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Die Bergnamen des Berner Oberlandes vor dem XIX. Jahrhundert

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Von A. Wäber ( Sektion Bern ).

Wenn wir von einem Aussichtspunkte unseres Hügellandes oder von einer Jurahöhe aus die Berner Alpen überblicken und uns anhand der Karte und unserer Erfahrung in dem langgestreckten Gipfelkranze vom Titlis bis zum Oldenhorn orientieren, so wissen wir es meist nicht anders, als daß die Berge immer so geheißen haben, wie wir sie kennen und wie die Karte sie uns nennt.

Es ist uns zwar nicht unbekannt, daß wir manche Berggruppen, für die noch unsere Großväter nur einen Gesamtnamen kannten, jetzt in mehrere Gipfel mit besonderen Bezeichnungen zergliedern; wir wissen, daß die Dufourkarte und mehr noch der Siegfried-Atlas eine wesentliche Bereicherung der alpinen Nomenklatur gebracht haben, sei es daß alteinheimische Namen zu Ehren gezogen wurden, die in den früheren Karten kleineren Maßstabes nicht hatten Aufnahme finden können, sei es daß für einzelne bis dahin unbenannte Berge neue Namen willkürlich gewählt wurden, Namen, die freilich oft Mühe haben, sich einzubürgern, und sich seltsame Entstellungen gefallen lassen müssen, bevor sie dem Volke mundgerecht werden.

Wir wissen das; aber doch wenigstens die Hauptgipfel, meinen wir, müssen seit unvordenklicher Zeit, so lange überhaupt Menschen in den Thälern und im Vorlande der Alpen wohnen, dieselben Namen getragen haben, wie heute, und wenn man uns sagt, daß vor kaum anderthalb hundert Jahren die besten Kartographen und Topographen unseres Landes für Berggestalten wie Finsteraarhorn und Blümlisalp kaum einen Namen wußten und uneinig waren, was unter Jungfrau, Eiger und Mönch eigentlich zu verstehen sei, so kommt uns das unglaublich vor. Und doch ist es so; die Nomenklatur der Berner Berge ist bis gegen das Ende des 18. Jahrhunderts sehr lückenhaft und stellenweise unsicher; namentlich gilt das gerade von den Bergen, die für uns das Schöne und Charakteristische an unserer Landschaft sind, von den Hochalpen, die später und in geringerem Maße das Interesse der Topographen und Kartographen auf sich gezogen haben, als die Pässe und die Voralpen. Wenn dies aber bei einem verhältnismäßig so leicht zugänglichen und so früh bereisten Gebiet, wie das Berner Oberland, der Fall war, so liegt der Schluß nahe, daß es in anderen Gegenden des schweizerischen Hochgebirges um die Bergnomenklatur nicht besser bestellt war.

Es ist allerdings wahrscheinlich, in einigen Fällen sicher, daß viele Berge des Oberlandes schon seit Jahrhunderten unter denselben Namen bekannt waren, die sie heute tragen; insbesondere gilt dies von solchen Bergen, die sich durch Form, Farbe oder allgemeine Beschaffenheit vor ihren Nachbarn auszeichnen, die von Jägern und Strahlern besucht wurden, oder die vermöge ihrer Lage den umliegenden Dörfern als Zeitmesser dienen konnten, auch von denen, an die sich irgend eine Sage oder die Erinnerung an ein Ereignis knüpfte, und endlich von den vielen Hörnern, Stöcken, Gräten und Flühen, die durch die an ihrem Fuße liegenden Alpen bekannt waren. Dahin gehören unter anderm die Spitz-, Breit-und Großhörner, die Burgen und Firsten, die vielen Weiß-, Schwarz-und Rothhörner, die Faul- und Tschingelhörner, die Thierberge, Hühnerstöcke, Stellihörner, die Strahlhörner, die Mittaghörner und -Stöcke, die Blümlisalpen, die Jungfrauen und Frauen, das Kindbettihorn, die Gelmerhörner, Fisistöcke u. s. w. Immerhin gehört die Mehrzahl dieser Namen dem Voralpengebiet an. Noch 1816 sagt J. R. Wyß, der Jüngere, in den „ Alpenrosen " bei der Schilderung seiner Wanderung in das Kienthal ( p. 240 ): „ Nichts wird schwieriger auszumitteln in unserem Alpengelände, als die richtigen Bergnamen, sobald es über den fruchtbaren Weidboden ins Feisichte oder Schneeige hinaufgeht. Dem Thalbewohner, der von seinem Erwerb lebt, sind die unabträglichen Gletscher und Kuppen und Joche von äußerst geringer Wichtigkeit.Bergnamen, zum Teil dieselben wie heute, waren also unzweifelhaft schon in alter Zeit vorhanden; aber in der geographischen Litteratur, mit der wir uns hier zu befassen haben, lassen sie sich vor dem 16. Jahr-Iiundert nicht nachweisen. 2 ) Die eigentliche geographische Litteratur der Schweiz beginnt mit Albrecht von Bonstettens Beschreibung der Eidgenossenschaft ( 1478 ) die uns für unsern Zweck ebenso wenig Ausbeute bietet, wie die Beschreibung Schwabens von dem Zürcher Dominikaner Felix Schmid, ( 1488-89 ) und die Schilderungen der Schweiz des Mailänders Balcus, ( 1500-4 ) und des Glarners Heinrich Loriti, gen. Glarean ( 1515).Die älteste Schweizerkarte, Konrad Tür st 's Landtafel ( 1495-7 ) nennt im Berner Oberlande nur zwei Pässe: Grimsel und Gemmi; Aeg. Tschudi's Karte ( 1538 und 1560 ) fügt den Brünig hinzu, Seb. Münster's Cosmographie ( 1544 ) den Lötschenpaß und den Sanetsch, Joh. Stumpfs Chronik ( 1548 ) den Jochpaß ( Engelberg-Engstlen ) und den Rawyl, sowie auf der Walliserseite der Berner Alpen den rätselhaften Antoniusberg bei Mörel, das Bietschhorn und den Paß Treco bei Gundis, d.h. den Pas de Cheville, dessen Pfad von Conthey durch das Val Triqueut hinaufsteigt.2 ) Heer- und Verkehrswegen liegen, nennen sie nur selten. Der einzige Hochgipfel des Oberlandes, den die Fontes Rerum Bernensium bis 1353 ( d.h. so weit sie publiziert sind ) erwähnen, ist der Eiger, der schon in Urkunden von 1252 und 1302 vorkommt. Die erste dieser Urkunden, Oberhofen, 24. VII, 1252, nennt außer dem „ Mons Egere " auch das Kalli, die Boneren und die Scheidegg, ein Beweis dafür, daß die Nomenklatur für Weiden und Alpen schon ziemlich detailliert war; die zweite, Interlaken, 31. August 1302, handelt von einer Verpfändung des Lehns „ unter Eiger ".

* ) A. v. Bonstetten: Superioris Germanise Confœderationis urbium terrarumque situs hominum morumque brevis descriptio ( s. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, III, 1846 ); Felix Schmid: Descriptio Suevise; Balcus: Descriptio Helvetiae ( s. Quellen zur Schweizergeschichte, VI, 1884 ); Glareanus: Descriptio de situ Helvetise et vicinis gentibus ( Basel, 1515, neugedruckt im Thesaurus Historie Helvetise, Zürich 1735von Bonstettens Descriptio ist auch ein Neudruck mit deutscher Origimilübersetzung, im Bd. XIII, 1893, der Quellen zur Schweizergeschichte erschienen.

2 ) K. Türst: De situ Confœderatorum descriptio ( Quellen zur Schweizergeschichte, VI, 1884, mit Karte ); Aeg. Tschudi: Nova Rhsetise atque totius Helvetise delineatio ( Basel, 1560 ); Seb. Münster: Cosmographia universalis. Lib. III, de Germania, p. 333 ( Basel 1544 ); J. Stumpf: Gemeiner loblicher Eydgnosschaft Stetten, Landen und Völckeren Chronikwurdiger taten Beschreybung. vom Aergaw, p. 193 und 218; vom Land Wallis, p. 319-360 ( Zürich 1548 ). Üeber Albrecht von Bonstetten, Konrad Türst und Johannes Stumpf vgl. Jahrbuch des S.A.C., XVIII, p. 328 u. ff. G. Meyer v. Knonau: Die älteste schweizerische Landkarte; Jahrbuch des S.A.C., XIX, p. 417 u. ff. und derselbe: Eine Schweizerreise eines Gelehrten im XVI. Jahrhundert. Über die Anfänge der geographischen Litteratur über die Schweiz vgl. auch G. Peyer: Geschichte des Reisens in der Schweiz, p. 20-43 ( Basel 1885 ) und W. A. B. Coolidge: Swiss travel and Swiss Guide-books, p. 1-22 und 124-126 ( London 1889 ).

Die Leser des Jahrbuches mögen es entschuldigen, daß ich auf viele der schon im Jahrbuch XXVII, p. 253 u. if. citierten Autoren hier nochmals hinweise. Es ist dies immer noch einfacher und weniger störend, als wenn ich in Text und Noten jeweilen auf den vorigen Band verweisen müßte.

Neben diesen allgemeinen Beschreibungen beginnt aber auch eine speziell bernische Landeskunde sich zu entwickeln. Johannes Müller, gen. Rhellican, besingt in der Stockhornias ( 1537 ) die Besteigung des Stockhorns oder „ Premnokeras ". Benedikt Aretius ( 1561 ) beschreibt das Stockhorn und den Niesen und ihre Flora und gedenkt dabei auch der Topographie des Oberlandes.Hochgipfel nennt er zwar nicht, wahrscheinlich weil ihm für diese keine Namen bekannt waren, wohl aber einige Berge und Pässe der Voralpen, so die Nünifluh ( Nünenen ) in der Stockhornkette, den Oberen Niesen ( Hohniesen ), das Iiahnenmoos ( zwischen Lenk und Adelboden ), den Beatenberg, die Gemmenalp mit dem Schafberg ( Widdersgrind oder Gemmenalphorn ?) und der Furka ( Hohgant, Furggengütsch ), und die Scheibe im Justisthal.* ) Auf diese bescheidenen Vorläufer folgt nun 1577—8 das Hauptwerk über die Topographie des alten Bern, die Berner Karte Thomas Schöpfe. samt dem zugehörigen Kommentar.2 ) Der gelehrte Berner Stadtarzt hat damit ein großangelegtes, für die damalige Zeit ausgezeichnetes Werk geschaffen, das fast zwei Jahrhunderte lang als höchste Autorität in Sachen der bernischen Landeskunde galt.

