Das Bauernhaus des Sopraceneri
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Das Bauernhaus des Sopraceneri

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Von Paul Vosseier

Mit 4 Bildern ( 21-24 ), Plänen und 1 Übersichtskarte ( Basel ) Im Livinental, jenseits des Gotthards, grüssen uns von hohen Terrassen die dunkelgebräunten Fronten der zu engen Dörfern gescharten Bauernhäuser, und nur die weissen Kirchen mit ihren schlanken Glockentürmchen erinnern uns daran, dass wir nicht in deutschschweizerischen Alpentälern wandern, sondern dass wir uns auf dem Weg zu den lieblichen Gefilden Insubriens befinden. Zwar sind in den Dörfern des Talbodens auch schon zahlreiche Gebäude eingestreut, die im Baumaterial, dem Stein und in der Form, mit flachem Sattel- oder Walmdach, an den Süden gemahnen; doch ist ihre Anwesenheit modernen Einflüssen zuzuschreiben. Erst nach dem Abstieg über die mächtige Bergsturzstufe der Biaschina prägen diese Steinbauten den Dörfern den Charakter auf, und zugleich verschwinden die aus Balken gewetteten Stall- und Speichergebäude. Oberhalb des erwähnten Talriegels steigen noch dunkle Tannen- und helle Lärchenwälder bis in den Talboden. Kleine Äckerlein, deren spät reifende Frucht hie und da auf den Getreide-harfen, den Rascanen, ausgereift wird, zeugen von der Kargheit der durch das Klima bedingten Kultureignung. In Giornico aber breiten sich lockere Fruchthaine von grosskronigen Kastanien aus, und die Berghänge sind überzogen von dem immer wieder zurückgeschnittenen Buschwald aus Edelkastanien und Birken. Die klimatische Begünstigung dieser südlichen Talstrecke zeigt sich auch in dem Auftreten von Rebbergen, die mit niedrigen, die süsse Frucht reifenden Laubdächern den Hangfuss überdecken.

Wie in der Leventina finden wir in allen Tälern des Sopraceneri zwei Bauernhaustypen, ein z.T. aus einem geräumigen Holzblockbau bestehendes und ein Steinhaus. Beide sind Einzweckhäuser und dienen nur als Wohngebäude. Ställe, Scheunen und Speicher sind von ihnen getrennt. Beide Typen hat schon J. Hunziker in seinem « Schweizer Haus » scharf auseinandergehalten, und Schwab ist ihm gefolgt. Er unterscheidet bei diesem « romanischen DAS BAUERNHAUS DES SOPRACENERI Alpenhaus » das südliche Tessiner Haus, das nördliche Tessiner Haus und das Walliser Haus im Tessin. Brockmann unterschied das « Tessiner Haus » und das « Gotthardhaus » und versuchte beide aus ursprünglichen, primitiven Formen heraus zu erklären. Es ist zu verschiedenen Malen versucht worden, die Gründe der Entstehung und der Verbreitung dieser Haustypen zu finden. Sind sie bedingt durch das vorhandene Baumaterial, durch die Anpassung an bestimmte Klimaverhältnisse, durch ethnische Tradition als Bauformen bestimmten Volksgebrauchs? Wirkten sich in ihrer Verteilung historische Faktoren aus oder sind sie von der Wirtschaft und ihrem Wechsel bestimmt Bevor ich versuche, Antworten auf diese Fragen zu geben, möchte ich einige Untersuchungen darlegen, welche ich vor allem in der Vallemaggia machen konnte.

