Die Besteigung des Phan-si-pan
HOLZHACKERBERGSTEIGEN IN DEN TROPEN HINTERINDIENS VON MIRO ROZEHNAL, OSTRAVA
Mit einer Kartenskizze und vier Bildern ( 125-128 ) « Na, was wird mit dem Phan-si-pan », tadelten mich die Eingeborenen sowie die Europäer, als ich nach mehreren gescheiterten Versuchen mich mit der anscheinend gleichgültigen Resignation umhüllte.
Ja, zehnmal gescheitert, noch bevor man ihn zu Blick bekommen hatte, den höchsten Berg im viet-namesischen Massiv Hoang-lien-son, sogar den höchsten von Hinterindien. Gescheitert wegen des Mangels an geeigneten Gefährten, am Vorgebirge der amtlichen Meinungen, die die Sicherheit des fremden Gastes mehr als irgendeines Wanderers Abenteuer schätzten. Gerade deshalb lockte der Berg und rief den sehnsüchtigen Bergsteiger, weil auch die benachbarten Siebentausender im Sze-chuan noch lange Jahre dem Fremden verschlossen bleiben werden.
3100 m - ist nicht viel, namentlich im Schatten des bald zur Mode gewordenen Himalayas. Auf dieser Höhe unter dem Wendekreis des Krebses wird sich kaum der Schnee halten. Doch seit 20 Jahren hat sich niemand um den Berg beworben, ausgenommen eine Gruppe polnischer Teilnehmer des geophysikalischen Jahres, die zufälligerweise direkt am Fusse des Phan-si-pan arbeiteten.
« Zum Teufel mit dem Phan-si-pan! », schlug ich immer die Bemerkungen ab, aber in Wirklichkeit bereitete ich mich geduldig vor, bis die Stunde schlagen werde.
Die Erfahrungen, die ich inzwischen in den Monsungebirgen sammelte, belehrten mich, dass für diesen Berg nicht dieselben Richtlinien wie für das Gebiet vom Karakoram bis Burma gelten. Vom Mai ab genügen die Regenzeit, Wasserfälle und ekelhafte, kleine Blutegel, den Eindringling schon beim ersten Schritt wegzujagen. In der « winterlichen » Trockenzeit verursacht kalter Nebel, dass man im verwickelten, bewachsenen Gelände wie ein Blinder ohne Orientation irrt und in irgendeiner Schlucht ohne Ausgang sein letztes Biwak findet. Es gibt auch keinen Tropfen Wasser mehr. Für die Besteigung kommt nur der Spätherbst in Frage, wenn die Tageslänge noch 14stündigen Marsch erlaubt; das Wetter pflegt schon beständig zu sein, und man findet noch ausreichend Wasser.
So eilte ich mit meinem Kollegen Dr. med. Hoi Xuan eines Tages von der Küste des Südchinesischen Meeres 400 km hinauf, über Hanoi und durch die endlosen Dschungel, entlang dem Roten Flusse bis zur chinesischen Grenze bei Lao-kay. Niemand wusste diesmal, wohin wir hinstreben. Sogar Xuan erfuhr es erst am Vorabend der Besteigung, als er im verlassenen Bergnest Sa-pa das riesige Gepäck der Ausrüstung aufmachte und den Auftrag bekam, unter dem Jägervolke Meo zwei wackere Kerle auszufinden.
Die letzte Nacht starrte die mächtige Wand des Phan-si-pan noch 2000 m über Sa-pa im zauberhaftem Vollmond. Der ursprüngliche Urwald rechts und links, 20 km weit, bedeckte ohne Lücke den Leib des Berges, auf welchem der silberne Mondschein unvergessliche Stimmungen hervorzauberte.
Diese Nacht ahnte ich nicht, dass dieses Holzhackerbergsteigen mehr Schweiss und Mühe kosten werde als manche schwierige Alpentour.
