Die Büttlassenlücke
Unterstütze den SAC Jetzt spenden

Die Büttlassenlücke

Hinweis: Dieser Artikel ist nur in einer Sprache verfügbar. In der Vergangenheit wurden die Jahresbücher nicht übersetzt.

( Neuer Übergang zwischen Gspaltenhorn und Büttlassen. ) Schon in früheren Jahren hatten mein Bruder und ich uns gefragt, ob das Gspaltenhorn oder doch wenigstens dessen Nordwestgrat nicht vom Sefinenthal aus erreicht werden könne, aber wir waren nie dazu gekommen, einen Versuch zu machen. Nun ist jedoch im Jahr 1891 Mr. Seymour King ( A. C. ) mit dem Führer A. Supersax von der Boganggen-AIp aus um die Ostwände des Büttlassen herum zu dem kleinen Gletscher gelangt, der von der Lücke zwischen Gspaltenhorn und Büttlassen gegen das Sefinenthal herabhängt, ist über diesen emporgestiegen und ohne Berührung der Lücke ob dem „ Leitergrat " auf den Gspaltenhornweg und auf die Spitze gelangt. Er hat dabei einen Steig benutzt, der den Gemsjägern von Lauterbrunnen und Frutigen wohl bekannt ist ( von dem wir früher keine Kenntnis hatten ), und hat damit von Murren aus einen neuen Zugang zum Gspaltenhorn eröffnet, der erst hoch oben mit dem alten, bisher einzigen Weg zusammentrifft. Da mein Schwager, Herr René König, meine Frau und ich ( ohne Führer ) am 29. Juli 1894 diesen Steig ebenfalls benutzt haben und zwar als Übergang von der Boganggen-Alp zur Gamchialp und dem Kienthal, so möge eine kurze Beschreibung desselben hier Stelle finden.

Von der Boganggen Alp ( 2045 m ), oberste der Sefinenalpen, verfolgt man zunächst ein Stück weit den Weg zur Sefinenfurgge und biegt dann links zum Seelein „ Hinterm Horn " ab. Man gewahrt nun über sich ( südöstlich ), dem Nordostgrat des vorderen Büttlassen entragend, zwei eigentümlich geformte Felsgebilde, deren linkes, tiefer stehendes und interessanteres wohl die bei den Gemsjägern wohlbekannte sogenannte Gems-kapelle ist. Eine Gemse, die bis hierher gelangt, soll für den Jäger nicht mehr erreichbar sein. Unsere Richtung geht zum rechten obern Fuß der obern der zwei Zacken und zwar über eine ziemlich steile, rauhe Schieferhalde quer hinauf. Bei der Zacke angelangt, steht man am Rande einer engen Schlucht, die unten in senkrechte Abstürze ausmündet. Der Übergang zur jenseitigen Ecke ist viel leichter als er aussieht, und einmal dort, gewahrt man im Grase die schwache Spur eines winzigen, den Abstürzen entlang sich ziehenden, schwindligen Pfades. Oft verschwindet dieselbe ganz, man glaubt dann wohl auf falscher Fährte zu sein, aber stets kommt sie wieder zum Vorschein. Stets in ungefähr gleicher Höhe sich haltend ( etwa 2500—2600 m ü. M. ), umzieht dieser Weg die Felswände und Gräte, immer neue Ecken zeigen sich, wo es scheinbar nicht mehr weiter geht, und immer wieder findet sich ein unschwieriger Ausweg. Eine von den umliegenden Höhen aus gut erkennbare große Aushöhlung der Wände wird passiert, und bald nachher, etwas vor der tiefen Schlucht, die, vom Nordostgrat des nördlichen Btittlassen ( 3052 m ) ausgehend, die ganze Ostwand des Berges spaltet ( auf der topogr. Karte nicht genügend hervorgehoben ), erreicht man die Balm der Gemsjäger. Holz und einige Kochutensilien, die hier versorgt sind, lassen über die Identität dieses Zufluchtortes keinen Zweifel aufkommen. In erdrückender Nähe, wild und abschreckend, erheben sich gegenüber die teilweise mit Eis bekleideten Wände des Gspaltenhorns und Tschingelgrates, hoch oben leuchtet die Firnschneide des Büttlassen in der Morgensonne und unmittelbar zu Füßen hat man das bewaldete, schöne Sefinenthal mit der Jungfrau, die sich jenseits von dessen Ausmündung in schwindelnde Höhen erhebt. Bis hierher ist man stets demselben Bande gefolgt, bald nach der Balm hat man dasselbe jedoch, etwas rechts in die Höhe kletternd, mit dem obersten, breiteren Band zu vertauschen, das ungefähr in gleicher Höhe läuft, wie die Zunge des von der Büttlassenlücke herabhängenden Gletschers. War bisher stete Vorsicht von Nöten gewesen, so geht es hier viel rascher, denn die Schutt- und Schieferhänge, die den Zugang zum Eise vermitteln, sind unschwierig zu passieren Der Gletscher zerfällt in drei Teile: unten die steile Zunge, dann in halber Höhe einige leichte Séracs, die nach links traversiert werden, und endlich ein steiler Schnee- oder Eishang, der nach rechts erstiegen wird und zu sanfteren Schneehängen und der Jochhöhe führt. Je nach Umständen wird man leicht und schnell hinaufgelangen, oder aber, wie wir, ordentlich zu hacken haben. Den Steinfällen vom Büttlassen herunter, denen man auf dem untern Teil des Gletschers ausgesetzt wäre, weicht man aus, indem man sich möglichst nahe an die Felswand hält. In den Séracs sahen wir ein prächtiges, großes Eisthor, und die Felsen des Büttlassen sind ein stark benutzter Tummelplatz der Gemsen, sowie der niedlichen, rotgesprenkelten Alpenmauerläufer, welche in diesem einsamen und wilden Felsengebiete wenig gestört werden. Der eigentümliche, wie eine leise Klage tönende Schrei des Alpen-Colibris ( wie Tschudi diesen Vogel nennt ) begleitete uns während der ganzen Traverse; die Tierchen bekümmerten sich gar nicht um uns und waren so wenig scheu, daß wir ihr Spiel an den Felsmauern aus nächster Nähe beobachten konnten.

Schließlich möchte ich diesen Weg, der weniger einfach, aber viel interessanter ist als der gewöhnliche Aufstieg zum Gspaltenhorn von der Gamchialp aus, sehr empfehlen. Die Gemsjägerbalm, in herrlicher und origineller Lage hoch oben an senkrechter Wand, ist ebenso geschützt und gut als die Balm auf der Gamchiseite, und wenn die Schneeverhältnisse auf dem Gletscher günstig sind, wird man von diesem Nachtquartier aus in wenig längerer Zeit auf die Büttlassenlücke gelangen, als von Westen her. ( Vide auch Alpine Journal vol. 16, pag. 270, und vol. 4, pag. 129 ff.Paul Montandon ( Sektionen Bern und Blümlisalp ).

Feedback