Briefliche Mittheilungen über Sartorius v. Waltershausen's Erklärung der erratischen Erscheinungen | Club Alpin Suisse CAS
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Briefliche Mittheilungen über Sartorius v. Waltershausen's Erklärung der erratischen Erscheinungen

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von

Professor Eisenlohv.

Vorbemerkung der Bedaction.

.Eis wird wohl keiner unserer Clubgenossen sein, dem die Erscheinungen unbekannt wären, welche auf eine ehemalige viel grössere Ausdehnung der Gletscher in der Diluvialperiode hinweisen, und welche schon verschiedentlich in diesem Jahrbuch erwähnt und besprochen worden sind. Die Alpengeologen haben meist mit eigenthümlichen! Widerstreben die Thatsache der Eiszeit, welche mit den bisherigen Theorien nicht wohl in Einklang zu bringen war, angenommen, weil eben jene Erscheinungen nicht wohl eine andere Erklärung zulassen als die, dass damals Gletscher die ganze Schweiz bis zum Jura und über den Bodensee hinaus bedeckten und sich südlich bis in die lombardische Ebene vorschoben. Ueber die Ursachen jener Kälteperiode zwischen zwei wärmeren Zeiträumen hat man bis jetzt keine volle Gewissheit;

denn wenn auch die bekannte Theorie Eschers v. d. Linth für die alpinen Gegenden vollkommen ausreicht,, so kann sie doch nicht wohl auf alle andere Länder ausgedehnt werden, wo uns ähnliche Phänomene entgegentreten. Die Thatsache steht für uns fest, die Ursache aber liegt noch im Zweifel.

Im Jahre 1860 schrieb die Naturforschende Gesellschaft zu Haarlem die Preisfrage aus: « welchen Einfluss die Eismassen der Eiszeit, wenn sie wirklich existirt haben, auf Fauna, Flora und Klima der verschiedenen Länder gehabt haben. »

Herr Professor Sartorius v. Waltershausen zu Göttingen, rühmlich bekannt durch seine geologischen Forschungen in Island, Skandinavien, Italien u. s. w., hat zur Beantwortung dieser Frage eine sehr ausführliche Schrift geliefert, welche den von der Gesellschaft ausgesetzten Preis wirklich erhalten hat. Es fehlt uns hier durchaus der Raum, auch nur einen einigermaassen vollständigen Auszug aus diesem Werke zu liefern; wir verweisen zu dem Ende auf eine Abhandlung von Herrn Prof. B. Studer in der Bibliothèque universelle, Sept. 1866, von welcher auch Separat-abdrücke vorhanden sind, und mit deren Ergebniss, d.h. Verwerfung der " Waltershausenschen Theorie wohl sämmtliche Schweizergeologen übereinstimmen. Für Diejenigen, denen die Sache durchaus fremd ist, geben wir hier nur ganz allgemein an, worum es sich der Hauptsache nach handelt.

Herr v. Waltershausen geht von der allgemein angenommenen Ansicht aus, das Klima der Erde sei anfangs viel wärmer gewesen als jetzt und habe sich allmälig abgekühlt. Dies sei ohne Unterbrechung so fortgegangen und desshalb könne das Klima der Diluvialzeit nicht kälter gewesen sein, als das der Jetztzeit, es müsse* vielmehr damals etwas grössere Wärme geherrscht haben als jetzt.

Diesen Satz sucht aber Herr v. Waltershausen nicht blos durch diese allgemeine Schlussfolgerung, sondern auf mathematischem Wege durch Berechnung zu erweisen, indem er das Verhältniss von Land und Meer, so wie es jetzt ist, mit anderweitigen Zuständen vergleicht, und die Klimaverhältnisse darnach berechnet. So zieht er z.B. Ergebnisse aus der Annahme, die Erde könne als ganz mit Wasser bedeckt, als ganz continental, oder auch theils trocken, theils mit Meer bedeckt, jedoch anders als in der jetzigen Zeit, gedacht werden. Mit grossem Scharfsinn und mathematischer Gewandtheit werden diese vergleichenden Berechnungen durchgeführt und endlich das Resultat gezogen: das Klima der Diluvialzeit sei eher wärmer gewesen als das jetzige und es müssen daher die erratischen Erscheinungen, so wie überhaupt die Spuren der Eiszeit, auf locale Ursachen zurückgeführt werden, welche nicht in allgemeinen klimatischen Verhältnissen gelegen hätten. Auch die Theorie Escher's wird, wie die andern bisher versuchten, von diesem Standpunkt aus verworfen.

Um die vorliegenden Thatsachen zu erklären, die Hr. v. Waltershausen recht gut kennt und angibt, werden nun folgende Hypothesen aufgestellt:

Die Alpen, sowie das ganze sie umgebende Areal, sind ehemals viel höher gewesen als jetzt und haben sich seitdem, namentlich im Laufe der Diluvialperiode bis auf ihre jetzige Höhe gesenkt. Dies ist theils durch allgemeine Bodensenkung geschehen, theils fanden verschiedene Oscillationen, theilweise Erhebungen und Senkungen statt, deren allgemeines Ergebniss eben jene allgemeine Bodensenkung gewesen ist.

Die Gletscher hatten demgemäss eine weit grössere

Schweizer Alpen-Club.26

Ausdehnung als jetzt, aber nicht so gross, als man in Folge der bisher angenommenen Eistheorie annimmt; sie beschränkten sich auf die inneren Alpenthäler. Zwischen den Alpen, dem Jura und, dem deutschen Mittelgebirge lagerte ein grosser Binnensee, der sich von Chambery in Savoyen bis Regensburg und Linz erstreckte. Er war ursprünglich in Zusammenhang mit dem Mittelmeer, wurde aber später durch eine Erhebung bei Chambery abgeschnitten, wodurch er ein Süsswassersee wurde. Ein Abfluss bestand bei Chambery, ein anderer bei Basel in tiefer gelegene Seen, ähnlich wie jetzt bei den nordamerikanischen Seen stattfindet. Dieser See drang in die unteren Alpenthäler ein, ähnlich wie jetzt die norwegischen, grönländischen etc. Fiorde.

Die Gletscher schoben sich, wie in den Polargegenden. in diese Fiorde vor und führten auf ihren Rücken erratischen Schutt mit. Wenn die Eismassen eine Strecke in das Wasser vorgeschoben waren, brachen sie ab und bildeten'schwimmende Eisberge wie in den Polargegenden, welche dann an den Ufern strandeten und beim Schmelzen die erratischen Blöcke u. s. w. zurückliessen, wie das ebenfalls in den Polargegenden fortwährend geschieht. Nach und nach floss aber der See ab und die jetzigen Schweizer- seen, die sich in verschiedene Gruppen ordnen lassen, sind die Ueberreste davon. Bei diesem allmäligen Abnehmen setzten sich, ebenfalls von Eisschollen getragen, die langen Linien von erratischem Schutt ab, welche in der unteren Schweiz u. s. w. lagern. Verschiedene andere, den alten Gletschern zugeschriebene Erscheinungen, werden durch diese schwimmenden Eismassen erklärt.

In ähnlicher Weise entwickelt Herr v. Waltershausen seine Ansichten über die erratischen Erscheinungen auf der Südseite der Alpen u. s. w. Auf dies Alles wäre nun von unserm Standpunkte aus Vieles zu erwidern.