Die Karte ( von der noch 1672 durch Albrecht Meyer mit Bewilligung des Rates ein Neudruck gemacht wurde ) besteht aus neun Blättern im Maßstabe 1: 120,000, also nur um 1k kleiner als derjenige der Dufourkarte, und umfaßt das ganze damalige Bernbiet: den jetzigen Kanton Bern ( ohne das Gebiet des Fürstbistums Basel ), den Aargau bis zur Reuß, die Waadt und den von Bern und Waadt eingeschlossenen Kanton Freiburg. Für die mangelhaften Hülfsmittel jener Zeit ist sie, trotz mancher Fehler, überraschend genau. Die Berge, von denen diejenigen des Hochgebirgs oft einen Bären oder einen Steinbock als Symbol der Höhe und Unwirtlichkeit tragen, sind meist in der von Tschudi her bekannten schematischen Manier gezeichnet, in Reihen oder scheinbar planlosen Anhäufungen von Höckern; immerhin unterscheidet Schöpf zweierlei Bergformen: Spitzhöcker für das Hochgebirge und Rundhöcker für das Hligel- land und die Vorberge; in einzelnen Partien, z.B. in der Stockhornkette, läßt sich aber schon das Bestreben erkennen, die conventioneilen Bergformen durch perspektivische Ansichten zu ersetzen.

Die Karte nennt uns außer den schon von früheren Autoren erwähnten Pässen die Huseck ( Hausegg ) bei der Grimsel, den Paß Uf Joch ( Susten ), die Daube bei der Gemmi, endlich den Billioun ( Pillon ). Von Hochgipfeln erwähnt sie den Trifft mons, ein Name, der sich als Gesamtname für das Gebiet des Trift- und Rhonegletschers bis heute erhalten hat, das Schreckshorn, das Wetterhorn, den Mettelberg ( Mettenberg ), die Jungfrau, den Eiger, den Rätzlisberg ( Wildstrubel ), den Uf der Gelten mons ( Wildhorn ) und das Oldenhorn. Von Voralpengipfeln erwähnt sie den Dschüb ( Schybengütsch ) bei Schangnau, in der Stockhornkette den Gemsen grad ( Gemschgrätli ), die Keisereck ( Kaisereggschloß ) und die Rothenfluh ( Rother Kasten). i ) Unter den Namen Geilshorn und Mötsch mons haben wir das Regenbolshorn und den Metschstand bei Adelboden zu verstehen. Die Namen Uf Engstlen, Engstligen mons und Dungel mons 2 ) u.a. weisen nicht auf Berge im topographischen, sondern im alpwirtschaftlichen Sinne hin, d.h. auf Alpweiden. Der Umstand, daß für Gipfel, Pässe und Alpen die gemeinsame Bezeichnung mons oder Berg gebraucht wird, erschwert oft die Bestimmung der Namen, und zwar nicht nur bei Schöpf, sondern auch bei Rebmann, Scheuchzer und selbst noch bei Grüner ( 1760 und 1778 ), obwohl schon Wagner ( 1680 ) auf den Unterschied zwischen Hochalpen und Viehalpen aufmerksam gemacht hatte. 3 ) Immerhin darf man annehmen, daß die alten Topographen mit ihren Alpnamen nicht immer nur die Alpweiden, sondern oft auch die daraus aufsteigenden Gipfel haben bezeichnen wollen, die heute nach den Alpen benannt werden.

Der Text beschreibt die bernischen Lande und Vogteien nach ihrer Rangordnung und bildet ein eigentliches Ortslexikon für den alten Kanton Bern, mit Angabe der geographischen Lage und der Distanz der Ortschaften von der Pfarrkirche und dem Amtssitz.B.ei den Flüssen und Bächen werden nicht nur Quellen und Lauf beschrieben, sondern sogar die Brücken angegeben. Aber auch die Orographie gelangt zu ihrem Rechte, und aus der sehr eingehenden Schilderung einzelner Partien, z.B. der Umgebung der Walop oberhalb Boltigen im Simmenthal, läßt sich schließen, daß Schöpf ein gutes Teil des Gebirges selbst bereist hat.

1Namen, die schon bei früheren Autoren zu finden sind, werden in der Regel nicht nochmals angeführt.

2 ) Die Engstlenalp mit ihrem Wunderbrunnen spielt seit Stumpfs Reise 1544 in der Litteratur über das Oberland eine große Rolle. Aus den Voralpengipfeln Geilshorn und Mötsch mons und aus dem Engstligen- und Dungel mons, haben spätere Topographen Hochgipfel gemacht.

:'1 ) J. J. Wagner: Historia naturalis curiosa ( Zürich 1680 ).

Die Chorographia erwähnt mehrere Bergnamen, die weder in der Karte enthalten, noch von früheren Autoren her bekannt sind, und giebt uns Aufschluß über einige Punkte, deren Identität die unvollkommene Zeichnung der Karte nicht sicher bestimmen läßt. Daß z.B. unter dem Rätzlisberg mons der Karte nicht nur die gleichnamige Alp zu verstehen ist, wie Grüner J ) andeutet, sondern das Massiv des Wildstrubels, geht aus dem Text deutlich hervor, denn nach Bd. I, pag. 116, ist der Rätzlisberg ein hoher Schneeberg auf der Wasserscheide und der Grenze zwischen Bern und Wallis; ebenso kann mit dem „ Uff der Gelten mons " der Karte nicht nur Geltenalp und -Gletscher gemeint sein, sondern die ganze Gruppe des Wildhorns, denn nach Bd. II, pag. 12, erstreckt sich der Ostfuß des Berges fast bis zum Rawyl. 2 ) Vom Schreckshorn erfahren wir ( I, p. 153 ), daß es seiner spitzen Gestalt wegen auch die Nadel heißt, ein Name, der u.a. von Studer ( Panorama von Bern, p. 218 ) und Jahn ( Chronik des Kantons Bern alten Teils, p. 28 ) auch für das Finsteraarhorn in Anspruch genommen wird. Es ist dies wohl nur scheinbar ein Widerspruch, denn es ist sehr wahrscheinlich, daß Schöpf unter dem Namen Schreckshorn nicht unser jetziges Schreckhorn, sondern das Finsteraarhorn verstanden hat, und unter der Bezeichnung Mettelberg nicht den Mettenberg allein, sondern den ganzen Schreckhornkamm, von dem der Mettenberg der am weitesten nach Norden vorgeschobene Gipfel ist. Dies wird durch die Stelle über die Jungfrau ( I, p. 162 ) wahrscheinlich gemacht, in der es heißt, man könne sogar unterhalb Straßburg bei Föhn hie und da die Gipfel Mettelberg, Wetterhorn, Schreckshorn, Eiger und Jungfrau erblicken. Von welchem Aussichtspunkte des Elsaß Schöpf spricht, geht aus der Stelle nicht hervor, aber z.B. vom Gebwyler Belchen aus sind die genannten Gipfel deutlich erkennbar, mit Ausnahme des Mettenberges, der mit dem dahinter aufragenden Schreckhornkamm verschmilzt, während das Finsteraarhorn seine elegante Nadel stolz über seine Nachbaren emporhebt.

Es geht aus derselben Stelle auch hervor, daß der Name Jungfrau oder Jungfrauenhorn nicht auf das Silberhorn beschränkt war, wie es Studer ( ibid. p. 158 ) andeutet; denn das Silberhorn erscheint vom Elsaß aus ebenso wenig als selbständiger Gipfel, wie der Mettenberg, sondern verschmilzt mit der Jungfrau. Ob Schöpf überhaupt das Silberhorn unterschieden hat, ist fraglich, obwohl er an der Jungfrau zwei Gipfel kennt: nach der angeführten Stelle ist nämlich die Jungfrau ein von ewigem Schnee und Eis starrender sehr hoher Berg, durchaus unzugäng- lieh und angeblich deshalb auf den Jungfrauennamen getauft; obwohl sie nur ein Berg ist, gabelt sich doch ihr Gipfel in zwei Spitzen, von denen jede ein Berg für sich zu sein scheint. Die östliche dieser Spitzen, nennt Schöpf die Vordere, die westliche die Hintere Jungfrau, während Grüner ( 1. c. I, p. 107/8 ) den Schwarz Mönch als Vordere Jungfrau bezeichnet. Daß Schöpf nicht den Schwarz Mönch meint, ergiebt sich aus der Beschreibung, denn dieser ist kein Schneeberg, sondern ein Felsgipfel.* ) Vielleicht ist unter der Vorderen Jungfrau die heutige, unter der Hinteren das Silberhorn verstanden; es läßt sich aber auch denken, daß die Vordere Jungfrau Schopfs der Punkt 4060 in im Nordostgrat des Berges sei, denn auf das Silberhorn, das allerdings westlich, aber vor der Jungfrau liegt, paßt der Name Hintere Jungfrau nicht ganz.

Deuten wir nun die beiden Namen so oder anders, so viel ist unzweifelhaft, daß die eine der Jungfrauen Schopfs die jetzige ist. So selbstverständlich es uns aber heute vorkommt, daß ein topographisches Werk von dem Umfang und der Einläßlichkeit der Chorographia die imposanteste Berggestalt der Berner Alpen nicht unbenannt lassen konnte, sondern genau bestimmen mußte, so werden wir doch in der Folge sehen, daß die topographische Sicherheit Schopfs später verloren ging und der geographische Begriff Jungfrau 1777 kaum so fest bestimmt war, als im Jahre 1577, da der Berner Stadtarzt seine „ Chorographia " schrieb.

Von neuen weder in der Karte noch von früheren Autoren erwähnten Namen nennt der Text außer verschiedenen Alpen und untergeordneten Vorbergen das Eisig- oder Mittaghorn ( I, p. 139 ) bei Frutigen, den Lohner ( I, p. 142 ) bei Adelboden, den Riederen mons ( Riedergrat ) am Brienzersee ( I, p. 165 ) das Rubli und den Hauptwildenmann ( Vieille-liian, Videman oder Wildenmann zwischen Rubli und Gummfluh ) im Saanenlande ( II, p. 11 u. ff. ). Auf Thomas Schöpf, den Mediziner und Mathematiker, folgt als Topograph merkwürdigerweise ein Theolog und Poet, dessen Poesie freilich kaum etwas anderes ist, als eine recht trockene, ungeschlacht gefügte und gereimte Prosa. Hans Rudolf Rebmann ( Ampelander ) hatte als Pfarrer von Thun, 1592 -1604, gute Gelegenheit, das Oberland kennen zu lernen, und scheint sie redlich benutzt zu haben; sein Gespräch zwischenSchöpf ibid. I, p. 162: Jungckfrau mons est altissimus nivibus et glacie rigens perpetuis, unde plane inaccessus; hint incolse fingunt nomen virginis quasi intact ipsi eontigisse. Hic et quatuor Uli altissimi montes, quorum supra memini, conspiciendos sese non raro praebent infra Argentoratum etiam mane et vesperi, prsesertim si pluviosa tempesta« aliqua futura sit vel ventus major. Etsi autem unus sit tantum mons, tarnen summum ipsius jugum bifurcatur tanto cum intervallo ut uterque vertex singularem habere videatur montem suum Anterior Jungkfraw est is cujus summus vertex vergit in ortum Postertor et occiden-talior montis Junckfraw vertex

Stockhorn und Niesen ist eine wahre Fundgrube von Bergnamen.Die richtige Deutung derselben wird aber nicht nur durch das Zusammen-werfen von Gipfel- und Alpnamen erschwert, sondern auch dadurch, daß Rebmann zwar die Berge im großen nach den Thälern gruppiert, innerhalb der Gruppen aber sie so aufzählt, wie die Namen sich am besten in Metrum und Keim fügen. Auch seine beschreibenden Epitheta stehen oft nur dem Vers zu lieb da, und erschweren die Bestimmung mehr, als sie dieselbe erleichtern; endlich scheint Rebmann auch manchmal einen Namen gehört und notiert zu haben, ohne genau zu wissen, wo er hingehört, wie das auch anderen Topographen, z.B. Bödmer und Grüner, dann und wann passiert.

