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Zur Sommergebirgsausbildung der Feldtruppen

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Von Walter Bacchi ( Zürich )

In den letzten Jahren wurden bekanntlich heereseinheitsweise Sommer-gebirgskurse durchgeführt, zu denen pro Einheit eine bestimmte Zahl von Teilnehmern kommandiert wurden. Einige Erfahrungen, die in zwei derartigen Kursen einer Felddivision gesammelt wurden, werden nachfolgend wiedergegeben.

Es hat sich vorab gezeigt, dass die Kurse nicht als Fortbildungskurse für zivil vorgebildete Alpinisten aufgefasst werden dürfen. Auch bei einer bescheidenen Teilnehmerzahl der Kurse verfügen die Feldtruppen nicht über genügend zivile Alpinisten. Die Uberfüllung der Berge an schönen Sommertagen könnte hier leicht zu falschen Vorstellungen führen; in Wirklichkeit sind die Leute mit nennenswerter alpiner Erfahrung im Flachland doch recht ZUR SOMMERGEBIRGSAUSBILDUNG DER FELDTRUPPEN dünn gesät. Der grösste Teil der Kursteilnehmer muss deshalb eine Anfänger-ausbildung erhalten.

Die Kursdauer von drei Wochen genügt selbstverständlich nicht, um aus einem Anfänger einen zuverlässigen Alpinisten zu machen. Dazu ist längere Erfahrung nötig. Unerlässlich ist es deshalb, dass die Kommandanten nur Leute in diese Kurse befehlen, die gewillt und in der Lage sind, das im Kurs Gelernte durch zivile Bergsteigerei zu ergänzen. Es darf nicht vorkommen, dass Leute aufgeboten werden, denen jede Freude an den Bergen fehlt oder die aus irgendwelchen beruflichen Gründen keinen zivilen Alpinismus betreiben können. Die Truppenkommandanten müssen sich eine in diesem Sinne sorgfältige Auswahl der Teilnehmer zur Pflicht machen.

Verfehlt wäre es, mit Anfängern in einem dreiwöchigen Kurs bereits taktische Gebirgsausbildung zu betreiben. Diese muss den Fortgeschrittenen vorbehalten bleiben. Vielleicht wäre es deshalb angezeigt, auch in der Sommergebirgsausbildung Kurse A und B zu unterscheiden, wie dies bei der Winter-gebirgsausbildung bereits der Fall ist. Der Kurs A hätte der alpintechnischen Ausbildung von Anfängern zu dienen. Der Kurs B müsste zivile Alpinisten und Absolventen der A-Kurse gebirgstaktisch schulen.

In den Zentralkursen der Armee, welche der Ausbildung von Kurskommandanten, technischen Leitern und Klassenlehrern für die Heereseinheiten-kurse dienen, wird den Teilnehmern eine ganz ausgezeichnete Methode des alpinen Unterrichtes vermittelt. Es wird also nicht nur gezeigt, wie man des » macht, sondern es wird vor allem Gewicht darauf gelegt, wie man es den Leuten beibringt. Diese Pflege der Methodik ist um so bemerkenswerter, als sie in der Armee sonst wenig verbreitet ist; während die Ausbildungsziele durch Réglemente und Befehle meist sehr genau festgelegt sind, bleibt das Ausbildungsverfahren weitgehend der Begabung und der Initiative des einzelnen überlassen, wobei es nicht ausbleiben kann, dass wertvolle Methoden und Erfahrungen unberücksichtigt bleiben. Dieser Fehler ist also bei'der Sommergebirgsausbildung glücklich vermieden worden.

Die sorgfältige Pflege der Ausbildungsmethoden darf aber meines Erachtens nicht dazu führen, dass der Detailausbildung im Klettergarten und am Eishang zu grosse Zeit eingeräumt wird. Der Ausbildungseffekt ist grösser, wenn sehr bald die methodische Ausbildung mit Besteigungen verbunden wird. Das will heissen, dass in Verbindung mit einer Besteigung intensiv instruiert, korrigiert und geübt werden soll. Dabei gilt es, noch eine Erfahrung zu verwerten, die jeder zivile Berggänger an sich selbst macht: wird eine Besteigung ein zweites Mal gemacht, so erscheint sie viel leichter als beim ersten Mal. Diese Erfahrung lässt sich sehr nützlich anwenden, indem grundsätzlich am Anfang jede Besteigung mit den Anfängerklassen zweimal, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, ausgeführt wird.

