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Die Feldzüge der Römer in den Alpen

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Von Dr. H. Dübi ( Section Bern ).

Wer einmal von einem der weitschauenden Aussichtspunkte Oberitaliens die schimmernde Kette der Alpen betrachtet hat, wird begreifen, daß die alten Bewohner der Halbinsel in diesem Kamme den festen Grenzwall ihres Landes sahen, und vielleicht mit mehr Recht, als wir dies zu thun pflegen, die Alpen als die natürliche Burg ihrer Unabhängigkeit betrachteten** ). Und doch ist dieser Wall von den ältesten Zeiten her überstiegen und durchbrochen worden, und selbst die mächtigen Römer mußten ihre Grenzpfähle über diese Höhen hinübertragen, bevor diese ihnen den Schutz gewährten, den sie in denselben sahen und der sich auch in den Stürmen der Völkerwanderung Jahrhunderte lang bewährt hat. Zu schildern, wie die Römer sich in diesen schwer zugänglichen Ge-Tbirgen festgesetzt, wie sie diese Schluchten und Bergzüge in Gräben und Wälle ihres Reiches verwandelt haben, ist die Aufgabe dieser Darstellung, welche deswegen auch den Zeitpunkt der höchsten Machtentfaltung Roms nicht überschreiten soll.

Die sichtende Kritik der neueren Zeit hat freilich in dem Zuge des Hercules über die Alpen nur eine etymologische Spielerei mit dem Namen der Graischen Alpen, welche als die Griechischen gedeutet wurden, erkannt, und die Keltenwanderung, wie sie Livius erzählt, aus dem Zeitalter des Tarquinius Priscus in den Anfang des 4. Jahrhunderts vor Chr. verlegt* ), aber immerhin liegen in diesen Sagen verdunkelte Traditionen von der Existenz uralter Völkerverbindungen aus keltischen und germanischen nach den italischen Landen** ). Der Einbruch der Gallier war trotz der Niederlage an der Allia und der Zerstörung der Stadt nur eine vorübergehende Gefahr für das aufstrebende Rom, aber er wies die Wege, auf denen stärkere Krisen drohten, auf denen ihnen aber auch begegnet werden konnte. In Strömen hatten sich Keltenstämme über die Poebene ergossen und zwischen dem oberen und unteren Meere, den Alpen und dem Apennin niedergelassen; sie hatten sogar den letztern überschritten und waren in die Halbinsel eingedrungen; aber nachdem einmal der erste Anprall dieser Völkerwelle abgewehrt war, gelang es leicht, den Galliern ein Terrain um das andere zu entreißen, sie an den Fuß des Hochgebirges gedrängt gänzlich zu unterjochen und die Poebene und damit auch die Ausgänge der Alpen-pforten zu sichern.

Wenn wir die Gäsaten, die nach Polybius* ) in den Alpen und an der Rhone hausten, als Bewohner des Wallis ansehen dürfen, so führte sie der Kriegszug, den sie im Jahre 225 v. Chr. als Verbündete und Söldner der bedrohten Gallier gegen Rom unternahmen, und der bei Telamon in Etrurien mit ihrer Vernichtung endigte, über den Großen St. Bernhard, der damit in die Reihe der dem Alterthum bekannten Alpenpässe eintritt.

Die genialen Züge des Hannibal und Hasdrubal, deren Uebergangspunkt trotz der fast zu Bibliotheken angeschwollenen Forschungen noch immer räthselhaftLib. II, cap. 22. Nach der Notiz der fasti capitolini ad a. 222 über den Triumph des M. Claudius Marcellus wären diese Gäsaten germanischen Ursprungs gewesen. In verschiedenen alten Schriftstellern erscheinen sie als speertragende Söldner, also die ersten Reisläufer der allezeit rauflustigen Jugend unserer Berge.

30 ist, vermochten das Schicksal Oberitaliens nur zu hemmen, nicht zu wenden.

