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Zsigmondy-Paulcke : Die Gefahren der Alpen

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Es sind nunmehr 24 Jahre her, seitdem ich im Jahrbuch S.A.C. XXI, pag. 486, die erste Auflage des Buches des ( damals bereits verunglückten ) Dr. E. Zsigmondy ausführlich besprochen habe. Unterdessen sind eine 2. und 3. Auflage, die erstere von Otto Zsigmondy, die letztere unter dessen Mithülfe von L. Purtscheller herausgegeben worden und vergriffen. Und so wurde im Einverständnis mit Otto Zsigmondy Dr. Paulcke angefragt, ob er eine Neubearbeitung übernehmen wolle, und wir Leser müssen ihm Dank wissen, daß er sich dieser Aufgabe mit so viel Sachkenntnis und gleichzeitig mit so viel Pietät gegen das ursprüngliche Werk unterzogen hat. Es ist so ein tatsächlich neues Buch entstanden, das alle Reize und Feinheiten des alten beibehält und doch die im Verlauf der Jahre nötig gewordenen Ergänzungen und die durch die veränderten Tatsachen notwendig gewordenen Ummodelungen der Zsigmon-dyschen Anschauungen bietet. Man bedenke nur, wie dies Paulcke im Vorwort hervorhebt, wie groß die Zahl der neuen Erfahrungen, besonders auf Winter- und Skitouren, ist, die zu berücksichtigen waren, wenn das Buch das bleiben sollte, was es war, ein zuverlässiger und praktischer Ratgeber für Bergsteiger und unter diesen namentlich für Führerlose.