Von neuen Namen fanden wir bei ihm im Hasli den Zinken ( Zinkenstock ) an der Grimsel, die ( Hasli ) Jungfrau ( Vorder-Wetterhorn ), das Fischerhorn, das freilich, wenn es Fiescherhorn bedeuten soll, nicht hieher, sondern nach Grindelwald gehört, und das Engelshorn im Urbachthale. In der Faulhornkette zählt er das Faulhorn und den Kratzeren-grat, ä. h. den Grat der Daube und des Oberberghorns bei der Schynigen Platte auf; bei Interlaken den Harder, am Thunersee die Läyssingberge, unter denen er vielleicht nur Alpen, vielleicht aber auch den Leissigen-grat versteht, und das Rothhorn bei Sigriswyl. Am Eingang des Lütschinenthals erwähnt er die Sulegg und die Biren2 ), bei Lauterbrunnen die Jungfrau und den Mönch, d.h. wahrscheinlich Jungfrau und Schwarz Mönch. 3. H. Bebmann: Ein Lustig und Ernsthafft Gastmahl und Gespräch zweyer Bergen ( Bern, l.Aufl. 1605, 2. Aufl. 1620; die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die 2. Aufl. ). Vgl. Graf. Geschichte der Mathematik etc. 1. Heft, p. 53—57, und Jahrbuch des S.A.C., XXVI. Graf. Bernische Pionnière, p. 325—327.

2Welchen Punkt er damit meint, konnte ich nicht ermitteln; sie soll bei Gsteig liegen und dem Stockhorn ähnlich sein. Der Birnenstock in der Schwalmeren-gruppe liegt zu weit ab und ist ein zu wenig hervorragender Gipfel, als daß er in Betracht fallen könnte, eher könnte an die Winteregg-Birren auf der rechten Seite des Lütachenthals gedacht werden, obwohl auch diese nicht „ hoch bey Gsteig auffgaht ".

3 ) p. 489. Die Jungfrau hoch zu bsteigen schwer, Wan nicht ein Horn der Münch dran wer, Der Berg zween Gibel hoch auffgricht, Der Schnee den einen lasset nicht Der in bedecket allezeit, Sein spitzigen Grad sieht man weit; Der ander Spitz der Münch vast rund Ein Jäger ihm ersteigen kundt!

Bei späteren Topographen heißt, wie oben bemerkt, der Schwarz Mönch Vordere Jungfrau, und der Mönch ist der kapuzenartige Felskopf an demselben, nach dem der Berg jetzt benannt ist. Der Schneeberg Drimelkind, der bei Lauterbrunnen erwähnt wird und an das Roththal und die Jungfrau anstossen soll, hat mir viel Kopfzerbrechens gemacht, bis ich aus Sarn. Bodmer's Marchbuch l ) und Gruner's „ Eisgebirgen " ( I, p. 124 ) ersah, daß Drimelkind nichts anderes ist, als die Kinn, d.h. Schlucht des Trummelbaches, den Grüner auch Triimmel-kind nennt. Sein Schrickshorn, das er auf den Mettenberg setzt, ist nun unzweifelhaft das jetzige Schreckhorn.

Bei Adelboden nennt Rebmann zum ersten Male den Fitzer, in der Niesenkette die Gsünfluh ( Gsür ), den Otterngrat, die Männlifluh, den Hohniesen,2 ) den Dorfgrat, d.h. den Grat zwischen Hohniesen und Megisserhorn, und den Galm ( 2188™ ) westlich vom Albristhorn ).

Im Kienthal ist er offenbar sehr gut zu Hause, denn außer einer Reihe von Alpen kennt er darin die Fluh auff der Frawe ( Wilde Frau an der Blümlisalp ), „ Dünden- und Ganthi Velsen hoch " ( Dündengrat und Gamchi ), die Fluh im Rothenherd ( Kilchfluh oder Schilthorn, die beide beim Rothen Herd liegen ?), das Wythlihorn ( Wittwe ), die Bittlose ( Büttlassen, Gspaltenhorn ), unter welchem Namen er freilich die Grenzberge „ an Wallis von der Gemmi har " bis zum Hasli zusammenfaßt. Im Diemtigthal erwähnt er den Mänigwald „ so hoch zu vorn " ( Männiggrat ), Wild Grimien ( Grimmipaß zwischen dem Diemtigthal und dem Obersimmenthal ) und das Niederhorn.

All diese Berge rechts von der Simme zählt der Niesen zu seinem Hofstaat, aber auch der „ Nachbaur Stockhorn ", der über das Land links von der Simme gebietet, kann auf ein stattliches Berggefolge im Simmen-und Saanenthal hinweisen, von dem die Schweibenegg ( Schwiedenegg ) und der Arnist ( Schafarnisch ) in der Stockhornkette, der Berg Froniatt ( Fromattgrat ) bei Zweisimmen, der Gifer ( Gifferhorn ), der Wittenberg ( Wytenberghorn ) und der Gummersin ( Gummfluh ) im Saanenlande nicht nur im alpwirtschaftlichen, sondern auch im topographischen Sinne „ Berge " sind.

Wollten wir auch die überall vorkommenden Schafberge mitrechnen, sowie die vielen Alpen, die anstoßenden Hörnern und Gräten den Namen gegeben haben, so wäre die Ausbeute aus Rebmann noch weit größer; sie ist aber auch so schon groß genug, um zu beweisen, daß der Pfarrherr von Thun, der die „ Physicam, Chorographicam und Ethicam Deserip-tionem von der gantzen Welten in gemein vnd sonderlich von Bergen vnd Bergleuten " schrieb, damit einen sehr wertvollen Beitrag zur Topographie des Berner Oberlandes geliefert hat.Nach Rebmann macht die Nomenklatur unseres Gebietes ein volles Jahrhundert lang keine Fortschritte. Die vielen Karten, die im 17. Jahrhundert erschienen sind, die Schweizerkarten der Mercator, Baudouin, Gyger, Tassin, Sanson, du Val, Meyer, Steiner, Visscher, Valk, Muoß u. s. w., die Bernerkarten von Plepp ( 1638 ) und Zollinger ( 1684 ) nennen uns im Berner Oberlande keine oder wenigstens keine neuen Namen, und auch in den wenigen Beschreibungen der Schweiz aus jener Zeit, in Merian und Zeiller's Topographie ( 1642 und 1654 ), Plantin's Helvetia antiqua et nova, sowie in Wagner's Historia naturalis Helvetise curiosa ( 1680 ) und Mercurius Helveticus ( 1688 ) ist es um die Nomenklatur unserer Berge nicht besser bestellt.2 ) Erst mit Scheucbzers Karte von 1712 und seiner Orographie von 17168 ) macht die Nomenklatur unseres Gebietes wieder einen Schritt vorwärts, jedoch nur einen kleinen, denn Scheuchzer lehnt sich in der Karte an Schöpf, im Texte an Rebmann an, ohne viel Neues beizubringen, als hie und da einen Fehler; so verlegt die Karte das Oldenhorn auf die Nordseite des Pillon, das Bietschhorn auf die Wasserscheide und Grenze von Bern und Wallis, den Tittlisberg ( Titlis ), den wir bei Scheuchzer zuerst in einer Karte angegeben finden, zwischen Engelberg und Amsteg, ungefähr dahin, wo der Uri-Rothstock stehen sollte.

In dem alphabetischen Bergregister der Orographie, das Berg- und Alpnamen ebensowenig auseinanderhält, wie Rebmanns Aufzählung, finden wir von neuen Bergnamen die Schiben ( Scheibe ), die Ochsenfluh ( Ochsen ), den Gantrisch ( Ganterisch ) und die Hohmatt ( Hohmad ) in der Stockhornkette und das Brienzer Rothhorn. Bei dem Münch in Grindelwald könnte man an den heutigen Mönch ( Weiß- oder Großmönch ) denken, wenn Scheuchzer nicht Ltitschenthal, Lauterbrunnen und Grindelwald unter dem letzteren Namen zusammenfaßte und also wohl wie seine Autorität Rebmann den Schwarz-Mönch meinte.

Fast gleichzeitig mit Scheuchzer ist der bernische „ Stucklieutenant und Geometra " Sarn. Bödmer, dessen Vermessung der Grenzen des Kantons Bern von 1701—1710 und dessen Marchbuch ( s. oben ) von 1716 datiert.

Obwohl er sich hauptsächlich mit den Grenzen befaßt und nur selten mit den weiter innen liegenden Bergen, so ist doch die Ausbeute bei ihm reicher als bei Scheuchzer. Im Brienzergrat nennt er das Dannhorn ( Tannhorn ), das Brienzer Rothhorn ( schon 1705 ) und die Hohe Gumm, in der Grenzkette zwischen der Engstlen- und der Melchseealp die Ertz-fluh ( Erzegg ), die Spicherfluh, den Gewerdtlistock ( Gwärtler ) und die Geis fluh ( Graustock ), an deren Abfall gegen den Jochpaß er den risend Nollen ( Reißend Nollen ) verlegt, welchen er mit dem Rothen Nollen verwechselt; in der Kette der Gadmerflühe das Sätteli, den Tellistock, den Rothen Nollen ( Reißend Nollen ), den Wendenstock und den Rinderstock ( Ochsenkopfim südlichen Teil der Titlisgruppe gegen den Susten hin den Uradt ( Uratstock ) und den Heuwberg ( Heuberg ). In der Dammagruppe beschränken sich seine Kenntnisse auf das, was zunächst an der Sustenstraße liegt, das Sustenhorn, unter dem er der Zeichnung nach vielleicht den Sustenspitz versteht, und die ( Vorder-, Mittel- und Hinter- ) Thierberge, mit denen er wahrscheinlich den Bocksberg, das Thierbergli und den jetzigen Vorder-Thierberg meint, vielleicht aber auch die beiden letztern und den Hinter-Thierberg. )m Grimselgebiet erwähnt er den Nägelisberg ( Nägelisgrätli ), den Sidell- oder Kessiberg ( Sidelhorn oder Kessithurm ?) und den Thierberg zwischen Ober- und Unteraargletscher. Unter dem Namen Hinder-Bocken ist wohl das Lauteraarhorn zu verstehen. Das Wetterhorn wird uns, wie von Rebmann, als ( Hasli ) Jungfrau vorgestellt, das Wellhorn als Schönbühlhorn.Die Fiescherhörner sind als Fiescherhorn bezeichnet, der eigentliche Fieschergrat aber heißt der lange und große Eggerberg ( der Eiger selbst der große Eiger ). Der Mönch ist gezeichnet ( Il, BL 246'7 ), aber ohne Namen; die Jungfrau heißt auch Blümlisalphorn und das Silberhorn samt dem Schwarz-Mönch Brädlhorn ( nach dem Rothen Brett ). Den ganzen Hintergrund des Lauterbrunnenthaies, ja das ganze Gebiet „ zwischen Luterbrunnen, Fruttigen, dem Kandersteg und Walliserland " nennt er Seßfurggen, unterscheidet dann aber doch in der Grenzkette gegen Wallis bis zur Gemmi das Birghorn, das Sackhorn, Uff Schilt ( Schilt-oder Hockenhorn ), das Hohe Palmhorn ( Balmhorn ) und den Alten Eis ( Altels ), an den sich Rinderhorn, Muntanieberg und Dubenhorn ( Plattenhörner und Daubenhornreihen. Merkwürdigerweise kennt Bodmer den seit Schöpf eingebürgerten Namen Rätzlisberg nicht, sondern nennt das Gebiet des Wildstrubels Yfisberg; er kennt aber an demselben den Lämmerngletscher und eine Blümlisalp ( Plaine morte ). Der Name Kalte Kindbelti weist auf das Kindbettihorn hin. An das Mittaghorn am Rawyl schließt sich das Massiv des Wildhorns, dessen Nomenklatur er umgekehrt hat. Das wirkliche Wildhorn benennt er nicht, sondern bezeichnet den Arpelistock als Wildhorn und das Geltenhorn als Hoch-geltenhorn; zwischen beiden liegt der Arbergrat, vor denselben das Wispilhorn ( Spitzhorn oder Walliser Windspille ?).