224 waren die Boier unterworfen worden, 222 die Insubrer trotz des erneuten Zuzugs von 30,000 Gäsaten. Die Festungen Placentia, Cremona und Mutina sicherten? den Besitz.

Nach der Besiegung der Karthager wurden die abgefallenen Gallier wieder unterworfen und das Machtgebiet Roms bis an die Alpen ausgedehnt. Von diesem Zeitpunkt an betrachtete der römische Senat die Alpen als „ die heilsame Schutzmauer Italiensund als-Aufgabe seiner Politik die strenge Ueberwachung derselben.

Im Jahre 186 v. Chr. erschienen 12,000 gallische Abenteurer im Gebiet der Veneter, durch die Schluchten eines bisher unbekannten Weges, wie es hie, wahrscheinlich über den Brenner, und versuchten sich in der Nähe des Ortes, wo später Aquileja gegründet wurde, niederzulassen. Sie wurden entwaffnet, ausgewiesen, ihre Ansiedlung von M. Claudius Marcellus zerstört, und es wurde eine römische Gesandtschaft über die Alpen zu ihren Landsleuten geschickt mit der Weisung: „ sie möchten ihr Volk zu Hause behalten; die Alpen lägen als eine fast unübersteigbare Grenze dazwischen, und es werde ihnen gewiß nicht besser gehen, als denjenigen, welche diese gangbar gemacht hätten.Die Gallier desavouirten die Ausgezogenen; aber im Jahre 179 kamen neuerdings 3000 Mann nach Italien. Der Senat wies sie ebenfalls aus und befahl dem Consul Q. Fulvius, ein strenges Strafgericht über diejenigen ergehen zu lassen, welche die Gallier zu diesem Alpenübergang veranlaßt hätten** ).

Solche Vorgänge legten es den Römern nahe, gegen die Alpenvölker selbst einzuschreiten, um die Alpenpässe in die eigene Hand zu bekommen; und es bedurfte dazu kaum der beständigen Heizung, welche von der Plünderung der Kaufleute und den räuberischen Ueberfällen der Bergleute in die Ebene ausging. Es waren die ligurischen Stämme im Apennin und in den Seealpen, die Salasser im Thal der Dora Baltea, die Räter im heutigen Graubünden und Tyrol, die Stceni um Trient, die Noriker und Taurisker in den Ostalpen, deren Streifzüge nicht nur eine Schädigung der friedlichen Unterthanen Roms in Italien, sondern auch ein Eingriff in die Ehre des römischen Namens waren. Zu solchen Räubereien zwang sie freilich die Noth, „ denn ", sagt der Geograph Strabo, „ in der ganzen Alpenkette sind zwar die hügeligen Gebiete leicht zu bestellen und die Thäler^ wohl angebaut, aber der größte Theil des Bodens und namentlich auf den Gipfeln, wo die Räubervölker hausen, istLivius, lib. XXXIX, cap. 22, 45, 54, 55. Zonaras, lib. IX, cap. 21. Plinius Nat. Hist. lib. III, cap. 19.Livius, lib. XL, cap. 53.

Floras, epit. II, 3. Polyb. II, 18. Strabo IV, cap. 6, 8. Dio Cassius LIV, 22.« öde und unfruchtbar wegen der Reiffröste und der Rauhheit des Terrains.Der Kampf gegen die ligurischen Völker begann bald nach Beendigung des ersten punischen Krieges im Jahre 238 und wurde, nach Ablauf des zweiten, im toskanischen Apennin von Pisae aus seit 193 so energisch fortgesetzt, daß er bald mit der völligen Unterwerfung der dortigen Stämme endigte; aber im genuesischen Apennin und in den Seealpen war der Widerstand hartnäckiger und es dauerte 80 Jahre, bis diese Stämme so weit gebändigt werden konnten, daß sie für die nach Gallien und Spanien durchziehenden römischen Heere und Kaufleute eine Strecke von zwölf Stadien Breite offen ließen, und erst zu Strabo's Zeiten waren sie vollständig unterworfen und die Verhältnisse ihres Landes nach dem Provinzialmuster geordnet. Es war ein trauriges Land, dem durch harte Arbeit nur spärliche Früchte abgewonnen werden konnten. „ Keine Scholle wurde gewendet, ohne daß das Werkzeug auf einen Stein stieß.Männer und Frauen arbeiteten gleichmäßig; den ganzen Tag schwangen sie die Axt, Bäume zu fällen und das geringe Cultur-land zu vergrößern. Der Ertrag der Jagd mehrte etwas die spärliche Nahrung, die der rauhe BodenStrabo IV, cap. 6, 9.Strabo, lib. IV, cap. 6, 3.