Der stärkste Theil des ganzen Werkes ist unstreitig der mathematische; es werden daher die Ansichten unseres Freundes Professor W. Eisenlohr in Carlsruhe, über einen Theil dieser Seite, Manchem willkommen « ein. Er hat sie in einem Brief an Desor niedergelegt, der aber ausserdem von ihm eine belehrende Darstellung der Wirkungen enthält, welche die kalten und warmen Luftströme bei verschiedenen Feuchtigkeitsgraden hervorbringen; wohin das Schneeschmelzen, die Wolken- und Regenbildung und andere atmosphärische Erscheinungen gehören. Wir hoffen, dass dadurch manche falsche Vorstellungen, wie z.B. die von dem Freiwerden der Wärme beim Regen, aufhören werden, Verwirrung anzustellen, wie angenommen werden muss, wenn man glaubt, die hohe Temperatur des trocknen Föhns rühre von freiwerdender Wärme aus dem Wasserdampf her. Endlich enthält dieser Brief, den wir mit Einsenders Bewilligung hier mittheilen, auch noch Vorschläge, die für die Erforschung der Eiszeit von Wichtigkeit sind.

Lieber Freund Desor!

Du hast mich bei meinem letzten Besuch aufgefordert, Dir über die Preisschrift des Herrn Sartorius v. Waltershausen, insoferne sie Bezug auf die Gletscher hat, meine Meinung zu schreiben. In der kurzen Zeit, die mir bei Dir gestattet war, sie zu lesen, habe ich keine vollständige Kenntniss von derselben nehmen können; ich habe jedoch daraus ersehen, dass sie ausser den gewöhnlich vorgebrachten Gründen gegen die Gletschertheorien von Venetz, Charpentier, Agassiz und Andern noch andere enthält, die der exacten Wissenschaft entnommen sind. Obgleich es nun gewiss ist, dass bei Naturerscheinungen das Gewicht der Ursachen oder die Grosse ihres Einflusses sehr oft von Nichtmathematikern zu hoch oder zu nieder angeschlagen wird, so sind doch die von Herrn Sartorius vorgebrachten, aus den jetzigen thermischen Verhältnissen der verschiedenen Breitegrade und der Höhen über der Meeresfläche, ferner aus den klimatischen Unterschieden zwischen den Meeresküsten und dem Binnenland u. s. w. theoretisch hergeleiteten Einwürfe von viel geringerem Gewicht, als manche der auch schon von Andern in früherer Zeit gegen die Theorie von der Entstehung der Gletscher vorgebrachten Gründe.

Diese sind aber wrohl zu trennen von denen, welche sich auf das VergeJien oder Zusammenschwinden der Gletscher beziehen. Die jetzige Einschränkung derselben ist ja auch bei den jetzigen klimatischen Verhältnissen der Erde keineswegs schwer zu begreifen, wenn man nur den jetzigen Stand der Wärmeverbreitung und der meteorologischen Verschiedenheit auf der Oberfläche der Erde als eine Thatsache zu Grunde legt. Dass der jetzige Zustand unter den jetzigen Verhältnissen eintreten musste, daran kann ja kein Zweifel sein, weil er sich unter unsern Augen erhält. Wie die ungeheure Verbreitung der Gletscher entstanden ist, das ist eine schwierigere Frage. Wer aber kann daran noch zweifeln, dass es eine oder mehrere solche Eisperioden auf der Erde gabWarum sucht man alsdann die Möglichkeit der Entstehung durch eine Periode ausserordentlich kalter oder anhaltend regnerischer Jahre zu bestreiten, indem man von den jetzigen Wärmezuständen nur Differenzen von höchstens 2° zugeben will und doch ( pag. 194 ) sagt: « Die ungeheure Gletscherverbreitung sei unzweifelhaft in der Diluvialzeit da gewesen »? Warum sollen in einer viel früheren Zeit nicht längere Perioden von Regenjahren möglich gewesen sein, als wie die mehrmals angeführten von 1812 bis 1819?

Ist nicht gerade die geringe Wärme-differenz in der einen oder andern Reihe von Jahren der Jetztzeit, unter dem einen und dem andern Längegrad bei gleicher Breite, oder bei verschiedener Höhe über dem Meeres-Niveau unter derselben geographischen Länge, ein Beweis, dass vordem Ursachen eingewirkt haben, die jetzt auch ausserordentliche Wirkungen hervorbringen würden?

Dass aber die bis jetzt angestellten Versuche die grosse Ausdehnung der Gletscher in der sogenannten Eiszeit vollständig zu erklären, noch Manches zu wünschen übrig lassen, wird von Niemand widersprochen; im Gegentheil, es wird nur gewünscht, noch bessere Argumente als die bisherigen, oder noch mehr Erscheinungen aufzufinden, welche den wahrscheinlichsten Erklärungen entsprechen. Es kommt aber bei der Entscheidung der Frage, welche Erklärung der Wahrheit am nächsten liege, auf die Summe der Gewichte der einzelnen Gründe an. Diese abzuwägen und zu vergleichen, vermag ich in diesem Augenblick nicht; ich will aber an einem und dem andern Beispiel zeigen, wie sich einseitige mathematische Demonstrationen zuweilen gegen die rein empirischen Sätze der Erfahrung ausnehmen.

Bekanntlich hat Escher von der Linth die grosse und rasche Verminderung der europäischen Alpengletscher zum Theil dadurch zu erklären gesucht, dass er die unbestreitbare Thatsache zu Grunde legte, die Sahara sei früher Meeresboden gewesen und später durch Erhebung trockenes Land geworden; die jetzt dort aufsteigende heisse Luft falle zuweilen als warmer oder Südwind auf die Alpen herab und schmelze dann eine solche Menge von Schnee und Eis, wie es der feuchte und kühlere Luftstrom der früheren Zeit nicht vermocht habe. Dass ganz Nord-Afrika ehemals feuchter war, als jetzt, dass die Seen in Syrien und Palästina, sowie in Aethiopien und Nubien früher wasserreicher waren, sind ebenso bekannte und damit übereinstimmende Thatsachen.

Um nun diesen einen Erklärungsgrund zu entkräften, bringt Sartorius v. Waltershausen pag. 193 und seq. folgenden theoretischen Gegengrund: « Die mittlere Tempe-

A Q

ratur auf den Südabhängen der Alpen sei nur umGrad

höher, als sie sein würde, wenn Afrika wieder von Wasser überschwemmt wäre, oder in den alten Zustand zurückkehrte. » Diese Behauptung stützt sich:

1 ) Auf die Tabelle HI ., pag. 124, welche das jetzige Seeklima für die verschiedenen Breiten der Erde unter der Voraussetzung angibt, dass die ganze Erde vom Wasser bedeckt sei. Diese Tabelle selbst aber ist berechnet unter Zugrundlegung einer empirischen Formel, aus den jetzigen. Temperaturen einiger Seehäfen.

2 ) Auf eine Tabelle pag. 191, worin die auf den Meeresspiegel reducirten mittleren Temperaturen mehrerer, auf der Südseite der Alpen gelegenen Orte angegeben sind. Die Reductionen auf den Meeresspiegel aber sind nach der älteren, neuerdings unrichtig befundenen Annahme berechnet, dass die Temperaturabnahme nach oben der Höhenzunahme proportional sei.

