Alpines Flair über Brig | Schweizer Alpen-Club SAC
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Alpines Flair über Brig Einsame Skitour auf das Bortelhorn

Östlich der Simplonpassstrasse erhebt sich das Bortelhorn als steile Pyramide. So gemütlich die Route bis zum Skidepot verläuft, so alpin zeigt sich im Winter der Südwestgrat, der luftig zum Gipfel führt. Deshalb bietet dieser Berg eine einsame Tour.

Der Zug trat aus dem Lötschberg-Basistunnel, und mit einem Mal war es hell. Die Sonne schien gleissend aus dem Winterhimmel über dem Wallis, und ich blickte aus dem Fenster, als mir hinter Brig ein weisser Zacken auffiel: eisig und steil – ein Berg, wie ein Kind ihn zeichnen würde. Dennoch hatte ich keine Ahnung, wie er hiess.

Ob er den Berg kenne, fragte ich mein Gegenüber. Er kannte ihn. Und von diesem Moment an hatte ich einen neuen Tourenplan: das 3193 Meter hohe Bortelhorn, auch Punta del Rebbio genannt. Die Landesgrenze verläuft zwischen dem Schweizer Simplongebiet und der italienischen Alpe Veglia genau über diese Spitze.

Nun könnte man das Bortelhorn im Sommer im Rahmen einer Alpinwanderung erreichen. Doch zum einen ist eine Abfahrt flotter als ein Abstieg; zum anderen bietet der Südwestgrat des Gipfels im Winter wunderbar alpines Flair. Wovon auch eine Freundin überzeugt ist – und so fahren wir eines Nachmittags per Postauto nach Berisal an der Simplonpassstrasse, fellen an und steigen bald durch Lärchenwald auf in Richtung Bortelhütte.

Expeditionsgefühl mitten im Wallis

Der Lärm der Passstrasse verebbt rasch. Nur noch das Zischeln der Felle im Schnee hören wir, dann das Rauschen des Ganterbachs im Talboden unter uns. Einsam fühlt sich dieser Winkel der Alpen an. Umso erstaunlicher, dass das Gebiet bereits den frühesten Alpenforschern bekannt war. So heisst es im Werk Die Eisgebirge des Schweizerlandes von 1760, wie sich «bey Brig» ein Tal öffne, durch das «der Saltinabach» fliesse. «Gegen Südost aber verliert sich dasselbe in ein anderes kleines Thaelin, welches das Gantorthal genennt wird.»

Genau in diesem «Thaelin» sind wir unterwegs, bis wir im Licht der sinkenden Spätwintersonne die Bortelhütte erreichen. Oder das, was von ihr zu sehen ist. Wie so oft scheint sie auch diesen März im Schnee zu versinken. Und so dauert es eine Weile, bis wir – Schaufeln sei Dank – im Dämmerlicht des Winterraums stehen und am Gasherd in Daunenjacken Pasta kochen. Expeditionsgefühl mitten im Wallis, und das auf einer Skitour, die – in zwei Tage aufgeteilt – nur jeweils wenige Stunden dauert.

Über Nacht schneit es nochmals, und so spuren wir am nächsten Morgen durch Schnee wie Samt über die Wellen und Kuppen der Bortelalp bergwärts. Das Bulletin beurteilt die Lawinengefahr als «mässig», dennoch wummert es immer wieder, mal leise, mal laut, mal vibrierend. Fast die ganze Tour führt durch Gelände mit einem Steigungswinkel von unter 30 Grad. Doch eben nur fast: Die letzten Meter zum Skidepot sind steil, der Hang darunter weit. Wir kehren um – und das Bortelhorn bleibt ein Tourenplan.

Zweiter Versuch

Bis wir an Ostern 2022 erneut in die Bortelhütte aufsteigen. Diesmal zu Fuss, die Ski aufgebunden, durch den Wald, der bereits nach Frühling riecht. Tags darauf ziehen wir über hart gefrorenen Schnee zum Fuss des Bortelhorns, das sich vor uns auftürmt, als wär es ein Viertausender: Weiss leuchtet der Gipfelaufbau unter einem blau gefegten Himmel, in den Felsen über uns liegt Trittschnee.

Mit Pickel und Steigeisen kraxeln wir los. Wir klettern über Felsaufschwünge, traversieren Schneebändchen. Und je höher hinauf wir gelangen, desto tiefer fällt der Blick in die Leere der Flanken unter uns. Bis wir den Gipfel erreichen – als Einzige an diesem Ostersonntag. Und so nehmen wir uns Zeit, in aller Ruhe in die Runde zu blicken. Zum Bietschhorn und zum Finsteraarhorn, zum Weisshorn in der Ferne und zum Monte Leone, der sich im Süden über dem italienischen Ossola erhebt. Derweil vielleicht jemand im Rhonetal steht und sich fragt, wie der weisse Zacken hinter Brig heisst. Um dann zu erfahren, dass es das Bortelhorn ist.

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Bortelhütte–Bortelhorn (3193 m)

Eckdaten

ZS, 4 h, ↗↘ 1090 Hm

Route

Von der Hütte leitet die Route geradewegs über die Hänge der Bortelalp bis auf eine Höhe von rund 2720 m. Da das Gelände kupiert ist, fordert die zonale Routenwahl dennoch eine gewisse Umsicht. Erreicht man oben genannte Höhe, geht es in offenerem Gelände in einem weiten Rechtsbogen zum Skidepot bei P. 2987. Hier steigt der SW-Grat des Bortelhorns aus der Waagrechten an. Alpintechnische Erfahrung und Ausrüstung ist für den weiteren Aufstieg unerlässlich. Der lange Grat mit Kletterstellen im zweiten Grad führt teilweise ausgesetzt und 200 Hm überwindend zum Gipfel.

Anreise

Mit dem Zug nach Brig und weiter mit dem Postauto in Richtung Simplonpass bis zur Haltestelle Berisal, Kehr.

Beste Jahreszeit

Ende Februar bis Anfang April

Karten

LK 1 : 25 000, Blätter 1289 Brig oder 2516 Aletschgebiet
LK 1 : 50 000, Blatt 274 Visp

Literatur

Egon Feller, Roger Mathieu, Walliser Alpen Ost. Vom Bishorn zum Blinnenhorn, SAC Verlag, 2015

Übernachtung

Bortelhütte
027 924 52 10, mail(at)bortelhuette.ch

www.sac-cas.ch/de/huetten-und-touren/sac-tourenportal/213/ski_tour
www.sac-cas.ch/fr/cabanes-et-courses/portail-des-courses-du-cas/bortelhorn-punta-del-rebbio-213/randonnee-a-ski/
www.sac-cas.ch/it/capanne-e-escursioni/portale-escursionistico-del-cas/punta-del-rebbio-213/scialpinismo/

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