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Sentiero Roma und Passo Camerozzo

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von Jos. L. Schmid

Ein Erlebnis aus der Bondasca Mit 1 Skizze ( Basel ) Schmunzelnd steckt der junge Hüttenwart der Capanna Gianetti unsere letzten Lira-scheine in die Tasche. Mit echt südländischer Grazie bedankt er sich und wünscht den « Svizzeri » gute Fahrt.

Unser Ziel ist der Passo di Bondo. Wir hoffen, von diesem Grenzsattel aus in kürzester Zeit unser Standquartier - die Sciorahütte - zu erreichen...

Ein kleines Weglein führt uns, etwas ansteigend, in östlicher Richtung. Öde und leer sieht die Gegend aus. Feuchte Nebel streichen über grasige Rücken und Steintrümmer. Es Pizzi Gemelli, vom Passo del Ferro regnet. Nasser Glanz liegt auf den riesigen Granitblöcken, zwischen denen sich das Weglein hindurchwindet. Eingemummt in unsere Regenüberzüge, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, wandern wir wortlos durch das unfreundliche Grau. Hätte uns hier ein italienischer Grenzer angetroffen, ich glaube, er hätte in uns einen guten « Fang » gewittert.

Schon sind wir eine Stunde unterwegs. Das Weglein ist sauber angelegt und frisch mit roter Farbe markiert. Dort, wo es durch steil abfallende Felswände führt, sind Eisenstifte angebracht. Manchmal können wir uns an Drahtseilen halten. Ein herrlicher Weg, der da zum Passo di Bondo hinaufführt! Vergessen ist die « grosszügige » Hüttenrechnung - im Gegenteil -, dankbar sind wir unsern Fratelli italiani, dass sie einen solchen Prachtsweg zu einem Schweizer Pass angelegt haben.

Es regnet nicht mehr, nur das undurchdringliche Grau scheint anzuhalten. Der Pfad führt nun in einer Schneezunge steil empor und quert anschliessend ein grosses Felsband. Herrgott, hatten die eine Arbeit, bis diese Felsgalerie erstellt war! Zufrieden bummeln wir weiter - dem Passo di Bondo entgegen...

Unsere Innsbrucker Freunde - Kletterkatzen im wahrsten Sinne des Wortes - sind etwas zurückgeblieben. Am Ago di Sciora haben wir uns kennengelernt und dann gemeinsam den Granitbuckel des Piz Badile tra versiert. Beide - sie und er - prächtige Bergkameraden!

Steil geht es nun in einer Rinne höher, dann über regennasse Grashänge weiter südostwärts zu einer Scharte. Rot leuchtet uns auf einem Granitblock entgegen: Passo Camerozzo. Daneben stehen noch Farbtopf und Pinsel.

Passo Camerozzo? Natürlich haben wir alle noch nie etwas von diesem Übergang gehört, aber wir machen uns deswegen keine Gedanken. Weiter wandern wir, immer darauf bedacht, die roten Kreuze nie aus den Augen zu verlieren. Abwärtssteigend erreichen wir ein flaches Plateau, auf dem gewaltige Steinblöcke herumliegen. Einige hundert Meter unter uns sehen wir das Blechdach einer kleinen Hütte durch den Nebel leuchten. Wir rasten und warten auf unsere Freunde.

Bald kommen sie, lächelnd. « Er » mit dem italienischen Klubführer in den Händen, uns zurufend: « Wir sind auf falscher Route. Das ist der .Sentiero Roma ', ein Pfad der sich der ganzen Grenzkette entlangzieht und der von den Italienern schon vor dem Krieg angelegt worden ist. Die Route, die zum Passo di Bondo führt, ist ohne Markierung und zweigt schon kurz nach der Hütte nach links ab. » Unser Innsbrucker Freund lächelt noch, derweil wir, völlig sprachlos, seine Worte aufnehmen. Verstohlen blicke ich zu Ernst hinüber. In seinem Rucksack steckt auch ein italienischer Klubführer, und auch ihn hat dieser grossartige Höhenweg genarrt. Nun knobelt er aus der Rucksacktasche ein Fläschchen hervor und lässt es zirkulieren. Ein Trostspender, der in diesen Bergferien zum erstenmal die Runde macht.

Gemeinsam besprechen wir unsere Lage und suchen im Klubführer den bestmöglichen Übergang zur Bondasca. Schon entschliessen wir uns zum Rückweg. Doch - o gütiges Ge-schickdas brodelnde Durcheinander über uns teilt sich, und aus dem Nebeigewoge wird ein Gletscher sichtbar. Ganz oben sehen wir einen Firnsattel: den Passo del Ferro! Auch dieser Übergang wird uns ans Ziel bringen. Nach dem Büchlein ist er sogar sehr gut passierbar.

Aber nach wenigen Minuten ist alles wieder vorbei. Wir sehen nichts mehr von Gletscher und Pass, es ist wieder undurchdringlich grau und düster um uns. Doch nun kennen wir die Route. War uns auch nur ein kurzer Blick möglich, er genügte.

Den « Sentiero Roma » lassen wir unter uns zurück. Im anfänglich steilen Gletscherbruch schlagen wir mit dem Kletterhammer Stufen. Dann geht es leicht über Firn zur Passhöhe. Noch reicht uns die Zeit, um den Pizzo del Ferro Centrale zu erklettern.

Es ist schon später Nachmittag, wie wir über den zerklüfteten Bondascagletscher hinuntersteigen. Freudig blicken wir auf dem letzten Moränenrücken zur nahen Hütte hinüber...

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