Die alpine Bibliothek von Coolidge
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Die alpine Bibliothek von Coolidge

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

In dem Jahresbericht, den die Bibliothekkommission für das Jahr 1926 an den Zentralvorstand des S.A.C. sandte, war der Hoffnung Ausdruck gegeben worden, dass der alpine Teil der Bibliothek des allbekannten Alpinisten Coolidge, der unlängst gestorben war, der Zentralbibliothek des S.A.C. zufliessen möchte. Diese Hoffnung ist glücklicherweise in Erfüllung gegangen, indem der alpine Bestand der genannten Bibliothek nach längeren, mühsamen Unterhandlungen angekauft werden konnte. Es hatte freilich bereits die Gefahr bestanden, dass die gesamte Bibliothek nach England komme. Doch wurde sie dadurch beseitigt, dass ein Konsortium sich bildete, bestehend aus der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern, der Zentralbibliothek in Zürich und einem Privaten, denen sich auch anerkennenswerterweise das Central-Comitee des S.A.C. anschloss, indem es einen Kredit für den Ankauf der alpinen Gruppen in bestimmte Aussicht stellte.

Dieser neuen Erwerbung kommt eine so hervorragende Bedeutung zu, dass es sich wohl lohnt, die Mitglieder des S.A.C. über ihren Wert etwas genauer zu unterrichten. Es kann diese Orientierung zunächst am besten dadurch bewerkstelligt werden, dass über die alpine Tätigkeit des Sammlers und frühern Besitzers der Bibliothek einige kennzeichnende Notizen gebracht werden. Die folgenden Ausführungen wollen durchaus nicht eine Biographie darstellen und die Persönlichkeit von Coolidge an sich nicht in Betracht ziehen, sondern sie sollen dazu beitragen, einen Einblick in die Eigenart der alpinen Tätigkeit dieses bedeutenden Alpinisten zu gewähren, um dadurch die hohe Bedeutung der Bibliothek ins richtige Licht zu stellen.

W. A. B. Coolidge ( 1850—1926 ), ursprünglich Amerikaner, hat seine wissenschaftlichen Studien an der Universität in Oxford gemacht und sich dort Titel und Rang eines Fellow of Magdalen College erworben. Die Sommermonate pflegte er schon sehr früh, von der Mitte der sechziger Jahre an, in den Alpen zu verbringen. Als er ums Jahr 1900 aus Rücksichten auf die körperliche Gesundheit seine turistische Tätigkeit abschloss und sich dauernd in Grindelwald niederliess, gab er ein Büchlein im Drucke heraus, in dem alle seine zahlreichen Türen aufgezeichnet sind. Die folgenden kurzen Skizzen deuten an, in welcher Art und zu welchem Zwecke die Türen unternommen wurden. Wer dem unermüdlichen Alpenwanderer begegnete, konnte wahrnehmen, mit welch peinlicher Gewissenhaftigkeit er alles Interessante beobachtete und namentlich auch die Zeiten, die für einzelne Strecken verwendet wurden, genau notierte.

Eines der ersten Gebiete, dem er sich zuwandte, ist das Berner Oberland. Nach mehreren kleinern Unternehmungen, wie Niesen ( 1865 ), Dündengrat, wurde sofort die Jungfrau ins Auge gefasst, und im Sommer 1867, als er erst 17 Jahre alt war, wirklich bestiegen. Im nächsten Sommer, 1868, folgten rasch aufeinander die Besteigungen von Aletschhorn, Balmhorn, Blümlisalphorn, Eiger, Finsteraarhorn, Wetterhorn. Über andere Turen, die er später, fast in jedem Jahre in grosser Menge, in diesem Gebiete ausführte, braucht hier nicht weiter berichtet zu werden. Auch die ersten Wanderungen in die Mont Blanc-Gruppe fallen in die sechziger Jahre. Wiederum ist es die bedeutendste Berggestalt, die nach einigen leichtern Unternehmungen erstrebt wurde. Die erste Besteigung des Mont Blanc vollführte Coolidge im Jahre 1869; die Tur wurde 1870, 1875 und 1876 ( zweimal ) wiederholt. Ein drittes Gebiet, das auch schon sehr frühe die Aufmerksamkeit des unternehmungslustigen Bergsteigers anlockte, sind die Alpen des Dauphine und die Grajischen Alpen. Auch hier kommt die höchste Erhebung, der Mont Pelvoux, im Jahre 1870 zu allererst an die Reihe. Es ist eigentümlich, dass sich Coolidge schon ganz früh in das Bergeil wandte und dort im Jahre 1867 den Piz Badile und die Cima di Rosso bestieg, später aber jene Gegend nie mehr betrat. Unter den wichtigern Bergen des Wallis war es wiederum die hervorragendste Erhebung, das Matterhorn, das zu allererst ( 1869 ) in Angriff genommen wurde. Zu den beachtenswerten Turen im Wallis gehören noch Grand Combin ( 1869 ), Zinalrothorn ( 1876 ), Dent Blanche ( 1870 ), Obergabelhorn ( 1878 ), Weisshorn ( 1871 ). Mehrere dieser Berge wurden zu wiederholten Malen bestiegen. Das Tödigebiet und in Graubünden die Gruppen Adula, Silvretta und Albula hat Coolidge eingehend erforscht, während Turen im Berninagebiet im Verzeichnis nicht erscheinen.