Wem können nun solche Gründe genügen, um obige Thatsachen zu erklären, wem, um sie zu läugnen? Wie viel mächtiger tritt die erfahrungsmässige Wirkung der Luftströme auf, die in der deutschen Schweiz unter dem Namen Föhn bekannt sind, als eine Temperatur-Differenz von 0,43 Grad? In der Umgegend der Diablerets, wo ich mich im Spätsommer 1865 herumtrieb, unterscheiden die Bewohner des Ormondthales und auf den Höhen bei Croix den vent chaud oder vent du Sud von dem vent de l' Ouest,

die man beide anderwärts häufig Föhn nennen hört, wenn sie nur warm sind. Jene versichern, dass der vent du Sud, wie der de l' Ouest das Schmelzen des Schnee's be- fördern, der erstere aber bei weitem mehr als der zweite, weil er viel wärmer sei und sogar oft im Winter auf den Höhen eine ganz auffallende Wärme verbreite, bei der man Fenster und Thüren in den Alphütten öffne, um die Kälte im Innern zu vertreiben. Man erzählte mir von seinen Wirkungen ferner, dass am Ende des Monats März 1865 der Schnee im Ormondthal ungewöhnlich hoch, an einigen Stellen bis 16 Fuss hoch lag. Der vent du Sud aber, der am 1. April eintraf, sei so anhaltend und warm gewesen, dass aller Schnee nach einigen Tagen im Thal verschwunden war. Dieser Wind sei später durch seine Trockenheit eine wahre Plage geworden und als er zur Zeit der ersten Heuernte wieder eintraf, habe er das Gras, welches Morgens geschnitten war, so schnell getrocknet, dass es Abends beim Zusammenrechen in kleine Theile zerbrochen sei. Man habe es darum schon früher in die Heuschober bringen müssen, um keinen zu grossen Verlust zu haben. Durch die anhaltende Dauer desselben seien die Matten nachher ausgedörrt und hätten keinen zweiten Ertrag mehr gegeben. Angenommen, ein trockener und warmer Luftstrom habe einen Meter Geschwindigkeit und werde durch die Berührung mit einem Quadratmeter Schneefläche bis zur Höhe von ein Meter um einen Grad abgekühlt. Ferner

sei die Dichte dieser Luft nur 1000 von der Dichte des

Wassers, welches in einer Höhe von ohngefähr 2080 Met. über dem Niveau des Meeres der Fall ist, so wiegt ein Cubic-Met. dieser Luft 1 Kilogramm. Um aber 1 Kilogr. Luft um 10 zu erwärmen, sind 0,2377 Wärme-Einheiten nöthig. Es würde also jener um 1 ° in 1 Secunde erkal- tende Cub.Meter 0,2377 Wärme-Einheiten verlieren, oder 0,2377 W.E. an den Schnee abgeben.

Dadurch würden

0,2377 _.., 237,7d..

Kilogr. oder3 Gramm Schnee m jeder

Secunde auf 1 Q. Met. Schneefläche geschmolzen. Dasselbe würde der Fall sein, wenn der Wind 5 Met. Geschwindigkeit hätte und erst nachdem er über 5 Quadr.Met. hin-weggestrichen, bis zur Höhe von 1 Meter um 1 ° erkaltet würde etc. Unter obigen Voraussetzungen würden aber auf je 1 Quadr.Met. Schneefläche in 1 Tag oder in 86400 Secunden, 3.86400 Grm. oder 260 Kilogrm. Schnee geschmolzen. Nimmt man, je nach dem Alter des Schnees seine Dichte an, so erhält man das Volumen dieser 260 Kilogrm.

Sie betrage z.B. von der Dichte des Wassers, so nehmen

260 Kilogrm. den Kaum von tt^.5 Cubic-Met. oder 1,3

Cub.Met. ein.

Es wird also unter obiger Annahme in einem Tage die Schneehöhe um 1,3 Met. oder 4ys Fuss abnehmen. Bei einer Abkühlung der Luft bis zu 1 Met. Höhe um nur einen halben Grad, würde die Schneehöhe dennoch um 2i/ß Fuss sich vermindern. So viele Wärme gibt also 1

Kilogr. trockner Luft von j^r^ Dichte immer ab, wenn

es um 1 Gr. erkaltet, es mag von 20 auf 19 Gr. erkalten oder von 30 auf 29.

Der Luftdruck in ohngefähr 2080 Met.Höhe ist 585,2 mm. Angenommen, es finde in ohngefähr 2080 Met. Höhe derselbe Luftdruck voii585,2 mm.bei einer Temperatur von 20(o C, statt und die Luft sei nicht trocken, sondern mit Wasserdampf gesättigt; wie viel Wärme wird dann ein Cub.Met. an den Schnee abgeben, wenn er um 1 ° erkaltet? Die Spannkraft des gesättigten Dampfes von 20° ist nach Regnault17,391 mm.

Das Barometer soll 585,2 mm. angeben. Der Druck der Luft beträgt also nur noch 585,2-17,391 aas 567,8 mm. Ein Cub.Met. Luft von 20° und 567,8 mm. Expansiv-

toatt Tuegt 7t0J— ( i -p 0QÖ366T20yU4üy Kli° grm. sä 904,09 Gramm.

Werden nun diese um 1 Grad erkältet, so müssen 0,90409.0,2377 W.Einh. oder 0,2149 W.Einh. an andere Körper übergehen. In jenem Cubic-Met. mit Dampf von 20° gesättigter Luft sind ferner nach Regnault 17,23 Gramm Wasserdampf enthalten. Ein Cub.Met. nimmt bei 19° nur 16,26 Grm. Wasserdampf auf. Die in 17,23 Grm. Wasserdampf von 20 ° gebundene Wärmemenge beträgt nach Regnault

a = 0,01723 ( 606,5 -f- 0,305.2010,555 und die in 16,26 Grm. von 190 enthaltene

b otn 0,01626 ( 606,5 + 0,305.199,956 W. Einh. Wenn also jener Cub.Met. um 1 ° am Schnee erkaltet, so wird aus dem Dampf von 200 die Wärmemenge abgegeben, welche der Differenz a bis b entspricht, piese ist gleich 0,599 W. Einh. Da die um 1° erkaltete Luft in diesem Cub.Met. auch 0,2149 W.Einh. verliert, so würden also an den Schnee, wenn er alle diese Wärmeverluste veranlasst, 0,599-j-0,215 oder 0,81 W.Einh. abgegeben.

In den meisten Fällen ist die Luft weder ganz trocken, noch ganz mit Wasserdampf gesättigt. Nehmen wir an, die Luft von 20° sei nur halb mit Wasserdampf gesättigt; es enthalte also jeder Cub.Met. statt 17,23 Grm. nur 8,61 Grm. Wasserdampf, so hat dieser auch nur die halbe Expansivkraft, also statt 17,391 nur 8,695 mm. Bei obiger Höhe und 585,2 mm. Barometerstand ist also der Druck der Luft nur noch 585,2—8,695 = 576,515 mm. Das Gewicht 1000.576,5

St 770. 760 ( 1 + 0,00366.200,9179 Kilogr. = 917,9 Grm.

Indem der darin enthaltene Wasserdampf 8,6 Grm. wiegt, so ist also das Gewicht des Cub.Met ., der halbgesättigten Luft =3 926,5 Grm., während das des Cub.Met. der ganz gesättigten Luft bei 20« = 904,09 -f- 17,23 oder 921,2 Grm. war. Ein ganz trockener Cub.Met. Luft von 20° Wärme und 585,2 mm. Expansivkraft aber, genau genommen, 931,8 Grm.

Man sieht daraus, dass bei gleicher Temperatur und gleicher Expansivkraft, die Luft um so schwerer wird, je weniger sie Wasser enthält und dass die trockenste am schwersten ist.

Um jene 917,9 Grm. Luft um 1° zu erwärmen, sind 0,918.0,2377 W.Einh. oder 0,2182 W.Einh. nöthig. Diese gehen bei der Abkühlung um 1 Grm. an den Schnee. Um 1 Cub.Met. Dampf von 20° zu bilden, war nöthig, die Wärmemenge 0,01723(606,5-f 0,305.20 ) W.Einh. um einen halben Meter oder nur 0,00861 Kilogrm. Dampf zu bilden, ist die Hälfte oder 5,2744 W.Einh. nöthig. Diesen Dampf auf 1 Cub.Met. auszudehnen, wurde Arbeit, also Wärme erfordern, die aber als nicht beträchtlich genug hier ausser Beachtung bleibt. Um aber aus jenen 8,61 Grm. Wasser nur Dampf von 19° zu bilden, sind 0,00861 ( 606,5 -j- 0,305 .195,272 W.Einh. nöthig. Wenn also der Dampf in dem halbgesättigten Cub.Met. von 200 auf 19° erkalten soll, so muss er 5,2744 — 5,2718 oder 0,0026 W.Einh. abgeben. Die um 10 erkaltende Luft von 200 verliert nach Obigem 0,2182 W. Einh ., folglich geben Luft und Dampf zusammen im Ganzen ab: 0,2182 -f- 0,0026 = 0,2208 W. Einh.