Es war Montag, den 14. Dezember 1959, als der eigentliche Aufstieg beim Morgengrauen begann. Zuerst stiegen wir mit meinen zwei Gefährten, Dr. Xuan und einer Dame, die aus diplomatischen Kreisen Pekings kam, etwa 300 m hinunter in eine Siedlung des Meostammes. Das sonst ruhige Dorf wimmelte von Leuten. Frauen, Kinder verabschiedeten sich von ihren Vätern, junge Soldaten packten Reis und leichte Waffen ein, als ob wir in einen Kampf ziehen würden. Vor allen standen, wie steinerne Statuen, majestätisch Hang A Gian und M'a A Linh, meine Meoführer. Als ich das alles sah, war ich entsetzt; für eine so grosse Karawane hatte ich weder genügend Ausrüstung noch Wasser, ungeachtet dessen, dass eine so schwerfällige Armee kaum auf den Gipfel gelangen konnte. Zu einer Lösung der Sache war aber jetzt nicht mehr Zeit genug. Im Nu hatte ich eine ganz andere Taktik im Sinn anstatt langwierigen orientalischen Verhandeins. Los!
Bald gelangten wir in die berüchtigte Schlucht, in der die Gewässer des Phan-si-pans dröhnen. Wirkliche Taufe des ganzen Unternehmens! Fünf 10 m lange Bambusse, lose nebeneinander gelegt, führten über die fürchterliche Schlucht. Niemand hatte Lust dazu. Alle schauten mich an. Also ging ich zuerst über den schwebenden Toboggan zur gegenüberliegenden Felswand hinüber. So rettete ich den guten Ruf des Bergsteigers, und hinter mir, mit eleganten Bewegungen, folgten die zwei Meos. Als wir die feuchte Felswand hinauf kletterten, hörten wir aus der Schlucht lauter Aufmunterungen, und hinter uns entstand eine grosse Lücke. Der Tross blieb zurück!
Den luftigen Aufstieg ermöglichten aufgehängte gekerbte Baumstämme und Lianen. Erst später zeigte sich ein Pfad, der sanft durch das 2-3 Meter hohe Elephantengras führte. Das Gras verhinderte jegliche Aussicht, aber in der zunehmenden Tagesschwüle bescherte es uns angenehmen Schatten. Nach einer Stunde stiessen wir auf eine Gruppe von Meofrauen, die eine Grube gruben, in welchen ihre Männer ein besonderes gelbes Holz zu Kohle brannten. Erst weitere Stunden später gelangten wir zu einem Haus, das ähnlich einer Sennhütte in den Alpen war und in welcher die Meos wohnten. Es lag in der Höhe von 1350 m mitten in Mohnfeldern ( Opiumraucherund halbwilden Bananenstauden. Ihre Einwohner sahen wirklich wild aus! Die Männer verbargen ihren meterlangen Zopf unter der Mütze, die Kinder dagegen waren bis auf einen kleinen Haarschopf glattgeschoren, und die Frauen verhüllten sich erst, als sie den weissen Mann sahen.
Sobald unsere zweite Gruppe erschien, erhoben wir uns zum Weitergehen, damit wir nicht zu Gehör bekamen, wie sie uns in drei asiatischen und zwei europäischen Sprachen beschimpften. Leider ging es nicht anders. Die Sonne stieg schnell dem Zenith zu, und die Zeit nahm noch schneller ab!
Gott sei Dank, der Marsch unter der glühenden Sonne dauerte nicht ewig, und hinter einem Sumpf-streifen breitete sich der erwartete Wald aus. Aber was für ein Wald! Gleich wurde es kühl, und das grelle Licht wurde gedämpft. Bis zum morgigen Tag werden wir wohl ohne Orientierung in den grünen Tiefen herumirren, bis wir den Kamm erreichen. Hier fliegen keine fantastischen Schmetterlinge wie am Tam-dao herum, hier stört nicht ein Vogelgeschrei die Ruhe der Fäulnis und des Modems. Ärger war es, dass der Pfad, der angeblich bis zum Kamm führen sollte, in der üppigen Vegetation verschwand. Hang A Gian wühlte sich aber mit unbeirrtem Instinkt empor. Er soll ja bei seinen Jagd-streifzügen und sicher auch während des Kampfes hoch über 2000 m hinaufgekommen sein.
Schwer kann man den weiteren Weg durch die grüne Wildnis schildern. Bald verschwanden die Farnbäume und stammlosen Palmen der niedrigeren Stockwerke des Urwaldes. Eine formlose Draperie von Blättern, Wurzelnetzen, Drähten, Schnüren und Fäden von Lianen, Stämmen und Stangen stiess an unsere Stirn, wo immer man versuchte durchzukommen. Man konnte darin schwimmen, wie ein Affe springen oder sich durchbeissen, wie es beliebig oder möglich war.