Diodor, lib. V, cap. 39. Dieser Schriftsteller gibt auch sonst anziehende Schilderungen aus den Alpen. Wenn diese Skizze bei den Clubgenossen Anklang finden sollte, so werde ich auf die Schilderungen der Alten über die Alpen später zurückkommen.

hergab. „ Wegen dem bei ihnen herrschenden Mangel an Früchten trinken einige Wasser und essen Fleisch von wilden und zahmen Thieren und füllen sich mit den Gemüsen des Bodens, weil sie ein Land haben, das unzugänglich ist für die freundlichsten der Götter, Demeter und Dionysos. Nur wenige schlafen Nachts in schlechten Hütten, die große Menge findet Zuflucht in hohlen Felsen und natürlichen Grotten. " Aber bei dieser Lebensweise wurden ihre Leiber schlank und musculös, die Weiber hatten in diesen Gegenden die Gelenkigkeit und Kraft von Männern und die Männer die von reißenden Thieren. Ein ausgezeichnetes Fußvolk, Schwerbewaffnete und Bogenschützen, und unerschrockene Seeleute zog das kluge Rom später aus den Seealpen und dem angrenzenden Apennin. Seit dem Jahre 166 ruhten hier die Kämpfe und nur selten hatten die Römer einzuschreiten, so 154 gegen die Oxybier und Dekeaten, welche einen Angriff auf die Städte Antipolis und Nicaea, Seestationen der Massalioten, gemacht hatten. Als eine römische Gesandtschaft nichts ausgerichtet hatte, ja von den Ligurern zum Theil getödtet worden war, griff der Consul Q. Opimius sie an, schlug und entwaffnete sie und stellte ihr Land unter die Botmäßigkeit von Massilia* ). Lockender als dies Gebiet war das Land der Salasser wegen der Goldwäschereien im Thal der Dora Baltea. Unter dem Vorwand, den Streit zwischen den Bewohnern der Berge und der darunter liegenden Ebene um das Wasser zu schlichten, welches die Einen zum Schwemmen des Goldquarzes, die Andern zur Bewässerung der Felder brauchten, und nach einem mißlungenen Sühneversuch rückte der Consul M. Appius Claudius im Jahr 143 ein und besiegte sie nach einer anfänglichen Niederlage, die ihm das tapfere Volk beigebracht hatte* ). In Marius'sechstem Consulate, 100 v. Chr., wurde die Colonie Eporedia ( Ivrea ) angelegt, welche die Westalpen wie Aquileja die Ostalpen hüten sollte. Die Goldwäschereien waren nun freilich in den Händen römischer Pächter, aber die Salasser zogen sich auf ihre unzugänglichen Höhen zurück und ließen sich für die Zulassung des Wassers bezahlen, was wegen der Habsucht der Pächter zu häufigen Streitigkeiten und bewaffneten Interventionen der Statthalter Anlaß gab.