Auf dieselbe Art ergibt die Rechnung, dass wenn obiger Cub.Met. von 20° nur 9/10 des zu seiner Sättigung nöthigen Wassers enthält, und um 1° erkaltet, die Luft0,2155 W. Einh.

,

und der Dampf0,0047 „

also im Ganzen der Cub.Met0,2202 „

an den Schnee abgibt.

1 Cub.Met. trockene Luft von 20° gibt ab 0,2215 W. Einh., 1 „ halb'gesättigte Luft 0,2208 „ 1 „ bis zu 9/io gesättigte 0,2202 „ 1 „ ganz mit Dampf gesättigte 0,8140,,

Hieraus ergibt sich, was auch die allgemeine Untersuchung bestätigt, dass vollkommen trockene Luft beim Erkalten um gleich viel Grade mehr Wärme abgibt, als feuchte Luft, wenn sie nicht gerade mit Wasserdampf gesättigt ist, und folglich durch die Erkaltung Regen entsteht. Dieser Fall wird später näher betrachtet werden und es wird sich zeigen, wo die durch Condensation frei werdende Wärme alsdann hinkommt; einstweilen sei hier nur bemerkt, dass durch Erkaltung gesättigter Luft in kälterer Luft wieder gesättigte Luft von grösserem Volumen und niedrigerer Temperatur sich bildet.

Wenn also der von Süden kommende Wind trocken ist, d.h. von der Sahara kommt, so muss er mehr Schnee schmelzen, als wenn er feucht ist, ohne gesättigt zu sein. Als die Sahara noch mit Wasser bedeckt war, ist der Südwind in den Alpen ohne Zweifel feucht gewesen, hat also weniger Wärme abgeben können.

Streicht feuchte Luft über kalte Berge von Süd nach Nord, so wird sie um so feuchter, je weiter sie nach Norden kommt, weil ihre Wärme abnimmt, und wird endlich gesättigt. Es entstehen dann Wolken und Regen. Aber die Erkaltung kann auch in einem Zusammentreffen mit einem kälteren Luftstrom ihren Grund haben. Es sind alsdann zwei Fälle zu unterscheiden, ob nämlich keine Condensation stattfindet, oder ob Regen erfolgt. Im ersten Fall wird sich der Wasserdampf in der kälteren trocknern Luft ausbreiten, im andern Fall wird durch die aus dem Niederschlag frei werdende Wärmemenge der Erkaltungs-grund, d.h. die hinzu getretene kältere Luft erwärmt, die Mischung aber erhält eine niedrigere Temperatur als die der gesättigten Luft.

Im Sommer ist " auf der Nordseite der Alpen die Regenmenge verhältnissmässig grösser als auf der Südseite, weil die grössere Erwärmung der feuchten Luft eine stärkere Erkaltung durch den Schnee und das Eis der Alpen nöthig macht. Im Herbst regnet es mehr auf der Südseite, weil die feuchte Luft weniger Wärme zu verlieren hat; ebenso im Winter und Frühling.

Unter dem Aequator und bis zu 10° Breite auf beiden Seiten befinden sich in Afrika grosse Seen. Die Folge der grossen Sommerwärme ist, dass dort beständig mit Wasserdünsten erfüllte Luft sich bildet, die um so höher steigt, je mehr sie Wasserdämpfe enthält, weil sie leichter ist als trockene Luft von gleicher Expansivkraft und von gleicher Temperatur. So wiegt z.B. bei 40° C. der Cub.Met. gesättigten Wasserdampfes 51 Grm. und hat 55 mm. Expansivkraft. Der Cub.Met. Luft in dem er vertheilt ist, hat also am Boden statt 760 mm. Expansivkraft, nur noch 705 mm. Expansivkraft. Unter diesem Druck wiegt er 1050,9 Grm., also der Cub.Met. gesättigter Luft bei 40ö und 760 mm. 1050,9 -j-51 = 1101,9 Grm., während 1 Cub.Met. trockener Luft bei gleicher Temperatur und Expansivkraft 1132,8 Grm., folglich 30,9 Grm. mehr wiegt. Die Rechnung ist folgende:

.in u tut 1000000. 705

für den gesattigten Cub.Met. ^^ Da bis zu einer Temperatur von 50 o die Expansivkraft k des gesättigten Dampfes in mm. ausgedrückt, ziemlich nahe der Zahl der Gramme Wasser in 1 Cub.Met. gleich ist, so lässt sich leicht überblicken, warum bei jeder Temperatur, wie sie in der Atmosphäre vorkommen kann und jeder Expansivkraft e die trockene Luft schwerer ist, als die mit Dampf von der Expansivkraft k gesättigte;

denn das Gewicht der ersten wird ausgedrückt durch 1000000. e,..

a = 770.760 ( 1 + 0;0Ö366tdaS der zweiten sehr nahe durch

1000000. ( e—k,..,

~ 770.760 ( l^f0,00366 t ) ~r

es ist aber a grösser als b. weil

1,000,000 > 770 .760 ( 1 -f 0,00366 t ), selbst wenn t = 190° wäre.

Feuchte Luft steigt also in trockener von gleicher Temperatur und Expansivkraft immer in die Hohe. Dies ist in der Nähe der grossen Seen Afrika's nach Barth u. A. auch sehr bemerklich, indem sich dort um die Zeit des Nachmittags sehr häufig Gewitter mit Regen bilden. Es steigt nämlich die feuchte Luft bis zu solchen Höhen, wo die Kälte die Wasserdämpfe grossenteils verdichtet. Auf der Sahara steigt nur erhitzte wasserfreie Luft auf, daher so regenlose Gegenden Nord-Afrika's mit Ausnahme derer, die dem'atlantischen Meere näher sind.

Oft regnet es auch hoch über der Wüste, aber es fällt kein Wasser bis auf die Erde, weil die von ihr aufsteigende heisse und trockene Luft wieder Wasserdampf bildet. Wäre die Sahara noch Meer, so würde es darauf auch mehr regnen. Man könnte nun einwenden, die Sonne sende nach Nord-Afrika eben so viel Wärme im Jahr, ob das Land zum Theil aus Seen besteht oder ganz trocken ist und es müsse also auch den Alpen von dort gleichviel Wärme zugeführt werden.

Dies ist aber schon aus dem Grunde nicht richtig, weil da, wo viel Wasserdämpfe aufsteigen, häufig Gewitter entstehen, und wo diese sich bilden, Wärme verschwindet. Wie es zugeht, dass nach heftigen Gewittern die Kälte der Atmosphäre oft sehr beträchtlich ist, hat noch kein Physiker erklärt. Es ist höchst wahrscheinlich, dass die verschwundene Wärme als Arbeit auf die Hervorbringung der electrischen Erscheinungen verwendet wurde. Thatsache ist es jedenfalls, dass Wärme bei Gewittern aus der Atmosphäre verschwindet.

Solche, die mit den Gesetzen der Dampfverdichtung einigermaassen bekannt sind, glauben auch zuweilen zu folgendem Einwurf berechtigt zu sein: Wo Dampf zu Wasser verdichtet wird, müsse eben so viel Wärme frei, also die Luft erhitzt werden. Aber wodurch wird denn der Dampf verdichtet? Doch wohl nur dadurch, dass ihm Wärme entzogen wird.

Damit ein Cub.Met. atmosphärischer Luft von 20° Wärme und 585,2 mm. Expansivkraft und mit Wasserdampf gesättigt, um 1 ° erkaltet, müssen ihm erst, wie oben gezeigt, 0,814 W.Einh. entzogen werden. Er enthält alsdann statt 17,23 Grm. Wasserdampf, nur 16,26 Grm., also 0,97 Grm. Wasser weniger. Diese 0,97 Grm. hat er verloren; sie sind zu Wasser, zu Nebel geworden oder sie haben sich an die Felsen u. s. w. abgesetzt. Diese 0,97 Grm. Wasser können auch auf Schnee oder Eis niedergehen, und dort auf 0 ° erkalten. Auch da wird keine Wärme frei, sondern damit die 0,97 Grm. Wasser auf 0° erkalten, müssen ihnen 0,00097.19 oder 0,01843 W. Einh.