Im untern Maggiatal treffen wir ein Steinhaus. Seine einfachsten Formen, die im Verzascatal noch sehr verbreitet sind, treten hier zurück. Wohl finden wir noch zeitweise bewohnte oder als Ziegenställe benützte Höhlen, besonders im Bavonatal. Sie dürfen wohl als Urformen des steinernen Tessiner Hauses angesprochen werden, dessen unterster Raum, eine Wohnküche, Ca genannt, noch später im Boden vertieft bleibt, wenn sich darüber schon die Mauern des Gebäudes erheben. Dieses ist vorerst noch eingeschossig. Unter dem Dach wird durch einen von Kastanienästen getragenen, nur zwei Drittel des Küchenraumes abdech;enden Boden ein Dachraum abgetrennt, der dann durch vollständige Schliessung zu einer rauchfreien Schlafkammer wird. Zuerst befindet sich der Herdplatz noch in der Mitte der Rauchküche, wird dann an die Seite gerückt und mit einem Kamin mit Kaminhut versehen. Bei neuer Aufstockung wird zwischen Kammer und Dachraum, der offen oder geschlossen als Speicher oder Heuraum benützt wird, ein neuer Boden eingezogen. Treppen an der Aussenwand, Balkone aus Brettern, die von Säulen getragen werden, oder aus Steinplatten, die auf Konsolen ruhen, ermöglichen die Verbindung der Räume. Etwas grösser wird der Grundriss beim typischen Haus des Maggiatales. Hinter der Küche wird ein Kellerraum mit Gestellen für Brot und Käse angefügt. Darüber liegt hinter dem Wohnzimmer, das nun ein eigenes Kamin erhält, eine Schlafkammer. Hie und da sind die vorderen Räume des ersten Stockes weggelassen, und dafür entwickelt sich ein breiter Vorplatz über der Küche, mit Stützen für das schwere Dach. Durch Zusammenrücken zweier Häuser entstehen symmetrische Grundrisse wie bei dem Haus La Bolla im Bavonatal ( Plan 1, Fig. 21 ).

Das Dorfbild der Tessiner Dörfer, in welchem diese Steinhäuser vorwiegen, zeigt die enge Geschlossenheit der schmucklosen Bauten, deren scheinbares Trockenmauerwerk aus grauem Granit nur durch den Verputz der Fensterumrahmungen und durch Heiligenbilder unterbrochen wird. Die Dächer sind massig steil. Sie sind mit schweren Steinplatten bedeckt. Diese liegen auf einem Dachstuhl, der aus schief zueinander gestellten, starken, mit Zapfen versehenen Balken besteht, auf denen in der Firstrichtung die Sparren liegen. Gewöhnlich ragt die Dachfläche an der Firstkante gegen Lee vor. Diese Tessiner Häuser sind z.T. sehr alt. Bei Bignasco und im Verzascatal finden sich solche aus dem 13. und 14. Jahrhundert. In ihren einfachsten Formen sind sie in den zahlreichen Maiensässen und auf den Alpen verteilt.

In Bosco-Gurin, dieser Enklave der Walser, die schon im 13. Jahrhundert über das Pommât und die Guriner Furka eingewandert sind und seither ihre ethnische Eigenart zu erhalten gewusst haben, treffen wir den Haustyp, den Brockmann als Gotthardhaus bezeichnet hat. An die gemauerte Küche, die nicht immer mit einem Kamin versehen ist, wurde der Block des Wohn-teils angebaut. Trotzdem die Häuser erst aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammen, bezeugen sie doch eine viel ältere Tradition. Im allgemeinen sind sie zweistöckig, mit Stube und Kammer und einem Speicherraum unter dem Dach, der mit einer Giebellaube versehen ist. Die meisten Häuser von Bosco sind schmal, nur für eine Familie berechnet, doch finden wir auch Doppelhäuser, wie das Walser Museum oder das von einem aus Kalifornien zurückgekehrten Alten bewohnte Haus, wo das breite flache Steindach zwei Wohngebäude vereinigt ( Plan 2, Fig. 22 ). Bei dem letzteren Haus besteht noch die Hälfte der Dachbedeckung aus Schindeln, als Rest eines früher wohl weiter verbreiteten Dachbelags.

Dieses Gotthardhaus ist nun nicht nur auf Bosco beschränkt. Wir finden es eingestreut in den Tessiner Häusern von Fusio, Broglio, Brontallo, Bignasco, im'Bavonatal in Sonlerto, wo der Block allerdings stark zusammengeschrumpft ist.