Auch erhoben sie Tribut und Zölle von den durch ihr Land über den Großen und Kleinen St. Bernhard ziehenden Kaufleuten und überfielen in räuberischer Weise die Ebene am Fuß ihrer Berge** ). Barbarisch waren ihre Verheerungen; sie suchten selbst die Saaten auszureißen und, wenn dies nicht gelang, in den Boden hinein zu stampfen, was freilich die von ihnen nicht beabsichtigte Wirkung hatte, daß das so durchgearbeitete Land reichlichere Frucht trug und die Erfindung der Egge veranlaßte, wie Plinius berichtet. Selbst römische Heere schonten sie nicht. Als Q. Pedius, der Legat Cäsar's, im Anfang des Jahres 57 v. Chr. zwei neugeworbene Legionen aus dem diesseitigen nach dem jenseitigen Gallien führte, vermuthlich über den Pceninus, den Großen St. Bernhard, rollten die Salasser unter -dem Vorwande, daß man ihnen Weg- und Brückenbau .abzwingen wolle, Steine auf die Durchmarschirenden und plünderten die Kriegskasse. Lange blieben die Salasser für diesen Frevel unbestraft, denn der Versuch Cäsar's, den Paß von der Walliser Seite her zu öffnen, mißlang, wie wir später erzählen werden * ).

Im Bürgerkrieg mußte D. Brutus, einer der Mörder Cäsar's, als er vor den Triumvim von der Isère flüchtete {42 v. Chr. ), seinen Durchmarsch durch das Gebiet der Salasser um Geld erkaufen. Bald darauf rückte Antistius Veter im Auftrag des Octavian überraschend gegen sie, gewann die Engpässe durch einen Hinterhalt und hielt sie zwei Jahre lang verschlossen. Nun zwang Salz-mangel die Salasser, zu capituliren und römische Besatzung aufzunehmen. Aber kaum war Veter gegen Antonius abgezogen, so warfen sie die Besatzungen hinaus, versahen sich mit Salzvorräthen und schlugen einen zweiten Angriff der Römer ohne Mühe ab. Im Jahre 34 v. Chr. führte Messala Corvinus ein neues Heer gegen sie und soll sie durch Hunger zur Unter- werfung gezwungen haben, aber daß er nur an ihrer Grenze überwinterte und ihnen das Brennholz und Ulmen zu Lanzenschäften abkaufte, wie Strabo erzählt, spricht nicht gerade für die Wahrscheinlichkeit dieser Erzählung. Mehr richtete im Jahre 25 v. Chr. die Heimtücke des Terentius Varrò gegen sie aus. Er brach von verschiedenen Seiten in ihr Land, so daß sie sich nicht zum Widerstand sammeln konnten. Die ^Salaaser gingen einen Vertrag ein, wonach die Kömer eine bestimmte Buße in Geld bei ihnen eintreiben durften,, aber die zu diesem Zwecke überall hin entsendeten Bewaffneten fielen über das unglückliche Volk her, trieben die Erwachsenen nach Eporedia und verkauften sie als Kriegsgefangene. 20 Jahre sollte keiner frei gelassen werden dürfen. An 36,000 Menschen, worunter 8000 Waffenfähige waren, soll diese Maßregel einer greulichen Staatsklugkeit erfüllt worden sein. Eine Colonie von 3000 Prätorianern hütete fortan das Land, und im Namen von Aosta, d. i. Augusta prsetoria, lebt die Erinnerung an jene wirksame Unterwerfung; noch fort* ).

Aber lang bevor diese tapfern Reste in den Bergen durch Gewalt und Tücke vertilgt wurden, waren die übrigen Stämme gallischer Nation von den Römern unterworfen, nachdem einmal die Pässe an der Küste und durch die Seealpen geöffnet waren. Die Einmischung in die Händel der getreuen Massalioten mit ihren Grenznachbarn führte schon 129 zur Unter- werfung der Salyer in der Gegend von Aix und im Thal der Durance und der Vocontier im Departement Vaucluse und Drôme. 127 v: Chr. gründete C. Sextius Calvinus Aquse Sextise, das heutige Aix in der Provence. Ein Bündniß mit den Häduern führte 121 v. Chr. zum Sieg über die Allobroger und Arverner an der Isère, und die Gründung von Narbo 118 v. Chr. gab den Mittelpunkt der Provincia Romana, der heutigen Provence.

