Beitrag zur Frage des Einflusses der Alpung auf das Rind
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Beitrag zur Frage des Einflusses der Alpung auf das Rind

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Von Anton Krupski

Mit 1 Bild ( 66Zürich ) Es mag auffällig erscheinen, dass in einem Lande, wo der Weidgang auf zum Teil hochgelegenen Alpweiden eine grosse wirtschaftliche Bedeutung hat und die Alpung in der Aufzucht der Jungtiere einen überaus wichtigen Faktor darstellt, so wenig wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen, die dem Studium des Einflusses des Aufenthaltes in diesen Höhen und des Einflusses des Futters auf die verschiedensten Körperfunktionen gewidmet sind. In einem Aufsatz der Zeitschrift « Die Alpen » aus dem Jahre 1938 steht die Bemerkung, dass, wenn in der biologischen Forschung im Hochgebirge ein derartiger wissenschaftlicher Aufwand getrieben worden wäre wie der Auf- 1 Untersuchungen, durchgeführt mit finanzieller Unterstützung aus dem Dudley-F.Wolf-Fonds des S.A.G.. Die ausführliche Publikation wird in den Schweizerischen Landwirtschaftlichen Monatsheften ( 1944 ) erscheinen.

wand für die Lösung der touristischen Probleme, wir in vielen Fragen der Hochgebirgsphysiologie wesentlich weiter wären.

Im Programm unserer Forschungen über den Mineralstoffwechsel und die Mangelkrankheiten des Rindes waren derartige Weideversuche längst vorgesehen. Nach sorgfältiger Vorbereitung und unter Zuhilfenahme langjähriger Erfahrungen im Versuchsstall sowie im Laboratorium konnten diese Versuche im Sommer 1943 endlich verwirklicht werden. Als Versuchsweide wählten wir die 2078 m hoch gelegene « Alpe de Veisivi » zwischen Les Haudères und Arolla im Val d' Hérens. Das Wallis schien uns deshalb besonders geeignet, weil wir dort auf längere Schönwetterperioden rechnen konnten, die für solche Experimente nicht entbehrt werden können. Zudem legten wir Wert auf ganz extreme Bedingungen, d.h. wir wollten mit unseren Ver-suchstieren eine rauhe, magere Alp beziehen, wie dies in den höchstgelegenen Alpweiden der Schweiz im allgemeinen zutrifft. Unsere Alp erfüllte diese Forderungen; sie war mager, mit kurzem Graswuchs, trocken und im Frühjahr bereits einmal kurze Zeit abgeweidet worden. Auch das Wetter war denkbar günstig.

Die beiden Versuchstiere der Braunviehrasse « Hera », 2%, und « Venus », 112 Jahre alt, verblieben auf dieser Weide vom 17. Juli bis 14. September 1943. « Hera » stand von frühester Jugend an in Untersuchung, und es wurden mit ihr fortlaufend die Ca-, Mg- und P-Bilanzen ( Kalzium, Magnesium und Phosphor ) geprüft sowie Blutanalysen in verschiedener Richtung durchgeführt. Somit lagen ausführliche Tieflanddaten vor, die zum Vergleich mit den in der Höhe gewonnenen Resultaten herangezogen werden konnten.

Nach der ersten Periode einer ausschliesslichen Milchfütterung gestaltete sich bei « Hera » in der folgenden Zeit mit Heu allein als Nahrung der Ca-Mg-P-Stoffwechsel ungünstig. Deshalb galt das Ziel unserer Expedition in erster Linie dem Studium des Einflusses des Alpfutters und überhaupt des Höhenklimas auf den erwähnten gestörten Mineralstoffwechsel. Hand in Hand damit berücksichtigten wir auch die geologischen und insbesondere eingehend die botanischen Verhältnisse, die von der gegebenen Futterbasis nicht zu trennen sind.

Die bezogene Alp liegt im Gebiete der Dent-Blanche-Decke. Die schroffen Wände der Petite et Grande Dent de Veisivi gehören zum Urgesteinskern dieser Decke. Der Untergrund der Alpterrasse selbst sowie die Felsabstürze gegen Ferpècle und das Arollatal bestehen aus den Schistes lustrés oder Bündnerschiefer. Die Bündnerschieferterrasse und die Hänge der Alpe de Veisivi sind von Gehängeschutt, Felstrümmern und Moränenmaterial dicht übersät. Dementsprechend ist auch die Zusammensetzung der Flora mit einem Überwiegen der für Urgestein charakteristischen Arten. Wo indessen die kalkigen Bündnerschiefer oder andere mehr kalkhaltige Gesteine zutage treten, erscheinen die kalkzeigenden Pflanzen, wie man sie in den Kalkalpen zu sehen gewohnt ist. Der beweidbare Teil der im Lärchen-Arven-Gürtel gelegenen Alpe de Veisivi wird zum grössten Teil von Magerrasen-Gesell-schaften eingenommen, die vom alpwirtschaftlichen Standpunkt aus als schlechte Weide zu bezeichnen sind. Die Fettweide ist beschränkt lediglich auf sogenannte Läger- und Schlafplätze auf kleineren Plateaus und in Mulden der weitern Umgebung der Hütten.

