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Triglav-Nordwand

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

VON FELIX LARGIADÈR, ST. GALLEN

Mit 3 Bildern ( 111-113 ) Der volle Tag ist bereits angebrochen, wie wir das Aljazev-Haus verlassen, dem grossen Ziel entgegen: der Nordwand des Triglav. Schon seit langer Zeit haben Berichte und Bildern über die Julischen Alpen und ihren König, den Triglav, in uns den Wunsch geweckt, diese Wand kennenzulernen. Und nun steht sie vor uns, mächtig und geschlossen, trotz der Vielfalt von Pfeilern und Schluchten, mächtig wie wir sie uns immer vorgestellt hatten! Der Himmel ist bewölkt; aber nach den Erfahrungen der letzten Tage können wir mit gutem Wetter rechnen.

Am kleinen Schneefeld unter dem Einstieg zum Deutschen Weg machen wir uns kletterfertig. Dann steigen wir wenig schwierigen Felsen hinan und queren durch die Schlucht auf den Deutschen Pfeiler. Rasch gewinnen wir hier an Höhe; der anfänglich brüchige und leichte Fels wird steiler und fester und bietet mehrere gute Passagen. Seillänge reiht sich an Seillänge, und oft halten wir kurz an, um einen Blick zurück ins Vrata-Tal, nach links auf den Slowenischen Pfeiler oder nach rechts auf den imposanten Zentralpfeiler zu werfen. Wir halten uns meist an die Kante. Einmal scheint uns eine kleine gelbe Wand anzuzeigen, dass wir schon hoch gekommen sind und nun links 1 Vgl. u.a. « Die Alpen » 1952, S.96; 1956, S.153 und 221; 1958 ( Monatsbulletin ), S.72.

