Der alpine Film
Wie er ist und wie er sein sollte.
Eine Besprechung dieses gewiss aktuellen Themas dürfte vielleicht manch ein Mitglied des Schweizerischen Alpenclubs interessieren. Man möge jedoch von einem ersten Versuch nicht verlangen, dass er das Problem bereits erschöpfend behandle. Im Gegenteil, je mehr Stimmen sich in unserer Monatschrift dazu äussern, um so fruchtbringender würden vorliegende Zeilen sein können. Einige Gesichtspunkte bloss mögen anhand von möglichst treffenden Beispielen erwähnt werden:
Wenn wir von vornherein alle die Filme ausschalten, die zwar in ihre Handlung alpine Welt und alpinistisches Tun mehr oder weniger organisch einflechten, die aber in Inhalt und Formung nicht den Anspruch darauf erheben dürfen, künstlerisch gute Filme zu sein, so können wir immer noch vier Gruppen unterscheiden, die uns einiges Interesse zu bieten vermögen.
1. Da hätten wir einmal technisch gute Filme, die aber nur vorübergehend in den Bergen spielen. Es ist ganz klar, dass gerade in solchen modernen Gesellschaftsfilmen, wo die Grossstadt mit ihrem unruhigen Tagesbetrieb und ihrem nerven- und sinneaufpeitschenden Nachtleben den Hintergrund bildet, ein Akt doppelt wirksam sein muss, der plötzlich die ruhige Majestät der Alpenwelt vor unseren Augen erstehen lässt. Um so bemühender ist es dann für den, der gerade diesem Teil eines solchen sogenannten guten Films besonderes Interesse und dazu noch einige Sachkenntnis entgegenbringt, wenn die Handlung der dargestellten Menschen der gewaltigen Urwelt-macht von Eis und Fels gegenüber nicht entsprechend natürlich oder nicht alpinistisch einwandfrei ist. Ein einziger Ärger darüber, dass irgendein Vorgehen falsch oder geradezu unmöglich ist, mag uns die Freude über eine prächtige Alpenlandschaft, einen mit photographischer Findigkeit aufgenommenen Lichteffekt mit einem Schlage verderben.
Ich denke da z.B. an « Rosen aus dem Süden », jenen neueren Henny Porten-Film, der im ersten Teil die winterlichen Oberengadiner Berge zur Staffage hat. Eine Studentin der Chemie steigt — alleineiner Clubhütte zu. Dass sie weit zu gehen im Sinne hat, erkennen wir schon an ihrer Ausrüstung. Sogar ein Seil trägt sie — was soll es der Alleingängerin nützen ?! Seehundfelle kennt sie offenbar nicht. Mit raffinierter Steigtechnik überwindet sie jedoch kantend und drauflos Spitzkehren anwendend beträchtlich steile Hänge. Dann kommt sie auf einen tiefverschneiten Gletscher. Plötzlich bemerkt sie etwas; man erkennt, dass sie Umschau hält, gespannt lauscht, selbst die Hand zum Rufe trompetenförmig vor den Mund hält. Ein Zwischen-bild zeigt uns einen jungen Mann, der in eine Gletscherspalte gestürzt ist und nicht mehr heraus kann. Im Nu ist die Retterin da! ( Dass sie nicht etwa absichtlich einem heimlich geliebten Manne nachgestiegen war, ist daraus ersichtlich, dass sie nicht fremden Spuren gefolgt war. ) Nun Seil zugeworfen und kräftig gezogen 1 Angefrieren kann es doch nicht und zerreissen auch nicht an der scharfen Kante des Schrundesl So zieht sie mit eigener Kraft den halberfrorenen Touristen aus seinem kalten Grabe.
In der Clubhütte sind sie allein. Es wird abgekocht. Es wird zu einem Grammophon getanzt: « Rosen aus dem Süden »... Es wird immer schwüler... Am frühen Morgen verlässt, schuldbeladen, die kühne Skifahrerin allein die Hütte, die von Neuschnee verschneite, bevor der Bergkamerad erwacht ist. Von Lawinengefahr ist nicht die Rede!... In der Folge kommt Fräulein Dr. chem. dann in seelische Konflikte, als sie in der Parfümfabrik wieder mit ihrem einstigen Bergfreund zusammenstösst. Er, dem sie einst das Leben gerettet und der ihr selbst ein Leben geschenkt hat, ist nun ihr Vorgesetzter. Bis sich alles in Minne löst.