, ~., ,1000.0,01843

entzogen werden. Diese vermögen alsdann -~j-

oder 0,23 Grm. Eis zu schmelzen. Die Wärmemenge aber welche jener Cub.Met. feuchter Luft von 20 ° abgibt, wenn er in Berührung mit Eis um 1° erkalten soll, ist gerade so gross, als die Wärmemenge, die nöthig ist, um wieder aus 1 Cub.Met.

Luft und Wasserdampf von 19° und den verdichteten 0,97 Grm. Wasser einen Cub.Met. mit Dampf gesättigter Luft von 20° zu bilden. Wenn man aus Luft oder Dampf, oder aus beiden zugleich Wärme frei machen will, so dass nachher mehr Wärme da ist, als vorher, so muss man Arbeit verrichten, dass heisst, die Luft und den Dampf mechanisch comprimiren. Dadurch, dass einer von dem was er hat, etwas ausgibt, kann er unmöglich reicher werden, es sei denn, dass seine oder andere Arbeit mehr als den Verlust ersetzt. Die Röhre, welche Wärme in 's Zimmer führt, weil heisse Dämpfe in ihr verdichtet werden, gäbe, wenn durch sie ein Strom von bei 20° gesättigtem Dampf ginge, nur so lange Wärme ab, bis das Zimmer auch 20° hätte.

Wie kann nun Jemand nach obigen Betrachtungen noch auf den Gedanken kommen, der schon hie und da ausgesprochen worden ist, der vent chaud entstehe dadurch, dass feuchte Luft durch Condensation Wasser verloren und durch die vorher gebundene, nun frei gewordene Wärme, erhitzt worden sei?

Ich habe eben gesagt, dass die verwendete Sonnenwärme die nämliche sein müsse, ob die Sahara trocken oder unter Wasser ist. Gewiss aber wird die trockene Luft mehr zerstörende Wirkung auf den Schnee und das Eis der Alpen haben, als die feuchte von der Sahara kommende, aus noch andern, als den angeführten Gründen; denn die feuchte Luft ist leichter und steigt höher als die trockene, würde also wie über den Seen Mittel-Afrika's, mehr durch die nach oben grösser werdende Kälte, die Wärmeausstrahlung in der dünnere Atmosphäre und die Gewitter, die sich bilden,

erkalten. Ferner werden durch dieselbe Wärmemenge um so mehr Cub.Met. aufsteigender Luft, welche den Strom von den heissen zu den kälteren Ländern veranlassen, gebildet, je weniger reich diese an Wasserdampf sind, wie folgende Betrachtung an einem Beispiel zeigt:

Es werde durch die Wirkung der Sonne auf Wasser der Wüste in einer gewissen Zeit 1 Kilogrm. Dampf von 40° gebildet, so ist dazu genau genug die Wärmemenge 606,5-f-0,305.40 oder 618,6 W.Einh. nöthig, abgesehen von der Wasserwärme, die ja auch immer wiederhergestellt sein muss. Der Dampf von 40° hat die Dichte 0,00005095. Ein Kilogrm. von dieser Dichte nimmt also den Raum von

0,00005095

dampf ist mit Luft von 40° gemengt, die am Boden die Expansivkraft von 760 mm. hätte, wenn sie trocken wäre. Da aber die des Wasserdampfes von 40° gleich 54,9 mm. ist, so beträgt die der Luft nur 760 — 55 oder 705 mm. Das Gewicht von 1 Cub.Met. Luft von 705 mm. Druck

und 40 » Wärme ist 7^™+0366 M)= 1'051 Ki "

logramm.

Mit den 19,6 Cub.Met. Dampf von 40° steigen 19,6 Cub.Met. Luft von 40° auf, die das Gewicht 19,6.1,051 = 20,6 Kilogrm. haben. Um 20,6 Kilogrm. Luft bis 40° zu erhitzen, sind nahezu 20,6.0,2377.40 — 196 W.Einh. nöthig. Die in obiger Zeit verwendete Sonnenwärme beträgt also auf Luft und Dampf 618,6 -f- 196 s=as 814,6 W. Einh.

Stellt man nun dieselbe Rechnung unter der Voraussetzung an, dass sich aus Wasser der Wüste ein Kilogrm. Dampf von 30° durch Einwirkung der Sonne bilde, so sind dazu 615,6 W.Einh. nöthig. Weil die Dichte dieses Dampfes 0,00003023 ist, so nimmt 1 Kilogr. den Raum von 33,8 Cub.Met. ein, und weil seine Expansivkraft 31,548 mm. ist, so beträgt die der Luft nur 728,45 mm. statt 760 mm.

Das Gewicht von 1 Cub.Met. dieser Luft ist 1,121, also das von 33,8 Cub.Met. Luft 37,889 Kilogrm. Um diese 37,889 Kilogrm. bis 30° zu erwärmen, sind 270 W.Einh. nöthig. Die ganze Wärmemenge beträgt also in diesem Falle 615,6 + 270 = 885,6 W. Einh.

Im ersten Fall kommen auf 19,6 Cub.Met. 814,6 W. Einh.

„ zweiten33,8,, 885,6 „

Mit der Wärmemenge 814,6, durch welche 1 Kilogrm. Dampf von 40° mit Luft von 40° gebildet wird, würden

aber ^.V8^ Cub.Met. =31,09 Cub.Met. gesättigter

885,b

Dampf und Luft von 30° gebildet. Dieselbe Wärmemenge bildet also 19,6 Cub.Met. feuchte gesättigte Luft von 40° und 31,09 „ solche Luft von nur 30°, *

938 die statt 1 Kilogrm. Wasser nur Ljf^gr Kilogrm. Wasser-

dampf enthalten.

Aus dieser Rechnung ersieht man, dass dieselbe Menge von Sonneniuärme eine geringere Menge Çub.Met. feuchter Luft von 40° aufsteigen macht, als von 30° oder einer niedrigeren Temperatur, und dass die grössere Zahl der Cub.Met. von der niedrigem Temperatur ( d.h. die 31,09 Cub.Met. von 30° ) bei gleichem Wärmeinhalt weniger Wasser enthält.

Wenn man auf andere Spannkräfte und Temperaturen dieselbe Rechnung anwendet, oder sie in Zeichen allgemeiner darstellt, so erhält man dasselbe Resultat.

Durch eine und dieselbe Wärmemenge werden also bei gleicher Expansivkraft um so mehr Cub.Met. Luft von 0° an erwärmt und mit Dampf von gleicher Temperatur

Schweizer Alpen-Club.27

gesättigt, je niederer diese Temperatur ist. Luft von niedrigerer Temperatur enthält aber auch im Sättigungszustand weniger Wasser in dem gleichen Volumen.

Die am Aequator aufsteigende feuchte und wärmere Luft gibt daher mehr Anlass zu grösseren Niederschlägen, als die nördlich und südlich davon gebildete feuchte Luft. Dies bestätigen auch die heftigen Regen in den tropischen Ländern. " Wie viel mehr müsste es darum an den Alpen regnen, wenn die Sahara noch mit Wasser bedeckt wäre. Aber gerade die regnerischen Jahre sind nach den richtigen Angaben von Herrn Sartorius v. Waltershausen die Ursache der Vergrösserung der Gletscher.

