stunde und der immer bedrohlicher aus der Magdalenen-Senke aufsteigenden Gewitterwolken müssen wir auf einen vollständigen Kraterrundgang verzichten, obschon dieser bestimmt interessante Einzelheiten über die Aufstiegsmöglichkeiten der vereisten Nord- und Ostflanke vermittelt hätte. Die dreistündige Verspätung von heute morgen rächt sich nun bitter, und lediglich ein kleiner Abstecher gegen die ungeheuerliche Kratertiefe kann unternommen werden. Auch dieser wird bereits nach einigen Seillängen durch senkrechte, in Rauch-zonen endenden Eiswänden unterbrochen.

Was jetzt, um 3 Uhr nachmittags, an Abstieg folgt, kann mit schönsten Frühlingsskitouren in den Alpen verglichen werden. Eine Abfahrt - wenn auch auf etwas « schwabligen » Beinen -bringt uns in fabelhaftem Sulzschnee in 20 Minuten an die Schneegrenze zurück, wo dichter Nebel und Riesel uns empfangen. Glücklicherweise setzt das tropische Hochgewitter erst etwas später richtig ein, so dass wir « ungeschoren » die Thermalquelle erreichen, wo in deren 45grädigen Wellen auf 3400 m der « Staub des Fünftausenders » abgeschwemmt wird.

Etwas « mürbe » von Höhenunterschieden und Hitze-Schwefel-Bädern ziehen wir nach zehnstündiger Fahrt wieder in die « Cuadras » von Manizales ein, vollbefriedigt und überzeugt, aus unserer kurzen Freizeit das Maximum herausgeholt zu haben.

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