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Von den Jägihörnern (Saas)

Remarque : Cet article est disponible dans une langue uniquement. Auparavant, les bulletins annuels n'étaient pas traduits.

Von L. Kläy.

Diese Saaser Berge sind wohl manchem unbekannt. Wer aber die unzähligen Zacken und Türme überklettert hat, wird sie nimmer vergessen können. Bieten doch die Jägihörner alles das, was ein verwöhnter Kletterer sucht: guten Fels, luftige und kurzweilige Auf- und Abstiege, Abseilstellen, auch Todesahnen, wenn man will. Es reizt mich daher, von diesen lieben Gesellen hier ein wenig zu plaudern.

Von Saas- Grund zogen wir mit unserm Kameraden und Führer Josef Imseng aus Saas-Fee in 2 1/2 Stunden zur Weissmieshütte, 2720 m. Der Weg vom Tal da hinauf darf vorbildlich genannt werden. Er ist breit, gut unterhalten und fuhrt in zahllosen Kehren etwas steil durch romantischen Fichtenwald zur Triftalp. Hier erblickt man zum ersten Male die Hütte, die weit oben auf der Moräne des Triftgletschers steht. Das Bild ändert sich. Statt wie bisher durch Hochwald, zieht nun der Weg über magere Alpen. Aber wie grandios ist der Hintergrund! Links die düstern Jägihörner, in der Mitte das Fletschhorn und rechts Laquinhorn und Weissmies. Allerdings durften wir dieses Bild nicht lange geniessen, denn ein kräftiger Bergregen überraschte uns lange vor Ankunft in der Hütte.

Die Weissmieshütte ist ein Kleinod, ein herrliches Heim mitten in herrlicher Natur. Tadellos eingerichtet, dabei gleichwohl heimelig; die Veteranen kriegen sogar « richtige » Betten. Es ist dunkel geworden, der Regen hat aufgehört, und, o Freude, der Mond ist aufgegangen. Wir haben Zeit, das unerhört grosszügige Bild im Westen in Musse zu gemessen. In silberner Pracht stehen sie da, majestätisch, geheimnisvoll: die Mischabelhörner. Da schweigt der laute Mensch. Unten im Kessel, am Fusse des glitzernden Feegletschers, im zarten Dunkel die winzigen Lichtlein von Saas-Fee...

5 Uhr: Abmarsch. Kein Wölklein am Himmel, es wird ein schöner Tag werden. Wir gehen direkt auf die grosse Rinne zu, rechts von der Jägiwand, welche unser Führer als Erster bezwungen hat. Wir brauchen eine Stunde, um das sehr steile Couloir zu erklettern. Es endet genau im Sattel zwischen dem grossen Jägihorn und dem eigentlichen Jägigrat. Schon hier öffnet sich eine unerwartet schöne Fernsicht. Eine weitere Stunde führt uns über Geröll nördlich dem hier noch niedern Jägigrat entlang zur ersten Kletterstelle. Hier seilen wir uns an. Heissa, du frische, fröhliche Klettereil Ein scharfer Rücken nimmt uns auf, und schon gähnen links und rechts die schönsten Abgründe.

Ha, da spaltet ein tiefer Riss den Grat. Ein herrliches Gefühl, am sicher verankerten Seile hängend, unter sich die grosse Leere, langsam dem Ziel ent-gegenzugleiten. Flott geht es nun weiter, auf und ab, über schmale Gräte, an winzigen Ritzen hängend, auf Bauch und Knie. Überall, links und rechts, grüsst der steinerne Talgrund aus unheimlicher Tiefe herauf, es gibt keine einzige Stelle mehr, auf welcher man wirklich ruhig Sprünge machen könnte. Dreimal seilen wir ab. Ein grosser, gabelförmiger Turm krönt den Grat. Wir erreichen ihn nach vier Stunden anstrengender Arbeit.

Schon in der Hütte hatten uns Saaser Führer vom grossen Turm gesprochen und dabei mit den Augen gezwinkert. Wir waren auf etwas Besonderes gefasst. Aber was sich hier unsern Blicken bot, war denn doch mehr als wir erwarteten. Da hinauf? Bange fragte ich unsern Führer. Lachende Antwort. Wie ein Matterhorn in kleinem Massstabe, sticht diese Felsennadel aus dem Grat in den blauen Himmel. Grausige Abstürze hat der Turm, fast glatte Felsen, nur hin und wieder unterbrochen durch einen Riss oder kleine Griffe.