Der erste Versuch war ein Weidversuch mit « Hera » ohne Kenntnis der aufgenommenen Grasmenge. Rein schätzungsweise kommt man zum Resultat, dass auf einer auch mageren Weide mit sehr kurzem Graswuchs die Quantität des aufgenommenen Futters nicht so ungünstig ausfällt, wie man etwa annehmen könnte.Voraussetzung ist aber, dass die Rinder das Weiden gewohnt sind und die Weide auszunutzen verstehen. Dies ist besonders der Fall beim autochthonen Eringer Rind. Bei diesem natürlichen Weidgang treffen die Tiere eine Auswahl, und es konnte auch bestimmt werden, welche Pflanzen gefressen werden. Fettes, aus frischer Düngung hervorgegangenes Gras verschmähen die Rinder im allgemeinen.

Der zweite Versuch war ein richtiger Bilanzversuch mit Gras bei genau bekannter Einnahme und Ausgabe von Ca, Mg und P, was ebenfalls gilt für den dritten und letzten Versuch im Stall mit Heu, das bei schönem Wetter auf der Alp gewonnen wurde.

In den botanischen Proben kommt die rangmässige Verteilung, die sich aus dem Häufigkeitsgrad ergibt, in dem die Arten an den Futterstellen der Alp vertreten sind, schön zum Ausdruck. Das Weiden bzw. das Sammeln des Futters geschah immer an verschiedenen Stellen der Alp. Das geschnittene Gras oder das fertige Heu wurden sehr gründlich durchmischt. Im allgemeinen überwiegen in allen Proben die Gräser. Sie machen ca. 2j3 aus, während nur 1/a auf die Kräuter entfällt. Die Heuproben sind eher reicher an Gräsern und enthalten mehr die Arten der Fettweide. Interessant ist ferner das Ergebnis, dass von den ca. 300 höheren Pflanzen der Alp nur etwa 47 Arten, also ca. 77, als Futterpflanzen im weitesten Sinne in Frage kommen. Diese werden von den Tieren gefressen und sind so reichlich vorhanden, dass sie den Hauptteil des Futters ausmachen. Die Restgrasproben sind im allgemeinen eher etwas ärmer an Arten als die Normalproben. Es ist aber nicht so, dass das Tier bestimmte Arten auswählt und andere liegen lässt, denn die Verteilung der Arten in den Restgrasproben ist nahezu die gleiche wie in den Erstproben, und man kann nicht einen wesentlichen floristischen Unterschied durch die Anreicherung bestimmter und den Wegfall anderer Arten feststellen. Hingegen wissen die Tiere wohl zu unterscheiden zwischen grob und fein, frisch und verdorben. Harte Bestandteile reichem sich an, und auch Verunreinigungen, wie z.B. mit Erde, mit Moos behaftete Grashorste, Mist und Erde an Pflanzenteilen, Vogelfedern etc. werden verschmäht.

Besonders interessant und wichtig ist nun aber das Ergebnis, dass trotz dieser extrem mageren und kargen Weide das Versuchstier « Hera » in der Höhe eine gewisse Umstimmung erfuhr, indem der anormale Mineralstoffwechsel wieder die richtige Bahn eingeschlagen hat. Dies beweisen eindeutig die positive Bilanz im Tale und der ausgezeichnete Gesundheitszustand. Das andere Rind, « Venus », hat auf der Alp sogar an Gewicht zugenommen. Natürlich wirken hier verschiedene Momente und wohl nicht zuletzt die spezifischen Faktoren des Höhenklimas mit. Wenn auch z.B. die Körpergewichts-zunahme bei der Alpung nicht immer befriedigend ausfällt, scheint die Hoch- h weide doch ein derartiges Stimulans zu sein, dass die Tiere nachher im Tale bei reichlicher Fütterung mit einem guten Futter rasch aufholen. Diese nachträgliche und anhaltende Wirkung fällt nun besonders ins Gewicht. An und für sich war das Gras der « Alpe de Veisivi » ein Magergras und ausgesprochen phosphorarm. Einzig das aus mehr fettem Gras gewonnene Heu wies eine normale mineralstoffliche Zusammensetzung auf. Da die Tiere beim Weidgang das magere Gras zum Teil wenigstens bevorzugen, wäre dieses Futter betreffend die Phosphorversorgung des Körpers auf die Dauer mit Sicherheit ungenügend. In der relativ kurzen Alpzeit aber wird dieser Mangel durch andere günstige Faktoren anscheinend reichlich aufgewogen, und der günstige Effekt zeigt sich namentlich dann, wenn die Tiere nachher wieder an gutes Futter kommen. Sehr schön kommt auch die Erhöhung des Hämoglobin-wertes ( Hämoglobin = roter Blutfarbstoff ) sowohl bei « Venus » als auch bei « Hera » zum Ausdruck, während der Ca-, Mg- und P-Gehalt des Blutes sowie die Zahlen des Säurebasengleichgewichtes keine Veränderungen zeigen.

Für die Rinderhaltung bedeuten unsere Alpweiden ein gewaltiges Kapital. Für die Berggegenden sind sie eine wirtschaftliche Notwendigkeit und können ganz allgemein für das Vieh ein Gesundbrunnen sein, aber nur dann, wenn folgende Postulate erfüllt sind: Krankheitsübertragungen dürfen nicht vorkommen; es müssen für kalte Schlechtwettertage ausreichende Stallungen vorhanden sein, in denen die Tiere besonders des Nachts sich gern aufhalten; allzu junge, noch nicht gefestigte und irgendwie geschwächte Rinder sollten nicht auf eine rauhe Alp ohne Unterkunft getrieben werden. Auch der Quell-fassung ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da in diesem Zusammenhang an Invasionskrankheiten ( Parasiten ) zu denken ist. Von Hüttenbau, Alpverbesserungen, Wegbau, Düngung soll hier nicht weiter die Rede sein, weil wir unser Augenmerk in erster Linie auf die Weidehygiene richteten.

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