Adolf Widmer
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Adolf Widmer

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

Von Willy Zeller.

Es gibt Maler, deren Bilder durch die Unmittelbarkeit ihres ersten Eindrucks zu faszinieren vermögen. Oft kommt die Ernüchterung: der Anspruch verblasst, lässt leer, wird schal. Beim ersten Bergbild Adolf Widmers, das ich sah, ging es mir wie beim Wegsuchen durch eine grosse Wand: ich stutzte, blieb da und dort hangen, erlebte mit zunehmendem Versenken das Prickelnde im eigenwillig gestuften Zackengrat, den Hexentanz der Nebelfransen und vor allem — die grandiose Komposition. Es sind gefährliche Bilder; halb-stundenlang kommt man nicht los von ihnen.

Da ist das Pastell « Doldenhorn ». Aus schwindelnder Tiefe bockt ein Chaos von Quadern und Säulen, gibt widerwillig Raum für eine blitzende Folge von Kaskaden und stösst eine schimmernde Eisburg in den Himmel. Aber die toll zerspellten Felsmassen, die Fetzennebel, der scharfe Fels-Eis-Kontrast sind irgendwie gezügelt. Aus einem bleiernen Alpdruck wird die Vision von eines Berges unnahbarer Hoheit. Ein paar Details: die messerscharf geschnittene Kante im Zentrum, die Wolkenschleierchen, die den Urtier-zahn im Grat umtändeln und durch den Gegensatz seine Furchtbarkeit unheimlich steigern, der entrückte Grat des Doldenhorns — ein Bild, das schier den Rahmen sprengt.

Es war grausiges Wetter, als die « Innerschweizerische Gebirgslandschaft » entstand. Belfernde Böen, Schlackschneegeplatsch an die Scheiben des Wirt-schäftleins auf der Haggenegg an den Mythen. Da zerreissen die Wolken, aus dem Talgrund von Schwyz wächst ein Diamant mit blauschillerndem Kern, über dem fahlgelbe Wolkenbänder flackern. Über den kuscheligen Weidemulden ein Wirrsal von Linien und Farbflecken und doch hehre Einheit. Wer die Berge so sieht, wer ihre Harmonien in solch herrlicher Fassung zu binden weiss, dem müssen sie sich zutiefst geoffenbart haben.

Das Ölgemälde « Glarner Landschaft » — von Braunwald gegen das hintere Linthtal und den Tödi —, schade, dass es nicht farbig erscheinen kann. Trostloses Eisgrau huscht spinnefingrig über den Boden, die Felsrisse sind in jenem Russischblau gehalten, dessen unerbittliche Härte uns erstarren macht. Dem leichenbleichen Schneefleck vor uns entströmt Eishauch, aber über den Bergen liegt die unsägliche Klarheit des Frühmorgens, wenn die Himmelstore aufgehen. Um den äussersten Tödigrat spritzen die Sonnenfunken. Seine versteckte Ostflanke steht schon im vollen Licht und entlockt der Steilwand gegenüber gedämpften Widerschein. Wem kämen nicht Erinnerungen an das grosse, stille Leuchten!

Widmers Porträts sind von einer erstaunlichen Beseeltheit. Am bekanntesten wohl sein Greisenkopf mit dem wallenden weissen Bart auf dem Plakat « Für das Alter » 1932. Oder jene schmissigen Skizzen im « Sport ». Doch nirgends wird seine Kunst so eigenwillig wie dort, wo sie sich in alpine Motive verbeisst. Das ist so geworden, seit er mit Walter Mittelholzer im Alpstein herumkletterte. Das blieb so während seiner neun Semester an der Münchener Akademie, wo er in der Meisterklasse von Franz von Stuck sein Rüstzeug holte, wo ihn Becker-Gundahl die grosse Komposition lehrte. Sie wurden auf den jungen Schweizer aufmerksam, als er im zweiten Semester aus einer Konkurrenz von 250 Bewerbern als Erster hervorging. Nun lebt Adolf Widmer in Zürich.

München hat ihn die figürliche Monumentalmalerei gelehrt. Mir scheint, gerade das dringe auch durch die landschaftlichen Kompositionen. Das Wort « Landschaft » bekommt einen neuen Sinn. Der Bergler — ja, wir alle, die wir in unseren Bergen mehr als nur Rekorde suchen, wir werden irgendwie durch die urtümliche Landschaft umgebildet. Und so treten wir ihr näher, so erlauschen wir in seltenen Weihestunden ihre überwältigende Hoheit. Wer aber vermöchte es besser, Künder dieser Heimat zu sein, als der Künstler, dem unsere herrlichen Berge ein Stück seines Wesens, nein, der in höherem Sinn ein Stück dieser Heimat geworden ist?

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