Wir haben diese Gedanken beispielsweise folgendermassen verwirklicht: Ein Anf ängerdetachement erreichte seinen Hüttenstandort am Dienstagmorgen. Der Dienstagnachmittag und der ganze Mittwoch waren der Detailausbildung im Klettergarten gewidmet. Bereits am Donnerstag wurde mit der Ausführung von Klettertouren begonnen, und am Freitag wurden dieselben Besteigungen wiederholt usf. Das Ergebnis war überaus günstig. Bei der ersten Besteigung waren die Leute zwar sehr ängstlich und langsam, gingen aber zufolge der augenfälligen Gefahr sehr sorgfältig zu Werk. Bei der Wiederholung dagegen kletterten sie schon erstaunlich sicher und gewandt. Das Ergebnis war auf alle Fälle so, dass die Anfängerklassen in der dritten Kurswoche eine ganze Reihe von mittelschweren Besteigungen mühelos durchführten, obschon die zweite Woche wegen Schlechtwetter fast ganz ausgefallen war. Ich erwähne als solche Besteigungen ( Urnerland ): Mattenberggrat am Sonnigwichel, Ruchenfensterstock, Pucher über Westgrat und Ostgrat, Höhlenstock, Kleine Windgälle über Ostgrat. Das darf sicher als guter Ausbildungserfolg bewertet werden, und ich schreibe ihn weitgehend dem geschilderten Vorgehen zu.

Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob es richtig und wünschbar sei, von den Anfängern Besteigungen mittleren Schwierigkeitsgrades ausführen zu lassen. Diese Frage möchte ich unbedingt bejahen. Wenn die Leute unter Führung eines erfahrenen Klassenlehrers diese Touren ausgeführt haben, so besitzen sie die Vorbedingungen dafür, um dann in Zivil leichtere Besteigungen ohne Führer vorzunehmen, weil sie bereits einen erheblichen Grad von Sicherheit, Können und Selbstvertrauen erworben haben.

Mit der Durchführung eines solchen Kursprogrammes ist selbstverständlich ein gewisses Unfallrisiko verbunden. Ob dasselbe aber grösser ist als bei der Durchführung von leichteren Besteigungen, ist nicht einmal sicher. Bei den gesteigerten Anforderungen, an ausgesetzten Wänden und Gräten, nimmt die Aufmerksamkeit zu, während sie im leichteren Gelände eher abnimmt. Die Unfälle, welche in den mir bekannten Kursen vorgekommen sind, haben sich denn auch an vermeintlich ungefährlichen Stellen ereignet.

Verzichtet werden sollte in solchen Kursen auf die Durchführung grösserer Gebirgsmärsche in leichtem Gelände ( Überschreitung von Hochpässen etc. ) mit schwerem Gepäck. Solche Übungen mögen zwar auch ihren Wert haben, müssen aber bei der beschränkten Zeit vor der Alpinausbildung in Fels und Eis zurücktreten, um so mehr als die Truppe im Aktivdienst ohnehin im Lastentragen trainiert wird. Wird in dieser Richtung zu viel verlangt, so leidet darunter auch die Freude an der alpinen Ausbildung, die unbedingt geweckt werden muss. Die Sommergebirgskurse dürfen nicht in den üblen Ruf von « Steisskursen » kommen, sondern müssen begeisterte neue Anhänger des Alpinismus in die Truppe hinaus entsenden.