So waren die Westalpen von beiden Seiten umfaßt und nur die unzugänglichen Höhen blieben noch eine Zeit lang in den Händen freier Völker.

Aber auch in den Ostalpen griffen die Römer ein. Im ersten und zweiten Illyrischen Kriege hatten sie noch den Seeweg einschlagen müssen, aber in dem 178 und 177 geführten Kriege gegen Istrien diente schon das zwischen 183 und 181 gegründete Aquileja als Stutzpunkt.

118 v. Chr. unternahm Q. Marcius Rex einen Zug gegen die Stceni bei Vestone in der Nähe von Trient. Diese waren vermuthlich Räter rasenischen Stammes. Der späte Geschichtschreiber Orosius sagt über ihren heroischen Untergang: „ Als diese sich durch die römischen Truppen eingeschlossen sahen und merkten, daß sie ihnen im Kampfe nicht gewachsen sein würden, tödteten sie ihre Weiber und Kinder und stürzten sich selbst in die Flammen. Diejenigen aber, welche durch die Dazwischenkunft der Römer an der Ausführung des Selbstmordes verhindert worden waren, tödteten sich in der Gefangenschaft, theils durch das Schwert, theils durch Aufhängen, theils durch Ver- Weigerung der Nahrung, und es blieb auch nicht ein ganz junger übrig, der aus Liebe zum Leben das Joch der Knechtschaft ertragen hätte.Im Jahre 95 ließ der Consul L. Licinius Crassus die Thäler des innern Gallien, weil ihre Bewohner durch räuberische Einfälle die benachbarte Provinz geschädigt hatten, durchstreifen und die Leute nieder-machen. Was Wunder, wenn von Seiten der Bergbewohner blutige Repressalien erfolgten, so oft sie in die Ebene hinunterstiegen, üm 's Jahr 88 wurde Corno von den Rätern vollständig zerstört. Von der unglaublichen Wildheit dieses Volkes erzählen Schriftsteller, daß sie unter ihren Gefangenen nicht nur alle Männlichen tödteten, sondern auch die schwangeren Frauen, von denen ihre Wahrsager prophezeiten, daß sie Knaben gebären werden.

Trotz solcher Greuel aber war die Stunde der Räter noch nicht gekommen, obschon ihre östlichen Nachbarn bereits dem römischen Joche verfallen waren.

Schon 115 v. Chr. war M. Aecuilius Saurus über den Okra, heute „ Birnbaumerwald",. gegangen, über welchen später eine fahrbare Straße nach Nauportus führte, und der ausbrechende Cimbernkrieg fand im Jahre 114 v. Chr. die Römer im Kriege mit den Scordiskern an der Mündung der Save. In dieseLivius, epit. 62. Fasti Capitolini, und Orosius V, 14.Cicero de inventione, lib. 2.

Strabo, üb. V, cap. 1, 6; lib. IV, cap. 6, 8. Dio Cassius, LIV, 22. Ueber die Eäter vergi, das ausführliche Werk von Dr. P. C. Planta: Das alte Eätien. Berlin 1872. Erster Theil.