Westlich vom Sanetsch führt er außer dem Oldenhorn an ein Mittag-fluhhorn, ein ( unleserliches ) Muzhornund ein Rodthorn, die wir mit dem Karrhorn, dem Schlauchhorn und dem Gstellihorn ( Rothhorn im Atlas Wörl ) identifizieren können, sofern wir annehmen, Bödmer habe auch hier wie beim Wildhorn die Reihenfolge verwechselt.

In der Stockhornkette finden wir den Ganderisch ( oder Gamsengradt ) mit dem hier unzweifelhaft der Berg Gantrisch bezeichnet wird, während es bei Scheuchzer zweifelhaft ist, ob nicht die gleichnamigen, weiter westlich im Gebiet der Muscheren-Sense gelegenen Alpen gemeint sind; ferner die Bihren ( Birrenhubel und Bürglen ), den Ochsenhubel ( Ochsen ), die Mährenfluh ( Mähre ) und die Gabelfluh ( Schafarnisch ), den Rothenkasten ( Rothefluh, Schöpf ) und den Bederberg ( Bäderberg und -fluii ). In dem Rodten Zänd neben dem Bäderberg glaube ich die Gastlose zu erkennen.J ) Nach Scheuchzer und Bödmer tritt wieder ein Stillstand ein von nahezu einem halben Jahrhundert. Bodmers Arbeiten blieben in den Gewölben der bernischen Kanzlei vergraben und wurden von den Topographen und Kartographen nicht benutzt. Wir suchen in Stanians „ Account of Switzerland " ( 1714 ) A. Ruchats ( G. Kypseler ) „ Délices de la Suisse " ( 1714, 1730 etc. ) Altmanns Versuch einer Beschreibung der Helvetischen Eisberge " ( 1750 ) u. s. w. umsonst nach neuen Bergnamen und auch die Schweizerkarten der Jaillot, de l'lsle, de Fer, Tillemon, Vaugondy, der Schenk, Covens und Mortier, Homann, Lotter, Seutter, Roth u. s. w. bringen keine Bereicherung der Bergnomenklatur. Die einen stützen sich auf Schöpf und Scheuchzer, die andern auf die Gyger'schen Karten,2 ) die für unser Gebiet wenig Bergnamen aufweisen. Einzig Samuel Loups Karte des westlichen Oberlandes :J ) nennt uns einen neuen Voralpengipfel, den Homberg ( Hornfluh ) bei Zweisimmen, und einen Mont „ Erberstoub ", in dem man mit einiger Mtihe die Alp Erbetlaub im Abithal, westlich von Oberwyl im Simmenthal, erkennt.

Micheli du Crest's Panorama von Aarburg, 1755, hat zwar das Verdienst, der erste Repräsentant eines neuen Faktors in der landeskundlichen Litteratur zu sein, stützt sich aber durchaus auf Scheuchzers Karte und hat, abgesehen von Mißschreibungen und Mißdeutungen, nichts Neues aufzuweisen.* ) Der Erste, der nach Scheuchzer sich wieder einläßlich mit der Orographie der Schweiz beschäftigt, ist der Berner „ Fürsprech vor den Zweyhunderten " Gottlieb Sigmund Grüner ( 1717-1778 ), dessen „ Eisgebirge des Schweizerlandes " 2 ) trotz ihrer vielen Mängel ein sehr bedeutendes Werk sind. Es ist erstaunlich, welche Menge von Material Grüner in den „ Eisgebirgen " zusammengetragen hat, aber ebenso erstaunlich, wie die Fülle des Stoffes, ist die mangelhafte Sichtung und Ordnung desselben.

Gruner's persönliche Bekanntschaft mit dem Hochgebirge und sogar mit dem ihm zunächst liegenden Teile desselben, dem Berner Oberlande, war eine ganz oberflächliche. Wer den Tschuggen zwischen Lauterbrunnen und Grindelwald für einen Schneeberg hält und von der großen Mühseligkeit und Gefahr des Überganges über die kleine Scheidegg spricht, kann das Gebirge kaum aus eigener Anschauung gekannt haben. Die Schilderungen von Bergwanderungen, die in den Reisen zu finden sind, tragen auch deutlich den Stempel der Fiktion und sind nur der gewählten Form zu lieb, als Einkleidung der topographischen Beschreibung, geschrieben worden.

Durch den Mangel an eigener Beobachtung war Grüner genötigt, sich auf seine Korrespondenten zu verlassen, und verstand es nicht immer, ihre Mitteilungen zu sichten und richtig zu verbinden. Die einzelnen Bilder, aus denen er seine Rundschau über das Hochgebirge der Schweiz zusammenfügt, passen nicht genau aneinander; Maßstäbe und Horizont sind verschieden, die Ränder passen nicht zusammen, da fehlt ein Zwischenstück, dort greifen die Bilder übereinander, so daß dieselbe Partie zweimal dargestellt ist, und Grüner war nicht der Mann, die Lücken auszufüllen und die Bilder richtig aneinander zu fügen. So geht er von Lauterbrunnen direkt nach Frutigen und Adelboden über, ohne das dazwischenliegende Kienthal und seine Berge zu erwähnen. Über die gegenseitige Lage von Wildstrubel, Lötschberg, Engstligenalp, Gastern, Gemmi, Ammerten in Lauterbrunnen und Ammertengrat bei Adelboden scheint er sehr unklare Vorstellungen zu haben.* ) Im Saaneugebiete erwähnt er das Oldenhorn bei Gsteig und den Berg Odon bei Châtelet, ohne zu ahnen, daß Oldenhorn und Odon ( Becca d' Audon ), Gsteig und Châtelet identisch sind. Hie und da verwechselt er die Thalseiten und versetzt die Berge; mit den Himmelsgegenden springt er höchst willkürlich um; seine Karten sind rein schematisch, stark verzerrt, so ungenau, dali sie weder die absolute noch die relative Lage der Berge bestimmen lassen, und stimmen weder mit dem Texte noch mit den Legenden zu den beigegebenen Kupfern Uberein. Und doch, trotz aller dieser groben Fehler und Mängel sind Gruners „ Eisgebirge " ein wichtiges topographisches Werk und insbesondere wertvoll für die Nomenklatur unseres Gebietes, für welches es so viele neue Bergnamen erwähnt, daß ich von ihnen nur diejenigen erwähne, die ganz oder annähernd mit einem jetzigen Gipfelnamen desselben Gebietes übereinstimmen oder, wenn anders lautend, doch unzweifelhaft bestimmt werden können. Es ist freilich auch bei gleichlautenden Namen des gleichen Gebietes nicht immer sicher, daß Grüner auch den gleichen Berg gemeint habe, denn die Verschiebungen und Verwechslungen sind bei ihm sehr häufig. Nicht mit Unrecht sagt Be8son ( s. pag. 253 und 254 ) von ihm, er sei „ sujet à nommer quelquefois une chose pour une autre ".

In der Titlisgrupe nennt er neu den Grassen ( Bd. II, p. 192),2 ) den Ochsenkopf und die Gadmerflühe, in der Dammagruppe den Furtwang, das Steinhaushorn, die Kilchleni ( Kilchlistock ), die G eimerberge und die Spitalnonne ( Spitalnollen an der Grimsel ), sowie außerhalb des eigentlichen Oberlandes den Galen ( Galenstock ). In der Wetterhorugruppe zwischen Hasli, Scheidegg, Lauteraarsattel und Unteraar den Jauchliberg ( Juchlistock ), ßrustberrj ( Brünberg ), das Branderlamm- und das Rizli- hörn, ferner das Burghorn ( Hoh,jägiburg ), das Engelhorn und Stellihorn, das Kammlihorn ( Kammligrat ?) und das Wellhorn.

In der Faulhornkette finden wir die Hundsfluh ( Schwarzhorn ), den Garzen ( Garzenscheer ), den Wandel ( Wandelhorn ) und die Winteregg-Birren, die Grüner freilich irrtümlicherweise auf die linke Seite des Grindelwaldthales versetzt, sowie er auch den Juchlistock in der Kette der Zinkenstöcke sucht und Engel- und Stellihorn verwechselt.

Im Finsteraarhorn- und Schreckhorngebiet sind erwähnt das Finsteraarhorn, das hier zum erstenmal unter seinem jetzigen Namen erscheint, und das Lauteraarhorn und in der Jungfraugruppe Eigers Breithorn ( Eiger ) und Eigers Schneeberg ( Mönch ), die Vordere Jungfrau ( Schwarzmönch ) mit dem Münch und die Jungfrau, die auch Rothberg genannt wird, das Bärenflühli, das Ebneflühli, das Großhorn, das Breithorn, und das Tschingelhorn.] ) In der Blümlisalpgruppe zwischen Lauterbrunnen, Tschingelgletscher und Kanderthal finden wir neu das Gespaltenhorn. Die Blümlisalp selbst und ihre Nachbaren sind ebensowenig erwähnt, wie, in der Wasserscheide zwischen Aare und Rhone, Balmhorn und Alteis, obwohl schon Rebmann die Frau, Bodmer Alteis, Balmhorn und die Gipfel des Lötschengrates kannten. Die Angaben über das Gebiet von der Wetterlücke bis zur Gemmi und zwischen Lauterbrunnen und Kandersteg sind überhaupt so dürftig und ungenau, daß man annehmen muß, Grüner habe das ganze Gebiet übersehen oder sich keine Nachricht darüber verschaffen können. Besser kommt das Wildstrubelmassiv weg. Grüner nennt zwar auch den Lötschberg Breiteis oder Großer Strubel, was offenbar auf einer Verwechslung beruht, er kennt aber doch den echten Strubel mit dem Kindbettihorn, dem Hühnerleitern ( Steghorn ), Ammerlengrat und -hont, Weißhorn und Thierberghorn ( Gletscherhorn am Thierbeiggletscher ), dem Laufbodenhorn. Ob sein Schwarzhorn mit dem Schwarzhorn südlich vom Lämmerngletscher identifiziert werden kann, ist fraglich; Lage und Beschreibung passen besser zum Rohrbachstein.