Von Winterturen sind zu nennen: Besteigungen des Männlichen, der Jungfrau ( 1874 ), des Schreckhorns ( 1879 ) und mehrere Aufstiege zu den Grands Mulets ( 1876 ).. Hierüber hat Coolidge eine besondere Abhandlung veröffentlicht: Courses d' hiver dans les Alpes, Turin 1879.

Die österreichischen und italienischen Alpen wurden nur auf zwei grösseren Reisen ( 1876 und 1897 ) besucht; die erreichten wichtigeren Ziele sind: Ortler, Cima di Piazzi, Adamello, Presanella, Cima Tosa, Marmolata. Coolidge unterscheidet sich dadurch von andern hervorragenden englischen Alpinisten und auch vom Österreicher Purtscheller, dass der räumliche Umfang seines Forschungsgebietes beschränkter war und sich nicht über die Grenzen von Europa hinaus erstreckte. Er legte sich in dieser Beziehung weise Mässigung auf, damit er die einzelnen Gebiete, denen er sich zuwandte, um so gründlicher erforschen und darstellen könnte.

In noch höherm Masse als aus der Betrachtung des Turenverzeichnisses kann aus der umfangreichen und mannigfaltigen schriftstellerischen Tätigkeit beurteilt werden, welche Bedeutung dem Ankauf der Bibliothek zukommt. Coolidge schrieb zahlreiche Aufsätze in das Alpine Journal, dessen Redaktion er mehrere Jahre leitete, und mit Vorliebe in das Bulletin de la Section Lyonnaise du Club Alpin Français sowie in andere Zeitschriften. Daneben nahm er sich Zeit, in einer namhaften Anzahl von Einzelschriften das Gebiet der Alpen nach verschiedenen Beziehungen zur Darstellung zu bringen. Die Schriften sind meist in englischer Sprache verfasst, viele in französischer und einige wenige in italienischer Sprache; der deutschen Sprache bediente er sich in seinen Schriften nicht.

Aus allen diesen schriftlichen Kundgebungen geht hervor, dass Coolidge nicht zur Ausübung des Sportes in die Berge gewandert ist, obschon ihm, besonders in jüngern Jahren, die körperliche Betätigung gewiss sehr erwünscht war. Die Triebfeder zu seinen Alpenwanderungen bildeten die mannigfaltigen Neigungen des Geistes, die er zu befriedigen suchte. Er besass eine besondere Vorliebe für geschichtliche Forschungen, deren Resultate in grössern Werken und zahlreichen kleinern Abhandlungen veröffentlicht sind. Die umfangreichste und inhaltlich bedeutendste Schrift auf diesem Gebiete behandelt die Persönlichkeit des Josias Simler, jenes hervorragenden Zürcher Gelehrten, der schon im sechzehnten Jahrhundert bedeutsame Bücher über die Alpen und speziell über das Wallis geschrieben hat. Auch die kleinern historischen Abhandlungen, z.B. über Ortsnamen im Saastal, über den Col de Fenetre, Col de Ferret, zeichnen sich durch peinliche Gewissenhaftigkeit der Forschung und Klarheit der Darstellung aus.

