Welche Vorteile versprechen Sie sich vom Bergsteigen der Damen? | Schweizer Alpen-Club SAC
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Welche Vorteile versprechen Sie sich vom Bergsteigen der Damen? Als Bergsteigerinnen Maud Wundt-Walters Red und Antwort standen

Die englisch-deutsche Alpinistin Maud Wundt-Walters, bekannt geworden durch ihre Hochzeit auf dem Matterhorn, stellte 1900 deutschen und österreichischen Bergsteigerinnen wichtige und mutige Fragen zu ihrem Tun und ihren Touren. Leider machte eine fleissige Autorin des Jahrbuchs des Schweizer Alpenclub nicht mit.

«Nicht Ruhmsucht war meine Triebfeder; ich wollte einfach mit meinem Mann den Genuss, den die Wunderwelt der Alpen bietet, teilen, ich wollte vor allem bei ihm sein, wenn er sich in Gefahr begab. So wurde ich Bergsteigerin.» Mit dieser Darlegung antwortete Hermine Tauscher-Geduly aus Pressburg, dem heutigen Bratislava, auf folgende Frage: «Glauben Sie, dass das Bergsteigen der Damen allgemeine Verbreitung finden wird und welche Vortheile würden Sie sich davon versprechen?» Den Lesern (und vielleicht auch Leserinnen) des SAC-Jahrbuchs war die Alpinistin bekannt: Ihre farbigen Berichte über die Besteigungen der Dent Blanche und des Blüemlisalphorns erschienen 1883 und 1885.

Eine Generation später sorgte die Deutsche Helene Kuntze für Schlagzeilen und Notizen in der SAC-Chronik: Wintererstbegehung des Andersongrats am Schreckhorn und Erstüberschreitung vom Schreckhorn zum Lauteraarhorn, beides anno 1902. Ihre Antwort auf die oben gestellte Frage lautete so: «Jeder andere Sport gewährt Vergnügen, hier aber, wo wir angesichts einer grossen, überwältigenden Natur und unter dem Einfluss dieser weisen Lehrmeisterin unseren ganzen Ernst einsetzen, unsere Kraft bethätigen müssen, erfüllt reinster Genuss unsere Brust.»

Sie stellte acht Fragen und verlangte Tourenlisten

Diese kräftigen Sätze beantworteten ebenfalls die beiden vorangehenden Fragen, die Maud Wundt 28 bekannten deutschsprachigen Bergsteigerinnen im Jahr 1900 brieflich gestellt hatte. «1. Halten Sie den weiblichen Organismus im Allgemeinen für geeignet zum Bergsteigen? 2. Haben Sie das Bergsteigen je schädlich gefunden?» Eine weitere Frage lautete: «Halten Sie die Bergsteigerinnen den Bergsteigern für wesentlich unterlegen und in welchen Beziehungen? Sind Sie ihnen nicht in einzelnen Punkten überlegen?» Die restlichen vier Fragen betrafen das führerlose Bergsteigen durch Frauen, das Stufenschlagen, die Ausrüstung sowie die Lieblingsgebiete.

Grundlegende Fragen zum Frauenalpinismus, einst wie jetzt, gestellt von einer Frau an Frauen. Gut, das Stufenschlagen müsste heute wohl durchs Setzen von Bohrhaken ersetzt werden. Die 28 angefragten Bergsteigerinnen mussten aber nicht nur die acht Fragen beantworten, sondern noch detaillierte Tourenlisten schicken. In derjenigen von Helene Kuntze vom Juni 1896 bis Oktober 1900 finden sich einige zünftige Touren: Überschreitungen von Mont Collon, Obergabelhorn, Matterhorn, Grands Charmoz, Grépon, Barre des Écrins und La Meije – noch immer eine bewundernswerte Liste.

Ausführliche Auswertung der 27 eingegangenen Antworten

Die Antworten inklusive Tourenlisten verarbeitete Maud Wundt im zehnseitigen Artikel Berühmte Bergsteigerinnen im in Berlin erscheinenden Magazin Die Woche. Moderne illustrierte Zeitschrift (Heft 31, Juli 1901, Seiten 1360—1369). Illustriert ist der Artikel mit fünf Fotos von Frauen am Fels, im Eis und am Seil von Bergführern sowie mit Porträtbildern der angefragten Bergsteigerinnen.