halten müssen. Ein prächtiger Riss führt mich weiter, dann aber erkenne ich, dass diese Nordwand andere Dimensionen hat als unsere heimatlichen Kletterberge: erst weit über meinem Kopf erscheint die richtige gelbe Wand, der Wegweiser, viel grösser als ihr Doppelgänger auf unserer Höhe. Ich muss zurückklettern, um dann gerade anzusteigen. Die Route ist nun nicht mehr zu verfehlen. Wir kommen gut vorwärts. Plötzlich stehen wir auf einer breiten Kanzel am Anfang der schneegefüllten Schlucht, die in Wandmitte liegt. Die Wolken sind inzwischen verschwunden, strahlend blauer Himmel wölbt sich über den Bergen. Auch der obere Teil der Wand liegt im Lichte vor uns und scheint uns in seiner freundlichen Helle ein rasches Fortkommen zu versprechen. So lassen wir uns Zeit, geniessen unbeschwert die Sonne, kochen einen Tee und freuen uns ob des herrlichen Tages. Nach geraumer Zeit steigen wir auf dem Fensterweg weiter. Wir verfolgen die Schlucht im Schnee oder an ihrem Rand bis zum Ende; hier wird unser Elan plötzlich gestoppt. Denn das Ende ist ein Überhang, und darüber baut sich die senkrechte Wand auf, in welcher nochmals ein Überhang den Zugang zur Fensterrinne versperrt. Der Weiterweg gibt mir vorerst Rätsel auf. Dann gehe ich nach einer Steilstufe ein glattes Wändchen an. Wie ich aber hier nach zwei Metern hoffnungslos am Felsen klebe, ohne einen einzigen kleinen Griff, ohne einen Hakenriss, merke ich, dass es nun ernst gilt. Ich muss zurück, deponiere den Sack, und dann geht 's. Oben gestatten schmale, aber feste Leisten die Querung über den die Schlucht abschliessenden Überhang auf einen Stand, wo ich Helene nachkommen lassen kann. Sie hat mit dem Sack ordentlich zu schaffen. Der folgende Überhang läuft rechts in die glatte Wand aus, und hier komme ich durch. Nochmals folgt ein sehr schwieriger, griffarmer Riss, dann stehe ich in der Fensterrinne. Über nasse Schroffen und Schneekegel steigen wir durch das Fenster hindurch. Der Tiefblick aus diesem feuchten, dunklen Ort zurück ins besonnte Vrata-Tal ist besonders reizvoll. Wo sich die Rinne als Höhle im Berginnern verliert, queren wir, links hoch, wieder in die Wand hinaus. Noch etliche Seillängen folgen bis zum Schneefeld unter der « kleinen schwarzen Wand », dem obersten Teil der Nordwand. Obwohl wir mit Photographieren und Filmen bereits viel Zeit verloren haben und der Himmel sich inzwischen mit Gewölk überzogen hat, brauen wir uns auf einer Rippe nochmals einen Tee. Beim Weitergehen sind wir dann allerdings froh, dass eine gut haftende, weiche Neuschneeschicht rasches Vorwärtskommen über die Firnfelder erlaubt. Wir queren zum Zimmer-Jahn-Ausstieg, und um halb sechs Uhr steigen wir endlich aus der 1000 Meter hohen Wand aus. Der Moment wird im Film festgehalten. Dann geht es weiter, denn immer noch fehlen uns 500 Höhenmeter bis zum Gipfel. Wir steigen nun rasch, und da die Strecke bis zum Gipfel bedeutend kürzer aussieht als sie wirklich ist, machen wir uns angenehme Illusionen über die restliche Aufstiegszeit. Vom höchsten Punkt des Kugy-Bandes aus umgehen wir die Nordkante, erklimmen diese durch schneegefüllte Rinnen und queren dann in die Nordostflanke hinaus. Doch machen sich nun die Dimensionen dieses Berges wieder einmal bemerkbar. Seillänge um Seillänge steigen wir an in massig schwierigem, eintönigem Gelände, und der Gipfel will nicht näher kommen. Viertelstunde um Viertelstunde vergeht. Dafür werden wir beim Weiterklettern in der schattigen Flanke Zuschauer eines prächtigen Schauspiels. Denn die Sonne überstrahlt wieder die Berge, taucht die ostwärts unter uns liegende Hütte auf der Kredarica in warmes Licht und leuchtet über sie hinweg unter einer schwarzen Wolkendecke hindurch bis weit ins Flachland hinaus.

Endlich erreichen wir den Grat und mit ihm die abendliche Sonne. Und mit Staunen schauen wir, trotz einigen Wolkenbänken, einen Grossteil der berühmten Triglav-Aussicht. Im Osten ahnen wir Ljubljana, nordwärts geht der Blick ungehindert über die Karawanken, über ganz Kärnten hinweg bis zu den Niederen Tauern, im Nordwesten grüssen Grossglockner und Grossvenediger, und am westlichen Abendhimmel, weit hinter den Westjuliern, reihen sich die Dolomiten, Gipfel an Gipfel. Unser Gipfel ist zwar noch nicht in Sicht, aber wir sind wieder munter wie am Morgen, und be- schwingt klettern wir über die rot übergossenen Grattürme weiter. Noch einmal steigen wir unnötigerweise in die Flanke hinein, um einen vermeintlichen Gratturm zu umgehen, noch einmal erreichen wir den nun von der Sonne verlassenen Grat, und dann liegt der Gipfel vor uns. Gemeinsam legen wir die letzten Minuten zurück. Genau 14 Stunden nach dem Einstieg stehen wir auf der Gipfelwächte des Triglav, 2863 m. Die Aussicht nach Süden ist ganz gut; das Meer, das wir am anderen Tage sehen werden, ist allerdings in der dunstigen Dämmerung verborgen. Wir holen den Slibowitz aus dem Sack, schauen nochmals in die Runde, und dann steigen wir mit der einbrechenden Dunkelheit auf dem Normalweg glücklich und zufrieden zur Hütte hinab.

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