Ein umfangreiches Gebiet der Alpenkunde behandelt Coolidge in dem Werke: The Alps in Nature and History, in dem er allerdings über die naturwissenschaftlichen Gebiete, da er in diesen nicht selbst Fachmann war, andere, kundige Gelehrte sprechen lässt. Vor allem ist die Tätigkeit von Coolidge bei der Herausgabe der Climber's Guides hoch zu schätzen. In dieser Sammlung alpiner Führer über die französischen, Walliser und Berner Alpen, sowie noch über einige andere Gebirgsgruppen, die er mit Conway zusammen herausgab, haben unter anderm die Führer über die Tödikette, die Adulagruppe, zum Teil auch diejenigen über die Walliser, Berner und französischen Alpen, Coolidge zum Verfasser. In der Neuausgabe des Führers von Ball über die Westalpen und in dem Buche Swiss travel and Suisse guide books hat er auch die Gelegenheit ergriffen, schätzenswerte Notizen über wissenschaftliche und praktische Dinge in den Text einzuflechten.

Um den Umfang und den innern Wert der Coolidge-Bibliothek richtig beurteilen zu können, seien noch folgende Angaben gemacht: Selten nur sammelt ein Privatmann eine Bibliothek von solcher Reichhaltigkeit, wie Coolidge es getan hat, umfasste sie doch im ganzen 21,683 Nummern, eingeteilt in 102 Abschnitte des verschiedensten Inhalts. Der alpine Teil, der für die Zentralbibliothek des S.A.C. angekauft wurde, enthält über 3600 Stücke, wozu noch zahlreiche Separatabzüge und Ausschnitte kommen. Der Erwerbung der Broschüren, die in unserer Bibliothek grösstenteils noch nicht vorhanden sind, kommt eine besondere Bedeutung zu. In einer Bibliothek allgemeinen Inhalts sind es nämlich begreiflicherweise vornehmlich die Bücher, die deren Wert bestimmen. In Spezialbibliotheken dagegen, wie der unsrigen, gewinnen die Broschüren steigende Bedeutung, weil die erwünschte und anzustrebende Geschlossenheit der Bestände ganz besonders auch auf dem Vorhandensein der Broschürenliteratur beruht.

Der Zentralbibliothek des S.A.C. ist also eine sehr ansehnliche Bereicherung zuteil geworden, über deren Wertung noch folgendes hervorgehoben werden soll: In erster Linie haben die Bestände in englischer Sprache, die wir selbst von jeher möglichst zu mehren suchten, nunmehr eine willkommene Äufnung erfahren, die diesem Teile der Bibliothek eine gewisse Vollständigkeit verleiht. Aber auch die Literatur über die französischen, italienischen, aussereuropäischen und ganz besonders diejenige über die Schweizer Alpen ist wesent lieh bereichert worden. Dabei soll hervorgehoben werden, dass die Werke über die Dauphine-Alpen durch die neu erworbene turistische und alpinhistorische Literatur nahezu vollständig vorhanden sind. Um noch auf Einzelheiten hinzuweisen, sei bemerkt, dass in dem Zuwachs eine sehr reiche Literatur über die Mont Blanc-Gruppe vorhanden ist, die Coolidge mit besonderer Vorliebe erforscht hat. Gross ist auch die Reichhaltigkeit der Serien von Reisehandbüchern, die zum Teil bis in die Anfänge des vorigen Jahrhunderts zurückführen; die Werke Ebels und die Climber's guides sind vollständig vorhanden. Eine besondere Erwähnung verdienen die Führerbücher mehrerer hervorragender Führer des Berner Oberlandes, wie Jakob Baumann ( 1830 bis 1899 ), Peter Baumann ( geb. 1833 ), Chr. Bleuer ( 1808—1885 ), Chr. Bohren ( geb. 1834 ), Peter Bohren, Chr. Inäbnit ( geb. 1842 ), Peter Michel ( 1827—1878 ), Peter Schlegel ( 1841—1908 ), Andreas von Weissenfluh ( geb. 1834 ). Diesen Originalen schliesst sich der höchst seltene Faksimiledruck des Führerbuches von Chr. Almer an, welcher lange Jahre der ständige Führer von Coolidge gewesen war.

Die Gruppe der Periodica bringt nicht viel Neues, da unsere Bibliothek von jeher auf die Erwerbung der alpinen Zeitschriften grossen Wert gelegt hat. Immerhin ist es jetzt möglich, einige der wichtigern Zeitschriften, wie z.B. das Alpine Journal, im Doppel zur Ausleihe bereit zu halten.