Paulcke definiert seine Absicht bei der Neubearbeitung am Schluß des Vorwortes wie folgt: „ Möge dies Buch den jungen Nachwuchs der Bergsteiger zum Sehen erziehen, zur Beobachtung führen. Möge es wie bisher auch in seiner neuen Gestalt dazu helfen, Unheil zu verhüten und Nutzen zu bringen. " Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Paulckesche Buch hierzu sehr geeignet ist, wenn es wirklich benutzt wird und wenn seine weisen Lehren beherzigt werden. Nötig ist sicher, immer und immer wieder die warnende Stimme zu erheben. Denn wie viele und gerade der glänzendsten Bergsteiger sind Dr. Emil Zsigmondy in den gleichen Tod gefolgt, und mehr als einer unter ihnen, weil er in dem psychologischen Moment, wo die Lösung eines „ Problems " von der Bezwingung einer einzelnen schwierigen Stelle abhängt, Stellen überwinden wollte, an welche er sich mit kaltem Blute niemals gewagt hätte, und damit jene Grenzen überschritt, welche der kluge Verstand und Kenntnis der Grenzen alles Könnens ihm hätte setzen sollen. Diese Leidenschaft, die auch den Jäger und den Blumensammler, die Paulcke ( pag. 326 ) zum Vergleich heranzieht, ins Verderben lockt, wird nach wie vor ihre Opfer fordern und leider oft unter den edelgeartetsten Männern, nicht bloß unter den sports-wütigen Toren oder den eiteln Gecken, welche eine gefährliche Tour nicht abzubrechen vermögen, weil sie „ für die Galerie " arbeiten. Aber wer sich warnen lassen will vor dem Übermut, der vor dem Falle kommt, der findet in Paulckes Buch klassische Beispiele genug. Der Gang, den der Autor einschlägt, ist Zsigmondy gegenüber neu und selbständig. Paulcke hat auf die hergebrachte Einteilung in objektive und subjektive Gefahren verzichtet, weil sonst Gleichartiges zu sehr auseinandergerissen worden wäre. Er hat anstatt dessen das in der Alpinen Unfallstatistik üblich gewordene System befolgt und bespricht nach einer allgemeinen Einleitung zunächst die Gefahren im Fels ( Steinfall, Losbrechen der Steine und Ausgleiten auf Fels, Unfälle auf bewachsenem Fels und Grashängendann im Schnee ( Lawinen, Schneewächten und Schneewehenauf Firn und Gletschern. Im folgenden Kapitel handelt er vom Seil und seiner Anwendung ( allgemeines, das Seil auf Gletschern, auf Felsen ). Sehr lehrreich ist auch das Kapitel ( mit Beiträgen von Dr. H. v. Fick er ) vom Wetter ( Sturm und Kälte, Nebel und Schneetreiben, Gewitter und Wettersturz, Einbruch der Nacht ). Fast ganz nur Paulckes eigene Gedanken scheint mir das Kapitel: Über die Eignung zum Bergsteigen zu bieten, und in diesem kann ich der Meinung des Autors, so hoch ich auch seine Autorität als Bergsteiger und Schriftsteller einschätze, nicht überall folgen. Besonders gilt dies von dem Abschnitt „ über Führer und Bergsteiger, sowie vom selbständigen und unselbständigen Gehen im Hochgebirge " ( pag. 329-338 ). Gegen die These z.B. „ die Tatsachen, die zahllose Reihe schwerer und schwerster Touren zeigen, daß der erstklassige Bergsteiger physisch dem erstklassigen Führer ( ich erinnere nur an die Kaukasustouren deutscher Bergsteiger im Jahre 1903 ) zeitweise, d.h. wenn er gut trainiert ist, ebenbürtig sein kann, ja daß er ihm nach der Seite des Wissens und Könnens oft überlegen ist ", habe ich einzuwenden, daß es an einem Haar gehangen hat, wenn am Ushba der Sturz von Herrn Schulze, der doch ein erstklassiger Bergsteiger und damals gut trainiert war, nicht zu einer Katastrophe von drei Menschenleben geführt hat. Dieser Sturz aber war doch dadurch herbeigeführt, dass Herr Schulze an einer allerdings eminent schwierigen und sehr exponierten Stelle physisch für einen Moment versagte. Auch in anderen Punkten scheint mir Herr Paulcke durch Übertreibungen seiner guten Sache zu schaden. Seine These: „ Wer außergewöhnlich schwere Berge oder besonders gefährliche und schwierige Anstiege machen will, sollte dies ohne Führer tun ", wäre nicht einwandfrei, auch wenn Paulcke nicht, wie er es tut, den Fall Jones an der Dent Blanche zur Illustrierung herbeiziehen würde. Denn eben dieser Fall Jones ist, wie Paulcke selbst ( pag. 244—245 ) auseinandersetzt, nur typisch für die Regel, in schwierigem Fels höchstens zu dreien an einem Seil zu gehen, und etwa noch für die andere, die Orthodoxie des Gratverfolgens nicht ins Absurde zu steigern, aber keineswegs entscheidend für die Frage, ob ein Mann vom Schlage Jones, der Dutzende von Felsgipfeln seines heimatlichen Klettergebietes selbständig und meist führend und als Erster erstiegen hatte, das moralische Recht hatte, den Ferpèclegrat der Dent Blanche mit zwei so entschlossenen Gesellen, wie Elias Furrer und Clemens Zurbriggen waren, anzupacken ( siehe meine von der an Paulcke überlieferten Tradition abweichende Äußerung im Jahrbuch XXXV, pag. 319 ). Zjidem sind, glaube ich, die Mehrzahl der als Belege genannten Fels- und Eistouren, von denen Paulcke meint: „ Wer sie nicht selbständig erreichen könne, solle unten bleiben ", erstmals mit Führern gemacht worden. Und wenn wir älteren Bergsteiger, die wir unsre Lorbeeren gern mit unsern alten Führern teilen, deren Wert nicht gern bemängelt sehen, so möge uns der junge Nachwuchs, der sich dieser Führung von Anfang an resolut entschlägt, nicht übel nehmen, wenn wir im stillen denken, daß sie dadurch mehr Glück entbehren, als sie vielleicht glauben. Und auch die Auswüchse des alpinen Stils, von denen Paulcke in seinem Schlußwort spricht, wären vielleicht nicht so „ ins Kraut geschossen ", wenn nicht manche Bergsteiger auch im Schreiben andere übertrumpfen wollten. Daß übrigens gerade in den alpinen Zeitschriften „ das blöde Machwerk " sich so auffallend breit mache, wie Paulcke-Äakus urteilt, möchte ich bezweifeln. Es würde ihm doch vielleicht schwierig fallen, seinen Richterspruch an bestimmten Personen zu vollziehen, wenn er dazu aufgefordert würde. Aber, eins ins andere gerechnet, hat er auch hier recht mit seiner Mahnung, vom Verschrobenen in das Natürliche, vom Erkünstelten zum Wahren und Empfundenen zurückzukehren. Die Bilder, welche beigegeben sind, sind sehr instruktiv; überhaupt ist alles Technische an diesem Buche — und das ist die Hauptsache — tadellos. Nur das Titelbild, Emil Zsigmondys Brustbild im Bergsteiger-kostüm vor einem Dolomitenhintergrund, gefällt mir nicht. Nach meiner Erinnerung ist es nicht einmal ähnlich.Redaktion.

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