Gegenden waren die Römer wohl auch durch die Goldbergwerke bei den Tauriskern in Noricum ( dem heutigen Steyermark ) gelockt worden, von deren reichem Ertrag schon Polybius spricht* ). Von dem bedeutenden Kampfe germanischer und helvetischer Völker mit Rom, der unter dem Namen des Cimbern-kriegs bekannt ist, sollen hier nur diejenigen Thatsachen erwähnt werden, die auf die Alpen Bezug haben. 112 v. Chr. stand der Consul Cn. Papirius Carbo an den östlichen Alpenpässen, während die Cimbern sich mit den Tauriskern in Noricum herumschlugen. Er rückte selbst bis Noreja, heute Neumarkt, vor, erlitt aber daselbst von den Cimbern eine völlige Niederlage. Doch brachen die Sieger nicht durch die offenen Pässe in Italien ein, sondern wendeten sich auf einem weiten Umweg nach Gallien und Spanien. Kaum waren sie abgezogen, so schlug M. Minucius 110 v. Chr. die Scordisker und sicherte so den Besitz der Ostalpen. In den Jahren 104-102 deckte das vortrefflich gewählte und befestigte Lager des Marius an der Mündung. der Isère in die Rhone die Alpenübergänge gegen die Teutonen, Ambronen und Toygener und die Schlacht bei Aquse Sextise mußte geliefert werden, um den Durchbruch dieser Völker zu verhindern. Unterdeß waren 102 v. Chr. die Cimbern und Tiguriner im Winter, welcher die Alpen noch höher macht, wie Floras sagt -j- ), über die triden- tinischen Berge, wie eine Lawine fluthend, nach Italien hinabgestiegen. Lutatius Catulus, der den Ausgang des Brenner zu hüten beauftragt war, wich vor diesem Andrang zurück, aber die wilden Schaaren theilten sich; ein Theil der Tiguriner zog sich nach den Bergen von Noricum, die Ändern nahmen Stellung in Venetien und nördlich vom Po * ). Im Jahre 101 v. Chr. wichen sie von Catulus und Marius gedrängt bis an die Mündung der Sesia zurück, vielleicht in der Absicht, sich den Kleinen St. Bernhard zur Rückkehr nach Gallien offen zu halten, aber die Schlacht auf den raudischen Feldern bei Vercelli vernichtete ihre Hoffnungen und ihre Nation. Nunmehr hörten die Alpen für lange Zeit auf, Einfallsthore für fremde Völker zu sein, vielmehr vermehrten die Römer die eigenen Ausfallspforten.

Im Jahre 77 v. Chr. eröffnete Pompejus auf seinem Marsche nach Spanien einen neuen, kürzeren Paß, als der Uebergang Hannibal's war, in der Mitte zwischen den Quellen der Rhone und des Po. Die meisten Neuern sehen darin den Mont-Genèvre. Ueber den nämlichen Paß führte Cäsar 58 v. Chr. fünf Legionen aus Oberitalien nach Gallien. Zur Zeit des Augustus wurde dieser Weg über die Alpis Cottia von dem Keltenkönig Cottius, dem Sohne des Donmus, mit bedeutenden Anstrengungen und Kosten gangbarer gemacht* ). Gegen Ende des Jahres 57 v. Chr. sandte Cäsar seinen Legaten Servius Galba in 's Wallis, um den Paß über den Großen St. Bernhard, auf welchem die Anwohner von den Kaufleuten große Zölle erpreßten, zu eröffnen, vielleicht auch aus militärischen Gründen. Galba nahm Stellung bei Octodurum ( Martigny ) und behauptete den Sieg gegen die ihn angreifenden Seduner und Veragrer, fand es aber doch gerathener, nicht in diesen Gegenden zu überwintern. Da aber die Ebene am Lemanersee in römischen Händen war, so konnte die Bewältigung des Wallis nur eine Frage der Zeit sein** ). Nach der völligen Vernichtung der Salasser scheint M. Vinicius in dieses Gebiet eingedrungen zu sein. Nunmehr waren in dem großen Bogen des Alpengebirges nur wenige Völker nicht gebändigt und auch dieses Werk unternahm Augustus, der staatskluge Organisator des neuen Kaiserreiches. Er selbst hatte im Jahre 35 v. Chr. einen siegreichen Feldzug gegen die Pannonier in Niederungarn geführt, die Straße dorthin mußte offen gehalten werden, und nachdem Gallien und Helvetien auf der einen Seite, Noricum und Istrien auf der andern Seite dem römischen Scepter gehorchten, verlangte es die Sicherheit des Reiches und die Ehre des römischen Namens, daß die dazwischen liegenden rätischen Völker, von deren Plünderungen die umliegenden Provinzen, namentlich die Helvetier, Sequaner und Bojer, schwer zu leiden hatten* ), ebenfalls zur Unterwerfung gebracht wurden. Versuche dazu waren schon während der Bürgerkriege gemacht worden. Im Jahre 44 v. Chr. hatte, wie die Inschrift auf dem Mausoleum in Gaëta und die capitolinischen Fasten beweisen, L. Munatius Plancus, Statthalter des jenseitigen Gallien, einen Sieg über die Kater erfochten und dafür den Triumph erhalten** ), und im gleichen Jahre hatte D. Brutus, Statthalter des diesseitigen Gallien, die östlichen Alpenvölker bekriegt, aber eine planmäßige, erfolgreiche Unternehmung geschah erst unter Augustus.