Auch in Campo ist dieser Haustyp vorwiegend. Dort zeigt er sich in einfachster Form ( Plan 3, Fig. 23 ). Daneben hat sich allerdings der modernere Typ des Tessiner Hauses in neueren grösseren Formen eingenistet, zu dem auch die barocken Paläste der Pedrazzini gezählt werden dürfen. Daneben aber finden wir sowohl in Campo als in Cimalmotto eine Kombination des von Hunziker als Walser Haus bezeichneten Gotthardhauses und des Tessiner Hauses ( Plan 4, Fig. 24 ). Es sind kleine Bauten mit gemauerter Küche, die in den Boden eingelassen ist. Darüber steht ein gewetteter Block, der nur die Stube umfasst, die durch einen von aussen gefeuerten Specksteinofen erwärmt wird. Unter dem Dach ist ein Gaden, der über eine Leiter zugänglich gemacht ist. Die kleinen Fenster der Stube, mit einem nach innen konisch sich erweiternden Profil, werden durch ein Balkenstück oder einen Schieber geschlossen. Sie deuten auf grosse Altertümlichkeit der Bauten hin, die heute, bei der starken Entvölkerung der sterbenden Dörfer, denen die Rovanna immer mehr von ihrem Kulturboden entreisst, kaum mehr bewohnt werden. Direkt turmartig wirkt ein ähnliches Haus oberhalb Niva, wo nur das Dachgeschoss gestrickt ist. Ähnliche Mischtypen sind übrigens von Hunziker aus dem Bedrettotal beschrieben worden.

Mit dem Gotthardhaus vergesellschaftet ist auch der Stadel, ein Getreidespeicher, dessen Block auf Stelzen ruht. Diese sind entweder dem untersten Blockring eingefügt, oder sie sind durch grosse Steinplatten abgedeckt. Hie und da sind sie durch Mauerpfeiler ersetzt. Die Abdeckung der Stützen durch Steinplatten wird im allgemeinen als Schutz des Speichers vor Mäusen erklärt. Abgesehen davon, dass diese Tierlein sowohl über die Treppe als vom Hang aus durch Sprünge auch trotz der Platten den Block erreichen DAS BAUERNHAUS DES SOPRACENERI können, dass daher der vorgebliche Schutz ein ungenügender sein muss, ist das Verbreitungsgebiet der Steinplattenstadel ein so geschlossenes, dass unbedingt andere Gründe für seine Entstehung angenommen werden müssen. Auch ein Schutz vor der Bodenfeuchtigkeit fällt in unserm Alpengebiet dahin. Sie mag bei kleinen Maisspeichern in Nordportugal und Asturien oder in Kornspeichern der Dobrudscha nötig sein, wo kaum ein Unterbau existiert. Hier finden wir aber überall Mauern oder Balkenwerk als tragende Fundamente. Die Abdeckung der Stützen durch Steinplatten scheint meines Erachtens eine Erleichterung der Konstruktion des Hauses zu sein, indem über den dünnen Pfählen dem arbeitenden Holz des untersten Blockringes eine breitere Basisfläche gegeben wird.

Zur Begründung dieser Ansicht möchte ich einige Beobachtungen aus Bosco heranziehen. Die meisten Stadel, ausgesprochene Getreidespeicher mit Dreschtenne, stehen auf Stützen; doch nicht alle von ihnen sind durch Steinplatten abgedeckt. Bei einigen sind sie in Kerben des untersten Blockringes eingefügt. Dadurch entsteht eine solide Verbindung des ganzen Hauses mit dem Unterbau. Das Arbeiten des Holzes wird durch dieses Zusammenfügen erschwert, doch stellt diese Bauart eine wesentliche Erschwerung der Konstruktion dar und setzt ein gutes handwerkliches Können voraus. Einige Stadelblöcke ruhen, wenigstens teilweise, auf Mauerpfeilern. Auch da sind die Deckplatten weggelassen, wenn sie auch an den durch Stützen getragenen Stellen nicht fehlen. Einige Beispiele zeigen, dass durch das Einschieben verschiedener Platten die horizontale Lagerung des Blockes erreicht wird. Die Stadel mit Deckplatten sind am besten aus dem Wallis bekannt. Dort werden sogar neuerdings verwendete Betonstützen abgedeckt. Eingenutete Stützen sind selten. Doch Getreidespeicher treffen wir im ganzen Sopraceneri sowie im Calancatal und Misox, nur ruhen dort die Blöcke auf niederem Mauersockel; die Stützen fehlen.

