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Piz Tumbif

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3250 und 3217 Meter.

Von C. Hauser,

Mein Unternehmen, diesen Gipfel anzugreifen, ging von Brigels aus und ich hatte hiezu meine gewohnten Führer Heinrich Eimer von Elm und seinen Sohn Rudolf mitgenommen. Von welcher Seite der etwas zweideutige Koloss anzugreifen sei, hierüber fehlten uns jegliche empirische Anhaltspunkte; es war nichts als ein dunkles Gerede im Thal, dass Plac. a Spescha und seither ein Pfarrer eine Besteigung des Berges ausgeführt hätten, aber in welcher Richtung, darüber wusste Niemand etwas zu sagen; auch im Kloster Disentis, wo ich nach der Ersteigung mir darüber Aufschluss verschaffen wollte, erfuhr ich nur, dass des Paters Manuscripte vor längerer Zeit nach Cliur gewandert seien.* ) Ich entwarf nun die Marschroute dahin: am 18. Juli Abends noch in die Alp Nora vorzudringen und folgenden Tages durch das Frisalthal und über den Frisalgletscher dem Tumbif vonNordosteu her beizukommen. Auf Elmer's Vorschlag wurde aber noch ein mit der Gegend ganz vertrauter Gemsjäger im Dorfe berathen, welcher sich dahin äusserte: er glaube nicht, dass je ein Mensch auf dem Piz Tumbif gewesen sei, er könnte auch nicht sagen, ob man hinaufkomme, aber wenn der Berg von irgend einer Seite zugänglich sei, so werde diess am ehesten von der Alp Tscheng aus der Fall sein. Ob schon ich mein Projekt ebenfalls als richtig hielt, entschlossen wir uns dennoch, dem

* ) Eine .von einem Churer Club-Freunde beabsichtigte Biographie des Placidus a Spescha wird wohl manche solcher Zweifel aufklären.

Rathe des erfahrenen Gemsjägers zu folgen. So wurde denn Abends 6 Uhr von Brigels abmarschirt und noch die Hütte am obern Staffel von Tscheng bei 1979 der eidg. Karte bezogen, woselbst wir 1/4 vor 8 Uhr anlangten. Es war ein schöner Sommerabend, der uns für den kommenden Tag gutes Wetter versprach.* )

Mittwochs, den 19. Juli Morgens, beobachtete ich um 4 Uhr11° am Thermometer im Freien; um 1/25 Uhr ward Ordre zum Aufbruch gegeben. Nach zwei Stunden langem Steigen gelangten mir auf die Schneide unten am Gletscher des in der eidg. Karte mit 3060 M. bezeichneten Brigelser Horns, wo wir zuerst in das Frisalthal hinunterblicken konnten. Hier machten wir Rast und erfreuten uns an der erhabenen Gebirgsansicht, die sich uns eröffnete, indem wir die ganze Kette vom Bifertenstock bis zum Segnes wie in einem Spiegel vor uns hatten und insbesondere mit Interesse den Weg verfolgten, welchen Anno 1863 die Expedition auf den Biferten genommen hatte.** )

Das Frisalthal selbst sieht dem jenseits des Kistenstöckli gelegenen Limmernboden vollkommen ähnlich: wie dieser ist es eine langgedehnte Fläche, welche ehemals die herrlichste Alpweide darbot, jetzt aber grösstentheils unter Schlamm und Geröll begraben liegt.

Um 7 Uhr brachen wir von unserer Ruhestätte auf. Wir hatten es dem Zufall zu verdanken, dass unserem weiteren Vordringen nicht hier schon Halt geboten wurde, vier Wochen früher — und die kritische Stelle des Ueberganges auf den Gletscher wäre nicht zu passiren gewesen. Der Gletscher bildet nämlich hier einen so jähen Absturz, dass er ohne Hacken und Leitern gar nicht zu ersteigen wäre; der

* ) Temperatur der Luft +12, 4. ) Jahrb. v. 1864 p. 171 ff. ausserordentlich vorgerückte Absclimelzungsprozess dieses Sommers hatte aber die Eiskante dermassen unterhöhlt » dass wir in einem subglacialen Gange hindurchkriechen konnten, während die Eiswasserstrahlen in starker Fülle von der Decke des Gewölbes uns auf den Rücken sich ergossen.