Im Jahre 15 v. Chr. griffen die Vennonen im Vinstgau, die von Strabo zu den wildesten Stämmen der Vindelicier gerechnet werden, und die Camuni im Val Camonica am Oglio zu den Waffen. Zu ihrem eigenen Schaden, denn sie wurden von Pubi. Silius mit leichter Mühe besiegt und unterworfen, und auch die Pannonier, die in Verbindung mit den Norikern in Istrien eingebrochen waren, empfanden die Schwere der römischen Waffen f ). Aber die Ehre der dauernden Unterwerfung der Räter und Vindelicier fiel den jungen Stiefsöhnen des Kaisers von der Livia, dem Drusus und Tiberius zu, denen kriegserfahrene Legaten zur Seite gesetzt wurden. Der Feldzugsplan war mit einer der schwierigen Aufgabe entsprechenden Umsicht angelegt und wurde mit unvergleichlicher Energie in einem einzigen Sommer vollständig durchgeführt. Vergeblich hatten die Alpenbewohner darauf gerechnet, daß auf ihre Felsen und Firnen der Krieg nicht hinauf steigen könne * ), sie wurden von zwei Seiten überzogen. Drusus drang von Süden her von Verona aus die Etsch aufwärts, schlug zuerst die abgefallenen Stämme in den tridentinischen Bergen, besiegte dann theils selbst, theils durch seine Legaten die Räter mehrfach, durchzog das Gebiet der Breuni am Brenner und der Genauni im Val Genaun, warf den verzweifelten Widerstand der vereinzelten Stämme unter großem Blutvergießen nieder und brach ihre Burgen. Wie hartnäckig das freiheitgewohnte Volk sich wehrte, geht hervor aus Florus, der berichtet, daß die Weiber, wenn ihnen die Waffen fehlten, ihre Kinder am Boden zerschmetterten und den andringenden Soldaten in 's Gesicht warfen. Mittlerweile war Tiberius am Rhein vorgedrungen, wo er Forum Tiberii, jetzt Zurzach, gegründet zu haben scheint, hatte die Vindelicier geschlagen und über den Rhein gedrängt.

