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Von Lawinen- und Schneegefahren im Gotthardgebiet vor 300 Jahren

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Der Luzerner Stadtschreiber Joh. Leop. Cysat beschreibt in einem köstlichen Buche 1 ) den Vierwaldstättersee und kommt dabei auf den Ursprung der Reuss im St. Gotthardgebirge und im Zusammenhang damit auch auf die Lawinen- und Schneegefahren in diesem Gebiet zu sprechen.

Allhie were wol zuerzehlen was großer Gefahr zu zeiten die hin vnd wider reißenden auff disem Alpgebürg/wege- gächlung einreißender starcker vnd vngestimmen Winden/vnd vilfältigen Schnees/auch von den allerhöchsten Bergspitzen mit vnsäglichem Gewalt zu Thal fallenden Schnee-Lowenen/ vberstehen müßen/dan da vilmahlen Menschen vn Vich/Leib/Leben/Haab vnd Gutt in eine Augenblick zu grund gehet/deren Exempel wol zuerzehlen weren/die ich von Kürtze wegen vnderlasse.

Es werde aber beiderseits deß Gebürgs die Reißende durch die Bergs-erfahrne gewarnet/dan selbige auß langer Erfahrenheit die bevorstehende Wind vnd Schneeweter erkenendt. Der Lowenen aber sindt zweyerley/als die einen so man Schneelowenen/die anderen aber Grundlowenen/köiien von einem kleinen Vögelin/oder von starckem Ruffen/Reden/Geschrey oder Gethön verursachet werden/haben einen kleinen Anfang/mehrend sich aber eylendts/vnd brechend dan mit Gewalt herein/zertrucken vnd erstecken alles-was das Leben hat/zwar werden zu zeiten etliche errettet/so da eylendts von den Bergleüthen wider außgraben werden/hat sich wol auch begeben daß Menschen z.T.ag vnder solchen Lowenê gelegê/vii wider errettet worde/die es doch ihr Lebentag empfunde.

Die Grundlowenê sindt vil änderst beschaffe als die andern/dan gegen de- Somer so der Schnee blut wird vn anfangt zureißen/mehret er sich zu stund zu eine solche häuf fe- daß er mit jhme ge- Thal nimbt was er antrifft/ Stein/Bäum GruudGrundBodê/also daß er ein gantze Dorffschafft/ wo er sie anträfe/vor jhme hinweg stiese/macht auch ein solch braschle vn getöß/dz einer vermeint d'gantze Berg falle zuhauffe/Mä hört auch solch getümel gleich eine Donerklapff durch Berg vn Thal. Vnder einer solchen Lowenê sindt Ano 1477. von gemeine Eydgenossê 60. wol gerüster Kriegs-knecht/so damalen wider die verwittibte Herzogin Bonna von Meylandt vber das Gebirg gezogë/zu grund gangen/es werden/auch zu Zeiten die Stei-nenen Gewölbten Brücken/deren es hie diß-vnd jenseits vber die Reüß vn Tesin ein große menge hat von den Grundlowenë/vnd dan von anlauffenden grimigen Bergwassern hingenoinen/wie dan vngefehrlich vor 4. Jahren ein anzahl solcher Brücken in beeden Thäleren von grausamen Wassergüsse eyngerissen/vn mit vngläubliche Costen auß dem gemeinen Seckel zu Vri vn dero von Vrsellen wider geöffnet worden. Zu Winterszeit wird auch die Rüß ( wie dan jenseit deß Gebirgs auch der Fluß Tesin ) solcher maße mit Schnee bedeckt/daß sie vnder demselbê jhrê Lauff gantz verborge eine weite Weg nimbt/da durch dan auch zu Zeiten die vnwüssenden in gefahr komen vnd bey einbrechendem Schnee vnd Eyß mit sambt den Pferdten vnd Vieh versincken könend.

Die erste Menschliche Wohnung/so die Reüß in jhrem herabsteigen von der höhe/findet/ist Hospital ein klein Dorff/etwan ein viertel meyl ob dem Flecken Vrsella, in welchem so wol als zu Vrsella/die Jenigen so den Berg/das ist das joch deß Gotthards/vbersteigen wöllendt/benachtendt/ damit sie bey anstoßendem Tag den Berg angehn ( wie das gemeine Worth lautet ) vnd vollendts mit guter weil hinüber komen mögendt/man achtet auch die früe morgens Zeit vil bequemlicher/weylen wegen der sonsten nach Mittag Regierenden vngestümenen weniger gefahr. Da danen nimbt die Reüß jhren Lauff zimblich sitlich gen Vrselen in Flecken/aber nach deme sie ein Zeitlang durch selbiges Thal/mit bescheidenlichem Ge-mürmel/biß zu dem Außgang vnd enge deß Thals gewandlet/hebet sie an mit schröcklichem Toßen vnd Gerüsch vber die hohen Flue vnd Felßen hinunder zu fallen/sonderlich aber wan sie kombt zu der Künstlich gemachten/ vnd einerseits an ein großen Felßen gehenckte Brücken/welche Paulus louius vnd Josias Simlerus, Pontem Satanae, vnd Infernalem, auch das Landt-volck in gemein Teüffels Brücken nenet/da bemelte Reüß eine merekliche höhe mit großer Vngestimigkeit auff harte Felße hinab fallet/daß sie als ein lauterer Staub wider in die höhe steigt/vn nachmahlen wie ein dicker Nebel zu Grunde sitzet/auff diser Brücken ist ein jinerwehrender vnabläßlicher Windt/da auch ein jeder Sorg haben darff daß er seinen Hut davon bringen möge.

Bey de obgemelte Orth Hoßpital vnd Vrselen ligendt auff der rechten Seiten der Reüß/die Ihnwohner deß Thals/ob sie gleichwol ein klein Landt eynhaben als daß etwan 2. Meylen lang darzu schmal ist/seynd sie doch vernambt wegen der Pässen so creützweyß durch jhr Landt gehen/vnd auff die vier End der Welt sich außstrecken/dan gegen Auffgang gehet ein Straaß vber den Berg Crispait an de Vrsprung deß vorderen Rheins/in den oberen grawen Pundt. Ein andere gegen Nidergang an den Vrsprung deß Roddans/in das Landt Wallis vber einen Berg/jetzund Bicornus oder Furcken genant/darumb daß sich das Alpgebürg danenher zertheilet/vnd gleich einer Gabel gegen dem Lande Wallis außstreckt/Winters Zeit seynd disere jetz genante zwo Straaße/durch vbermäßige vile deß Schneeß verschlossen/aber die Straaß so der Reüß nach hinunder auff Vry vnd gegen Mitternacht leitet/ ist jederzeit wandelbar/dan ob sie schon bißweile gantz verschneyet/bleibt sie doch nit lang also beschossen/sondern wirdt durch die Bergleüth diß-vii jenerseyts Bergs/eintwerders mit den darzu gewähnten Ochsen/oder mit der Hand-Arbeit vnd Schaufflen geöffnet/dan solche Straaß denen so auß Lambardey in Heluetiam, vnnd denen auß Heluetia in Italiani reisen gantz gemein.

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