Gegen Mittag hörten die Meos auf, mit ihrem halbmel;erlangen Messer den Weg zu bahnen, und wir überschritten wahrscheinlich einen Nebenkamm, da der Weg steil in eine Kluft führte. Es war eine der vielen verlorenen Höhen, die, wenn wir sie zusammenzählen, uns anstatt auf den Phan-si-pan in die Höhe über 4000 m geführt hätten. Deshalb glaube ich, dass, wenn einmal diese herrliche Gegend den Massen der Touristen zugänglich ist, der Aufstieg direkt durch den NW-Abhang des Berges gehen wird.
Den Ausgang aus der Kluft ermöglichten wieder hängende Wurzeln und Äste. Hier stiessen wir auf die ersten Bambusbüsche, und es dauerte nicht lange, bis diese das ganze Kampffeld beherrschten. Der Bambus war aber ärger als die Waldgruft. Die Flecken des Lichtes und der Schatten verwirrten das Auge. Stinkende, faulende Halme versperrten buchstäblich den Weg, und wie Speere richteten sie sich unsichtbar gerade dorthin, wohin das Gesicht zielte. Unermüdlich haute Hang A Gian einen .'SÄ-PA 1450 NAM KAUA 560 Tunnel hindurch, durch den er wie eine Schlange kroch, aber ich, als Leiter und zugleich Träger der Expedition schnaufte hinter ihm her, da die querstehenden Bambusse mich am prallen Rucksack zurückzogen.
Es war auf der Höhe von 1920 m. Wir mussten uns ausruhen und essen. Auch die Sorge um die zweite Gruppe lud zum Warten ein. Aber wir kamen nur zu vier zusammen. Es erreichte uns nur der Verbindungsoffizier, der nicht wusste, ob er unten die weisse Frau oder oben den verrückten Ausländer mit seinen zwei Meos behüten sollte.
Am späten Nachmittag erlebten wir zwei Überraschungen.
Kaum dass wir von neuem in den Urwald eindrangen, « wohin bisher noch kein Mensch gekommen ist », erblickten wir eine Holztafel mit der kaum leserlichen Inschrift: « Dernière eau »! Donnerwetter, es waren Zeiten, wo man den Phan-si-pan wie den Rigi im touristischen Stil bestieg! Da füllten wir sämtliche leeren Gefässe. Bald darauf stiessen wir auf eine noch grössere Überraschung. In der Höhe von 2320 m trafen wir irdische Überreste einer französischen Schutzhütte, von der niemand von uns etwas wusste. Es blieben von ihr ein paar verfaulte Balken und ein Herd übrig. Darüber blühten zwei mächtige baumartige Rhododendren, die gerade mit roten Blüten überschüttet waren.
Die weiteren unübersehbaren Hänge waren wieder mit dem jungfräulichen Urwald bedeckt. Aber es schien, als ob in dieser Höhe seine Dichte schon abnahm. Man konnte die ersten Nadelbäume, für uns unbekannte Arten, erblicken, und die Sträucher bekamen allmählich den Charakter des elastischen Alpenknieholzes.
Der erste Tag ging zur Neige. Rasch dämmerte es. Um 18.15 schon standen wir im tiefen Zwielicht, fanden einen Lagerplatz, der kaum 4 m lang, aber waagrecht und trocken war. Ein eigentümliches Weihnachtsbiwak unter einem Korb von Orchideen, doch eben so lang und öde wie ein Oster-biwak in unseren Alpen.
Als unsere Freunde nachkamen, kochte schon das Abendessen. Vor dem Schlafengehen besprachen wir den morgigen Plan. Eine so uneinheitliche Mannschaft würde nur einen Misserfolg, wenn nicht etwas Schlimmeres zur Folge haben. Deshalb sollte die Frau morgen nach Sa-pa zurückkehren, und die jungen Soldaten mit Reisdüten sollten ihr das Ehrengeleit geben. Xuan übersetzte alles in das Vietnamesische, alle stimmten bei, und mir fiel ein Stein vom Herzen. Das übertriebene Tempo hatte doch seine Folgen und Vorzüge. Im Scheine des Feuers schrieb ich noch einen Brief ans Comité in Sa-pa, unter anderem um die Bewilligung, die dritte Nacht am Phan-si-pan verbringen zu können, und es möge uns nicht in den nächsten vier Tagen eine Rettungsexpedition nachgeschickt werden.