Auf einer zu diesem Zweck gebauten Flotte durchfuhr er den Bodensee, besiegte die Vindelicier in einem Seegefecht bei der Insel Reichenau, ging dann den Rätern entgegen und besiegte auch sie. Hierauf überschritt er den Rhein und drang bis an die Donau vor. Die besiegten Stämme wurden dadurch unschädlich gemacht, daß die waffenfähige Mannschaft verpflanzt und nur so viele Leute zurückgelassen wurden, als genügend waren, um das Land zu bebauen, aber zu schwach um einen Aufstand zu erregen. Tribut und Heeresfolge wurden von den Besiegten gefordert, aber die eigentliche Provinzialeinrichtung erfolgte erst unter Tiberius * ). Zu gleicher Zeit wie die Räter und Vindelicier wurden durch P. Silius auch die Noriker, Taurisker und Karner im Steyermark, Kärnten und Krain unterworfen, und so durchgreifend waren die Maßregeln, die Augustus zur Beruhigung der Alpenländer ergriff, daß zur Zeit Strabo's diese Völker schon 33 Jahre lang ohne Widerstand Tribut leistetenund die doch hart gedrückten Räter dem römischen Feldherrn Csecina im Jahre 69 n. Chr. willig Hülfstruppen gegen die Helvetier, ihre Stammverwandten und natürlichen Bundesgenossen, stellten. Anlage von Colonien und Straßen waren nach römischer Praxis die bewährten Mittel dazu; unter den ersten war Augusta Vindelicorum, das heutige Augsburg und die Hauptstadt des neugewonnenen Bezirkes, die wichtigste. Eine von Drusus angelegte Straße durch den Vinstgau über den Arlberg und den Wallgau, die Vallis Drusiana, wie er im Mittelalter heißt, verband Italien mit der Befestigungslinie an der Donau. Aber auch durch das eigentliche Rätien führten bald Römerstraßen. Strabo sagt hierüber: „ Cäsar Augustus führte zu der Vernichtung der Räuber die Anlage von Straßen hinzu, so weit es möglich war, denn es war nicht überall thunlich, die Natur zu besiegen, wegen der Felsen und der Ungeheuern Abhänge, die sowohl über den Weg herein hängen als darunter abstürzen, so daß, wenn man auch nur ein wenig hinaustritt, die Gefahr unentrinnbar wird und ein Sturz in unergründliche Schluchten erfolgt; und so schmal ist an einigen Stellen der Weg, daß er den zu Fuß Gehenden sowohl als den ungewohnten Pferden Schwindel erregt. Die einheimischen Thiere aber tragen ihre Lasten ganz sicher.Trotz dieser Schwierigkeit und der von den Lawinen herrührenden Gefahr haben die Römer bekanntlich eine Menge von Alpenstraßen gebaut, über die hier nicht weiter berichtet werden kann. Die Unternehmungen des Jahres 15 v. Chr. schlössen die Eroberung des Alpengebietes ab und nicht gering war die Genugthuung, mit der man in der Hauptstadt diese Nachrichten begrüßte. Drusus wurde zur Würde eines Paters erhoben, obschon er noch nicht das vom Gesetz vorgeschriebene Alter erreicht hatte. Horaz feierte in zwei schwungvollen Oden die Siege der beiden Brüder** ), und ein Monument, das am Südabhang der Alpen, wahrscheinlich bei Monaco, zu Ehren des Augustus errichtet wurde, zählt die NamenLib. IV, cap. 6, 6.Lib. IV, cara. 4 und 14.

31 aller Alpenvölker auf, vom oberen bis zum unteren Meere, die unter der Führung und den Auspicien des Augustus der Herrschaft des römischen Volkes unterworfen worden waren* ).

Es sind 44 Namen, von denen mehrere hier zum ersten Mal in der Geschichte erscheinen, zugleich am Tage, wo sie für diese auf ewig verschwinden.

Und mit diesen Nachrichten können wir wohl unsere Skizze über die Feldzüge der Römer in den Alpen schließen, denn was von späteren Durchmärschen römischer Feldherren durch die Alpen zu sagen wäre, wie die Züge des Tiberius über die Ostalpen in den pannonischen Kriegen, des Valens über den Mont-Genèvre und des Csecina über den Großen St. Bernhard, im Bürgerkrieg des Galba, Otho und Vitellius,, und manche ähnliche gehören nicht eigentlich hieher, weil kriegerische Operationen in den Alpen dabei nicht vorkamen. Erst in der Völkerwanderung gewannen die Alpen auch in dieser Beziehung wieder eine große Bedeutung.

Es sind meist trübe Blätter aus der Geschichte unserer Vorfahren, die sich vor uns hier entrollt haben, aber einen Gewinn kann das lebende Geschlecht wohl aus der Lehre ziehen, daß kein Gebirgswall, auch der höchste nicht, ein Volk vor Unterjochung schützt, wenn es seine Freiheit nicht zu vertheidigen weiß oder von ihr keinen würdigen Gebrauch macht.

Zur Geschichte des Bergsteigens.

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