Die Meinung, dass durch Condensation der Wasser -dämpfe in der Atmosphäre, also beim Regen, Wärme frei werde, hindert viele an der richtigen Einsicht, indem sie meinen, diese frei werdende Wärme vertilge die Gletscher. Es* ist oben gezeigt worden, wie sich dieses beim Niederschlag an den kältern festen Körpern verhält. Das folgende gibt eine genaue Vorstellung von dem was geschieht, wenn ein kalter trockener Luftstrom einem feuchten und warmen begegnet und Niederschlag erfolgt.

Angenommen, obige 19,6 Cub.Met. feuchter Luft von 40° begegneten einer solchen Menge trockner Luft von niederer Temperatur, dass die entstehende Mischung aus 31,09 Cub.Met. gesättigter Luft von 30° und gleicher Expansivkraft bestände, so wurden diese 31,09 Cub.Met. nur 938 Grm. Wasser enthalten statt der 1000 Grm., die in 19,6 Cub.Met. enthalten waren, es müssten also 62 Grm. Wasser niedergeschlagen werden. Es würden sich Wolken oder Regen von 30° bilden, ohne dass Wärme frei würde; denn die Wärme, welche jene 62 Grm. als Wasserdampf enthielten, ist gerade nothwendig gewesen, damit 31,09 Cub.Met. gleich viel Wärme enthalten konnten, als die 19,6 Cub. Met. nach der Mischung noch enthielten und um die hinzugekommene kältere und trockne Luft bis zu 30 ° zu erwärmen.

" Wolken und Regen bilden sich aber meistens dadurch, dass die feuchte Luft leichter ist, als weniger feuchte Luft von gleicher Expansivkraft. Erstere steigt in die Höhe, bis sie in der kältern Region bis zu dem Grade erkaltet, bei dem sie vollkommen gesättigt ist und darum bei einer wenig grösseren Kälte übersättigt wird. Auf höheren Bergen, z.B. dem Rigi, kann man oft die bekannte Erscheinung beobachten, dass Morgens die Atmosphäre hell, rein und durchsichtig, der See unten aber mit dichten Wolken wie gepflastert ist. Bald darauf tritt die erwärmende Kraft der Sonne ein. Die untere Schichte der Atmosphäre, die mit den Wolken in Berührung stand, sättigt sich mit durchsichtigem Wasserdampf und steigt nun in der trockenen höheren Luft auf, bis zu einer Höhe von 2000-2500 Met. Dieses Aufsteigen findet mit grosser Lebhaftigkeit statt, wie man an den mitgerissenen Theilchen von Nebel sieht, die vom See in die Höhe steigen und oft lange vertikale Streifen bilden. Oben angekommen bilden sich bald wieder Nebel aus den unten verschwindenden Nebeln und dann regnet es oft schon wenige Stunden nachher.

Die Abkühlung der gesättigten Luft findet natürlich allmälig statt; sie kann, weil sie sich beim Aufsteigen ausdehnt, weniger gesättigt sein und in grösserer Höhe durch die Kälte der trocknen Luft und Wärmeausstrahlung gesättigt und übersättigt werden. Folgende Rechnung zeigt dies wohl am deutlichsten:

Angenommen, 1 Kilogrm. Dampf von 20 ° komme mit gesättigter Luft in jener Höhe von 2080 Met. an, wo der mittlere Druck = 585,2 mm. ist. So muss jeder Cub.Met. gesättigter Luft 17,23 Grm. Wasserdampf von 17,39 mm.

:.. .'v.,; .s -.. ;: .... :v: -..:

- :.: K-ik Expansivkraft enthalten.

Es sind also die 1000 Grm. Dampf in58,05 Cub.Met. Luft von 585,2 — 17,39

— 567,81 mm. Expansivkraft und 20° Wärme enthalten. Diese haben, wie schon gezeigt, das Gewicht von 0,9041.58,03 sä 52,439 Kilogrm. und erfordern also zur Erwärmung um 20° Ton 0° an gerechnet, die Wärmemenge 52,439.0,2377.20 = 249,2 W. Einh.

Um 1 Kilogrm. Dampf von 20° zu bilden, ist die Wärmemenge 606,5 -f- 0,305.20612,61 nöthig. Jene 58 Cub.Met. gesättigter Luft von 20° enthalten also im Ganzen 249,2 -f 612,61 = 851,8 W.Einh. und 1000 Grm. Wasser.

Nach einer Abkühlung um 1° durch Mischung mit trockner Luft, sei gesättigte Luft von 19° und gleicher Expansivkraft übrig, so enthält 1 Cub.Met. 16,26 Grm. Wasserdampf von 16,346 mm. Expansivkraft.

Von den 585,2 mm. Atmosphärendruck kommen also auf die Luft selbst nur 585,2—16,346 mm. = 568,85 mm. Das Gewicht eines Cub.Met. dieser Luft ist

1000.568,85

Diese 0,9089 Kilogrm. werden um 19° erwärmt durch 0,9089.0,2377.19 = 4,1049 W. Einh.

Ein Cub.Met. Dampf von 19° aus Wasser erfordert zu seiner Bildung nach dem früheren 9,956 W. Einh ., folglich sind in 1 Cub.Met. gesättigter Luft von 19° zusammen 4,105 -f 9,956 = 14,061 W.Einh. enthalten.

Mit den 861,8 W. Einh ., welche in den 58 Cub.Met. gesättigter Luft von 20° enthalten waren, kann man also

-^M61,291 Cub.Met. gesättigte Luft von 19° und 14,061

derselben Expansivkraft bilden. In 61,291 Cub.Met. sind an Wasser 61,291.0,01626 Kil. = 0,9965 Kilogrm. enthalten, oder 1000 — 996,5 Grm. ='3,5 Grm. Wasser weniger als in den 58 Cub.Met. von 20°.

Diese 3,5 Grm. werden als Nebel ausgeschieden oder als Regen.

Das Gewicht der Luft allein, die in den 61,291 Cub.Met. enthalten ist, beträgt

61,591.0,90891 Kilogrm. = 55,707 Kilogrm.

Das Gewicht der Luft allein in den 58 Cub.Met. von 20° Wärme beträgt

58.0,9041 = 52,438 Kilogrm.

Es sind also 55,707-52,438 = 3,269Kilogrm. trockene Luft hinzugekommen, deren Temperatur noch unbekannt ist.

Das Volumen von 3,269 Kilogrm. Luft von 760'mm. Expansivkraft ist bei 0° Wärme :J2,517

Cub.Met.

Bei 19° Wärme und obigen 568,85 mm. Expansiv-

.Tr ,2,517.760(1 + 0,00366.19 )

kraft ist das Volumenv—L3,596

OÖÖO

Cub.Met.

Das Gewicht der Luft, welche in den ersten 58 Cub.Met. enthalten war, betrug 52,438 Kilogrm., also ist ihr Volumen bei 19° und 568,85 mm. Expansivkraft 52^70^0+0,00366.191000.568,85

Es sind im Ganzen 61,291 Cub.Met. Luft von 568,85 mm. Expansivkraft und 19° Wärme, folglich sind dazu gekommen 61,291—57,693 = 3,598 Cub.Met ., wie die vorige Rechnung bestätigt.

Die zur Bildung von 3,5 Grm. Wasserdampf von 19° aus Wasser von 19° nöthige Wärme, welche also bei der Verdichtung von 3,5 Grm. Wasserdampf zu Wasser von.

19° frei wird, beträgt: ( 606,5 + 0,305.19 — 19 ). 0,0035 = 2,0765 W.Einh.*

Das Gewicht der hinzugetretenen Luft beträgt 3,269 Kilogrm. Wird diese um x° durch die frei gewordenen 2,0765 W.Einh. erwärmt, so muss

3,269.0,2377 x = 2,0765 W.Einh. folglich

x__2,0765

Die hinzugetretene trockene Luft musste also um 2,672* kälter sein als 19° oder nur 16,328° haben. Ihre Expansivkraft war 585,2 mm. Ihr Tolumen also war vor dem Zusammentritt mit der gesättigten Luft von 20° gleich:

3,269.770.760 q+ 0,00366 16,328 ) =

Auf die Erwärmung dieser 3,459 Cub.Met. trockner Luft von 16,328° um 2,67° ist also die durch Verdichtung von 3,5 Grm. Wasserdampf frei gewordene Wärme verwendet worden, während aus 58 Cub.Met. gesättigter Luft von 20°, durch die Erkaltung, 61,291 Cub.Met. gesättigter Luft von 19° geworden sind.

