Raffinierte Planung | Schweizer Alpen-Club SAC
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Raffinierte Planung

 

Es gibt Gipfel, auf die kann man steigen. Es gibt solche, auf die will man steigen. Und dann gibt es noch das Matterhorn. Auf seiner magischen Spitze muss man offenbar gestanden sein, um beim ausseralpinistischen Publikum Ansehen zu erlangen. So kam es mir früher jedenfalls vor. Wenn ich Leute kennenlernte und meine liebste Freizeitbeschäftigung erwähnte, hiess es: «Wirklich? Du bist Bergsteigerin? So richtig mit Seil und allem? Bist du schon auf dem Matterhorn gewesen?»

Klar, das Matterhorn ist ein Superberg. In seiner Form ungeschlagen magisch. Aber es ist halt auch ein Berg, bei dem es einer raffinierten Planung bedarf, um nicht von der Menschenmasse zertrampelt zu werden. Darum gehörte es nie zu meinen Traumzielen.

Ich war im Monte-Rosa-Gebiet und drum herum auf ziemlich allen Gipfeln, hatte das Matterhorn von allen Seiten gesehen – und musste bei Small Talks trotzdem zugeben, dass ich noch nie auf dem Horu war. Die Blicke, die ich erntete, suggerierten: Dann ist sie wohl doch keine richtige Bergsteigerin. Da half es auch nicht, von der Ruhe einsamer Touren zu schwärmen. Etwa vom Schaligrat auf das Weisshorn im Wallis. Zur Antwort bekam ich bestenfalls: «Auf dem Weisshorn bin ich auch schon gewesen, aber mit der Bahn, haha.» Die Person meinte das Weisshorn bei Arosa.

Irgendwann bekam ich dann doch Lust, die raffinierte Planung für das Matterhorn in Angriff zu nehmen. Nicht über den überlaufenen Hörnligrat, sondern über den wilden Zmuttgrat. Ich trainierte hart, und die Tour war eine meiner allerschönsten. Danach hatte ich ungefähr zwei Wochen einen Rausch. Am liebsten hätte ich allen davon erzählt. Von meinen Gefühlen, meinem Jauchzer auf dem Gipfel, dieser sagenhaften Aussicht dort oben.

Aber seither fragt mich niemand mehr, ob ich schon auf dem Matterhorn gewesen bin. Entweder hat mir diese Tour so viele Falten und Furchen ins Gesicht gezogen, dass ich jetzt von Weitem aussehe, wie eine Matterhorn-Besteigerin. Oder ich habe vorher die Small Talks einfach überbewertet.

 

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