Es mag manche Liebhaber und Kenner alpiner Literatur interessieren, auch eine Anzahl seltener und kostbarer Einzelwerke hier aufgezählt zu finden. Titel, Verfasser und Zeit des Erscheinens deuten allein schon einigermassen den Wert des Buches an. Folgende Auslese aus vielen Gebieten mag als Probe genügen: La totale et vrai Description de tous les passages, lieux, detroitz, par lequelz on peut passer et entrer des Gaules en Italie; Paris 1518. An account of the Glaciers or Ice Alps of Savoy; London 1744. Gesner, Conr.: Libellus de lacte et operibus lactariis; Tiguri 1541. Gesner, Conr.: Descriptio Montis Fracti juxta Lucernam; Tiguri 1553. Keate, George: The Alps a Poem; London 1763. J. Heidegger: Handbuch für Reisende durch die Schweiz, 2 Teile; Zürich 1787 und 1790.

Ernst Aug. Evers: Johann Rudolf Meyer von Aarau; Aarau 1815. Du Mont: Voyage en France, en Italie, en Allemagne etc.; The Hague 1699. Zschokke, Heinr.: Der schweizerische Gebirgsförster; Basel 1806. Scheuchzer, J. J.: Kern der Naturwissenschaft; Zürich 1711. Herbert, Henry: A. Fortnight's Journal ( in the Jura ); London 1838.

Coxe, Henry: The Traveller's Guide in Switzerland; London 1816.

Parrot, F.: Journey to Ararat; London 1845.

Cook, F. A.: To the top of the Continent ( Mount McKinley ); London 1909.

Hacquet, Balthasar: Reise durch die norischen Alpen; Nürnberg 1791.

White, Walter: On foot through Tyrol, in the Summer of 1855; London 1856.

Coghlan, Francis: Guide to Switzerland and Chamounix; London 1839.

Gregory, A. T.: The Practical Swiss Guide; London 1856.

Bourrit, M. Th.: Schreiben des Herrn Bourrit an die Miss Craven über zwei Reisen auf den Gipfel des Montblanc; Dresden 1787. The legend of Einsidlin. A tale of Switzerland, with poetical Sketches of Swiss Scenery; London 1829. Lascelles, R.: Sketch of a descriptive Journey through Switzerland, to which is added the Passage of S. Gotthard, a poem; Bern 1816. Martyn, Th.: Sketch of a Tour through Switzerland, with account of Saussure's ascent of Montblanc; London 1788.

Zu den angekauften Beständen kommen noch hinzu: 1. eine grosse Zahl unkatalogisierter Hefte von Zeitschriften und Aufsätzen alpinen Inhalts, sowie Sonderabzüge und Ausschnitte aus solchen, namentlich viele Stücke über das Mont Blanc-Gebiet; 2. die ganze ausgedehnte Korrespondenz von Coolidge, allerdings in ungeordnetem Zustande. Die Briefe haben jedenfalls insofern einen Wert, als sie zeigen, wie ausgedehnt die Verbindungen von Coolidge mit berühmten Alpinisten aller Länder gewesen sind; sie bieten auch insofern Interesse, als sie über die Entstehung vieler Werke und über die Art ihrer Bearbeitung wünschenswerten Aufschluss erteilen.

Die alpine Tätigkeit von Coolidge fällt in eine Zeit, da der Alpinismus in Tat und Schrift im schönsten Emporblühen stand und es ihm daher möglich war, eine reichhaltige Bibliothek zu gründen und besonders solche Werke zu erwerben, die heutzutage nur schwierig oder gar nicht mehr zu beschaffen sind.

Das Central-Comitee des S.A.C. hat durch die Gewährung eines Kredites von Fr. 7500 den Ankauf der Bibliothek Coolidge ermöglicht, wofür ihm der beste Dank erstattet werden soll. Der wirkliche materielle Wert übersteigt die genannte Summe um ein Bedeutendes; der geistige Wert vollends ist unschätzbar.

Es ist zu wünschen, dass diese neu erworbene Literatur von den Mitgliedern des S.A.C. fleissig benützt werde; die einzelnen Bände sind schon katalogisiert und stehen zum Bezug bereit.

Für die Bibliothekkommission des S.A.C.: Dr. E. Walder.

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