Dieses Beispiel deutet im Allgemeinen den Erfolg anr wenn gesättigte Luft mit kälterer trockener Luft zusammentritt und dabei Condensation stattfindet. Die Wärmemenge, die dabei frei wird, bringt keine höhere Temperatur hervor, sondern sie bewirkt nur, dass ein grösseres Volumen gesättigter Luft sich bildet, das kälter ist.

Von der Richtigkeit des erhaltenen Resultats aber kann man sich durch folgende Probe-Rechnung überzeugen:

Zur Bildung von 996,5 Grm. Wasser-Dampf von 19° sind, von 0° an gerechnet, nöthig 610,14 W. Einh.,

zur Erwärmung von 52,438 Kilogrm.

Luft von 0° bis 19°236,82 „

zur Erwärmung von 3,269 Kilogrm.

Luft von 0° bis 16,328° ...12,68 „

zur Erwärmung von 3,5 Grm. Wasser

von 0° bis 19°0,06 „

also im Ganzen 859,70 W. Einh.

Zur Bildung jener 58 Cub.Met. gesättigter Luft von 20° und gleicher Expansivkraft aus Wasser und Luft von 0° waren 861,80, folglich 2,1 W.Einh. mehr nöthig, und diese entsprechen den obigen 2,076 W.Einh. oder 2,1 W. Einh ., welche auf die Erwärmung der 3,269 Kilogrm. kalter Luft um 2,672° verwendet wurden.

Dies ist der wahre Hergang bei Wolken und Regenbildung, wenn die Condensationswärme nicht an den Schnee oder das Eis, an Felsen oder andere feste Körper abgegeben wird.

Weil 1 Cub.Met. von 20° das Gewicht 17,23 -f 904,1 ss 921,3 Grm. und 1 Cub.Met. von 19° das Gewicht 16,24 -f 908,9 s? 925,1 Grm. und 1 Cub.Met. von 16° trockener Luft und gleicher Expansivkraft — 945,1 Grm. hat und die letztere also schwerer ist, als die beiden andern, so steigen diese fortwährend auf; mischen sich aber selbst, weil der zweite Cub.Met. schwerer ist als der erste. Dadurch werden die Wolken nach allen Seiten immer grösser und es regnet am Ende aus einer hohen Wolkenschichte. Angenommen, diese sei 1000 Met. dick und aus jedem Cub.,

3 5

Met. erfolge der gleiche Niederschlag wie oben, oder

ÖO

4â4Eisetüohr.

Grm., so würde es auf einen Quadratmeter 60,33 Grin. oder

60 33 Cub.Centimeter regnen, also eine Wasserschichte von

= 0,006 Centimeter Höhe geben.

Der Unterschied zwischen dem Gewicht der gesättigten Luft von 20° und der von 19° wird noch kleiner, wenn die erstere nur halb gesättigt ist, wo ein Cub.Met. 926,5 Grm. wiegt. Grenzt eine Schichte halb gesättigter Luft von 200 an eine gesättigte von 190, so ist darum die Ursache ihrer Vermischung weniger in der Schwere als in der Verschiedenheit der Expansivkraft zu suchen. Es geht Wasserdampf aus der zweiten in die erste, und Luft aus der ersten in die zweite.

Bei einem solchen Zusammentreffen von Luftschichten, die nur zum Theil gesättigt sind und verschiedene Temperatur haben, ist der Vorgang ihrer Vermischung ganz ähnlich dem obigen. Es kann bald Niederschlag erfolgen, bald nicht, je nach den Wärmegraden und der Dichte; niemals aber wird durch den Niederschlag so viel Wärme frei, dass dadurch eine höhere Temperatur entsteht, wie ganz ähnliche Rechnungen zeigen. Im Gegentheil wird die frei gewordene Wärme nur dazu verwendet, eine Mischung von niedrigerer Temperatur zu bewirken, wie oben von 20 0 auf 19°, die aber eine grössere Ausdehnung hat.

Der Einfluss der mittleren Temperatur eines Landes auf das Verschwinden der Gletscher wäre, wenn auf die Bewegung der Luft und auf die Extreme der Witterung keine Rücksicht genommen wird, in einem Lande, wo die mittlere Temperatur der wärmeren Jahreshälfte z.B. 20° und die der kälteren Hälfte —150 ist, gerade so gross als da, wo die eine10° und die andere —5° ist, und doch weiss man, dass bei 20 ° sehr viel Schnee auf den Bergen schmilzt und bei 10° wenig; aber die Hauptsache, die am allerwenigsten übersehen werden kann ist, dass der im heissen Sommer geschmolzene Schnee im nächsten Jahre fehlt.

Der milde Winter von 5° räumt ja gar nicht auf und der Sommer von 10° nur wenig, aber desto mehr der Sommer von 20°; ferner fällt in einem Lande, dessen Winter —15 o viel weniger Schnee als da, wo der Winter —5° hat, weil 1 Cub.Met. Luft bei 150 Kälte nur 1,39 Grm. Wasserdampf, bei 5° Kälte aber 3,36 Grm. enthält. Wo es aber viel regnet, wie unter dem 46sten Breitegrad an der Westküste von Süd-Amerika, wo die Extreme der Temperatur geringer sind, da sind auch gerade Gletscher, die bis an 's Meer gehen. Ebenso kann es wohl vor der Diluvialzeit gewesen sein, wo die innere Wärme der Erde noch Einfluss hatte und die Sonnenwärme wegen der grossen Wolkenmassen nicht durchdringen konnte. Die Wärmeausstrahlung an der obern Fläche aber grösser war, weil die feuchte Luft höher steigt.

Dies führt mich zu einem andern Beispiel, welches zeigt, wie weit die Absicht führen kann, einseitige theoretische Gründe geltend zu machen. Pag. 195 obiger Preisschrift ist die Schneegrenze für den 43sten Grad der Breite in Neuseeland aus Tab. II. entnommen, die Tabelle gründet sich auf die für die nördliche Halbkugel annähernd berechnete Formel b0,4-4,31, sin. b., wo b den Breitegrad und a die mittlere Temperatur der Schneelinie bezeichnete. Es ergibt sich z.B. für 450 daraus a — 3,6°. Indem aber offenbar die mittlere Temperatur der Schneelinie nur desshalb nicht überall gleich gross ist, weil die klimatischen Verhältnisse verschieden sind, wird diese Formel doch auf die südliche Halbkugel angewendet. Es wird darnach die Höhe der Schneelinie nach der Formel pag. 116 berechnet und das Herab-reichen des Gletscherfusses unter die Schneegrenze. Dar- aus folgt dann die Höhe des untern Gletscherendes über dem Meere.

Weil aber, wie schon gesagt, einige Chili-Gletscher bis an 's Meer unter 46° südl. Br. gelangen, also der Formel total widersprechen, so soll die um 2,66o geringere See-temperatur an der Herabrückung grossen Antheil haben; während nach pag. 190 die Verbreitung der Diluvialgletscher in den Alpen eine Verminderung der mittleren Jahrestemperatur von 6° bis 7° E. erforderte. Nach des Hrn. Sartorius allgemeiner Untersuchung der Wärmevertheilung auf der nördlichen und südlichen Halbkugel mit Rücksicht auf das Verhältniss der Meeresfläche zur Contijientalfläche, würde die Schneegrenze auf der südlichen Halbkugel unter 45 ° Br. um 508,7 Met. tiefer liegen als auf der nördlichen. Daraus schliesst er die Unmöglichkeit, dass die Gletscher unter 45 ° jemals eine grosse Ausdehnung in der Diluvialzeit hatten und doch sind darnach auch die Chili-Gletscher unmöglich.