Seit General Wille ist in der Armee der Grundsatz anerkannt, dass es wichtiger ist, weniges gut zu lernen, als vieles nur halb zu beherrschen. Dies ist auch bei der Aufstellung eines Programmes für einen Gebirgskurs zu beachten. Konzentration auf eine Hauptsache ist notwendig, und diese Hauptsache ist unzweifelhaft die Kletterausbildung. Technische Kunststücke aller Art können einmal an einem regnerischen oder angebrochenen Tage gezeigt werden, dürfen aber nicht zu einer Überladung des Kursprogrammes führen. Auch die Eisausbildung muss hinter der Kletterausbildung eher zurücktreten, da beides nicht gründlich genug in einem dreiwöchigen Kurs instruiert und geübt werden kann. Wer zu einem guten Felsgänger ausgebildet und in die Eistechnik sorgfältig eingeführt wurde, wird sich die fehlende Gewöhnung ZUR SOMMER GEBIRGSAUSBILDUN G DER FELDTRUPPEN im Eis zivil leicht aneignen können. Das Gehen, Sichern und Abfahren im Firn gehört selbstverständlich zum Stoff, der beherrscht werden muss, wird aber in Verbindung mit Kletterbesteigungen meist ganz nebenbei erlernt werden können.

Eine Kursgestaltung, wie sie vorstehend skizziert wurde, setzt voraus, dass ein alpinistisch wirklich erfahrenes Kader von Klassenlehrern zur Verfügung steht. An den Zentralkursen der Armee, wo dieses Kader ausgebildet wird, konnten ursprünglich nur Offiziere teilnehmen. Es hat sich gezeigt, dass oft Offiziere mit alpiner Erfahrung fehlten, während unter den Unteroffizieren und Soldaten sehr erfahrene Alpinisten sind, die in erster Linie als Klassenlehrer ausgebildet werden sollten. Da die Zahl der brauchbaren und tatsächlich verfügbaren Offiziere zu klein ist, musste in grossem Umfange auf solche Klassenlehrer gegriffen werden, die den Zentralkurs nicht bestanden haben. Naturgemäss erschwerte dies die Instruktion im Kurs, denn der zwei- oder dreitägige Vorkurs genügt nicht, um die Methodik der Ausbildung mit der nötigen Gründlichkeit zu behandeln. Es ist deshalb sehr zu begrüssen, dass 1944 erstmals auch Unteroffiziere und Soldaten zum Zentralkurs zugelassen wurden.

Wesentlich für eine Kursgestaltung im angegebenen Sinne ist die Wahl der Standorte. Die Unterkunft muss nahe am Fels sein. Es dürfen nicht täglich Stunden für Anmarsch und Rückmarsch verloren gehen. S.A.C.-Hütten eignen sich im allgemeinen am besten. Es muss aber auch ein Gebiet sein, das vielfältige Besteigungsmöglichkeiten bietet, denn grundsätzlich sollte jede Klasse täglich ihre eigene Route haben. Es ist verfehlt, mehrere Klassen am selben Tage über dieselbe Route zu schicken. Das führt automatisch dazu, dass Stunden und Stunden verloren werden, weil abgewartet werden muss, bis die vorderen Klassen eine schwierige Stelle passiert oder eine Steinschlag-linie verlassen haben. Maximale Intensität der Instruktion und Zeitaus-nützung kann dagegen erreicht werden, wenn jede Klasse an der eigenen Route arbeitet. Der Gebirgsmarsch mehrerer Klassen wird zweckmässiger auf dem Anmarsch und Rückmarsch in leichterem Gelände geübt.

Richtig betrieben, wird die militärische Gebirgsausbildung eine bedeutende Ausbreitung des zivilen Alpinismus zur Folge haben. Mag auch der Einzelgänger es bedauern, wenn die Täler und Höhen sich noch mehr bevölkern — im Interesse der Landesverteidigung ist eine Ausdehnung der Bergsteigerei nötig. Nur auf der Basis eines ausgedehnten Zivilalpinismus ist eine gebirgs-tüchtige Armee denkbar. Der zivile Alpinismus wird aber auch eine Vertiefung erfahren. Sehr wenige zivile Bergsteiger haben sich jemals dazu entschliessen können, sich in einem C. Kurs gründlich ausbilden zu lassen. Es ist oft erschreckend, zu sehen, mit welcher Unwissenheit und Sorglosigkeit Bergtouren ausgeführt werden und wie sehr es auch Mitgliedern des S.A.C. an der nötigen Ausbildung für selbständige Begehungen fehlt. Dass Tausende von Leuten durch die Armee eine gründliche alpinistische Ausbildung erhalten, wird einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung des bergsteigerischen Dilettantismus darstellen.

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