In der Wildhorngruppe nennt Grüner zum erstenmal das Wildhorn mit seinem jetzigen Namen, ferner das Mittaghorn am Rawyl, das Iffigenhorn, das Niesen- oder Nasenhorn, das Vollhorn, das Hahnenschritthorn, das Spitzhorn oder Windspilletihorn,2 ) das Muttenhorn ( Mutthorn ); als Hühnerhorn bezeichnet er den Punkt 2739 nördlich vomDie Beschreibung paßt besser auf Mittaghorn, Groß- und Breithorn.

2 ) In den Reisen ( I, p. 162/3 ) unterscheidet er richtig zwischen dem Spitzhorn und der nördlicher gelegenen Wallis Windspille, und es ist auch sein Verdienst, darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß der Dungel, den noch Micheli du Crest zu den Hochgipfeln rechnet, ebensowenig ein solcher ist, wie die Engstligenalp, das Geilshoru und der Metschberg.

Arpelistock ), ein Name, der jetzt noch bei den Anwohnern üblich ist und es wohl verdiente, wieder aufgenommen zu werden.In der Gruppe der Diablerets erwähnt er außer dem Oldenhorn das Mittaghorn ( Karrhorn ), das Schluchhorn ( Schlauchhorn ), das Stelli-(Gstellihorn ) und das Munteren- oder Mummershorn ( Gros Mouton ).

Die eigentlichen Voralpen von der Emme bis zur Saane fallen nicht in den Bereich der „ Eisgebirge " und werden deshalb von Grüner nicht behandelt; eine Ausnahme machen nur das Lattenhorn ( Lauenenhorn ) nördlich vom Trüttlisberg, dessen Pfad das Saanenthal mit der Lenk verbindet, und einige schon von früheren Autoren benannte Punkte der Stockhornkette.

Grüner ist nun, wie vor ihm Schöpf, Rebmann und Scheuchzer, für einige Jahrzehnte die Hauptautorität für die Topographie des Hochgebirges; aber in den Karten läßt sich bis gegen Ende des Jahrhunderts kaum ein Einfluß seiner Nomenklatur des Berner Oberlandes spüren. Es sind von 1760 bis 1790 eine große Zahl von Schweizerkarten erschienen; namentlich in Frankreich, wo, wie in Voraussicht der Dinge, die da — 1798 und 99 — kommen sollten, mehrere Kartographen wie Brion, Bonne, Desnos, Daudet, Haumann, Clermont u.a. sich mit der Schweiz beschäftigten, aber auch in England, wo John Rocque A. Rouviers Karte revidierte, in Nürnberg, wo der Homann'sche Atlas erschien, und in der Schweiz selbst, wo Thurneysen, Grasset u.a. Karten publizierten. Alle diese Karten, soweit sie überhaupt Bergnamen bringen, stecken noch ganz in der Nomenklatur ihrer Vorgänger aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und wo sie etwas Neues bringen, ist es meist etwas Falsches. Am einläßlichsten behandelt unser Gebiet die Bernerkarte Gabriel Walsers ( 1766)2 ), aber abgesehen von einigen groben Fehlern in der Lage der Berge, bringt sie uns nichts von Belang, als den Namen Inner Eiger für den Mönch, der bei M. du Crest Jungfrauberg, bei Grüner Eigers Schneeberg heißt.

In den Topographien und Beschreibungen der Schweiz dagegen fand die Gruner'sche Nomenklatur als Ergänzung derjenigen Scheuchzers teilweise Aufnahme, so in den späteren Bänden des schweizerischen Lexikons von J. J. Leu ( 1743—65, Supplement 1784—95 ), in D. Herrlibergers Topographie der Eidgenossenschaft ( 1752—73 ) und Topographie der Helvetischen Gebirge etc. ( 1774 ), in Fäeis und Füeßlins Staats- und Erdbeschreibungen ( 1765—68 und 1770 — 72 ), in Tscharners und Hallers Dictionnaire de la Suisse ( 1775 ) 3 ) und in Zurlaubens Tableaux de la Suisse ( 1780 und 86 ).

M Vgl. Jahrbuch des S.A.C., XVIII, p. 106.

Es ist also weder von den Karten, die nicht so weit gehen wie Grüner, noch von den allgemeinen geographischen Schriften, die nicht weiter gehen als Grüner, von 1760—90 eine wesentliche Bereicherung der Bergnomenklatur zu erwarten.

Es beginnt nun aber eine neue Zeit für die Wertschätzung der malerischen Schönheit des Hochgebirges und speciell des Berner Oberlandes. Seit Scheuchzers Alpenreisen, Albrecht Hallers „ Alpen ", Windhains und Martels Reiseberichten aus dem Chamonix hatten die Alpen nach und nach den Ruf einer unnahbaren, abschreckenden Wüstenei verloren. Wenn auch noch Grüner in seinen Schilderungen der Alpennatur mit den Epitheta „ fürchterlich, schrecklich, gräßlich, abscheulich " keineswegs kargt, so gewinnen doch andere Vorstellungen über landschaftliche Schönheit mehr und mehr Boden. Es kommen Reisende, denen die Großartigkeit des Gebirges die Mühsal des Weges aufwiegt, und wenn sie sich auch meist auf die Thäler beschränken, so überschreiten sie doch auch dann und wann einen Paß oder besteigen einen Vorgipfel. Maler und Zeichner stellen sich ein, die andere Landschaftsideale kennen, als Ebenen und zahme Hügelländer und lieber Felsen und Berge, Wasserfälle und Gletscher malen, als Prospekte über geschnörkelte Gärten mit Fontainen, künstlichen Grotten und hohen, zierlich geschnittenen Taxushecken.

Im Jahr 1777 erscheint das erste Reisehandbüchlein für das Berner Oberland' ), anonym, aber von einem wohlbekannten Verfasser, Jakob Samuel Wyttenbach, Prediger am großen Spital in Bern, und in demselben Jahre giebt der Berner Buchdrucker Wagner, ein eifriger Bergfreund und Alpenwanderer, als erste Dekade einer Sammlung schweize-zerischer Ansichten, zehn „ Prospekte aus dem Lanterbrunnenthale " von dem Maler Kaspar Wolf heraus, ein Werk, zu dem Albrecht Haller die Vorrede und Samuel Wyttenbach den Text schrieb. 2 ) Wyttenbach hatte schon 1771, im Alter von 23 Jahren, eine .„Berg-reise " über die Grimsel ins Wallis unternommen und deren Beschreibung 1777 in dem Bernerischen Magazin publiziert 3dieselbe enthält indessen fast keine Bergnamen und der Autor beklagt es, von solchen nichts zuKurze Anleitung für diejenigen, welche eine Reise durch einen Teil der merkwürdigsten Alpgegenden des Lauterbrunnenthals, Grindelwald und über Meyringen auf Bern zurückmachen wollen ( Bern 1777 ).

3 ) J. S. Wyttenbach: Beschreibung einer Reise, die im Jahr 1776 durch einen Teil der Bernerischen Alpen gemacht worden ( Bern 1777; auf dem Titelblatt ist zwar 1776 angegeben, da aber sowohl Wagner's Prospektus, wie Hallers Vorrede von 1777 datiert sind, so ist wohl das letztere Datum richtig ). Die Wagner'sche Sammlung wurde 1785 von B. Hentzi wieder aufgenommen, ging aber an der Theilnahmlosigkeit des Publikums bald zu Grunde.

:) ) Bernerisches Magazin der Katur, Kunst und Wissenschaften. I, 2. Abt ., p. 67 u. ff. ( Bern 1777 ).

wissen; die „ Anleitung " und die „ Beschreibung ", die nur den bekanntesten Teil des Oberlandes berühren und sich hinsichtlich der Nomenklatur hauptsächlich auf Grüner stützen, bieten uns geringe Ausbeute, und auch seine im nächsten Jahrgang des Magazins veröffentlichte Abhandlung über die Schweizer Alpen l ) enthält nichts für unseren Zweck Dienliches.

Auf der rechten Thalseite von Lauterbrunnen erwähnt er in der „ Beschreibung " u.a. die Hunnenfluh, das Giebelsteinhorn, den Tschuggen, das Lauberhorn und das Galtbachhorn in der Kette des Männlichen, auf der linken das Spitzhorn über dem Steinberg, das Schilthorn und den Schwarzen Birig oder Bietenhorn ( Schwarzbirg mit Schwarzgrat, welchem das Bietenhorn angehört ); im Hintergrunde des Thales nennt er Breithorn und Tschingelhorn, über deren Identität mit den jetzigen Gipfeln gleichen Namens nach Taf. I kein Zweifel bestehen kann, und als Appendix des Tschingelhorns die Tschingelhörner ( Lauterbrunner Wetterhorn ). Die Jungfrau, mit Einschluß von Silberhorn und Schwarzmönch, heißt nun in Taf. XI schlechtweg Jungfrau, und aus derselben Tafel geht deutlich hervor, daß sein Münch nicht der Schwarzmönch selbst, sondern nur der kapuzenartige Felskopf an demselben ist.

Reichere Ausbeute an neuen Bergnamen, als bei Wyttenbach selbst, finden wir bei William Coxe, dessen Gewährsmann für die Nomenklatur des Oberlandes Wyttenbach war. Coxe hat die Schweiz zwischen 177(> und 1787 dreimal bereist und seine Beobachtungen über Land, Leute und Staatsverhältnisse der Schweiz in einem Reisewerke niedergelegt, das in mehreren Ausgaben erschienen ist und verschiedene Übersetzungen und Zusätze erlebt hat.a ) In Bern hat er u.a. Sarn. Wyttenbach besucht und sich von ihm die Berge des Panoramas von Bern nennen lassen, unter denen als neuerwähnt hervorzuheben sind: die Blümlisalp, der Bellenhöchst, das Sciinabelhorn ( Lobhorn ), die Schwalmeren, die Kirchfluh, der Latreyenfirst und der Dreispitz ( zwischen dem Suld- und dem Kienthal ) die Rothen Zähne ( Gspaltenhorn ) und das Mittaghorn in Lauterbrunnen. Seine Nomenklatur füllt mit ihren Namen aus dem Gebiet zwischen Lauterbrunnen und Kanderthal gerade die größte der Lücken aus, die Grüner in den „ Eisgebirgen " offen gelassen hatte.

Neben William Coxe's Reisen erscheinen bis gegen das Ende des Jahrhunderts eine Reihe anderer Reiseschilderungen aus der Schweiz: die Description und die Nouvelle Description Bourrus ( 1781 und 85 ), K. V. v. Bonstettens Briefe über ein schweizerisches Hirtenland ( 1782 ), StorrsBernisches Magazin. II, 1. Abt ., p. 176 u. ff. ( Bern 1778 ).