Wenn ich dasjenige, was ich über die Entstehungsursachen der Gletscher und über ihre frühere grosse Verbreitung gelesen, mit dem vergleiche, was ich auf meinen Fussreisen in den Alpen gesehen habe, so scheint es mir, dass es hauptsächlich noch an genauer Kenntniss der zur Diluvialzeit stattgehabten Extreme der Temperaturen bei gleicher mittlerer Wärme und von dem Einfluss der feuchten und trockenen Luftströme fehlt. Von ganz grösser Wichtigkeit scheint mir aber folgender Vorschlag zu sein der vielleicht auch schon von Andern gemacht worden ist, mir aber zuerst im Sommer d. J. oben auf dem 2002 Met. hohen Giebel des Hasliberges kam, wo man einen weiten. Ueberblick über ganz nahe liegende moutonisirte Gebirge und andere darüber hervorragende Felszacken hat, die offenbar der abrundenden Macht der Gletscher nicht unterworfen waren.

Ich glaube nämlich, man sollte zunächst eine Karte von der Schweiz, Lombardei, Piémont und Frankreich bis Lyon und Grenoble, anfertigen, die auf weissem Grund nichts enthielte, als die Grenzen bis zu denen sich wahrscheinlich die äussersten Spuren der Gletscherwirkung erstrecken. In dieses weiss gelassene Blatt sollte man als Inseln im Eismeer, alle Gebirgshäupter, Felsenriffe, Spitzen u. s. w., welche keine Spur von Mouto-nisirung zeigen, unter Angabe ihrer Höhe über der Meeresfläche einzeichnen. Wo es möglich ist, wäre es von Wichtigkeit, die Höhe der höchsten Gufferlinien auf diesen Felsenwänden, die Höhe ihres Fusses über dem zerriebenen Grund und die Höhe des obern Endes darauf zu bemerken.

Eine solche Karte anzufertigen scheint mir eine der schönsten Aufgaben und zugleich ein Mittel, das verwegene Bergsteigen, welches mit Recht getadelt wird, wenn ihm äusserlich keine höhere Idee zu Grunde liegt, bei Ehren zu erhalten. Alle für diesen Zweck instruirten Mitglieder des Schweizer Alpen-Clubs könnten sich daran betheiligen und es würde so in wenigen Jahren möglich sein, ein Basrelief von der ehemaligen Gletscherwelt zu fertigen.

Ohne Zweifel würden sich darauf einer oder mehrere Punkte ergeben, die als Centra einzelner Systeme und als Maximalhöhen anzusehen wären. Man würde vielleicht finden, dass manche Gruppen unmoutonisirter Riffe u. s. w. einem Mittelpunkt zustreben, der vielleicht ein ganz anderer wäre als derjenige, von dem die benachbarten Thäler ausgehen.

Da nach der Beschreibung Derer, welche die Gletscher in Grönland gesehen haben ( man sehe darüber besonders Cane's Reise von 1853 — 55 ), diese sich oft auf fast horizontalem Boden bis an 's Meer erstrecken, dort durch ihr Oewicht abbrechen und schwimmende Eisberge bilden, die Geröll und Felsen eingeschlossen enthalten;

da ferner an andern Orten, wo sie die Richtung nicht zum Meere haben, sie ebenso gut Moränen vor sich herschieben, wie in der Schweiz, und noch kein einziger Beobachter dort von Höhen etwas gesehen hat, welche nur einfach denen der Alpen gleich sind, noch weniger das Doppelte und Dreifache betragen, wie manche zur Bedingung ihres Glaubens an die Ausbreitung der Alpen Gletscher in der Diluvialzeit machen " wollen, so wäre eine Expedition nach den norwegischen oder noch besser den Grönland-Gletschern, um zu sehen, wie diese es machen, um beständig in Bewegung zu bleiben, ohne auf schiefen Flächen fortzurutschen, sehr geeignet für die Bereicherung der Wissenschaft. Man würde bald sehen, dass das plastische Eis der Gletscher sich von den höchsten Punkten des Eises und nicht der Berge allein fortzubewegen vermag und dass es noch andere Ursachen dieser Bewegung gibt, als die Schwere allein.

Dehnt doch das Eis sich durch die Wärme beinahe fünfmal so stark aus als Stabeisen, und genügt die Hälfte der Wärme, um ein Kilogramm Eis um 1° zu erwärmen, als um das gleiche Gewicht Wasser um 10 zu erwärmen. Ein Eisenstab von 1 Met. Länge wird, wenn er um 1° wärmer wird, um 0,00001167 Met. ausgedehnt. Ist er 1 Kilogrm. schwer, so sind dazu 0,1137 W.Einh. nöthig. Ein Stab von Eis, der gleich dick ist und 1 Kilogrm. wiegt,

17 8 hat die Länge r8,3 Met ., wird also bei 1 o Tempe-

ratur-Erhöhung ausgedehnt um 8,3.0,000052 = 0,0004316 Met ., weil aber zur Temperatur-Erhöhung des Eises die Wärmemenge 0,505 nöthig ist, so beträgt bei gleichem Aufwand an Wärme die des Eisenstabes 0,00001167 und die des Eisstabes 9î22?4316:1137_ oder 0)000099526j als0

oüuU

neunmal so viel bei 8,3facher Länge.

Auf diese 8,3fache Länge fällt 8,3 mal so viele Sommerwärme. Dürfte man annehmen, dass die Wärmeabsorption im Eis gerade so gross wäre als im Eisen, so würden die 8,3 Met. Eis in der gleichen Zeit 8,3 mal so viel Wärme absorbiren als 1 Met. Eisen. Die Ausdehnung des Eises würde also 8,3.0,000099526 = 0,000826 Met. betragen, während die des Eisens 0,00001167 Met. beträgt.

Jene Ausdehnung des Eises würde aber für 1 Meter doch nur 0,0000995 Met. oder 0,0001 Met. oder neunmal so viel betragen.

Denkt man sich nun, die Oberfläche eines 10000 Met. langen Eisstabes werde bei Tag von —10 o auf 0°, also um 10° erwärmt, so müsste er um 10 Met. länger werden. Ist diese Eismasse mit einer andern tiefer liegenden fest verbunden, so müssen Bisse und Falten entstehen. Die ersteren können sich an wärmeren Tagen mit geschmolzenen Schnee oder Eis ausfüllen, welche zu einer andern Zeit wieder gefrieren und dadurch ebenfalls zur Verlängerung beitragen. In Ländern wie Grönland, wo Temperaturen von —40° bisO0 jährlich vorkommen, müssen diese Wärme-differenzen an der Oberfläche der Gletscher gewaltige Ausdehnungen und Zusammenziehungen bewirken.

Der Einfluss der Ausdehnung auf das Fortschreiten der Gletscher muss aber grösser sein als die entgegengesetzte der Zusammenziehung, weil die entstandenen Risse Schnee und Wasser aufnehmen. Bei den hohen Pressungen der Eismassen gegen einander wird ein Theil des Eises in Wasser verwandelt. Dieses dringt da und dort in die Ritzen und Spalten und gefriert zum Theil, zum Theil fliesst es unter den Gletschern durch und erleichtert damit ihr Fortschieben.

Indem die Ausdehnung durch die Wärme nach allen Richtungen geht, wo die Widerstände es nicht verhindern, darf man sich nicht wundern, dass die Gletscher in Schluchten und Thälern auch unter rechten Winkeln fortschreiten. Dies sind lauter ziemlich allgemein bekannte Dinge, die aber viel wichtiger in Beziehung zur Gletscherverbreitung sind, als Formeln über die Höhe des untern Gletscherendes über dem Meere u. dergl.

Carlsruhe, 10. November 1866.

W. Eisenlohr.

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