Deutlich erkennbar ist das Jungfraugebiet als Folie zu einem Akt in dem sonst nicht im geringsten alpinen Film: « Die Tränen der Ungeborenen ». Der Titel schon zeigt einen Tendenzfilm an, und es sei auch gleich gesagt, dass die Tendenz hier nicht etwa bloss ein Vorwand zur Wiedergabe prickeln- der Situationen ist, sondern, dass aus abschreckendstem Realismus echte Tragik entsteht. Nur hat die alpine Einlage gar nichts mit dem übrigen Stoff zu tun, d.h. sie ist jedenfalls durchaus nicht begründet, sondern einfach zur Veränderung des Milieus und zur Gewinnung lebhafter Gegensätze eingeschoben: Die Heldin des Romans, den treulosen Bräutigam in der Schweiz als Militärattache wissend, fährt ihm im Flugzeug nach. ( Die Schweiz ist ja so klein, dass es ausgeschlossen ist, sich zu verfehlen. ) An der Bergbahnstation holt ein Führer sie ab, dessen Frau droben in den Bergen ein primitives Gasthaus führt. Dass wir aber einen Bergführer vor uns haben, muss uns erst noch gesagt werden, denn sonst würden wir sagen: ein Salonturist! Selbst der noble Haarhut fehlt ihm nicht, so wenig wie das elegante Sportkleid samt dazu abgestimmten Überstrümpfen. Und da werden nun Türen unternommen, bis irgendwo wieder einer — eben der treulose Bräutigamzwischen Himmel und Erde hängt. Leider wird uns auch hier nicht durch Andeuten der einzelnen Fehler, die er gemacht hat, eine alpinistische Belehrung erteilt. Es folgen von seiten der Dame und ihres Führers gewagte Klettereien in der Wand, statt dass von oben her leichterer Zugang gesucht wird. Im Moment, wo das Seil des Abgestürzten noch an einem einzigen Fädchen hält, ist die Hilfe da!... 2. Wir kämen jetzt zur Besprechung der Gruppe von Filmen, die zwar auch Abenteuerlich-Romanhaftes zum Inhalt haben, aber ganz oder grösstenteils in der Alpenwelt spielen, ohne freilich im eigentlichen Sinne alpinistisch zu sein. Vor Augen steht mir da einmal ein Film, dessen französischer Titel den symbolischen Titel « La Roue » trug und der im Montblancmassiv spielte. Bei Beginn sind wir in einem Bahnwärterhäuschen mitten zwischen den Geleisen und dem Rädergeroll eines Rangierbahnhofes. Der Sohn des alten Bahnwärters ist in die gleichaltrige Pflegeschwester verliebt, die von seinem Vater einst bei einem Eisenbahnunglück gerettet und aufgenommen worden war. Eifersuchtsszenen zwischen dem alten Witwer und seinem Sohn, der doch nichts von allem ahnt. Er kommt dann als Lokomotivführer an die Montenversbahn, und der Vater findet an der gleichen Bahn eine seinem Alter entsprechende leichtere Arbeit. Die gemeinsame Wohnung ist eine hochgelegene, klubhüttenartige Behausung, meist nur von dem zurückbleibenden Mädchen allein bewohnt. Der Gegenspieler erscheint auch hier oben. Schon im Tal hat der leichtsinnige Lebemann der Tochter nachgestellt und ihr Sand in die Augen gestreut. Jetzt will er sie überrumpeln. Es folgt das billige Motiv, das sich in den Filmen ewig wiederholt. Man denke etwa auch an « Violantha » mit dem Zweikampf auf der Furka: Der Retter erscheint im rechten Moment und verabredet mit seinem Gegner einen Zweikampf. Dieser wird auch ausgeführt, und zwar auf der äussersten Zacke eines überhängenden Felskopfes, hoch über den Gletschern. Der Lebemensch kommt zwar um, abe.rder andere stürzt auch ab und wird mit Hilfe eines Hundes unten auf dem Gletscher gefunden und gerettet. Scheusslich! Es muss hingegen gesagt sein, dass die landschaftlichen Schönheiten in diesem Filme unvergleichliche Eindrücke hinterlassen. Da ziehen die Nebel über die Riesengletscher des Montblancmassivs, klettern zwischen den Zinnen und Teufelsfingern der Aiguilles durch, da öffnen sich die weissen Flächen plötzlich, und man staunt in ein Séracgewirr hinein.
