Alpine Unglücksfälle 1894
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Alpine Unglücksfälle 1894

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Von den cirka vierzig Unglücksfällen, welche die alpine Litteratur des vergangenen Jahres verzeichnet, müssen wir zunächst eine kleine Reihe von solchen ausscheiden, die nicht zum Tode der Verunglückten geführt haben, und eine größere von Fällen, die nach den zutreffenden Bemerkungen von Herrn Norman-Neruda ( in den Mitteilungen des D. u. Ö.A.V., 1895, Nr. 3, 4 und 5 ) nicht den Charakter des alpinen Unglücksfalls tragen, wenn sie auch innerhalb des Alpengebietes vorgekommen sind. Dahin gehören natürlich die beim Edelweißsuchen oder auf der Jagd geschehenen Unglücksfälle, ebenso die durch Blitzschlag ( am Pilatus 2 Touristen, am Weitsch bei Graz ein Hüttenwart ) oder Steinlawinen auf der Straße ( bei Morschach und bei St. Luc ) Getöteten, und die durch Fehltritt auf unschwierigem Terrain in einen Wasserfall Abgestürzten ( im Ennsthal und im Maggiathal ).

Aber auch der Tod des Führers Peter Bohren zwischen der Bäregg und Grindelwald ist nur ein gewöhnlicher Unfall, wenn auch Bohren eben von einer Gletschertour heimkehrte. Ebenso ist bei dem Tod unseres Clubgenossen Walther Treichler am Kleinen Mythen der Herzschlag die Hauptsache, das Abstürzen nebensächlich und nicht tödlich. Aus dem gleichen Grunde kann ich auch den Tod des Barons Peccoz auf dem Grenzgletscher nicht in die Liste aufnehmen; denn die Todesursache ist offenbar ein Herzfehler, und von einer Überanstrengung in schwieriger oder gefährlicher Lage kann nicht die Rede sein. Den Fall des Wiener Briefträgers Schober, der am späten Abend des 8. September auf der Pfandelscharte an Erschöpfung starb, bevor die von seinem Begleiter geholte Hülfe zur Stelle war, nehme ich ebenfalls aus; erstens weil ich nicht weiß, ob der Mann auf seinem Dienstweg oder einer Vergnügungstour war, zweitens weil die Pfandelscharte ein ganz leichter Paß ist.

Es bleiben nach diesen und ähnlichen Abzügen übrig: 18 Fälle mit zusammen 19 Toten, darunter nur 2 Führer, aber 11 Alleingeher. Die Einzelheiten sind folgende:

A. Im Hochgebirge.

1 ) 28. Juli. Neues Weißthor. G. A. Meyer aus Meerane i. Sachsen versuchte ohne Führer, trotz der Abmahnungen des Wirtes Lochmatter und der Führer, von Macugnaga aus das Neue Weißthor zu passieren.

Es wird erzählt, daß er absichtlich einer ihm mit Führern begegnenden Gesellschaft ausgewichen und hinter derselben zurückgeblieben sei. Er scheint dann zu weit rechts gegangen zu sein und ist dabei nahe der Paßhöhe abgestürzt, vielleicht auch durch Steinfall verunglückt. Der Leichnam wurde erst mehrere Tage später geborgen. R.M. XIII, pag. 367; M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 202, 215 und 241.

26. September. Euringerspitze. Herr Joh. Pemsel aus Nürnberg versuchte mit dem Führer Zangiacomo und Dr. Walter Schultze, der Sepp Innerkofler bei sich hatte, die Euringerspitze von der Scharte zwischen Santnerspitze und Euringerspitze auf neuem Wege über die Westwand zu ersteigen. Bei der sehr schwierigen Ersteigung lehnte er die wiederholte Aufforderung seiner Begleiter, sich anzuseilen, hartnäckig ab, kletterte auch meistens nach eigenem Gutdünken. Dabei stürzte er an einer Plattenwand, die er wiederum auf der ungünstigeren Seite zu forcieren suchte, ab und fiel etwa 400 m tief bis an den Fuß der Wand. Herr Pemsel war ein ausgezeichneter Kletterer, scheint aber mit einem Herzleiden behaftet gewesen zu sein. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 239; Ö.A.Z., Nr. 410, pag. 245; A.J. Nr. 126, pag. 269.

38. September. Marmalata. HH. Gustav Seidel und Wilh. Kahl mit Joh. Villgrattner und Simon Verra und Dr. Scheicher mit Franz Kastlunger und Pietro Crepaz versuchten nach einem bedeutenden Schneefall, aber bei gutem Wetter die Marmalata zu besteigen. Die beiden Partien, die erst unterwegs zusammengetroffen waren, waren angeseilt, gingen aber getrennt. Sie waren bereits über den Gletscher und die Felswand emporgestiegen und befanden sich auf der obersten Firnhalde, als über ihnen sich die Schneedecke des Firnrückens in einer Breite von etwa 80 m ablöste und alle mit sich fortriß. Während nun die übrigen sich an den obersten Felsen festhalten konnten, wurden Kahl und Villgrattner über die Wand hinausgeworfen, wobei das Seil zwischen Villgrattner und Seidel riß. Die beiden Verunglückten wurden mit zerschmetterten Köpfen am Fuße der Wand gefunden. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 240; Ö.A.Z. Nr. 410, pag. 245.