Als ich mich endlich im Nylonsack zum Schlafe legte, stieg der Teller des Vollmondes die Äste empor, während im Dickicht des Waldes eine solche Dunkelheit herrschte wie bei Neumond. Auch eine Belehrung! Dadurch unterscheidet sich eine Urwaldtour von einer Gletscherwanderung: der Vollmond hat keinen Wert.
Am 15. Dezember nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns. In der Dämmerung der ausklingenden Nacht sah man kaum den Weg. Zur grossen Überraschung dauerte es nicht einmal eine halbe Stunde, und wir standen auf dem ersehnten Kamm. Diesen Platz markierte ich mit roten Streifen Papier, damit wir beim Abstiege den Weg vom Kamm in den Abhang finden konnten.
Den polnischen Angaben nach geht es schon leicht und gut weiter zum Gipfel: 7-8 km im hohen Gras, hinauf und hinunter. Wir rechneten deshalb, vor Mittag auf dem Gipfel zu stehen. In Wirklichkeit schaute der Kamm ganz anders aus. Gleich bei den ersten Schritten scheiterten wiederholte Versuche an der undurchdringlichen Bambuswand. Als wir endlich auf eine Felsinsel hinaufkrochen, erblickten wir eine unendliche Vegetationsdecke, durch die man jeden Schritt durchhauen musste. Es war eine grosse Enttäuschung für uns!
Im Schneckentempo arbeiteten wir uns auf eine 2800 m hohe Kuppe durch. Als die Führer unter sich die halb mit Wolken ausgefüllten Täler sahen und in den Lücken die leuchtenden Dächer ihres Sa-pa-Dorfes, stiessen sie ein Freudegeschrei aus, riefen ihre Bekannten an und benahmen sich wie kleine Kinder. Sonst sah man ausser Sa-pa im Umkreis von 50 km keine einzige Spur einer menschlichen Anwesenheit oder Tätigkeit, was für einen Zivilisierten ein aussergewöhnliches Erlebnis ist.
Vom eigentlichen Massiv des Phan-si-pan trennte uns eine etwa 300 m tiefe Scharte, die sich an der gegenüberliegenden Seite mit wildem Pfeiler auf bäumte. Beide Meos weigerten sich, dorthin zu gehen. Erst ein erhöhtes Honorar gab ihnen Mut.
Zwei Stunden lang kämpften wir mit dem furchtbaren Gebirgsdschungel. Man konnte diesmal nicht einen Tunnel hauen, weil die Messerklinge von den Rhododendronästen wie von Hartgummi-schläuchen zurücksprang. Wir krochen deshalb ab und zu über das Geäst, aber immer wieder verschwand jemand von uns im « Keller des Geästes. » Bald hingen auch unsere extrafesten Kleider von uns in Fetzen herab.
Der Abhang auf der anderen Seite der Scharte - der Schätzung nach 70° steil - erlaubte, gegen Erwartung, eine freiere Bewegung. Die Winde, die zwischen Laos und China über den Kamm wehen, ermöglichen zwischen den Kalkfelsen nur die Entwicklung von Rasen auf Felsbänken, in dem Habichtskräuter blühten und Ranken, ähnlich unseren Brombeersträuchern, die sich um unsere Füsse wanden. Hier fanden wir zum ersten Male eine besondere Art vom Gebirgsbambus. Er wuchs dicht, 50 cm hoch, wie ein Haferfeld, mit kahlen, harten Halmen, und erst an der Spitze schlug er einen dichten Büschel kleiner Blätter aus Einige Exemplare, aus 2800 m Höhe, brachte ich nach Hanoi mit.
Von hier aus bis zum Gipfel führt auf eine Länge von 5 km ein welliges Kammgelände. Der starke Wind liess sich fühlen. Wir zogen die Jacken und Hemdhosen an, gingen um zwei weitere Kuppen, die ich für mich Castor-Pollux nannte, und um 13 Uhr mass ich den tiefsten Punkt des Grates, mit 2700 m, den wir « Langer Sattel » tauften.