Landschaftlich ebenbürtig und mit seiner Darstellung guter Skifahrtechnik dem Montblancfilm noch überlegen ist der alpine Film « Die Schmuggler der Bernina ». Hier zeigen erstklassige Skilehrer, was unfehlbares Beherrschen der Bretter in Verbindung mit genauer Kenntnis des Terrains zu leisten imstande ist. Aber immerhin, seitdem wir wissen, dass die schweizerische Oberzolldirektion für die Grenzzollwächter hochalpine Sommer- und' Winterkurse einrichtet, wo die Kandidaten durch diplomierte Bergführer in die Technik von Pickel, Seil, Steigeisen und Ski eingeführt werden, scheint es uns doch ein gewagtes Unterfangen zu sein, den Zuschauern diese Verfolgung der Schmuggler auf Skiern zwischen den offenen und verschneiten Schrunden und dem Seracgetürm des Morteratschgletschers hindurch zu bieten. Glänzend zwar, wie Schmuggler und Verfolger, einer nach dem andern, die gefährlichsten Hindernisse durch einen gerissenen Christiania, einen unerwarteten Quer- oder Umsprung umgehen. Aber immerhin... Oder wie der kleine Bruder seinen älteren, den Grenzwächter, den er verwundet im Schneesturm liegen weiss, erretten will, wie er seine kleinen Bretter hervorholt und ohne Felle oder andere Vorrichtung steil damit bergan steigt, alles das erweckt die Kritik eines Zuschauers, der auf solchem Gebiet beschlagen ist, wenn auch Zügegeben sei, dass das häufige Rückwärtsrutschen im letzteren Falle angedeutet war. In Wirklichkeit aber wäre es für ein Kind geradezu unmöglich gewesen, in einem solchen Schneetreiben und mit solch übermenschlichen Anstrengungen bis zu der Höhe zu kommen, wo der Verletzte lag.
3. Von eigentlich alpinistischen Filmen, die aber mit einer romanhaften Erzählung verquickt sind, möchte ich drei als charakteristische Beispiele erwähnen: Einmal einen älteren deutschen Film, « Kampf in den Bergen », der am Monte Gallo spielt, wo seither ein riesiger Felsabsturz erfolgt ist. Wir sehen da die verwegenste Kletterakrobatik à la « Guglia Edmondo de Amicis » ( Alpen 1926, Seiten 172/173 ). Aber die Einzelaufnahmen sind dann wohlweislich an einer anderen, harmloseren Wand aufgenommen. Doch machen wir es kurz! Der Held der Geschichte, dessen Vater schon am gleichen Berg erfallen ist, will den Gipfel als erster bezwingen. Da er keinen Begleiter findet und sogar seine sonst kühne Braut vor diesem gewagten Unternehmen — so kurz vor ihrer Hochzeit — zurückschreckt, geht er allein den Berg an — und siegt. Aber im Abstieg überrascht ihn ein Unwetter, und er versteigt sich. Wird über Nacht eingeschneit. ( Wir denken dabei etwa an eine Tur wie die günstig verlaufene Bristenstocktur von letztem Juni, die leicht hätte verhängnisvoll werden können. ) Am Morgen erlöst ihn die tapfere Braut aus seiner heikein Lage. Besonders schön ist der Abstieg dargestellt: wie das rieselt und stäubt vom tiefen Neuschnee, wenn die Nagelschuhe und die Fingerbeeren unter der weissen Hülle nach festen Griffen tasten. Ergreifend auch das bange Warten der Mutter daheim am Spinnrad. Den Schluss bildet eine fröhliche Szene, die gewiss jedem Alpinistenpapa das Herz im Leibe lachen lässt, aber zugleich wohl den Abscheu aller übrigen Eltern erregen mag: Der glückliche Vater weiht am Felsblock hinterm Haus sein Söhnlein in die ersten Elemente des Kletterns und der Seiltechnik ein.