420. September. Zinalrothorn. Eine Partie, bestehend aus Dr. Horrocks mit Josef Maria Biner und Peter Perren von Zermatt, war beim Abstieg bis zu der bekannten „ Platte " gekommen, Biner hatte die Platte traversiert und Dr. Horrocks war eben im Traversieren begriffen, als sich ein Felsblock, um welchen der zuletztgehende, Perren, das Seil geschlungen hatte, ablöste und Perren mit sich fortriß. Dr. Horrocks wurde ebenfalls mitgerissen, flog dabei durch die Luft und schlug mit dem Kopf auf die Felsen; der Ruck am Seil riß auch Biner aus seiner Stellung und alle drei rutschten nun etwa 40 Fuß weit über die Felsen hinunter, bis das Seil zwischen Dr. Horrocks und Perren sich an einem Felszacken verfing, wodurch sie zum Stillstand kamen. Biner jedoch rutschte weiter und das Seil riß, als es angespannt war, zwischen ihm und Dr. Horrocks, so daß Biner etwa 2000 Fuß tief auf den Durandgletscher hinabfiel. Das Seil war ein englisches und ziemlich neu; ob es in freier Luft riß oder vorher von dem fallenden Stein oder einem Felsen angeschnitten war, konnte nicht konstatiert werden. A.J. Nr. 126, pag. 271.

B. Im Mittelgebirge.

5Frohnalpstock. Herr Burger aus Zürich wurde gegen Mitte April im Schnee, nahe dem Gipfel, tot aufgefunden und man nimmt an, daß er durch Erschöpfung umgekommen sei. E.d.A.. 1894, pag. 173.

63. Juni. Frau Hitt b. Innsbruck. Der Leutascher Mosaikarbeiter H. Ascher hatte mit zwei Freunden den Felszacken erstiegen. Beim Abstieg, den er allein vorausgehend unternahm, erreichte der ziemlich kleine junge Mann bei den vom „ Kopf der Frau Hitt zur „ Schulter " führenden, weit auseinanderliegenden Griffen den untern Tritt nicht. An den Händen hängend rief er um Hülfe, stürzte jedoch, bevor diese kam, in die Tiefe, wo er mit zerschmettertem Kopfe liegen blieb und bald verschied. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 152.

729. Juni. Wiener Schneeberg. Der 17jährige Schriftsetzer Alfred Lipnicky wollte vom Kaiserstein direkt über die äußerst steilen Felsabstürze zur Quelle absteigen, anstatt den dorthin angelegten Steig zu benützen. Schon bei den ersten Schritten glitt er aus und fiel, mehrmals aufschlagend, bis auf das Geröllfeld hinunter, wo die Nachkommenden nur seinen Tod konstatieren konnten. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 164; Ö.A.Z. Nr. 404, pag. 172.

81. Juli. Glärnisch. Herr Klausz aus Preßburg, Polytechniker in Zürich, ein 20jähriger, sehr waghalsiger Jüngling, versuchte mit Herrn Fr. Weber aus Zürich, den er auf dem Wege zum Mitgehen überredete, vom Gletscher aus den aus der Schilderung des Herrn Huber, Jahrbuch S.A.C. XXIX, pag. 297, bekannten Hochthorgrat zu begehen und so gegen das Vrenelisgärtli vorzudringen. An einer etwa 80 m hohen glatten Wand angekommen, wollte Weber umkehren, Klausz aber bestand darauf, den Versuch zu machen, dessen Gefährlichkeit er übrigens einsah. Nachdem Klausz nur mit Hülfe Webers wenige Meter emporgekommen und dabei zweimal ausgerutscht war, stürzte er beim dritten Versuch ab, seinen Genossen streifend und ihn, der sich losgebunden hatte, aber das Seil noch in den Händen hielt, einen Meter weit fortreißend. Das Seil wurde dabei Weber aus der Hand gerissen und Klausz stürzte, mehrmals aufschlagend, etwa 500 m tief, wo er auf einem Schneefeld liegen blieb. Ö.A.Z. Nr. 405, pag. 183.

917. Juli. Seealpe b. Oberstdorf. Dr. F. Wehrmann in München unternahm in leichten ungenagelten Stiefeln und nur mit einem Sonnenschirm aufs Geratewohl den Abstieg von der Seealpe bei Oberstdorf über die Seewände ins Seethal und stürzte dabei wohl 300 m tief ab. Sein Leichnam wurde erst später gefunden. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 254.

10Übergang zwischen Pitz- und Ötzthal. Die Leiche des Wiener Turnlehrers Höftberger, der seit dem 17. Juli vermißt war, wurde am 20. August eine gute Stunde oberhalb Bichl bei St. Leonhard aufgefunden. Der Bergstock lag 20 m oberhalb der ganz verwesten Leiche, der Lodenrock etwas tiefer; die Brieftasche enthielt eine größere Barschaft. Es ist wahrscheinlich, daß der Verunglückte von Umhausen durch das Fundusthal und über die Frischmannhütte den Fundusfeiler bestieg, sodann über das Lehnerjöchl nach St. Leonhard absteigen wollte und dabei, vielleicht von der Nacht überrascht, vom Wege abkam und abstürzte. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 254.