- ) W. Coxe: Sketches of thè naturai, civil and politicai State of Switzerland ( London 1779 ). In der ersten Ausgabe findet sich Wyttenbachs Nomenklatur nicht, wahrscheinlich aber in der mir nicht zugänglichen zweiten Ausgabe: Travels in Switzerland ( London 1789 ) und sicher in der französischen Übersetzung: Voyage en Suisse de M. Villiam Coxe ( II, p. 304, Paris 1790.

Alpenreise ( 1784-86 ) x ), Meiners'Briefe über die Schweiz ( 1788 ) die uns alle wenig oder keine Ausbeute gewähren. Auch H. B. de Saussures berühmte „ Voyages dans les Alpes " ( 1779-1796 ) machen hievon keine Ausnahme.

Die Nomenklatur der Berge des Berner Oberlandes ist überhaupt nach Grüner und Wyttenbach schon so weit entwickelt, daß von allgemeinen Werken und Reisebeschreibungen nicht mehr viel zu erwarten ist, dagegen bringen uns die Monographieen über einzelne Thäler, die auf Anregung der Berner ökonomischen Gesellschaft da und dort ausgearbeitet wurden, noch einige neue Namen.

In dem Raritetenkasten von Lauterbrunnen2 ) von 1786 nennt uns der Anhang, der wahrscheinlich von Gottlieb Siegmund Studer ( s.pag. 255 n. ff. ) herrührt, den Männlichen, das Breithorn ( Inner Eiger oder Mönch ), das ( Lauterbrunnen Wetterhorn, das obere Ilauri ( Mutthorn, Birghorn oder Tschingelhorn ?), die Ilunds/luh und das Hundshorn am Paß über die ( Sefinen- ) Furggen, den Sausgrat, das Schwarze und das Weiße Gebirg ( Schwarz- und Weißbirg ), das Bietenhorn ( als besonderen Gipfel ) und das Saushorn ( Marchegg ?).

Für Grindelwald giebt uns der „ Versuch einer Beschreibung des Grindelwaldthales " 3 ) 1787 einige Ausbeute. Im Texte nennt er von den Bergen der Faulhornkette zum erstenmal das Schwarzhorn mit seinem jetzigen Namen, ferner das Röthihorn und den Wildgerst; in der sehr rohen Karte auch das Burghorn ( Burg oberhalb Burglauenen ) und den Gemsberg am Schwarzhorn. Schade, daß der zweite Teil des „ Versuchs ", der die Gebirge südlich von Grindelwald behandeln sollte, nie erschienen ist!

Von 1784 an mehren sich, der wachsenden Reiselust entsprechend, die Reisehandbücher für die Schweiz. Wir finden derselben bei Ebel, Peyer und Coolidge von 1784-1796, abgesehen von neuen Ausgaben und Übersetzungen, neun aufgezählt 4 ). Soweit ich dieselben zu Gesicht ) K. Storr: Alpenreise im Jahr 1781 ( Leipzig 1784 und 1786 ), erwähnt im I. Bande, p. 112, das Hauri in Lauterbrunnen, das nach Grüner der Fuß des Steinbergs, nach Wyttenbach das Birghorn und nach Storr mit dem Tschingelhorn identisch ist. I, p. 114, nennt er ein Schmadershorn ( SchmadrirückII, p. 20, ein zweizackiges Hundeckhorn ( Älplistock bei der Handeck ?).

* ) Baritetenkasten von Lauterbrunnen, das ist phisisch topographische Beschreibung der Thalschaft Lauterbrunnen. 1786. ( Manuskript aus dem Nachlaß Gottlieb Studers jetzt im Besitz Hrn. Pfarrer Kohlers in Maikirch bei Bern, dessen Gefälligkeit ich die Einsicht in den Raritetenkasteu verdanke. ) 3Versuch einer Beschreibung des Grindelwaldthales " ( von B. F. Kuhn ) in Bd. I, p. 1-28, des Magazins für die Naturkunde Helvetiens, herausgegeben von Albrecht Höpfner ( Zürich 1787 ).

41784. Wegweiser für Reisende durch die Schweiz ( Aarau ).

1785.Reichard: Handbuch für Reisende aus allen Ständen.

1786.Besson: Manuel à l' usage des savans et curieux qui voyagent en Suisse ( Berne ).

bekommen konnte, gehen sie selten über die Nomenklaturen von Grüner und Wyttenbach hinaus und enthalten deshalb wenig oder nichts Neues; in ßesson's Manuel finden wir als spärliche Ausbeute den Tosse ( Dossenhorn ) in der Wetterhorngruppe, die Planplatte und das Balmeregghorn in dem Grate westlich vom Genthal ( II p. 68, 77 und 78 ). Auf das zweite Werk Heideggers: „ Über das Reisen in der Schweiz1*, haben schon die Aufnahmen für das projektierte Relief der Schweiz im Auftrage J. R.M.eyers und die Arbeiten von J. G. TrallesEinfluß geübt.

Wie das Anwachsen der Reiselitteratur, zeugt auch die Zunahme der künstlerischen Darstellungen aus dem Hochgebirge von dem gesteigerten Interesse für die Alpen, das sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einstellt.

Die Kosmographen und Chronisten des 16. Jahrhunderts begnügen sich noch damit, den topographischen Teil ihrer Werke gleichsam symbolisch durch Wappenbilder zu illustrieren; im 17. Jahrhundert treten an die Stelle der Wappen Ansichten von Städten, Schlössern u. s. w., aber die Bilder aus dem Gebirge sind z.B. in Merians Topographie noch dünn gesäet und geringwertig, was freilich nicht hindert, daß einige derselben noch im 18. Jahrhundert von Scheuchzer und Kypseler verwendet werden. Selbst Herrliberger steht wenigstens in den beiden ersten Bänden der Topographie der Eydgenossenschaft noch auf dem Standpunkte Merians. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird das Hochgebirge ein Lieblingsgebiet der künstlerischen Darstellung mittelst Pinsel, Grabstichel und Radiernadel. So unbeholfen und schematisch noch Micheli du Crest's Prospect géométrique und die Kuperstiche A. Zinggs zu Gruners „ Eisgebirgen " sind, so sind sie doch als Grenzsteine einer neuen Kunstrichtung bedeutsam. Die Ansichten der Wagner'schen und Henzi'schen Sammlung ( von Wolf, Rosenberg u.a. ) stehen schon auf weit höherer Stufe, sind aber immer noch da und dort etwas steif, man möchte sagen stilisiert, und kommen weder an Naturtreue, noch an künstlerischer Auf- 1787—9. ( H. Heidegger :) Handbuch für Reisende durch die Schweiz ( Zürich ). 1788. Guide du voyageur en Suisse ( Lausanne ). 1790. Guide des voyageurs en Suisse ( Paris ).

1792.H. Heidegger :) Über das Reisen in der Schweiz ( Zürich ).

1793.J. G. Ebel: Anleitung auf die nützlichste und genußvollste Art die Schweitz zu bereisen ( Zürich ).

1796. ( J. G. Heinzmann ?): Nachrichten für Reisende in der Schweiz ( Bern ).

fassung den Werken der Aberli, Rieter, Biedermann, Lafond, Lory ( Vater und Sohn ), König u. s. w. gleich, die in den letzten Jahrzehnten des 18. und den ersten des 19. Jahrhunderts Bern zu einer Hauptstätte der alpinen Landschaftsmalerei machten.

Neben der eigentlichen Landschaftsmalerei entwickelt sich aber auch, allerdings sehr langsam, erst 30 Jahre nach Michelis „ Prospect ", das Panorainenzeichnen.

In der Cfstschweiz war es H. C. Escher ( von der Linth ), der, die Bedeutung der genauen Gebirgszeichnung für Geologie und Topographie erkennnend, sich der Panoramenzeichnung befliß; in der Westschweiz ist es namentlich Gottlieb Siegmund Studer ( 1761-1808 ) von Bern, der wie sein Sohn, unser unvergeßlicher Gottlieb Studer, ein begeisterter Freund, genauer Kenner und trefflicher Zeichner der Berge war und schon im Jahr 1777 das Stockhorn, 1780 die Schwalmeren, das Große Hundshorn und die Höhe der Gamchilücke bestieg. G. S. Studer hat eine große Zahl von Panoramen und Alpenansichten von der flüchtigen Skizze bis zum ausgeführten Kunstblatt hinterlassen.Die meisten sind leider nicht datiert; die Nomenklatur hat dem Zeichner offenbar noch viele Schwierigkeiten bereitet; Rebmann ist immer noch für einzelne Partieen die einzige Autorität; die Namen sind oft geschrieben, ausgestrichen und wieder geschrieben, oder durch ganz andere ersetzt worden. Manche Punkte tragen zwei, drei Namen neben und übereinander.

Sein erstes größeres Panorama zeichnete Studer 1783 in der Land-schreiberei Interlaken. Von neuen Namen nennt er uns in den nördlichsten Zügen der Faulhornkette längs des Brienzersees die Hohe Burg ( Lütschen-und Bättenalpburg ) bei Iseltwald, das Furggehorn, das Lägerhorn ( Läger-Rothhorn ), das Laucherhorn, das Oberberghorn und das Gummihorn bei der Schynigen Platte, an der Jungfrau das Silberhorn oder Zuckerstock. Die Ebnefluh hieß zuerst Stufisteinhorn; der Name ist dann aber ausgestrichen und durch die jetzige Bezeichnung ersetzt worden; an der Schwalmeren kennt er das Glütschhorn ( Hohganthorn ), von der Kette des Morgenberghorns den Abendberg. In dem Panorama vom Röthihorn neben dem Faulhorn, das wahrscheinlich aus der Mitte der achtziger Jahre stammt, finden wir den Berglistock neben dem Wetterhorn, die Hörnli am Eiger, der Eigers Geisberg benannt wird, den Männlichen, das Ärmighorn, das Roth- oder Trättenhorn ( Drettenhorn ), das Lobhorn oder Schnabel und den Ars oberhalb Isenfluh; die Nomenklatur ist aber noch nicht sicher; so verwechselt er das Tschingelhorn mit dem Lauterbrunner Wetterhorn und belegt den Tschingelgrat und das Gspaltenhorn mit den Namen Bittlosa und Rothe Zähne.

Reichhaltiger, aber ebenso unsicher, ist die Nomenklatur bei demDie Mehrzahl derselben ist jetzt Eigentum der Sektion Bern S.A.C.