Jenseits dieser etwa fünfzehn Schritte langen Passage konnte man ohne erhebliche Schwierigkeit die Gletscherreise fortsetzen, mitunter ging es ziemlich steil hinan, stetsfort in der Richtung zum Brigelser Hörn ( 3060 d. eidg. K. ), woselbst wir um 8 Uhr anlangten. Hier gewahrten wir alsbald drei sorgfältig erbaute, gut erhaltene Steinpyramiden; alle Bemühungen aber, Dokumente darin zu entdecken, waren vergebens. Wir lenkten unsere Blicke nach dem Tumbif, welcher tief im Nebel steckte, dann schweiften wir gegen die Thalsohle, gerade südlich vor uns schauten wir Trons. Die Thermometerbeobachtungen während der halbstündigen Rast zeigten: um 8 Va Uhr im Schatten -j- 7,5, um 9 Uhr -f- 7. Ungeachtet der zweideutigen Beschaffenheit der Witterung und des fortdauernden Kampfes zwischen Südwest und Nordost wurde muthig aufgebrochen und ging es nun dem eigentlichen Ziel unserer Reise, den Gipfeln des Tumbif, zu. Der Pfad, den wir zum nächsten der Gipfel ( 3217 d. eidg. K. ) zu überwinden hatten, gehört nicht zu den leichteren, für schwindelfreie Wanderer aber auch nicht zu den schwierigeren. In einer Stunde war er überwunden. Um 10 Uhr betrat wahrscheinlich der erste menschliche Fuss den aus regellos übereinander gelagerten Steintrümmern bestehenden östlichen Kegel des Tumbif. Wenigstens trafen wir nicht die mindeste hinterlassene Spur vorangegangener Besucher, und so lange nicht positivere Angaben und nicht nur blösse Sagen vorliegen, nehme ich an, es beziehen sich diese eben auf jenes Hörn, wo die drei Pyramiden stehen.

Bei unserer Ankunft zeigte das Thermometer im Schatten -f- 7,5, eine halbe Stunde später in der Sonne nur + 7,8, letztere Temperatur bei starkem Winde, der die Wirkung der Insolation schwächte. Im Luftreich herrschte immer noch ein heftiger Kampf der Winde, jedoch hatten sich die Gegensätze nach Südost-Nordwest gedreht. Jetzt brach einen Augenblick die Sonne siegreich durch 's Gewölk und gestattete uns einen kurzen Blick in den Kranz der Berge; eine wunderbar imposante Aussicht ging wie ein Traum an unserer Phantasie vorüber, als Kernpunkte schweben mir noch das Vorderrheinthal und die jenseits iagernden Gebirgsketten in Erinnerung. Von organischem Leben fanden wir weder auf dem Gipfel, noch auf dem Wege dahin bei unserer ersten Rast irgendwelche Spur, ausgenommen die Excremente von Gemsen, wahrscheinlich jener zwei Stücke, welche wir diesen Morgen verscheucht hatten, als wir uns der ersten Ruhestelle näherten.

Mit Rücksicht auf die Zweifelhaftigkeit des Wetters und die unser wartenden ungleich grösseren Schwierigkeiten der direkten Descension nach Val Puntaiglas fand ich es zur Er-sparniss der Zeit für zweckmässiger, den jungen Rud. Eimer zu einer Diversion auf den höchsten Gipfel des Tumbif zu detachiren. In zwanzig Minuten legte er die Distanz von Punkt 3217 bis 3250 d. eidg. K. zurück, über eine fast messerscharfe Schneide mit zuweilen überhängenden Felsblöcken, deren Erkletterung nur durch Anwendung ausserordentlicher Schwungkraft möglich war. Als Rud. Eimer die höchste Spitze erreichte, war es 25 M. weniger als 11 Uhr, er con-struirte ein festes Steinmannli und genau nach einer Stunde war er wieder bei uns. Auch wir hatten unterdessen das übliche Baudenkmal errichtet und die bezügliche Urkunde voll freudiger Begeisterung versenkt; Stetsfort aber hatten wir mit dem Ungemach des Wetters zu kämpfen und litten von Nebel, Wind und Kälte.

Temperatur um 11 Uhr im Schatten -j- 6,9.

Nur wenige lichte Intervalle gestatteten uns eine weitere Aussicht, der Nebel spaltete sich, aber nur einen Augenblick blieb der Schleier zerrissen, da huschte der graue Geselle wieder vorüber und schloss den entzwei geschnittenen Leib. In einem solchen lichten Moment ergötzte uns der Anblick der Muttenmulde mit dem smaragdenen See und die jenseits gelagerte Kette des Glärnischgebirges.