Mit einem frohen Jauchzer, der uns zwar nicht gerade erfreute, ging Imseng frisch ans Werk. Und nicht lange nachher stand er schon in Seillänge auf dem Grat und wartete auf meinen Freund. Von Sichern ist hier im ersten Teil keine Rede. Da heisst es, kalt zufassen und keinen Griff fahren lassen. Es graust mir heute noch, wenn ich daran denke, wie beide da oben am Felsen klebten, jeden kleinen Riss, jedes Buckelchen als Halt benutzend. Der Aufstieg erfolgt über den kantigen Westgrat, auf dem Bauche natürlich. Ungefähr in der Mitte des Turms ist es möglich, in die westliche Flanke hinauszukommen, indem hier ein starker Riss guten Halt und schnelleres Vorwärtskommen gestattet. Von hier aus warf mir Imseng sein Reserveseil zu, womit ich bald wohlbehalten bei den beiden anlangte. Einmal im Fels, geht die Sache allerdings leichter, als man von unten glaubt. Unser guter Führer und der sichere Stein gaben uns eine gewisse Ruhe und Sicherheit. Abwechslungsweise kletternd und sichernd, erreichten wir den Doppelgipfel.

Durch Abseilen gelangt man bald in den Sattel dazwischen, der nicht breiter als ein richtiger Pferdesattel ist. Eine nach Süd schräg abfallende Platte mit messerscharfer Kante führt zum zweiten Gipfel. Es ist dies jedenfalls die schwierigste; Stelle der ganzen Kletterfahrt. Ohne irgendwelche Griffe in der Platte selbst zu finden, ist man gezwungen, sich an der Kante selbst hinauf zu hangeln. Ein kleiner Rücken, l,50 m lang, bildet den Gipfel und gewährt einen luftigen Reitsitz für zwei Menschen. Während mein Freund als Mittelmann sicherte, begann Imseng sofort den Abstieg über den Nordostgrat, indes ich auf der andern Seite langsam die verteufelte Platte bewältigte. Ein herrlicher Blick lohnte mir alle Mühen und Gefahren. Wie mein Herz so freudig pochte! Welch wundervolles Bild, dieser Kranz rassiger Schweizerberge um uns 1 — Imseng jodelte wieder. Er hatte die vierte Abseilstelle, die grösste, erreicht und befestigte das zweite Seil. Der Grat ist hier ziemlich überhängend. Wir kamen aber gut hinunter. Dagegen konnte das Reserveseil nicht nachgezogen werden, weil es sich in der Felsspalte verklemmt hatte. Flink wie eine Gemse war Imseng wieder oben und verfertigte eine kunstgerechte Schlinge, die Wohl jetzt noch oben hängt. Tiefe Klüfte spalten den Kamm zu wiederholten Malen. Der Grat zieht von hier noch wohl zwei Stunden weiter. Die: meisten Bergfahrer steigen aber nördlich ab, um über eine grosse Geröllhalde hinauf das « Hörnli », den Endpunkt der Jägihörner, das Inner-Rothorn, zu gewinnen. Wir konnten es aber nicht übers Herz bringen, diesen letzten Teil des Grates in Ruhe zu lassen, und hatten unsern Entschluss nicht zu bedauern. Denn abgesehen von zwei kitzligen Abseilstellen, waren noch einige recht ansehnliche Zacken zu erledigen, bis wir nach siebenstündiger Kletterarbeit endlich sichern Boden unter uns hatten und das Seil aufrollen durften. Hier am Schlusspunkt des Grates hat man einen wunderbaren Rückblick auf die phantastischen Jägihörner. Die Länge des Grates beträgt 1,5 km Luftlinie. Man glaubt es kaum, dass man so lange Zeit braucht, um dieses kurze Stück zu bewältigen. Und wir waren doch gut vorwärts gekommen. Nun noch in einer Viertelstunde hinauf zum Inner-Rothorn. Das Tal sandte uns bereits seine Abendnebel hinauf, die sich im Grat verloren. Nur der grosse Turm blieb unberührt davon. Stolz stach seine Felsennadel in den blauen Himmel und schien uns lange noch zu winken, als wir durch eine Rinne auf den grossen Triftgletscher abstiegen. In knapp einer Stunde erreichten wir die traute Weissmieshütte.

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