Das beste Beispiel für einen ausgesprochen alpinistischen Film mit allen seinen Vorzügen, aber auch seinen unbedingten Fehlern, ist sicherlich « Der heilige Berg ». Es sei hier nicht die Rede davon, dass es immer etwas Zweifelhaftes bleiben muss, eine Frauengestalt wie die der Tänzerin bald rein symbolisch als Verkörperung der Sehnsucht, bald wieder als Frau von Fleisch und Blut und liebende Freundin eines Alpinisten zu verwenden. Hier wollen wir nur den Film auf seinen alpinistischen Wert hin prüfen. Da ist zuerst einmal wieder das Alleingängertum gepredigt: Urplötzlich treibt es den Bergsteiger hinaus aus den Hallen seines Luxushotels in Zermatt. Dann sehen wir ihn — schon nach kurzer Zeit, ist man anzunehmen gezwungen — allein in weiter, weisser Flur, mitten im Monte-Rosa-Massiv, in nächster Nähe des Lyskamm. Ein andermal, nachdem wir zwischenhinein Bündnerberge erkannt haben, sind wir vor einer Clubhütte mit dem Matterhorn als Hintergrund. Gewiss, ein stets wirksames Bild. Aber passt dazu der weichmütige Seelen-erguss des Liebespaares? Ist das nicht eine Profanierung des starken, harten Charakters der Umwelt? Etwas vom Besten ist die plötzliche Umkehr des absteigenden Skifahrers, der unerwartet seine Braut hinter einer Skihütte in intimem Gespräch mit einem jungen Sportsmann entdeckt. Ohne lange zu untersuchen, macht er rechtsumkehrt und steigt wiederum ins winterliche Gebirge. Um so bemühender ist dafür der Teil, der sozusagen die Hauptsache am ganzen Film darstellt, die Gipfelbesteigung über eine unbegangene Wand, mitten im Winter, durch die beiden ungleichen Freunde. Bei aller kunstvollen Verarbeitung der seelischen Konflikte, wie sie sich aus der erst jetzt offenbar werdenden Nebenbuhlerschaft der Freunde ergeben, muss doch gesagt sein, dass gerade dieser Teil des Bergfilms durch geradezu unbegreifliche Stellen enttäuschen muss. Da ist einmal der auffallende Alters- und Konstitutionsunterschied, der es uns nicht nahebringen kann, dass ein durch und durch zäher, erfahrener Alpinist einen viel weniger trainierten Kameraden auf eine solch gewagte Tur mitnimmt, wo das Unterfangen ohnehin schon ein tollkühnes ist, in dieser Jahreszeit eine vereiste und verwächtete Wand zu zweit anzugreifen! Der Anstieg bis zur Stelle, wo die Skier abgeschnallt und die Eisen angezogen werden und die beiden die Felsen angehen, ist film-technisch höchst wertvoll... Prächtig wird vom älteren gearbeitet, dass die Eissplitter und die Schneestaubbächlein stieben! Aber dann — ist das noch Vernunftgeraten die Kletterer in die stürzenden Staublawinen, als bildhafter Eindruck freilich etwas vom Schönsten, wie sie rechts und links umrauscht sind von weissstäubendem Gischt. Dann folgt die waghalsige Erkletterung von Übergängen und durchsichtigklaren Eiswächten. Hier fängt man an, die Übertreibung satt zu bekommen. Gewiss gibt es solche Sachen. Aber sucht man sie auf, wo sie zu vermeiden sind? Sollen Nichtalpinisten, sollen zumal unsere Frauen den Eindruck bekommen, das sei die Regel, solchen Gefahren seien ihre Männer ausgesetzt, wenn sie in die Berge steigen? Ohnehin erscheint im Ausschnitt der Leinwand alles steiler und gefahrvoller, als es in Wirklichkeit ist. Und dann das Biwak am Abgrund, mit den Auseinandersetzungen der Freunde, bis der jüngere den Abstieg erzwingen will und abstürzt. Und wie der ältere ihn am Seile festhält und auch gegen den Willen des andern ihn nicht losschneiden will, obgleich weiteres Halten auch seinen eigenen Tod bedeutet. Ein wackeres Verhalten nach dem Grundsatz echter Bergkameradschaft; um so ergreifender, als der Held sich vom jüngeren Freund in der Liebe betrogen weiss. Aber dann — darf man es jedem Zuschauer zumuten, dass er errate, wieso der eine Mann die ganze Nacht über den andern am gespannten Seil zu halten vermag? Kann er erraten, dass das Seil gerissen und nur mit dem kurzen Ende am Rand der Wächte festgefroren ist? Ebenso unwahrscheinlich als bildhaft schön ist die nächtliche Rettungskolonne der Skifahrer mit flackernden Fackeln, einer Schnitzeljagd gleich durch Dick und Dünn sausend.
Das dritte Beispiel, das ich erwähnen wollte und auf das ich grosse Stücke gesetzt hatte, hat mich in alpinistischer Beziehung aus einem andern Grunde völlig enttäuscht, nachdem ich es erst nach Fertigstellung des vorliegenden Aufsatzes zu sehen Gelegenheit hatte. Ich meine « Der Bergriese », einen neuen italienischen Film. Nicht, dass er die gleichen Fehler aufwiese, nein, aber er ist in keiner Weise alpinistisch interessant, obschon er in den Dolomiten spielt und zwei Bergführer zu Gegenspielern hat. Vielmehr ist er ein reiner Abenteurerroman, kann aber durch wunderbare Naturaufnahmen befriedigen und weist am Schluss eindrücklich auf die Lawinengefahr hin, nachdem leider am Anfang ein leichtsinniges Wettspiel mit den FeJsbergen getrieben wird.