1122. Juli. Dent de Jaman. Der 19jährige Student Eugen Nuffer aus Stuttgart erstieg beim Übergang von Montbovon nach Montreux die Dent de Jaman und stürzte dabei in den Felsen ab. Der zerschmetterte Leichnam wurde erst cirka 14 Tage später gefunden. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 215.

1217. August. Schlagendorferspitze ( Hohe Tatra ). Der galizische Landesgerichtsrat Bialkowsky, der angeblich allein diesen Gipfel besteigen wollte, ist dabei wahrscheinlich abgestürzt und tot geblieben. Die Leiche wurde nicht aufgefunden. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 215.

13 ) 28. August. Pochhartscharte ( b. Gastein. ) Der 15jährige Schüler Josef Diwisch aus Wien und der 18jährige Georg Pfeiffer aus Urfahr-Linz verfehlten beim Abstieg von der Scharte in das Böcksteinthal den Steig und stürzten in der Nähe des Schleierfalles ab. Diwisch blieb sofort tot, Pfeiffer, der sich an einem Baume halten konnte, wurde unverletzt gerettet. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 215.

142. September. Zwei Schwestern. Herr Wilke aus Hamburg wollte allein von der westlichen dieser zwei Felszacken bei Pontresina absteigen. Dabei stürzte er in den steilen Felsen ab, deren Traversierung für einen Alleingeher, namentlich das erste Mal, immer als gefährlich bezeichnet werden muß. A.J. Nr. 126, pag. 274.

15 ) 6. September. Pa'ferscharte. Der junge Kaufmann Feodor Lewy aus Landsberg a./W. verließ Gastein, um ohne Begleiter nach der Palfer-alm, Palfersee und Palferscharte zu gehen. Auf der erstem wurde er noch gesehen; seitdem ist er verschollen und es wird angenommen, daß er seinen Tod durch Absturz, vielleicht beim Abstieg nach dem Redsee, gefunden hat. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 214.

168. September. Schlagendorferspitze. Postassistent Ferdinand Scheich verließ in der Frühe Tatra Füred in der Absicht, die Schlagendorferspitze ohne Führer zu besteigen. Nachmittags begann ein fürchterlicher Schneesturm, der 24 Stunden wütete und in dem der unerfahrene Tourist wohl ums Leben gekommen ist, da alle Nachforschungen vergeblich geblieben sind. M. D. Ö.A.V. 1894, pag. 241.

1730. September. Großbuchstein i. Ennsthal. Rudolf Turnitz aus Wien, ein etwas schwächlicher Mann, scheint beim Abstieg zum Rohr den Weg verfehlt zu haben und dann, auf dem Buchsteinplateau umherirrend, wenige 100 Schritte vom Gipfel entfernt durch Erschöpfung und Kälte ums Leben gekommen zu sein. Bei dem Leichnam, der erst am 9. Oktober gefunden wurde, lag noch nahezu aller Proviant, sowie ein Fläschchen mit Rhum. Der Verunglückte wurde in halbsitzender Stellung neben dem aufgesteckten Bergstock, an dem der Plaid hing, an geschützter Stelle des tiefverschneiten Plateaus gefunden.

1824. Dezember. Monte Legnone. Der Advokat L. Muzetto und der Schreiber Aug. Perron mit Führer P. Buzzella unternahmen unangeseilt die Ersteigung des Legnone, als „ an einer ziemlich gefährlichen Stelle " Perron strauchelte und etwa 500™ tief in einen Abgrund fiel, wo er tot aufgehoben wurde. R.M. XIII, pag. 454.

Die Moral ergiebt sich aus den'vorstehenden Schilderungen für einen sachverständigen Leser so leicht, daß ich darauf verzichte, mehrmals hier Gesagtes zu wiederholen; ich verweise übrigens auf die Kritik der Fälle, die Herr Norman-Neruda giebt.

Dagegen muß ich zu dem letztjährigen Artikel nachtragen, daß die Leiche des Herrn L. Schulz aus Hamburg, der seit 27. Juli 1893 vermißt war, am 1. August 1894 auf dem Weg von der Mörchenscharte zur Greizerhütte gefunden wurde ( R.M. XIII, Nr. 10 ); ebenso wurde um die nämliche Zeit auf dem Stillupgletscher im Zillerthal die Leiche eines Touristen namens Salzmann gefunden, der seit dem Herbst 1893 vermißt war. ( R.M. a. a. O. ) Anderseits hat mir Herr F. J. Portmann in Escholzmatt mitgeteilt, daß das S.A.C. XXIX, pag. 342 nach der Osterr. Touristenzeitung unter Nr. 22 verzeichnete Ereignis gar nicht geschehen ist, resp. Dr. Ambühl nur in der Kuranstalt Sörenberg am Fuß des Rothorns einen leichten Unfall erlitten hat, von dem er nach kurzer Zeit geheilt war.

Redaktion.

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