Es ist nun nicht von der Hand zu weisen, dass das Einschieben von Steinplatten zwischen die schmalen Stützen und den grossen, schweren Block eine Vergrösserung der Auflagerungsfläche und damit eine sicherere Verteilung des Schwergewichtes bedingt. Auch bei der Dehnung und beim Zusammenziehen des Holzes werden dann die Stützen nicht schief gedrückt, sondern diese finden auf der ebenen Plattenfläche genügend Spielraum. Ich möchte deshalb die Erklärung der Platten als Verhinderung der Un-geziefergefahr ablehnen, und wenn sich auch nachträglich die Walliser Bauern diese Erklärung zu eigen gemacht haben, so ist es ein Nachsprechen, nachdem der eigentliche konstruktive Grund vergessen worden ist.

Dieser sonst als typisches Walliser Bauwerk bekannte Stadel ist nicht nur in der Guriner Gegend verbreitet, sondern wir finden ihn auch im übrigen Maggiatal, in Campo, Sonlerto, im Bavona, in Fusio und Bignasco. Er soll, was ich nicht nachprüfen konnte, auch im untern Maggiatal auftreten.

Die Verbreitung der Bauernhausformen in den Tessiner Tälern führt uns zur Frage ihrer Beeinflussung durch Natur, Wirtschaft, Volk und Tradition.

In den obern Maggiatälern ist genügend Nadelholz für den Bau der Blockhäuser vorhanden. Dies zeigen auch die zahlreichen hölzernen Stall- bauten, die bis Bignasco und in den Rovannatälern vorherrschend sind. Doch wird heute aus ökonomischen Gründen sogar in Bosco-Gurin der Stein als Baumaterial vorgezogen, weil sich dann das Haus billiger stellt. Es ist der Einfluss der modernen Wirtschaft. Der Grundriss des Gotthardhauses wird dann allerdings beibehalten, und darin zeigt sich die alte Volkstradition. Die Billigkeit mag auch in andern Gebieten, mit grossem Reichtum an Lärchenholz, dem Steinhaus den Weg gebahnt haben. Es zeigt dann allerdings nicht mehr die ursprünglichen, primitiven Formen. Zugleich hat die gesellschaftlich höhere Wertung des Steinbaus schon in früheren Zeiten zur Verdrängung des viel weiter verbreiteten Holzhauses beigetragen. Davon spricht auch die Steinverschalung der Blöcke, wie sie an einem Beispiel aus Bosco vorhanden ist, die aber im Wallis und in Graubünden beim Gotthardhaus, vor allem beim Engadiner Haus, grosse Verbreitung gewinnt.

Erst im untern Talteil, wo auch der Nadelwald durch Laubwald abgelöst wird, fehlt das Gotthardhaus vollständig. Hier ist das eigentliche Verbreitungsgebiet des Tessiner Hauses. Bei der Mischung der Haustypen mag auch die ethnische Tradition mitgewirkt haben. Es ist anzunehmen, dass die Ausdehnungsrichtung des Tessiner Hauses von Süden her, die des Gotthardhauses über die Pässe der Talhintergründe verlief, wo Zusammenhänge mit Livinental und Pommât respektive Wallis bestehen. Auch die Betrachtung der übrigen Sopraceneritäler lässt diese Zusammenhänge erkennen. Im Tessintal ist das vorherrschende Haus des Livinentales das Gotthardhaus, das in einzelnen Formen noch die Stufe der Biaschina überspringt und in Giornico und Biasca gefunden wird. Auch das Bleniotal ist Gebiet des Gotthardhauses, ebenso das Calancatal mit Ausnahme der ausserhalb und in der Mündungsschlucht gelegenen Dörfer Santa Maria, Castaneda und Busen. Doch überall dringt von Süden her das Tessiner Haus ein, und überall zeigt sich die langsame Durchdringung und schliessliche Ersetzung des Gotthardhauses durch den Steinbau. Nur das Verzascatal besitzt als einziges Nordtessinertal keine Gotthardhäuser, ja dort finden wir noch das Tessiner Haus in seinen primitivsten Anfängen und Entwicklungsstadien, als Höhlenstall, als ein- oder zweistöckiges Haus mit der Herdstelle inmitten der Wohnküche, mit Kamin-bauten und Nebeneinanderschaltung der Wohngebäude bis zur Form, die ein Atriumhaus mit Treppen- und Laubenteil vortäuscht, aber lediglich aus zwei bis drei einen Hof umspannenden Einzelhäusern besteht.