Ich ermangelte nicht, die günstigen Augenblicke auch zu einer Récognition des Weges zu benutzen, welchen ich mir gestern vor der Berathung des Brigelser Waidmanns zur Besteigung des Tumbif vorgezeichnet hatte. Es zeigte sich zur Evidenz, dass je nach Beschaffenheit von Gletscher und Schnee der Tumbif über den Frisai- und Tumbifglet-seher zugänglich ist, und so wäre er es auch heute gewesen. Wenn der den Gletscher bedeckende Schnee dem Fusse den nöthigen Halt gibt, ist der Aufstieg gut ausführbar, wenn aber glattes Eis zu Tage tritt, müssten wegen der grossen Steilheit der letzteren Partie eine Menge Tritte eingehauen werden.

Um 12 Uhr begannen wir den Rückzug vom Tumbif-gipfel direkt in das Puntaiglasthal, und zwar in genau südlicher Richtung. Drei Stunden vorsichtigster Arbeit erforderte der Abstieg über die kahl ausgewaschene Rinne von Schiefer- und Kalkfelsen, bis wir die erste Schafweide ( westlich von 2447 M. d. Exc.Karte ), rechtwinklig zum Auslauf des Puntaiglasgletschers erreichten. Der grössere Theil der Arbeit musste von allen drei rutschend vollzogen werden, nur selten gestatteten die kahlen Rippen ein Aufrechtstehen selbst dem Kühnsten unter uns, es war daher an ein Ent- fliehen nicht zu denken, wenn sich an dem modernden Gestein hinter uns Ablösungen einstellten, deren Eintritt wir bei Wendung der zweifelhaften Witterung allerdings gewärtigen mussten, weshalb wir denn auch freudig aufathmeten, als wir, bei jener Schafweide angelangt, der drohenden Gefahr entgangen waren.

Von hier aus genossen wir den Anblick eines zwei-armigen Wasserfalles, welchen der Abfluss des Puntaiglasgletschers bildet, dessen Effekt bezaubernd sein muss, wenn die Strahlen in reichlicherer Fülle fliessen, als es heute in Folge der niederen Lufttemperatur der Fall war.

Nach einer halbstündigen Rast wurde aufgebrochen und nach dreiviertelstundenlangem Absteigen langten wir ( 41/4 Uhr ) in der die Thalsohle von Val Puntaiglas einnehmenden Alp gleichen Namens an. Auf dem Wege dahin entdeckte Rud. Elmer's Falkenauge hinter uns in schwindelnder Höhe auf einem Felsenriff das interessante Schauspiel, wie eine Gesellschaft ab- und zufliegender Raubvögel ihre Beute verzehrten. Wahrscheinlich waren es Lämmergeier, welche ein geraubtes Schaf auswaideten. Aufgefallen sind uns auch die beim Absteigen zerstreut auf den Weiden liegenden Blöcke von Alpinit, den wir auf dem ganzen Rückwege nirgends anstehend gefunden haben, und welche — genauere Untersuchung vorbehalten — auf dem Rücken des Puntaiglasgletschers hieher transportirt worden sein müssen. Unter dem Gletscher, auf der rechten Seite des Ferrerabaches, sahen wir in den Felsgehängen die verlassenen Stollen des seiner Zeit betriebenen Eisenberg-werkes, das aber dem Vernehmen nach wieder angegriffen werden soll.

Da die Abendzeit noch nicht vorgerückt war, genossen wir eine längere Rast am linken Ufer des Ferrerabaches.

Wir trafen da den Schäfer, der vor drei Jahren in der Alp Rusein gedient hatte, als wir daselbst bei der Expedition nach Porta da Spescha einen Besuch machten. Unter seiner alleinigen Obhut stand jetzt die ganze Alp Puntaiglas, welche nur von 300 Schafen beweidet wird. Bei diesen vertreibt er während des ganzen Sommers seine Zeit und stösst in seiner Einsiedelei selten auf ein menschliches Wesen; er war nicht wenig verwundert, uns da zu sehen, und als wir ihm zeigten, woher wir heute gekommen, wollte er durchaus nicht glauben, dass Jemand diesen Weg machen könne. Nahe an unserer Ruhestelle flössen mehrere reichhaltige Quellen besten Trinkwassers in den Gletscherbach, während wir vom Gipfel des Tumbif bis hierher keinen Tropfen hatten finden können. Um 53/4 Uhr zeigte die Quelle, « twa 10'über dem Niveau des Ferrerabaches,f- 4,5°, die Temperatur des Gletscherbaches5,5 und diejenige der Luft -f- 14,3°. Alle Gradationen sind im Schatten ( nach untergegangener Sonne ) und bei vollkommener Windstille zu verstehen. Die Quelle wurde wenige Fuss von ihrem Ursprung, der viel mächtigere Bach unmittelbar nach der Mündung der Quellen gemessen.

Um 6 Uhr brachen wir auf und langten nach einer starken Stunde wohlbehalten in Trons an.

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