Panorama von der Alp Isleten an der Schynigen Platte, das aus derselben Zeit stammen mag und wahrscheinlich eine korrigierte und hinsichtlich der Bergnomenklatur bereicherte Kopie des Panoramas von H. Filßli ist. Wir finden darin das Schwabhorn und das Sägissenhorn ( Burg in den Sägishörnern ) in der Faulhornkette; die Strahleck heißt „ Strahleck " der Grindelwaldner, Mittelgrat der Hasler; neben den Namen Eiger, Großer Mönch und Jungfrauenhorn stehen die unsicheren älteren Bezeichnungen Eigers Geißberg, Eigers Schneeberg und Eigers Breithorn; neben der eigentlichen Jungfrau steht noch einmal das Jungfrauenhorn und darunter die Namen Silberhorn und Zuckerstock. l ) Zwischen Breithorn und Tschingelhorn, das immer noch Wetter- oder Tschingelhorn heißt, ist die Wetterlücke bezeichnet; der Tschingelgrat mit dem Tschingelspitz heißt Lauterbrunner Eiger und trägt den Bütt-lassengletscher; für das Gspaltenhorn, neben welchem die Blümlisalp auftaucht, sind drei Namen angegeben: Rothe Zähne, Gspaltenhorn und Büttlassenhorn; überhaupt sind die doppelten und dreifachen Benennungen in diesem Panorama so häufig wie in keinem andern; es liegen da offenbar zwei Nomenklaturen miteinander im Streite.

Sind diese drei Panoramen noch skizzenhaft gehalten, so ist die Alpenansicht von der Egg bei Thierachern ( 1788 ) von der dieses Jahrbuch eine Reproduktion in Farbendruck bringt, ein eigentliches Kunstblatt; in dem zugehörigen Beiblatt, das uns nach dem Röthi-Panorama nicht viele neue Namen mehr bringen kann, hat sich die Nomenklatur schon etwas abgeklärt; die Bittlosa ist nun nicht mehr das ganze Massiv der Gspaltenhörner, sondern nur die nördlich davon aufragende Blittlassen, und das Gspaltenhorn selbst erscheint unter seinem jetzigen Namen: „ in Lauterbrunnen soll es das Gspaltenhorn heißen ". Von ganz neuen Namen finden wir darin das Spitzhorn ( Spitze Fluh ) im Ralligberg ( Ralligstöcke ) und den Engel oder die Wetterlatte im Suldthal.

Das Hauptwerk Studers ist aber das 1790 erschienene PanoramaDie Naraengebung war überhaupt in keinem Teil der Berner Alpen so schwankend, wie in der Gruppe der Jungfrau. Der Mönch scheint lange Zeit nur als zweiter Gipfel des Kigers gegolten zu haben. Grüner sagt ( 1. c. I 93 ): „ Das ganze Gefolge des Eigers wird der Innereiger oder Hintereiger genannt. " Sogar die Jungfrau scheint hie und da noch zum Innereiger gerechnet worden zu sein. Von Micheli du Crest's Prospect géométrique 1755 bis zu Studers Chaîne d' Alpes 1790 finden wir für Eiger, Mönch und Jungfrau folgende Namen angegeben:

Eiger, Großeiger, Eigers Breithorn, Vordereiger, Eigers Geißberg.

Mönch, Innereiger, Hintereiger, Eigers Schneeberg, Eigers Breithorn, Jungfrauberg, Groß-Mönch, Weiß-Mönch.

Jungfrau, Geishorn, Jungfrauenhorn, Rothberg, Eigers Breithorn.

Es ist auffallend, daß gerade für die schönste Gruppe unserer Berge, für die Qipfel, die am weitesten ins Land hineinschauen, die Unsicherheit der Bezeichung am längsten dauerte.

von Bern, die „ Chaîne d' Alpes, vue depuis les environs de Berne ", die, von Studer meisterhaft gezeichnet, von Duncker gestochen und von Rieter koloriert, jetzt noch ein Panorama ersten Ranges ist.x ) Ebe.l ( Anleitung, 3. Ausg., p. 152 ) urteilt darüber: „ Man muß die Richtigkeit und Wahrheit dieser Zeichnung des Herrn Studer, eines bloßen Liebhabers, erstaunen, welche, man möchte sagen, die Genauigkeit einer Silhouette hat und ein unübertreffliches Muster für alle Zeichner von Gebirgsketten ist. Ebenso wahr und herrlich ist die Farbengebung, wie in allem, was aus der Hand des Herrn Rieter kommt. "

Aufgenommen auf dem „ Eichplatz " am Rande des Bremgartenwaldes, nördlich von Bern, auf dem die Section Bern des S.A.C. dem Andenken O. Studers eben einen Denkstein gesetzt hat, umfaßt die Chaîne d' Alpes die Berner Voralpen von der Schrattenfluh im Osten bis zum Stockhorn im Westen und die Hochalpen von den Thierbergen im Triftgebiet bis zum Altels.

So wertvoll dieses Panorama als Kunstblatt ist, so wichtig ist seine in einem besondern Blatte beigegebene „ Explication " für die Nomenklatur. Wagner sagt davon ( Alpenrosen, 1816, p. 156 ) sie enthalte „ die Namen von mehr als hundertundzwanzig Bergen, von denen wenigstens zwei Dritteile zwar dem Publikum unbekannt, oder doch unsicher gewesen. " Diese Unsicherheit, die sich auch bei Studer noch in den Doppelnamen der älteren Panoramen kund giebt, ist hier verschwunden; stellenweise, namentlich in den Voralpengruppen des Hohgant, des Morgenberghorns und des Sigriswylgrats, ist die Nomenklatur so vollständig, daß selbst der Siegfried-Atlas nicht viel mehr hinzufügen konnte. Neu oder in neuer der heutigen entsprechender Form nennt Studer den Schybengütsch ( Dschüb bei Schöpf ) an der Schrattenfluh, den Furggengütsch, die Steinigmatt u. s. w. am Hohgant, dessen Gesamtnamen in demselben Jahre bei Tralles ( s. pag. 254 ) erscheint; im Sigriswylgrat die Mähre, die Schörizfluh und dahinter die Sohl Fluh; in der Morgenbergkette die Schiffli, die Rothenegg u. s. w., in der Niesenkette die Bettfluh und den Drunengalm, in der Stockhornkette das Zollhorn ( Solhorn ), in der Schilthornkette den Wild Andrist und das Golderenhorn, in der Faulhornkette das Hinterbirg und das Mittaghorn ( Gassenhorn oder Simelwäng ), in dem gegenüberliegenden Riedergrat das Augstmatthorn. Von neuen Hochgipfelnamen finden wirEin anderes Panorama oder Panorainairagment von G. S. Studer: Vue du Haut du Niesen sur les Lacs de Thoune et de Brienz, von Eichler gestochen. ist 1789 in der Hentzi'schen Sammlung, eine Ansicht der Tschingelalp im Kienthal von N. König copiert, von Hegi gestochen, in den Alpenrosen 1816 erschienen. Als Datum der Chaîne d' Alpes giebt S. Wagner in dem erwähnten Jahrgang der Alpenrosen in seinem „ Andenken an Gottlieb Studer " das Jahr 1788 an; G. Studer im „ Panorama von Bern " und B. Studer in der „ Geschichte der physischen Geographie der Schweiz " nennen jedoch das Jahr 1790.

das Hangendgletscherhorn, das kleine Schreckhorn, an der Jungfrau das Schneehorn neben dem Silberhorn; der Mönch heißt nun Groß-Mönch, nicht mehr Inner Eiger oder Eigers Schneeberg; an der Blümlisalp unterscheidet er die Frau ( Weiße Frau ), die Zahme und die Wilde Frau ( Wilde Frau und Morgenhorn ), den Blümlisalpstock und das Rothhorn. Weiter westlich nennt er das Fründhorn und das Doldenhorn.

Studer ist nach dem Erscheinen der Chaîne d' Alpes noch viel gewandert und hat viel gezeichnet; er würde ohne Zweifel noch mehr geleistet haben, wenn ihn nicht der Tod schon 1808 weggenommen hätte.1 ) Das Werk, das er so kräftig gefördert hatte, die Feststellung der Nomenklatur unserer Berge, hat dann sein Sohn aufgenommen und mit rastlosem Fleiße weitergeführt, bis ihm in hohem Greisenalter die vielgebrauchten Augen versagten. Die Verdienste Gottlieb Studers um die Topographie der Alpen im Jahrbuch des S.A.C. hervorheben zu wollen, hieße Eulen nach Athen tragen, aber neben dem Sohne darf auch der Vater nicht vergessen werden r der jenem als edles Erbteil die Liebe zu den Bergen hinterlassen 2 ) und ihm durch die Fülle seiner topographischen Studien und Skizzen den Weg gebahnt hat.

Nach Studers „ Chaîne d' Alpes " ist nun die Nomenklatur des Berner Oberlandes in den Hauptzügen festgestellt. Die meisten wichtigeren Gipfel und Bergstöcke haben ihre besonderen Namen, und zwar dieselben, welche sie heute tragen. Eine Ausnahme machen die Kette des Dammastockes, für welche auch Studer keinen andern Namen weiß, als den von Schopfs Trifft mons her bekannten Sammelnamen Triftenhörn er, und die versteckt liegenden Berggruppen im Finster-Aarhorn- und Wetterhorngebiet zwischen Ober-, Unter-Lauteraar-, Gauli- und Bächligletscher, die weder Studer, noch Wyttenbach oder Grüner, noch irgend einer ihrer Vorgänger nennt und kennt.

Bis auf diese Lücken, die erst weit später durch das Erscheinen der Dufourblätter XVIII, 1854, und XIII, 1864, teilweise ausgefüllt wurden, ist die Nomenklatur des Berner Oberlandes gegen Ende des 18. Jahrhunderts schon ziemlich vollständig und stimmt mit der heutigen Uberein; sie kann wohl noch ergänzt und im einzelnen ausgearbeitet, aber nicht mehr wesentlich abgeändert werden; ich könnte deshalb hier schließen, wenn nicht in die letzten Jahre des Jahrhunderts noch ein Werk fiele, das bis zum Erscheinen der Dufourkarte die wichtigste Schweizerkarte großen Maßstabs war und einen Wendepunkt in der Entwickelung der schweizerischen Kartographie bezeichnete.

Es ist dies der Atlas général de la Suisse von J. H. Weiß ( in 16 Blättern, herausgegeben von J. R.M.eyer in Aarau ), der allerdings erst 1802 vollendet wurde, von dem aber die das Berner Oberland betreffenden Blätter X und XI schon von 1797, resp. 1800 datieren.1 ) Die Ausbeute an neuen Bergnamen ist im Weiß'schen Atlas geringer, als man bei einer Karte dieses Maßstabes erwarten sollte. Weiß, und später auch sein Mitarbeiter Joachim Müller von Engelberg haben zwar von 1786 —1798 viel Material für das projektierte Alpenrelief Meyers gesammelt, welches der Alpenkarte als Grundlage dienen sollte und teilweise auch wirklich gedient hat, aber ihre Nomenklatur ist diejenige Gruners und Studers, stellenweise ergänzt durch neue Namen, aber ebenso häufig entstellt durch falsche Schreibweise und auffallende Lücken und Mißdeutungen.