Eine besondere Stellung nimmt der Stadel ein. Er ist eine Zweckform, die seit uralter Zeit, vielleicht seit dem Neolithikum, wo Pfahlbautendörfer sich an den Seeufern reihten, benützt wird, und der sich als solcher, wenn auch in Resten und letzten Zeugen, dort erhalten konnte, wo Getreidebau ein wichtiger Wirtschaftszweig der Bewohner war, und der mit seinen Lauben und Gestellen die im Livinen- und Bleniotal gebräuchlichen Kornharfen, die Rascane, welche das Ausreifen des Getreides erlauben, entbehrlich machte. Es ist eine Form, wie wir sie auch bis weit in den Norden Europas, über Finnland bis zu den Lappen der Eismeerküste treffen, dort allerdings nicht nur als Speicher, sondern auch als Wohnbau.

DAS BAUERNHAUS DES SOPRACENERI Die Gründe der Verteilung der beiden Bauernhaustypen im Sopraceneri, für die Brockmannr, Bezeichnungen « Gotthardhaus » und « Tessiner Haus » nicht unzutreffend gewählt sind, da sie nur die Zentren der Verbreitungsgebiete angeben und sich über Ursachen und Form ihrer Gestaltung ausschweigen, sind komplex. Beide haben ihren Ursprung in Wohnhöhlen oder leicht in den Schutthang zu grabenden Wohngruben. Noch sind solche Urformen als einzelne Alpwohnungen, wie auf der Stabbioalp im Calancatal, als Ställe im Bavona- und Verzascatal, als Grotti in Tessiner Rebgegenden bekannt. Der Errichtung der Mauern des Wohnbaus beim Tessiner Haus und des Küchenteils beim Gotthardhaus stand in den leicht zu bearbeitenden Gneisplatten ein gutes Baumaterial zur Verfügung. Die Verbreitung des Lärchenwaldes im Hauptgebiet des Gotthardhauses begünstigten den Blockbau für den Wohnteil. Wenn diese Grundlagen in den Kerngebieten der Hausformen vorhanden waren, so sind sie durch spätere, einstweilen nicht voll erfassbare Verbreitungstendenzen überdeckt worden. Diese bestanden in der Kolonisierung höherer Talteile, wie im Verzascatal, in der Ausbreitung talabwärts, wie in Livinen- und Maggiatal, in der modernen Bevorzugung des Steinbaus und seiner Aufwärtswanderung längs den Verkehrswegen bis zur fast vollständigen Verdrängung der ursprünglichen Bauart. Dabei blieben einzelne Formen des Gotthardhauses als Armeleutewohnungen übrig, bis sie dem Verfall, der das Holzhaus eher ergreift als den Steinbau, anheimfielen. Im grossen und ganzen scheinen aber die verschiedenen Bauernhausformen nicht durch die heutige Bevölkerung bedingt zu sein. Das zeigt die Verbreitung des Gotthardhauses, das sowohl im Gebiet der Walser Kolonie Bosco-Gurin als in den rein italienisch bevölkerten Tessiner und Graubündner Tälern zu finden ist. Diese Häuser reichen wohl in eine Zeit, von der uns nur prähistorische Funde berichten können.

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