Hier nahm das mühsame, doch frohe Wandern ein jähes Ende. Niemand wusste wie: wir wurden plötzlich vom Nebel verschluckt. Es wurde dunkel, der Sturm jagte eine Wand kalter Wolken vor sich her, der Nebel klebte sich unangenehm an die erhitzten Gesichter, und das Kleid wurde feucht. Mit dem Kopfe über dem Gebüsch gelang es mir noch einen flüchtigen Blick über den Rest des Geländes zu werfen, einen letzten Blick in die Weite. Die beiden Bewohner der tropischen Wälder, ungewohnt einer solchen Bergszenerie und ungenügend bekleidet, zitterten vor Kälte. Kein Wunder, dass sie sich immer wieder mit dem Gesicht talwärts wandten. Diesmal wollten sie nichts vom Geld hören und stellten sich taub zu den Ermutigungen Xuans. Es blieb mir nichts als eine kleine List übrig. Ich machte mich selbst auf den Weg. Lange überlegten sie es sich, schliesslich aber folgten sie mir nach.
Eine Stunde später, hinter dem letzten Anstiege ( letzter Sattel ) sollte sich die eigentliche, nun allerdings unsichtbare Gipfelmasse erheben. Nach 15 Uhr standen wir bis zum Gürtel im Gebüsch ( 2850 m ), genau so hoch wie heute früh! Im Nebel sahen wir nicht einmal zehn Schritte weit, und Schatten auf dem Nebelvorhang, in dem wir schon den Gipfel suchten, enthüllten sich immer nur als ein naher Fels oder Gebüsch. Noch schlimmer war es, dass wir im Nebel und dem Vegetations-labyrinth nicht den Weg des geringsten Widerstandes wählen konnten. Doch um 15.35 zeigte der Höhenmesser 3000 m, und es war sicher, dass wir uns dem Ziele näherten. Die letzten 150 m dauerten aber noch eine volle Stunde!
In einem Erdloch verteilte ich Schokolade und zweimal verdünnten Tee und schickte die Jäger weitere Durchgangsmöglichkeiten zu suchen. Der Wind heulte, stehend im Nebel begann es kalt zu werden. Die Jäger kamen nicht zurück. Auch die Zeit eilte bedenklich. In einigen Stunden begann die Nacht. Weiter zu warten bedeutete von hier zurückzukehren und den Sieg aufzugeben. Deshalb fragte ich, als M'a A Linh auf unsere Signale zu uns kam, ob Xuan die letzten Meter mit mir steigen wolle. Der Arzt stimmte zu, wir verabredeten mit M'a A Linh in jeder Minute Signale zu geben und begaben uns nun zu zweit auf den linken Abhang, jede zehn Schritte mit rotem Papier bezeichnend. Um 16.45 erreichten wir über Kalkfelsen, die von Wacholder, Rhododendronsträuchern und Gebirgsbambusfeldern besetzt waren, den Gipfel.
Ausser eines scharfgeschnittenen, freigelegten Bambusses fanden wir keine Spur menschlicher Anwesenheit. Der kalte Wind und Nebel brachten uns um alles, was man auf dem Gipfel geniesst:
Ausblick, Photos und die Gipfelzigarette. In den Bambushalm steckten wir ein Glasröhrchen von Medikamenten mit meiner Visitenkarte, auf welche ich noch hinzuschrieb: Dr. Xuan-Haiphong -15. 12. 1959.
Der Abstieg vom höchsten Berge Vietnams verlief eher im Zeichen eines Wettrennens als von stolzen Toreadoren. In der Finsternis fanden wir unseren Aufstiegstunnel sowie meine Papierstreifen nicht, und eine der drei elektrischen Lampen ging verloren, als sie uns aus den Händen glitt und erlosch. Die Meos, die trotz den für sie bestimmten Schuhen - weil sie diese nicht vertrugen -barfuss gingen, waren blau vor Kälte. Es war um 10° C, in der Nacht würde es auf dem Kamm noch kälter sein und aus dem Nebel regnen, wenn nicht, wie im Jahre 1958, sogar Schnee fiel. In einer Mulde hinter den Zwillingen fanden wir auf dem Nordabhang Schutz gegen den Südwind und verbrachten eine schlaflose Nacht.
Am nächsten Tage abends gelangte unsere zusammengeschrumpfte Gruppe fast im Laufschritt nach Sa-pa. Da trafen wir mit unseren Kameraden und Gönnern zusammen, und lange noch feierten wir in derselben Nacht den Aufstieg auf den Phan-si-pan!