4. Während wir über die letzte Gruppe von Filmen, die Natur- und Besteigungsfilme, wie etwa die Besteigung der Jungfrau, der Blümlisalp, eine Gemsjagd in den winterlichen Alpen von Bayern, die Wunder des Schneeschuhs, das Nebelwunder des Maloja u.a., uns nur lobend aussprechen können, darf in bezug auf jene dritte Kategorie von Filmen eine Kritik noch kurz zusammengefasst werden: Sollte es etwa nicht möglich sein, einen romanhaften Film auch alpinistisch interessant zu gestalten und einwandfrei zu drehen? Warum auch nicht! Im Gegenteil, wäre es nicht eine dankbare, ja die gegebene Aufgabe der Schweiz, in dieser Beziehung bahnbrechend voranzugehen? Denn das Interesse an der Alpenwelt ist nun einmal in hohem Masse auch beim Kinopublikum vorhanden. Warum also nicht, zur unzweideutigen Klarlegung von alpinen Unfällen, wie sie eben vorkommen und zur Steigerung der Spannung in Filmen erst recht vorkommen, ein schrittweises, gewissenhaftes Darstellen der Fehler, die gemacht wurden und zu dem Unglück führen mussten, begleitet von textlichen Erläuterungen, einschieben? Mangel an Spannung? O nein, das sage keiner! Das könnte im Gegenteil viel spannender wirken als das unmotivierte Aneinanderhängen von unglaubhaften Tatsachen. Und damit das « Gefühl » auch auf seine Rechnung komme, kann ja ruhig mit der alpinistischen Handlung ein Heimatroman voll echter schwei-zerischerallgemein menschlicher !) Leidenschaften verbunden werden.
.F. D. Fischer.
Nachschrift. Nachdem mein Artikel bereits eingesandt war, erhielt ich von der Redaktion in verdankenswerter Weise den Korrekturbogen des Artikels von O. P. Schwarz im zweiten Teil des Oktoberheftes und erlaube mir dazu folgende Bemerkungen: Da ich nicht die praktische Erfahrung des Schreibers jener Zeilen im Lehrfilmwesen besitze, erlaubte ich mir keinen Seitensprung in jenes technisch schwierige und vor allem finanztechnisch heikle Gebiet. Aber dabei wäre ich mit Feuer und Flamme, wenn etwas Derartiges schon in absehbarer Zeit im Kreise des Schweizerischen Alpenclubs möglich wäre. Noch eher scheint mir aber jene Lösung auf breiterer, wenn auch auf weniger einlässlicher Basis möglich: dass nämlich der grosse Unterhaltungsfilm, der mit ganz andern Herstellungsmitteln rechnen kann, überall da, wo alpines Milieu und alpinistische Handlung hineinspielt, nicht nur andeuten, sondern aufklärend, statt wie oft abstossend, wirken sollte und — könnte. Der Verfasser dieses Artikels weiss, dass gerade bei uns in der Schweiz das ernsthafte Bestreben besteht, eine Filmproduktionsgesellschaft zu gründen mit der Aufgabe, den Heimatfilm nach jeder Hinsicht frei von den Mätzchen grossstädtischer Oberflächlichkeit zu pflegen, was zudem eine bessere Reklame für unser Land wäre als die ausgesprochenen Werbefilme. Die Behauptung von schlechtem Besuch alpiner Filme kann ich kraft meiner Erfahrung im In- und Ausland nicht teilen.
Soeben geht durch die schweizerischen Tagesblätter die Kunde, dass des schweizerischen Schriftstellers Johannes Jegerlehners Roman « Petronella » von der neugegründeten Helvetia-Film A. G., Bern-Berlin, als prächtiger Heimatfilm echt schweizerischer Eigenart, ohne eine einzige kitschige Stelle, geboten werde. Sollte auch der Alpinismus im engeren Sinn keinen Platz darin finden, was sich der Kenntnis des Verfassers vorliegender Skizze einstweilen noch entzieht, so scheint doch ein bedeutender Schritt in der oben angedeuteten Richtung durch dieses Werk getan zu sein, das übrigens für die alpinen Schauplätze in Evolêne, Les Haudéres und Arolla gedreht wurde.