Am Schluss fasst die Autorin das Resultat der Umfrage zusammen: «Wir dürfen uns wohl von dem Alpinismus neben Gesundung und Kräftigung des Geschlechts eine Erhöhung idealen Sinns, Stärkung des Selbstvertrauens und der Selbstbeherrschung, Entwicklung zur Selbstständigkeit, Erziehung zu freiem, natürlichen Wesen, zu grösserer Lebensfreudigkeit versprechen.» Und dann fordert Maud Wundt die Leserinnen (und sicher auch die Leser) noch auf: «Also hinauf in die Berge!»

In ihrem ausgezeichneten Buch Frauen im Aufstieg. Auf Spurensuche in der Alpingeschichte (Edition Raetia, 2011) geht Ingrid Runggaldier auf Maud Wundt und ihren Artikel Berühmte Bergsteigerinnen ausführlich ein. Was bisher aber erstaunlicherweise still in der Sammlung Darmstaedter der Handschriftenabteilung im Preussischen Kulturbesitz der Staatsbibliothek zu Berlin ruht, sind die originalen Briefe und Tourenlisten der angefragten Bergsteigerinnen.

Erst Lilli Isolde Hallmann ging in ihrer Masterarbeit Berge versetzen. Tourenlisten als Medien des alpinen Schreibens (Bauhaus-Universität Weimar, 2020) näher darauf ein. Insbesondere transkribierte sie mehrere Briefe und Listen. Darunter auch das Antwortschreiben von Eugénie Rochat aus Stuttgart vom 19. Februar 1901. Ihre Nationalität ist dieser Zeitschrift nicht bekannt.

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«Halten Sie den weiblichen Organismus im Allgemeinen für geeignet zum Bergsteigen?»
Maud Wundt, die 28 bekannten deutschsprachigen Bergsteigerinnen Fragen stellte (1900)

Nur eine Bergsteigerin machte nicht mit

Von 1897 bis 1904 erschienen sieben noch immer lesenswerte Texte von Eugénie Rochat im SAC-Jahrbuch, über grosse, teilweise neue Touren vor allem im Mont-Blanc-Gebiet. Im Nordgrat der Pierre qu’Abotse (2735 m) in den Waadtländer Alpen gibt es einen selbstständigen Turm, den die SAC-Führer seit 1931 Pointe Eugénie Rochat (2659 m) nennen. Nur auf der Landeskarte hat der Felsturm noch immer keinen Namen.

Mit schwarzer Tinte schrieb Eugénie Rochat an Maud Wundt folgende gut leserliche Absage: «Sehr geehrte Frau, ich bedauere, Ihnen gestehen zu müssen, dass ich das Bergsteigen von einem ganz anderen Gesichtspunkte aus betrachte, und dass die an mich gerichteten Fragen so sehr meinem Begriffe von Poesie, Freiheit und Unabhängigkeit auf dem Gebiete des Alpinismus widerspricht, dass es mir nicht möglich wird, für das was Sie alpine Sache nennen, mich zu interessieren. Vielleicht werden Sie in dem Umstande, dass ich keine Deutsche bin, eine Entschuldigung finden für meine Sie gewiss befremdende Anschauungsweise.»

Honeymoon Cervino

Die Engländerin Maud Wundt-Walters (1870–1960) und der Deutsche Theodor Wundt (1858–1929) machten im Juli 1894 ihre Hochzeitsreise aufs Matterhorn, dokumentiert im Buch Das Matterhorn und seine Geschichte. Zum Training gings auf die Signalkuppe – die erste Bergtour der jungen Frau Wundt. Dann von Breuil aus aufs Matterhorn.
Im Rifugio Luigi Amedeo di Savoia machte sich die Braut ans Kochen: «Weisst du», sagte sie zu ihrem Mann, «hier oben ist das Kochen ganz nett, aber das sage ich dir im voraus, zu Hause siehst du mich nicht in der Küche.» In der Aufzeichnung Erinnerungen an Zermatt schrieb Maud Wundt: «Der Tag, wo ich wirklich dort oben stand – auf der Hochzeitsreise. Nicht etwa, dass ich meinen Mann deshalb geheiratet hätte!»
Fast hätte der Honeymoon übrigens als Desaster geendet: «Am Gipfel ging ein fürchterliches Unwetter los, das mit Blitz und Sturm, Schnee und Hagel unser Leben bedrohte und die äusserste Anstrengung verlangte, als wir den Weg in die bewohnte Welt wieder erzwingen wollten.» Acht Tage später kletterte das Ehepaar Wundt erneut auf den Gipfel, «diesmal bei herrlichstem Wetter». dab

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