Im Dammagebiet nennt Weiß, außer den schon von anderen Autoren her bekannten Gipfeln, in der Kette längs des Oberhasle den Flaschenstock ( Flachsgarten oder Gwächtenhorn oberhalb des Diechtergletscherden Mont Mare ( Mährenhorn ) und den Benzlauistock; von den an den Sustenweg stoßenden Vorbergen das Radlefshorn und den Egliberg ( Thaleggli beim Steinden Hohstollen. In der Wetterhorngruppe finden wir den Sich Trift Mont ( Bächlistock ?), in der Finsteraarhorngruppe den Namen Rothhorn für das Finsteraarhorn 2in der Faulhornkette das Gerstenhorn, das Axalphorn und an unrichtiger Stelle das Oltschihorn ( Oltschikopf ), in der Schilthorngmppe den Wild Andrist, im Gebiet der Blümlisalp das Gerihorn und den Fisistock. In der Gruppe des Wildstrubels erwähnt er den Rohrbachstein über dem Rawyl, das Gellihorn über der Gemmi und nennt wie Grüner das Steghorn Hühnerleiterli; das Wildhorn bezeichnet er nach dem alten Gesamtnamen Uf der Gelten als Geltenhorn; in der Niesenkette finden wir den Laveygrat, das Albristhorn und den Fromberg und in den Bergen zwischen dem Diemtig-und dem Simmenthal die Spielgerten, das Rüthi- oder Seehorn und das Spitzhorn neben vielen anderen „ Monts ", die eher Alpen als Berge sind.

Die Gastlosenkette nennt er unästhetischer- aber bezeichnenderweise Fischschwänze, bietet uns aber dafür in der Stockhornkette zwischen dem Solhorn und der Simmenfluh den hübschen Gesamtnamen Rosenfluh für den Lasenberg, Nüschleten und den Heitiberg.

Die Weiß'sche Karte ist die letzte des 18. Jahrhunderts, die uns eine wesentliche Bezeichnung der Nomenklatur bietet; von den 1798 bis 1800 nach der Staatsumwälzung erschienenen Schweizerkarten von Mailet, Hérisson, Mentelle et Chanlaire, Mechel u. s. w. bringt keine etwas Neues. Sie ist auch die letzte Karte großen Maßstabs, die nicht auf sicherer trigonometrischer Basis beruht und bildet somit den Abschluß der alten empirischen Kartographie; da ihr aber doch eine Triangulation, wenn auch eine sehr ungenaue, voran oder zur Seite gegangen war, so bildet sie zugleich den Übergang in die neue, exakteKartographie und die erste brauchbare Unterlage für eine einläßliche und sichere Nomenklatur der Schweizer Alpen, den Grund, auf dem dann bis zum Erscheinen der Dufourkarte ( 1845—1864 ) die Kartographen und Topographen H. Keller, J. J. Scheurmann, J. Wörl u. A., speziell für unser Gebiet J. R. Wyß, J. Frey, Messmer, Meisner, G. Studer u. A. weiter gebaut haben.

Wir sind am Ende unserer Wanderung durch die Geschichte der Bergnomenklatur des Oberlandes von Konrad Türst bis zu Heinrich Weiß angelangt. Werfen wir einen Blick zurück auf den durchmessenen Raum, so ergiebt sich, daß derselbe in drei Abschnitte zerfällt:

Im 16. Jahrhundert, von Türsts Landtafel 1497 bis zu Rebmanns Gespräch zweier Bergen 1605, ist das Interesse für die Alpen im Wachsen und daraus ergiebt sich eine rasche Zunahme der Nomenklatur. Während die ersten Karten nur einige Pässe der Erwähnung wert erachten, finden wir bei Aretius, Schöpf und Rebmann schon zahlreiche Gipfelnamen, unter denen allerdings die Hochalpen weit weniger stark vertreten sind, als die Voralpen.

Das 17. Jahrhundert, von Rebmann bis zu Scheuchzer und Bödmer, ist eine Periode des Stillstands; das Feuer der Begeisterung für die Alpen, das die Humanisten des Gesner'schen Kreises angefacht hatten, ist erloschen, kaum glimmt noch ein Funken unter der Asche; Kartographen und Topographen zehren von den Errungenschaften ihrer Vorgänger, ohne etwas Neues hinzuzufügen.

Im Anfang des 18. Jahrhunderts tritt durch Scheuchzers Reisen eine Wendung ein, aber es dauert noch ein halbes Jahrhundert, bis der Funke zur Flamme angefacht ist, bis sich das Interesse der Kartographen und Geographen, der Naturforscher, der Reisenden und der Künstler mit Vorliebe dem Hochgebirge zuwendet und die Topographie, nicht nur der Voralpen, sondern auch der Hochalpen, eingehend studiert und in ihren Hauptzügen endgültig festgestellt wurde.

Die Arbeit der ersten Pioniere der Alpenkunde war größer und schwieriger, als wir es uns heute wohl vorstellen können. Wenn wir eine Frage der Topographie oder Nomenklatur zu lösen haben, uns in einer Aussicht orientieren oder einen Weg ausfindig machen wollen, so steht uns dazu, abgesehen von unserer eigenen Bekanntschaft mit den Bergen, ein vorzügliches Kartenmaterial, eine große Zahl von Panoramen und Ansichten und eine reiche Litteratur zu Gebote. Gewohnt, mit diesen Hülfsmitteln zu arbeiten, können wir uns nur schwer in eine Zeit zurückdenken, in der von alledem kaum die Rudimente vorhanden waren, in der die Karten ungenau in den Maßen, schematisch in der Terraindarstellung, arm an Nomenklatur waren, in der es noch keine Panoramen und wenige, meist unzuverlässige Ansichten gab und die alpine Litteratur sich auf ein paar Topographien, Chroniken, Lexika u. dgl. beschränkte, in eine Zeit, in der das Bergsteigen oberhalb der Schneelinie fast für unmöglich galt und auch unterhalb derselben, im Voralpenlande, von der Großzahl der Leute für eine sündhafte Versuchung Gottes, im besten Fall für eine Thorheit gehalten wurde. Das alles ist nun anders geworden; nicht mit einem Schlage: der Alpensinn — das Wort stammt von J. R. Wyß, dem Jüngeren — die Freude an den Bergen und der Eifer zu ihrer Erforschung, hat sich langsam entwickelt und sein Wachstum, für welches uns die Entwickelung der alpinen Nomenklatur als Gradmesser dienen darf, wurde öfters von Rückschlägen und Perioden des Stillstandes unterbrochen. Daß es anders geworden ist, daß der Alpensinn, einst das Vorrecht einzelner hervorragender Geister, nun zum Gemeingut breiter Volksschichten in allen Kulturländern geworden ist, das verdanken wir den Aposteln des Naturerkennens und des Naturgefühls von Gesner und Simmler bis auf Scheuchzer, Haller und Saussure, und nicht zuletzt unsern bernischen Pionieren der Alpenkunde Aretius, Schöpf und Rebmann, Grüner, Wyttenbach und Studer. Neben ihren in ungünstiger Zeit, mit unzulänglichen Hülfsmitteln errungenen Leistungen haben wir noch heutzutage wenig Grund, uns zu rühmen, „ wie wir 's dann zuletzt so herrlich weit gebracht. "

Tabelle der bekanntesten Berge des Berner Oberlandes mit dem Datum ihres ersten Auftretens unter ihrem jetzigen Namen.

Name.

Datum.

Autorität. Name.

Datum.

Autorität.

Albristhorn... Altels... Balmhorn Berglistock... Blümlisalp... Breithorn Doldenhorn.. Ebnefluh Eiger Elsighorn Engelhorn... Faulhorn Fiescherhorn.. Finsteraarhorn.. Frau ( Blümlisalp ). Fründenhorn...

1797 1705 1705 1783 1789 1760 c.1785 1760 1577 1577 1605 1605 1605 1760 1605 c.1785 Weiß. Bödmer.

Studer. Coxe, nach Wyttenbach. Grüner. Studer. Grüner. Schöpf.n Rebmann.

n n Grüner. 2 ) Rebmann. Studer.

Gantrisch Geltenhorn. Gifferhorn. Großhorn... Gspaltenhorn. ._ Gsür... t.. Gummfluh... Hangendgletscherhorn Harder Hohenstollen... Hohgant.. Hohniesen.,. Juchlistock... Jungfrau Kaisereggschloß Lauberhorn...

1710 1760 1605 1760 1760 1605 1605 c.1785 1605 1800 1790 1605 1760 1577 1577 1777 Bödmer. Grüner.Rebmann. Grüner.

» Rebmann.

n > Studer.

Rebmann. Weiß. Tralles. 3 ) Rebmann. Grüner.Schöpf.

ri Wyttenbach.

a ) Mons Egere,! 1252. Eigers Breithorn, 1760. Grüner. Eigers Geißberg, 1783. Studer. 2 ) Schreckshorn. oder Nadel, 1577. Schöpf.

a ) Uf der Gelten. 1578. Schöpf. ' 2 ) Gunimersin; Gummfluh, 1797. Weiß. 3 ) Furka, 1561, Aretius.Jauchliheig.

Ï

Name.

Datum.

Autorität.

Name.

Datum.

Autorität.

Lauteraarhorn...

1760 Grüner.

Schilthorn ( Gasteren ) 1705 Bödmer.

Lohner....

1577 Schöpf.

„ ( Lauterbrun. ) 1777 Wyttenbach.

Männlichen

1786 Raritetenkasten.

Schreckhorn., _.

1577 Schöpf.] ) Männliflnh...

1605 Rebmann.

Schwalmeren..

1789 Coxe nach Wyttenbach.

Mettenberg...

1577 Schöpf.Schwarzhorn 1787 Kuhn.

Mittaghorn..

1789 Coxe nach Wyttenbach.

Silberhorn...

1783 Studer.

Mönch ( Groß )..

1790 Studer.a ) Spielgerten...

1797 Weiß.

Morgenberghorn 1789 Coxe nach Wyttenbach.

Steinhaushorn..

1760 Grüner.

Neunenenfluh..

1577 Schöpf.

Sulegg..

1605 Rebmann.

Niesen... '.

1561 Aretius.

Sustenhorn.

1705 Bödmer.

Ochsen...

1705 Bödmer.

Tannhorn

1705 n Oldenhorn...

1577 Schöpf.

Tschingelhorn.

1777 Wyttenbach.

Rinderhorn 1705 Bödmer.

Titlis

1712 Scheuchzer ( Karte ).

A. 11 II V 4 \j 1 11 \J 111Rizlihorn

1760 Grüner.

Wendenstock 1705 Bödmer.

Rother Kasten..

1705 Bödmer. 9 ) Wetterhorn...

1577 Schöpf.

Rothhorn ( Brienz ).

1705 7} Wildhorn

1760 Grüner. 2Sigriswyl ) 1605 Rebmann.

Wildstrubel...

1760 n Rüblihorn...

1577 Schöpf.

Zinkenstock.

1605 Rebmann.

* ) Schreckhorn?

* ) Mettenberg, oder Finsteraarhorn? Schrickshorn, 1605, a ) Eigers Schneeberg. 1760. Grüner.

Rebmann.

Inner Eiger. 1766. Walser.

2 ) Schon 1705 bei Bödmer, aber an unrichtiger Stelle.

Eigers Breithorn. 17,>(i. üaritetenknstcn.

3 ) Rothefluh. 1577. Schöpf.

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